Franz Grillparzer
Ein treuer Diener seines Herrn
Franz Grillparzer

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Erny.
So mögen diese Finger denn verdorren,
Und Feuer sie bestrafen, lohe Glut,
Wenn absichtslos sie und dem Willen fremd
Euch andres kündeten, als Haß und Abscheu!

Otto.
Als Haß und Abscheu. Gut! (Mit starker Stimme.) So gebt zurück denn
Die Haare, die Ihr stahlt von meinen Haaren!
Ich war nicht lang an diesen Hof gekommen,
Da sandt' ich zum Geschenk sie meiner Schwester,
In Kleinod sie zu fassen und Geschmeid.
Ihr aber glaubtet Euch allein und stahlt
Vom Putztisch Euch ein Pröbchen. War's nicht so?

Erny.
O Gott! Mein Gott!

Otto.
        Das also wirkte!
O Heuchelei, du abscheuwürd'ges Laster,
Und doch in Euch so schön, wie all das Eure!
Laßt mich Euch danken für die schöne Sünde.
O alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz.
(Er kniet.)

Erny.
Mein Prinz! – O glaubt! – Doch steht vom Boden auf!
Daß jene Locke, kaum in meiner Hand –
Steht auf, ich bitt Euch! – daß ich sie verbrannt;
Daß ich – o Gott! mein Gott! – Steht auf! – Man kommt!
Soll ich mit Tränen Euch im Auge bitten?
(Mit dem Fuße auftretend.)
Ich will nicht, sag ich Euch. Ich duld es nicht!

Otto.
Ich soll Euch hören, und Ihr selbst verweigert's?

Erny.
Ich will Euch hören, nur steht auf vom Boden!

Otto (aufstehend).
Es sei! Doch auf Bedingung! Seht, Ihr schuldet
Mir die Geschichte jener Locke; ich
Hab eine Frage noch an Euch zu stellen.
Gönnt zu geheimer Unterredung mir
Ein Viertelstündchen, wo und wann Ihr wollt.

Erny.
Geheimes ich und Ihr?

Otto.
        Geheim um Euretwillen!
Bringt Zof' und Diener mit, mir gilt das gleich!
Verwahrt Euch, wie Ihr wollt. Nur laßt mich fragen!
Mir ist's um meine Zweifel nur zu tun.
Seht Ihr denn übrall Liebe, eitles Volk?
Doch sprechen muß ich Euch, muß Antwort haben!
Und wollt Ihr anders nicht, so sei es hier.
Noch einmal knieend bitt ich Euch darum.
(Er beugt das Knie.)

Erny.
Halt ein! Ich will!

Otto.
        Ihr gönnt mir ein Gespräch
Und wo? und wann?

Erny.
        O nirgends, ach, und nie!

Otto.
Ich seh, es macht Euch Müh', davon zu sprechen.
Hier ist Papier und Feder, ich will gehn.
Zwei Zeilen, die Ihr schreibt, mit Zeit und Ort,
Genügen mir. Wenn heim die Gäste kehren,
Nah im Getümmel ich mich Euch des Aufbruchs,
Und lese, was Ihr schriebt; mein Heil, mein Glück.
Bis dahin lebet wohl! O meine Wünsche!
(In die Seitentüre rechts ab.)

Erny.
Weh mir! Was ist geschehn? Gerechter Gott!
Wenn in den ersten Tagen, da er kam,
Er fromm mir schien und gut – O pfui, pfui, pfui!
Erbärmliches Gefühl, du bleibst mir fremd!
Und sagen will ich's ihm!
        Doch hier, und jetzt
Dem Rasenden, in Mitte seines Hofs?
Und sprech ich nicht, so kehrt er tobend wieder,
Kniet, droht, beschimpft. Ich will ihm schreiben, ja!
Er hat's begehrt, und ich, ich will es tun,
Will schreiben ihm, ihn sprechen ohne Zeugen,
Und hören soll er ein verzweifelnd Herz!
(Sie eilt zum Tische.)
Und doch, es ist nicht gut, es ist nicht recht!
Woher sonst dieses Zittern, diese Angst?
Ist niemand hier? Mir kommt ein Schwindel an
Horch! – Stimmen – Menschen – Wo verberg ich mich?

(Sie hat das vor ihr liegende Blatt rasch gefaltet in den Busen gesteckt, und steht zitternd, zwischen Tisch und Mauer gedrängt, da. – Bancbanus kommt.)

