Franz Grillparzer
Ein treuer Diener seines Herrn
Franz Grillparzer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Aufzug

Platz vor Bancbanus' Hause.

Die Grafen Simon und Peter kommen mit Begleitung. Alle bewaffnet. Sie bleiben im Vorgrunde rechts stehen.

Simon.
Bancbanus nicht zu Hause? – Aber seht,
Dort nahen sie, sie kommen vom Begräbnis.
Was fällt ihm ein? Begräbt er seine Frau? –
Ein Bahrrecht soll uns werden. Blut'ges Bahrrecht!
Er wird schon alt und kindisch, höchste Not,
Daß andre denken, handeln drum für ihn.
(Zu Peter.)
Sei ruhig, Bruder, dir soll Rache sein!
(Zu einem Begleiter.)
Du aber kehre zu den Unsern. Sag,
Sie sollen jeden Ausgang streng bewachen,
Der aus dem Schloß ins Freie führt. Man will
Den Mörder unserm Grimm entziehn, ihn heimlich
Nach Deutschland senden; doch das soll, das darf nicht!
Ich will dich zerren, blut'ger Wolf! – Geh nur!
Und komm ich selbst, und haben wir nicht Antwort,
So stürmen wir das Schloß!

(Begleiter geht ab. – Im Hintergrunde kommt Bancbanus auf zwei Diener gestützt. Verwandte und Freunde hinter ihm, alle in Trauer. Sie gehen quer über die Bühne auf das Haus zu.)

        Er kommt.

Peter.
                Und sieh wie bleich!

Simon (ruft).
Bancbanus!

Bancbanus (anhaltend).
        Halt, wer ruft? Ah, du, mein Bruder?
(Nach vorne kommend.)
Wir haben dein entbehrt bei dem Geleit.
Ich sandte zu dir, doch, du warst nicht heim.

Simon.
Nicht heim? Nicht heim?
(Gegen seine Begleiter gewendet.)
        Wo war ich denn derweile?

Bancbanus (zu den Leichengästen).
Euch andern Dank für diesen letzten Dienst,
Den ihr erwiesen mir und meinem Weib.
Zur sichern Ruhstatt brachten wir sie hin,
Wo Gott sie hat, und hat sie ach! so lieb,
Daß er sie nimmer läßt. O nimmer! Nie!
(Mit erstickter Stimme.)
Nun denn: dein Will' gescheh'! – Kehrt nun nach Haus,
Und haltet ruhig euch und still. Denkt drum nicht schlimmer
Von mir und von den Meinen. Wenn mein Weib sich
Auch eines Fehltritts, wie es heißt, vermaß,
Für den man sie so hart, ach, gar so hart bestraft,
Geschah's gewiß aus Übereilung nur,
Denn sie war ruschlich – o mein Weib! mein Weib! mein Weib! –

Was sie versehn, und wie sie sich vergangen,
Ob man zu streng, zu hart an ihr getan,
Es wird sich weisen, kehrt der König wieder.
Und das soll bald, gemeldet ward's ihm schon.
Der nun wird sitzen mit dem Schwert des Rechts,
Wer rein, wer schuldig, wird sein Wort entscheiden.
Bis dahin haltet euch als ruh'ge Bürger,
Und meines Danks versichert, lebet wohl!

Simon.
Halt noch! und du! Seid Ihr so zahm, so feig,
Daß Ihr mit Tränen ehrt nur ihren Tod?
Sie hätte eines Fehltritts sich vermessen?
Getötet hat man sie, hat sie ermordet,
Weil sie sich nicht gefügt verbotner Lust.

Bancbanus.
Bist du der Richter hier in diesem Land?
Der Alleswissende du ob den Sternen?
Daß du so kühn dein Urteil gibst für Recht?

Simon.
Ein Ungar bin ich, rufend um Gericht.

Bancbanus.
Es soll dir werden, kehrt der Richter heim.

Simon.
Dann ist der Schuld'ge fern, sie retten ihn.

