Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
Simplicius Simplicissimus
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das 17. Kapitel

Obschon im Krieg der Adel, wie billig, dem gemeinen Mann vorgezogen wird, so kommen doch viel aus verächtlichem Stand zu hohen Ehren

Dieses verdroß einen Feldweibel so sehr, daß er trefflich anfing zu schmälen, aber Adelhold sagte: »Weißt du nicht, daß man je und allwegen die Kriegsämter mit adeligen Personen besetzt hat? als welche hierzu am tauglichsten sind; graue Bärt schlagen den Feind nicht, man könnte sonst ein Herd Böck zu solchem Geschäft dingen, es heißt:

Ein junger Stier wird vorgestellt
    Dem Haufen, als erfahren,
Den er auch hübsch beisammen hält,
    Trutz dem von vielen Jahren;
Der Hirt darf ihm vertrauen auch,
    Ohn Ansehn seiner Jugend,
Man judiziert nach bösem Brauch,
    Aus Altertum die Tugend.

Sag mir, du alter Krachwadel, ob nicht edelgeborne Offizier von der Soldateska besser respektieret werden, als diejenigen, so zuvor gemeine Knecht gewesen? und was ist für Kriegsdisziplin zu halten, wo kein rechter Respekt ist? darf nicht der Feldherr einem Kavalier mehr vertrauen, als einem Baurenbuben, der seinem Vater vom Pflug entlaufen, und seinen eigenen Eltern kein gut tun wollen? Ein rechtschaffener Edelmann, ehe er seinem Geschlecht durch Untreu, Feldflucht, oder sonst etwas dergleichen einen Schandflecken anhängte, ehe würde er ehrlich sterben: zudem gebührt dem Adel der Vorzug in allwege, wie solches leg. Honor. dig. de honor. zu sehen. Johannes de Platea will ausdrücklich, daß man in Bestallung der Ämter dem Adel den Vorzug lassen, und die Edelleut den Plebejis schlecht soll vorziehen; ja solches ist in allen Rechten bräuchlich, und wird in Hl. Schrift bestätigt, denn Beata terra, cuius Rex nobilis est, sagt Sirach cap. 10, welches ein herrlich Zeugnis ist des Vorzugs, so dem Adel gebührt. Und wenn schon einer von euch ein guter Soldat ist, der Pulver riechen, und in allen Begebenheiten treffliche Anschläg geben kann, so ist er darum nicht gleich tüchtig, andere zu kommandieren; dahingegen diese Tugend dem Adel angeborn, oder von Jugend auf angewöhnet wird. Seneca sagt: Habet hoc proprium generosus animus, quod concitatur ad honesta, et neminem excelsi ingenii virum humilia delectant et sordida. Welches auch Faustus Poeta in diesem Disticho exprimiert hat:

Si te rusticitas vilem genuisset agrestis,
    Nobilitas animi non foret ista tui.

Überdas hat der Adel mehr Mittel, ihren Untergehörigen mit Geld, und den schwachen Kompagnien mit Volk zu helfen, als ein Bauer: So stünde es auch nach dem gemeinen Sprichwort nicht fein, wenn man den Bauren über den Edelmann setzte; auch würden die Bauren viel zu hoffärtig, wenn man sie also strack zu Herren machte, denn man sagt:

Es ist kein Schwert das schärfer schiert,
Als wenn ein Baur zum Herren wird.

Hätten die Bauren durch lang-hergebrachte löbliche Gewohnheit die Kriegs- und anderen Ämter in Possession, wie der Adel, so würden sie gewißlich sobald keinen Edelmann einkommen lassen; zudem, ob man euch Soldaten von Fortun (wie ihr genennet werdet) schon oft gerne helfen wollte, daß ihr zu höhern Ehren erhaben würdet, so seid ihr aber alsdann gemeiniglich schon so abgelebt, wenn man euch probiert hat und eines Bessern würdig schätzet, daß man Bedenkens haben muß, euch zu befördern; denn da ist die Hitz der Jugend verloschen, und gedenket ihr nur schlechts dahin, wie ihr euren kranken Leibern, die durch viel erstandene Widerwärtigkeit ausgemergelt und zu Kriegsdiensten wenig mehr nutz sein, gütlich tun und wohl pflegen möget, Gott geb, wer fechte und Ehr einlege; hingegen aber ist ein junger Hund zum jagen viel freudiger als ein alter Löw.«

