Franz Grillparzer
Ein treuer Diener seines Herrn
Franz Grillparzer

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Zweiter Aufzug

Saal im königlichen Schlosse. Im Hintergrunde führt eine große, zu Anfang geschlossene Pforte nach den äußern Galerien. Rechts, im Vorgrunde, ein erhöhter Lehnsessel, im Halbkreise herum mehrere Stühle. Seitentüren. Zunächst der Türe rechts ein bedeckter Tisch.

Die Königin sitzt, von den Räten umgeben, Bancbanus, Schriften in der Hand, steht, und trägt vor.

Bancbanus.
Obgleich die Kinder zweiter Ehe nun
Dagegen Einspruch tun, so sagt ein Blatt,
Vollzogen vom Testator eigenhändig,
Ein rechtsbeständig, kräftig Kodizill –
Wo steckt es nur?
(Seinen Nachbar anblickend.)
        Ihr Schwager? Seid so freundlich,
Und haltet mir die Schriften, daß ich suche.
(Er gibt Graf Petern einen Teil seiner Schriften und sucht in den übrigen. – Herzog Otto tritt zur Türe linker Hand ein.)

Otto.
Noch nicht geendigt?

Königin.
        Eben. –
(Zu den Räten.)
                Gut für heute!
Die Sitzung, edle Herrn, ist aufgehoben!

(Die Räte stehen auf, die Königin tritt zu ihrem Bruder.)

Bancbanus (noch immer suchend).
Mein Schreiber hat's verschoben. Daß dich doch!

Königin.
Wie er mich langweilt nur, der alte Tor!
Glück auf, Ihr Herrn! wir sehen uns demnächst.

(Sie entläßt mit einer Kopfneigung die Räte, diese gehen. – Königin zu Otto.)

Ich merke festlich Treiben hier im Schloß,
Was schafft man?

Bancbanus.
        Seht! Da hab ich's doch gefunden.
Kraft dieses Dokuments – Wo sind die Räte?

Königin.
Sie gingen, so geduldig nicht, als ich,
Im Schloßhof wohl nach Eurer Schrift zu suchen!

(Otto lacht laut auf.)

Bancbanus (die Schrift emporhaltend).
Hier ist die Schrift! – Nu, nu, im nächsten Rat
Erwägt man –

Königin.
Sprach ich denn nicht schon: gewährt?

Bancbanus.
Gewährt! gewährt! Lag diese Schrift nicht vor,
So war nichts zu gewähren!
(Er steckt die Schrift wieder unter die Papiere.)
        Liege du!
Zu seiner Zeit kommt noch das Wort an dich.

Königin.
Was also sind die Festlichkeiten, die –?

Otto.
Kommst du mit mir, so sollst du selber sehn!

(Königin gibt ihm den Arm.)

Bancbanus.
Vorerst nur eines noch!

Königin.
        Das nenn ich lästig!

Bancbanus.
Der Fall ist lästig, ja, und dringend auch.
Landfahrer haben, höchst verdächtig Volk,
Bei Bihar sich gezeigt. Es wird nun nötig,
Zweihundert –

Otto.
        Säcke!

Bancbanus.
                Wie? – Es wird nun nötig,
Zweihundert –

Otto.
        Säcke!

Bancbanus.
                Reiter, gnäd'ger Herr,
Dahin zu senden. Wenn Eu'r Gnaden Bruder,
Der Herzog, nun nach Tätigkeit verlangt,
So könnte man der Reiter Führung ihm –

Otto.
Sehr gnädig, in der Tat!

Königin.
        Das ist zuviel!
Ihr schmeichelt, wie das Tierchen in der Fabel.
Mein Bruder soll zweihundert Reiter führen?
Schickt Euren Schwager – Euren – was weiß ich?!

Bancbanus.
Wie Ihr befehlt. –

Königin.
        Und schweigt für jetzt, ich bitte!
Wem also gelten jene Festlichkeiten,
Die man bereitet, seh ich, rings im Schloß?

Otto.
Ich wollte früher schon dir alles melden,
Doch diese Herrn – (Zu Bancbanus.) Beliebt's Euch, Platz zu nehmen?
Wie, oder dünkt Euch ein Spaziergang besser
In freier Luft? Wir haben schönes Wetter.

Bancbanus.
Ich bleibe noch, ich bin noch nicht zu Ende.