Bancbanus.
Das soll man nicht!

Simon.
        Sie wollen's und sie tun's!

Bancbanus.
So sehr denn lechzest du nach seinem Blut?

Simon.
Ich, ja!

Bancbanus.
        Auch ich, gäb's wieder mir mein Weib!

Simon.
So tret ich denn als ihr Verwandter auf,
Und fordre Bahrrecht, Blutrach', und zur Stund'!

Bancbanus.
Ich bin der Nächste, dem man sie geraubt,
Dem man sein Heil, dem man sein Glück getötet,
Mein Kind, mein Weib, mein alles auf der Welt.
Wenn nun nicht ich, wer ist so kühn und redet?
Hier steht noch einer, sieh, ihr Bruder hier,
Allein er schweigt und starret auf den Grund.
Komm, Peter komm! Wir wollen in mein Haus!
Es ist um Zwielicht schon, wir setzen uns
Dort, wo sie saß und sprach, und sagen uns,
Wie lieb sie war und gut; – komm, Peter komm!
Und weinen uns recht satt.

Simon (Peter am Arme haltend).
        Nicht von der Stelle!
(Zu Bancbanus.)
So wisse denn, die Burg ist schon umringt.
Auslieferung des Mörders fordern wir,
Nicht ihn zu töten, nur zu sichrer Haft.
Wird nicht Gewährung uns zu dieser Stunde,
So stürmen wir das Schloß. Bist du ein Mann,
So nimm dein Schwert, und geh an unsrer Spitze.

Bancbanus.
Aufrührer! ich mit euch? Ich bin der Mann des Friedens,
Der Hüter ich der Ruh'. – Mich hat mein König
Geordnet seinen Frieden hier zu wahren;
Ich in den Bürgerkrieg mit euch?
Fluch, Bürgerkrieg! Fluch dir vor allen Flüchen!
Aufrührer, sieh, und so verhaft ich dich.
Im Namen meines Königs, deines Herrn!

Simon (ihn mit vorgestreckter Hand abhaltend).
Schwachsinniger! Bewahrst du andrer Rechte,
Und kannst die eignen nicht bewahren dir?
So bleib denn, bleib! Das Ziel sei der Verachtung,
Ein Spott für jeden, dem die Ehre lieb!
Kein Tapfrer setze sich an deinen Tisch,
Der Bettler weise dir zurück die Gabe,
Unheilig sei die Stätte deines Grabs.
Bewein dein Weib, ich aber will sie rächen!
Ihr in der Trauer friedlichem Gepränge,
Nehmt Schild und Schwert, zeigt männlich euer Leid!

Bancbanus.
Verwandte! Freunde! Haltet! Hört mich erst!

Simon.
Wer denkt wie ich, der trete her zu mir!

(Die Leidtragenden treten zu ihm über und nehmen Waffen.)

Bancbanus.
Bin ich allein für meines Königs Sache?
Unglückliche, vernehmt –

Simon.
        Schlagt Schild und Schwert zusammen,
Hört nicht, was er in seinem Wahnwitz spricht!

(Sie schlagen unter lautem Ausruf ihre Waffen aneinander, indes Bancbanus fruchtlose Versuche zu sprechen macht.)

Bancbanus.
Ihr wollt nicht hören? Krieg denn wollt ihr? Habt ihn!
Doch gegen euch mit meinem letzten Odem.
Gebt mir mein Schwert! Mein Schwert! – Mein Schwert!
(Er wendet sich wankend gegen seine Diener und sinkt endlich in ihren Armen zur Erde.)

Simon.
Laßt ihn, und überlaßt ihn seiner Schwäche!
Die Zeit verrinnt. Folgt mir! Kommt mit aufs Schloß!
Der Rache sei ihr Recht, dem Recht sei Rache!

(Mit seinen Begleitern ab. – Pause. – Es wird allmählich, dunkler.)