Bancbanus.
Der Streit ist abgetan. So schnell geschlichtet,
Als er begann. Fast scheint mir's angelegt,
Absichtlich angelegt, die Ruh' zu stören.
(Auf ein Geräusch wendet er sich um.)
Doch wer ist dort? – Ha, Erny, du? Und bleich
Und zitternd? Kind, was war? Was ist geschehn?
(Er will sie anfassen, sie weicht zurück.)
Fliehst du vor mir? Ha, du bist krank. Nur Hilfe!
Ist niemand hier?

Erny.
        O still! Ich bin nicht krank!

Bancbanus.
Nicht krank? Und Todesblässe deckt die Wangen,
Aufzuckend fiebert eisig jedes Glied?
Laß uns nach Hause, komm!

(Er greift nach ihrer Hand; sie eilt an ihm vorüber, dem Vorgrunde zu.)

Erny.
Ich kann's nicht tragen! Glühend brennt das Blatt,
Das frevle Blatt auf meinem schuld'gen Busen.
(Sie wirft das Blatt von sich.)
Nur fort! Nur fort!
(Zu Bancban, der es aufgehoben hat.)
        Vernicht, zerreiß, vertilg es!
Und niemand ahne, niemand, was es birgt!

Bancbanus (es entfaltend).
Was birgt es denn? Sieh, es ist leer?

Erny.
        Ha, leer?
Der Hölle Züge sind drauf eingegraben.

Bancbanus.
        Mag sein!
Doch lesbar nur für Gott, und für die Brust,
Die es gedacht, obgleich sie's nicht geschrieben!
Hier ist dein Blatt! Nimm es zurück!

Erny.
        Ich nicht!
Bancban, auf diesem Blatt wollt' ich dem Prinzen schreiben!

Bancbanus.
Verhüt es Gott!

Erny.
        Und kamst du nicht, ich tat's!

Bancbanus.
Die Königin mag wohl in Sorgen sein
Ob jenes Streits; den Ausgang meld ich ihr.

Erny.
Und lässest du mich so allein? Bancbanus,
Willst du dein Weib nicht strafen und nicht hüten?

Bancbanus.
Bestrafen? Hüten? Ei, sag du nur selbst,
Wie fang ich's an? Führ ich dich tobend heim?
Versperre dich ins innerste Gemach
Mit Schloß und Riegel, unter Tor und Gitter,
Verschreib ich Stumme mir aus Mohrenland,
Verschnittne, die mein Weib allsehend hüten.
Und nachts, die Diebslaterne in der Hand,
Schleich ich mich hin, und forsche, ob's noch schließt?
Die Ehre einer Frau ist eine ehrne Mauer,
Wer sie durchgräbt, der spaltet Quadern auch.

Erny.
O hart, zu hart, Bancban, mein Gatte!

Bancbanus.
Ich bin wohl alt genug, und du bist jung,
Ich lebensmüd und ernst, du heiter blühend,
Was gibt ein Recht mir, also dich zu quälen?
Weil du's versprachst? Ei, was verspricht der Mensch!
Weil's so die Sitte will? Wer frägt nach Sitte.
Wenn nicht in deiner Brust ein still Behagen,
Das Flüstern einer Stimme lebt, die spricht:
Der Mann ist gut, auf Rechttun steht sein Sinn,
Er liebt, wie keiner mich, und wie zu keinem
Fühl ich zu ihm Vertraun. Wenn's so nicht spricht,
Dann Gott mit dir, und mit uns allen, Erny,
Dann schreib dem Prinzen nur!

Erny.
        Mann! Gatte! Vater!

Bancbanus.
Ich weiß wohl, was sie sagen: Seht den Alten,
Er freit' ein junges Weib. Er täuscht, man zwingt sie.
Sag, Erny, selbst, wardst du getäuscht, gezwungen?
Von wem? und wann? Als Nemaret, dein Vater,
Im Tod zusammenfügte unsre Hände,
Der blühnden Tochter und des Jugendfreundes,
Dem Schutz dich anvertrauend eines Gatten,
Wer zögerte, dein rasches Wort zu nehmen?
Wer schob die Heirat auf? Wer bat, beschwor dich,
Dein Alter zu bedenken, und das seine?
Allein du wolltest, und er fügte sich,
Weiß Gott, wie gern. Wenn's nun dich reut –

Erny.
        Bancban!
So lag der Prinz vor mir auf seinen Knien,
So werf ich mich vor dich hin, ach, und schwöre.