Königin.
Wie also? sprich!

Otto.
        Du weißt, wir feiern heute
Das Wiegenfest des Kleinen, deines Sohns.
Die Herren sind, die Fraun bei ihm versammelt
Und binden ihn mit kleinen Gaben an.
Da hab ich denn gewagt, in deinen Zimmern
Dem Feste zu bereiten noch ein Fest.
Die Meinung war, dich erst zu überraschen,
Doch liebst du, weiß ich, Überraschung nicht.
Drum sieh, ach, und verzeih!

(Er hat die Seitentüre rechts geöffnet, die Königin sieht hinein.)

Königin.
        Du guter Bruder!

Otto.
Nun hier noch.

(Er klatscht in die Hände, die Seitentüre links öffnet sich. Der kleine Bela läuft herein, mit kindischen Gaben schimmernd behangen. Hinter ihm Herren und Damen, darunter Erny.)

Bela.
        Mutter! Mutter!

Königin (zu ihm niedergekauert und ihn küssend).
                O mein Kind!
(Ihrem Bruder die Hand drückend.)
Was soll ich sagen? (Zum Kinde.) Und so reich beschenkt!
Habt Dank, Ihr Herrn! Ihr edlen Frauen, Dank!
Für alles, was Ihr unserm Sohne gönnt.
Wir stünden tiefer noch in Eurer Schuld,
Wenn unser Bruder, Herzog Otto hier,
Nicht der Vergeltung Pflicht auf sich genommen.
Nehmt teil denn an dem Feste, an den Freuden,
Die er für uns, die er für Euch ersann.
Es ist zwar noch am Tag, allein wir wollen
Mit Lust den freud'gen Abend führen ein.
Graf Iwan, Dank! – Ei, Gräfin Erny, gönnt Ihr
Uns auch einmal die schöne Gegenwart?
Wir rauben stündlich Euren Gatten Euch,
Und nicht zu seiner Freude, fürcht ich fast;
Er findet uns zu schülerhaft, zu leicht.
(Zu Otto halblaut.)
Du arger Schalk! das Fest galt also mir?
Ich denk du gabst dir's selbst und deinen Wünschen!

Otto.
Ihr zürnt doch nicht?

Königin.
        Was Scherz ist, tadl' ich nicht.
Nun auf! ein jedes wähle den Gefährten,
Dem es bei Tanz und Tisch die Rechte gönnt. –
Nicht so! – Nein, das Verbundne laßt uns trennen!
Des Gatten, des Geliebten Recht erlischt
Beim frohen Fest, das Fremdes soll verbinden.
Ich selbst, da es der Königin nicht ziemt,
Im Scherz auch einen Mann als Freund zu grüßen,
(Zu Erny.)
Erwähle, Gräfin, Euch mir zum Gefährten,
Wenn nicht vielmehr zum Manne mich für Euch.
Gebt mir die Hand! die Rechte!
(Ernys Hand in ihre beide lassend.)
        Glaubt, ich lieb Euch!
Mein schönes Kind, ich lieb Euch, weiß es Gott!
Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gäste,
Und wenn der Hausfrau rings besorgte Pflicht
Mich von Euch ruft, so soll mein teurer Bruder
Vertreten meine Statt. Dann tanzt Ihr wohl
Ein Schrittchen, oder zwei. Seid Ihr's zufrieden?
Mein frommes Kind, ich lieb Euch wahrlich sehr!
Nun fort!

(Die Gäste, die sich paarweise in Ordnung gestellt haben, setzen sich in Bewegung. Königin zu Bancbanus, der noch immer im Vorgrunde rechts steht.)

        Was aber machen wir mit Euch?

(Während des Vorigen ist die Türe der Galerie geöffnet worden. Diese ist mit Leuten aller Art angefüllt, die zum Teil Bittschriften halten.)

Wer sind die Leute da?

Bancbanus.
        Eu'r hoher Gatte
Empfing um diese Stunde die Suppliken,
Bittschriften aller Art.

Königin.
        Tut's denn statt mir!
Ihr liebt die Feste nicht. Weiß Gott, ich fürchte,
Ihr tadelt mir den Tanz, das Mahl, die Gäste.
Bleibt hier, und hört, was jene dort begehren.
Hier ist ein Tisch, Papier und Feder hier.
Für eines jeden Unterhaltung sorg ich.
Eu'r Weibchen soll indes Euch nicht vermissen,
So viel traut mir nur zu! Beliebt's, Ihr Herrn?