Bancbanus (richtet sich mit Hilfe seiner Diener vom Boden auf).
Wo sind sie hin? Bringt mich ins Haus zurück!
Hol einen Mantel du. Du kannst ja rudern?
Auch eine Blendlaterne bringe mir.
Es wird schon dunkel. Führt mich in mein Haus.

(Sie bringen ihn ins Haus.)

Zimmer der Königin, mit einer Mittel- und zwei Seitentüren, von denen jene rechts nach dem Vorgrunde zu, die zur linken Seite aber gegen den Hintergrund angebracht ist. Rechts im Vorgrunde ein Tisch mit Lichtern, dabei ein Lehnstuhl.

Hinter der Szene ertönt ein Schrei. Dann stürzt die Königin aus der Seitentüre rechts. Herzog Otto hinter ihr, das Schwert in beiden Händen gerade vor sich hinhaltend wie einer, der sich anschickt, zum zweiten Male auszuholen.

Königin.
Um Gottes willen! Bruder, was beginnst du?

Otto.
Ah, Schwester! so bist du's? Ich dachte, sie wär's,
Die blasse Gräfin, sie. – Nun, so ist's gut. (Will zurück.)

Königin.
Ich bitt dich, bleib!

Otto.
        Warum?

Königin
                Ich bitte dich!

Otto.
Wart noch!
(Er geht in das Zimmer zurück.)

Königin.
        Auch dieser Trost noch sollte fehlen!

Otto (kommt zurück, einen Gewappneten führend).
Hier stell dich an die Tür, und siehst du? so
Halt deinen Spieß. Wer irgend nun hereintritt,
Und weiß das Merkwort nicht, den stößt du nieder.
Triff zweimal, oder dreimal, bis er tot.
(Vorkommend.)
Ich selber halte dies mein gutes Schwert,
Ich hab's geschliffen –
(Es seiner Schwester hinhaltend.)
        Fühl!
(Er versucht selbst die Schneide.)
                Hui! Scharf, wie Gift!
Das in der Hand, den Rücken so gesichert –
(Er schiebt den Tisch nach rückwärts.)
Der Tisch ist für den ersten Anfall gut.
So will ich sitzen, und will wachsam sein.
(Setzt sich.)

Königin.
Vergißt du denn?

Otto.
        Nach Deutschland kehr ich heim.
Sorgt ihr für euch! Was kümmert's mich?

Königin.
        Nach Deutschland?
Und jeder Ausgang ist verwehrt, bewacht.

Otto (seine Beine betrachtend).
Ich will mir Schienen fert'gen lassen, dreifach Eisen,
Und Panzerhosen von geprobtem Stahl.
Der Stiefel schützt nicht g'nug.
(Mit dem Schwert an den Fuß klopfend.)
        Es schmerzt wohl gar!
(Er greift mit der Hand nach der getroffnen Stelle.)

Königin.
Mann! wenn du es noch bist – zum mindsten Mensch denn!
Wahnsinnig mach mich nicht mit solchen Reden!
Weißt du auch, wo du bist? Was dich umgibt?
Von Pöbelhaufen sind wir rings umlagert,
Nach dir begehren sie, dich heischt ihr Grimm.
Das Schloß ist schlecht verwahrt, der Unsern wenig;
Geh du hinab, stell dich an ihre Spitze,
Wend ab, was droht.

Otto (aufspringend).
        Daß sie mich fangen? töten?
Pfui über allen Tod! Durch Schwert, durch Feuer,
Durch Gift, durch Strick, durch Beil, pfui allem Tod!
Ei, ich will leben, ich!
(Er setzt sich wieder.)

Königin.
        So lebe denn,
Bis uns das Unheil allesamt verschlingt!

Otto.
Wo ist dein Sohn? Das ist ein wackrer Schütz,
Mit seiner kleinen Armbrust. Ruf ihn her!
Er war zu Nacht bei meines Bettes Häupten,
Dort hielt er Wacht; und wenn die Gräfin kam,
Da spannt' er seinen Bogen, wie Cupido,
Und schoß nach ihr den Pfeil. Sie duckte sich,
Jetzt hier, jetzt dort! so war sie nicht mehr da.
Wo ist dein Sohn? Mich drängt es, ihn zu sehn.