Bancbanus.
Was fällt dir ein? Du knien vor mir, und schwören?
Dein Wort sei ja! und nein! weißt du dich schuldlos,
Tritt hin vor mich und sag: Ich bin's! Hörst du?
Ich bin's, bin schuldlos! – und sieh mir ins Auge!
Nichts da! Den Blick nicht auf den Boden! Hier,
Auf mich dein Aug'! – Ja so, es schwimmt in Tränen?!
– Mißhandeln, Kind, mißhandeln wollt' ich nicht!
Senk nur die Stirne, leg sie an dies Herz,
Und was du weißt, das flüstre leis ihm zu,
Es wird dich hören, wie es dir verzeiht.

Erny.
Verzeihn? O bittres Wort!

Bancbanus.
        Nu Kind, wer weiß,
Vielleicht dich bitten selbst, daß du verzeihst,
Was Törichtes ich sprach. – Es ist mein Fehler,
Mein alter Fehler: stets der Mund voran!

Erny (aufgerichtet).
Bancban! Vor allem wisse! Kein Gedanke
Von Unrecht kam in meinen armen Sinn,
Nur daß, o Gott! mein Gott!

Bancbanus.
        Schämst du dich, Kind?
Das ist dir nütz! Schäm dich an meiner Brust!
So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt,
Die Augen zu, recht wie der Vogel Strauß.
Und so laß sprechen uns. – Du guter Gott!
Ich möchte singen, jubeln, jauchzen, schrein,
Daß sie mir blieb, daß ich sie nicht verlor.
Nun also denn: Der Prinz war hier?

Erny.
        Ach ja!

Bancbanus.
War ungestüm?

Erny (aufgerichtet).
        O wenn du wüßtest –!

Bancbanus.
Zurück, in dein Versteck! – Ihm zu entgehn,
Versprachst du ihm ein Briefchen, oder so –
Ich könnte sagen: sei's! Warum denn nicht?
Was schadet nur ein Brief? Doch tu ich's nicht:
Die Künste sind's des höllischen Versuchers.
Wer einen Fuß gesetzt, zieht nach den zweiten,
Und alles Bösen Mutter ist Geheimnis.
Drum schreibe nicht!

Erny.
        Gewiß!

Bancbanus.
                Und weich ihm aus.

Erny.
Ausweichen ihm? Ihm stehn, ihn sehn, vernichten!

Bancbanus.
Kind, allzuviel geht gleich mit allzuwenig.
Laß ihn uns reizen nicht, er ist wie Flamme.
Und seine Schwester hängt, wie sehr, an ihm.
Nicht ich, es soll mein Weib nicht Unfried' stiften.
Ertrag, und übersieh ihn. Kurze Frist,
So send ich dich hinaus auf eins der Schlösser,
Dann bist du seiner quitt. Bis dahin: klug!
Man kommt. Laß niemand ahnen, was geschah;
Unbill, die man erträgt, war gar nicht da.

(Zwei Kämmerer öffnen die Seitentüre rechts. Die Königin tritt heraus, hinter ihr Herzog Otto, und der ganze Hof.)

Königin.
Hier also meine schöne Tänzerin?
Sehr früh verließt Ihr mich.

Bancbanus.
        Sie ist nicht wohl.
Mit Eurem Urlaub führ ich sie nach Hause.

Königin.
Nach Hause geht nun alles, edler Rat,
Auch Eure Frau sonach. Glück auf, ihr Herrn!
Wir danken Euch, und hoffen's zu vergelten.

Otto (hat sich indes Ernyn genähert, die links im Vorgrunde steht. Leise).
Nun Gräfin, meinen Brief.

Erny (laut).
        Geht, ich veracht Euch.
(Wendet sich zu ihrem Gatten.)

Otto.
Verachten mich? – Auf Tod und Leben, halt!
(Er dringt durch die Gäste und ergreift Ernys Hand.)
Warum verachtet Ihr mich? Ihr! Warum?

Königin (indem sie zwischen beide tretend, sie trennt).
Unsinniger! – Folgt, Gräfin, Eurem Gatten!

Otto.
Nicht laß ich sie!

Königin.
        Du wirst, denn ich befehl es. –
Glück auf den Weg, Ihr Herrn! Nur zu. Lebt wohl!

(Die Gäste ab. – Königin zurückkommend.)

Unsinniger! Wie weit geht deine Tollheit?

Otto.
Und bin ich toll, so wahrt euch vor dem Tollen.
Du hast's gesagt, und so berühr mich nicht!
Hin auf den Boden werf ich meinen Leib,
(Er wirft sich zur Erde.)
Und mit den Händen greif ich in den Grund.
Nicht hören und nicht reden! Rase, stirb!


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