(Sie geht mit Erny an der Reihe der Gäste vorüber in die Seitentüre rechts ab, die Gäste folgen.)

Bancbanus (zu einigen Dienern, die zurückgeblieben sind).
Rückt mir den Tisch ein wenig seitwärts! So!
Du läßt die Leute vor! Du übernimmst
Die Schriften, die sie reichen, legst sie hierher!
Die Feder ist wohl stumpf?
(Hält sie vors Auge.)
        Nu, nu, sie geht!
Nur Ordnung sag ich euch!
(Zum ersten Supplikanten.)
        Was also willst du?
(Er entfaltet die Bittschrift.)
Jan Farkas. Ei mit deiner alten Bitte?
Hat dich der König nicht schon abgewiesen?
Nun glaubst du wohl, weil er vom Lande fern?
Der König ist noch da, hier, siehst du, steht er,
Und drinnen –
(Auf das Zimmer der Königin zeigend, vor sich hin.)
        Nu, weiß Gott, drin hüpft und tanzt er.
(Laut.)
Nichts da! Geh fort! Laß Bessern deine Stelle!
(Ein Zweiter tritt vor.)
Die Erbschaftssache! Nu, wir wollen sehn.
Im heut'gen Rat kam's noch nicht zur Entscheidung,
Im nächsten wird's geschehn. Glück auf, mein Freund!

(Hofleute gehen vorüber in die Zimmer der Königin. Sie zeigen mit dem Finger auf Bancbanus, und flüstern sich in die Ohren. – Bancbanus zu einem Dritten.)

Entschäd'gung, weil der Prinz auf letzter Jagd
Die Saat verwüstet. – Er? Der Prinz allein?
Die ganze Saat? Wohl nur des Prinzen Jäger?
Weshalb denn schreibst du: Er? Wo bleibt die Achtung,
Verwünschtes Volk, für eurer Fürstin Bruder?
Man wird den Schaden schätzen und vergüten.
Ich bin ermüdet; bringt mir einen Stuhl!

(Ein Stuhl wird gebracht. Er setzt sich. – Ein Edelmann vom Gefolge des Prinzen, eine Dame führend, aus dem Seitenzimmer links: ein Kämmerer öffnet.)

Edelmann (zur Dame).
Ihr müßt zum Fest, die Königin nimmt's übel.
Sei's auch, daß Ihr nicht wohl, so tanzt denn nicht,
Doch kommen müßt Ihr; es geht glänzend her.
Was ist denn hier? Gehört das mit zum Fest?

(Der Kämmerer spricht leise zu ihm, wobei er lachend auf Bancbanus weist.)

Bancbanus (zu andern Bittwerbern).
Was kniet ihr? Auf! Der König duldet's nicht,
Und ich soll knieen sehn von meines Gleichen?
Ich bin ein Untertan, wie andre. Auf!

Edelmann (lachend).
Nu, das ist lustig! Laßt uns denn hinein!
(Zu Bancbanus im Vorbeigehn.)
Seid Ihr der Pförtner, Herr, des heut'gen Fests?
Was zahlt man Eintritt?

Bancbanus.
        Klugheit nicht;
Ihr bliebt sonst haußen wohl!

(Edelmann und Dame ab.)

Verwünschtes Volk!
(Die Bittschrift in der Hand.)
Ich sehe wohl, warum ihr erst gekniet.
Die Bitt' ist unstatthaft. Seht doch! Zehn Goldstück
Für jede Lieferung! Nicht acht, nicht fünf!

Ein Diener (reißt die Seitentüre rechts auf und schreit).
He, Wasser und Zitronen!

Zweiter Diener (zur entgegengesetzten Seite hereinkommend, schreit ebenso).
        Hier!

Bancbanus.
                Nu, nu!
Ein wenig sacht!

Erster Diener.
        Hier sitzt er. Blitz! Derweile
Setzt Herzog Otto seinem Weibchen zu.
Laß ihn uns schrauben! – Edler Herr, befehlt Ihr
Ein wenig Wasser zu höchstnöt'ger Kühlung?

Bancbanus.
Ja, ja, mein Sohn, gib her!

(Er nimmt das Glas. Die beiden Diener platzen in Lachen aus und laufen davon.)

Was soll denn das?


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