(Der Schloßhauptmann.)

Königin.
Euch sendet Gott vom Himmel! Nun, mein Freund,
Habt Ihr die Meuter angeredet? Geben
Sie besserm Rat, sie ihrer Pflicht Gehör?

(Schloßhauptmann zuckt die Schultern.)

So bleiben sie bei ihrer alten Fordrung?

Schloßhauptmann.
Sie haben einen hergesandt als Boten,
Um Euer Gnaden ihr Begehr zu künden.
Er harrt im Vorgemach. Doch bleibt's wohl fruchtlos,
Denn sie bestehn –

Königin.
        Laßt ihn doch immer ein!
Ein lebend Wort gilt hundert tote Zeilen,
Und Hunderte von Gründen samt Erweis.

(Schloßhauptmann geht ab.)

Nun, Bruder, aber geh auf dein Gemach,
Sie sollen dich nicht sehn!

Otto.
        Was fällt dir ein?
Ich muß hier Wache halten! Wache! Wache!

(Graf Peter kommt, vom Schloßhauptmann begleitet.)

Königin.
Nun Graf, als Kämmrer übt Ihr Euer Amt,
Allein, nicht öffnend, Ihr verschließt die Türen.

Peter.
Der Grund, warum wir Euch in Waffen nahn –

Königin.
Ich weiß den Grund – vielmehr nur: ich errat ihn;
Denn wissen, hieße doch zugleich erklären,
Daß er erkennbar aus Vernunft und Recht.

Peter.
Ein ungeheurer Frevel ist geschehn.

Königin.
Ein Unglück, sprecht vielmehr!

Peter (auf Otto zeigend).
        Der Täter hier.

Königin.
Wer sagt's Euch?

Peter.
        Es ist klar! Er sei bestraft!
Auslieferung des Schuld'gen wird begehrt.

Königin.
Ausliefern ihn? Daß Ihr in seinem Blut –

Peter.
Nicht ihn zu töten, nur in sichre Haft.

Otto.
Der ist nicht klug! Nach Deutschland geh ich.

(Er neigt den Kopf in die Lehne des Sessels zurück.)

Peter.
        Hört Ihr?

Königin.
Wir werden uns verständ'gen, seh ich wohl.
Seid Ihr zufrieden, wenn ich Euch gelobe,
Ihn selbst zu halten hier, ihn nicht zu lassen,
Bis Euer Herr zurückkehrt, und der meine?

Peter.
Verzeiht, wir traun Euch nicht!

Königin.
        Verwegne, wagt Ihr's?
Und wenn zurück ich das Begehren weise?

Peter.
So stürmen wir – so stürmen sie das Schloß.

Königin.
Ich seh in Euren Augen, Graf, ein Etwas,
Das eine mildre Meinung mir verbürgt.

Peter.
Hier ist von meiner Meinung nicht die Rede,
Von meinem Auftrag nur.

Königin.
        Nun denn, so wißt:
Eh' ich den Bruder seinen Mördern liefre,
Begrab ich mich in dieses Schlosses Trümmern,
Mich, Eures Königs Weib, mit mir sein Kind,
Den Erben seines Throns. Wagt Ihr's und stürmt?
Der König wird so teure Pfänder rächen.

Peter.
Mit Recht. Doch nicht an uns, da Ihr sie tötet.

Königin.
Ist dies Eu'r letztes Wort?

Peter.
        Das meine, ja;
Doch nicht auch Euer letztes, hoff ich.

Königin.
        Geht!

(Graf Peter ab. Königin zum Schloßhauptmann.)

Sagt ihm, wenn man – Begehrt zwei Stunden Aufschub,
Bis dahin überlegt man –

(Schloßhauptmann ab. Königin steht erwartend an der Türe. Schloßhauptmann kommt zurück.)

Nun?

Schloßhauptmann.
        Er will nicht.


 << zurück weiter >>