Der Feldweibel antwortet': »Welcher Narr wollte denn dienen, wenn er nicht hoffen darf, durch sein Wohlverhalten befördert, und also um seine getreuen Dienst belohnt zu werden: Der Teufel hol solchen Krieg! Auf diese Weis gilts gleich, ob sich einer wohl hält oder nicht. Ich hab von unserm alten Obristen vielmals gehört, daß er keinen Soldaten unter sein Regiment begehre, der sich nicht festiglich einbilde, durch Wohlverhalten ein General zu werden. So muß auch alle Welt bekennen, daß diejenigen Nationen, so gemeinen aber doch rechtschaffenen Soldaten forthelfen und ihre Tapferkeit bedenken, gemeiniglich victorisieren, welches man an den Persern und Türken wohl siehet. Es heißt:

Die Lampe leucht dir fein, doch mußt du sie auch laben
Mit fett Oliven-Saft, die Flamm sonst bald verlischt:
Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt;
Soldaten Tapferkeit will Unterhaltung haben.«

Adelhold antwortet': »Wenn man eines redlichen Manns rechtschaffene Qualitäten siehet, so wird er freilich nicht übersehen, maßen man heutigen Tags viel findet, welche vom Pflug, von der Nadel, von dem Schusterleist und vom Schäferstecken zum Schwert gegriffen, sich wohl gehalten, und durch solche ihre Tapferkeit, weit über den gemeinen Adel, in Grafen- und Freiherrenstand geschwungen. Wer war der kaiserliche Johann von Werd? wer der Schwedische Stallhans? wer der Hessische kleine Jacob und S. Andreas? Ihresgleichen sind noch viel bekannt, die ich Kürze halber nicht alle nennen mag. Ist also gegenwärtiger Zeit nichts Neues, wird auch bei der Posterität nicht abgehen, daß geringe doch redliche Leut durch Krieg zu hohen Ehren gelangen, welches auch bei den Alten geschehen: Tamerlanes ist ein mächtiger König und schreckliche Furcht der ganzen Welt worden, der doch zuvor nur ein Säuhirt war; Agathokles König in Sizilien, ist eines Hafners Sohn gewesen; Thelephas ein Wagner, wurde König in Lydien; des Kaisers Valentiniani Vater war ein Seiler; Mauritius Cappadox, ein leibeigener Knecht, ward nach Tiberio Kaiser; Johannes Zernisces kam aus der Schulen zum Kaisertum. So bezeuget Flavius Vobiscus, daß Bonosus Imperator eines armen Schulmeisters Sohn gewesen sei; Hyperbolus, Chermidis Sohn, war erstlich ein Laternenmacher und nachgehends Fürst zu Athen; Justinus, so vor Justiniano regierte, war vor seinem Kaisertum ein Säuhirt; Hugo Capetus eines Metzgers Sohn, hernach König in Frankreich; Pizarrus gleichfalls ein Schweinhirt, und hernach Markgraf in den Westindianischen Ländern, welcher das Gold mit Zentnern auszuwägen hatte.«

Der Feldweibel antwort: »Dies alles lautet zwar wohl auf meinen Schrot, indessen sehe ich aber wohl, daß uns die Türen, zu ein und anderer Würde zu gelangen, durch den Adel verschlossen gehalten werden. Man setzt den Adel, wenn er nur aus der Schalen gekrochen, gleich an solche Ort, da wir uns nimmermehr keine Gedanken hin machen dürfen, wenn wir gleich mehr getan haben als mancher Nobilist, den man jetzt für einen Obristen vorstellet. Und gleich wie unter den Bauren manch edel Ingenium verdirbt, weil es aus Mangel der Mittel nicht zu den Studiis angehalten wird: also veraltet mancher wackere Soldat unter seiner Musket, der billiger ein Regiment meritierte, und dem Feldherrn große Dienste zu leisten wüßte.«


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