Franz Grillparzer
Ein treuer Diener seines Herrn
Franz Grillparzer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

(Die Grafen Simon und Peter stürzen erhitzt aus den Zimmern der Königin.)

Peter.
Es ist zuviel!

Simon.
        Bancbanus, du noch hier?

Bancbanus.
Wo anders sonst?

Simon.
        Fühlst du denn nicht? O sag ihm's,
Sag ihm's, ich bitte dich! Mich würgt der Zorn.

Peter.
Fühlt Ihr denn nicht, daß Ihr der Spott des Hofes?

Bancbanus.
Der Spott? Warum?

Peter.
        Daß draußen vor der Tür –

Bancbanus.
Ich übe, was mein Amt. Ei spottet nur!
(Nach rückwärts gekehrt.)
Die Fordrung ist zu hoch, mein guter Freund!
Acht Taler sind genug. Das, Schreiber, schreibe!

Simon.
Bancban, auf Tod und Leben, höre mich!
Heiß diese Leute gehn!
(Auf die Bittwerber zeigend.)

Bancbanus.
        Du scherzest wohl?

Simon.
Nun denn, auf die Gefahr, daß sie uns alle hören!
(Halblaut.)
Indes du hier den Pförtner spielst des Festes –
So nannten sie dich drin und lachten! lachten! –
Umschwärmt der Prinz dein Weib.

Bancbanus.
        Ich kann's nicht ändern!
Kann ihn nicht ändern, wollt' ich's noch so gern.

Peter.
Er tanzt mit ihr.

Bancbanus.
        Zum Tanz ward sie geladen.

Peter.
Drückt ihr die Hand.

Bancbanus.
        Er kriegt den Druck nicht wieder,
Dafür bin ich dir gut.

Simon.
        Bist du so zahm?
Hab Mitleid mindestens mit deinem Weibe.
Sie fühlt die Schmach, der Scheelsucht Spötterblicke,
Kaum hält des Hofes Brauch sie noch beim Feste;
Doch Unwill' glüht in ihrem Angesicht.

Bancbanus.
Doch Unwill' glüht in ihrem Angesicht.
Das sagst du selbst, und willst: ich soll sie hüten?
Tanz zu! tanz, Erny, zu! Du wahrst dein selbst!
(Er kehrt zu den Bittschriften zurück.)

Simon.
Nun denn, so dulde, was du dulden willst.
Ich kehre heim.

Peter.
        Und ich zum Tanz zurück.
Und wagt er's, seiner Frechheit Raum zu geben
Durch leiseste Berührung nur der Hand,
So straf ich auf der Tat sein ruchlos Werben
Und Blut soll ihres Tanzes Estrich färben.

(Die Hand am Säbel, durch die Seitentüre rechts ab. Graf Simon geht auf der entgegengesetzten Seite. – Herzog Otto aus der Seitentüre links mit einem Begleiter.)

Otto (im Auftreten zu Graf Simon).
Ist Gräfin Erny hier?

Simon.
        Seht selbst! und seht Euch vor! (Ab.)

Otto.
Unhöflich Tier! Wo aber ist sie hin?
Ihr Gatte hier? Mit eins war sie verschwunden.
(Zu seinem Begleiter.)
Sagt' ich dir nicht, du sollst auf jeden Schritt? –
Komm und vollführe! was ich sonst gebot.
(Im Vorübergehen.)
Bancban, ist Eure Gattin schon nach Hause?

Bancbanus.
Ich weiß es nicht.

Otto.
        Nu, nu, es soll sich weisen.
(In den Tanzsaal ab.)

Bancbanus.
Hier ist es allzulaut. Kommt, folget mir,
Im Vorsaal draußen, auf den innern Gängen
Macht leichter das und ruhiger sich ab.
Die Königin verzeiht wohl solchen Wechsel.

(Er faßt die auf dem Tische liegenden Papiere zusammen. Erny, erhitzt und schwer atmend, kommt, sich unter den Supplikanten wegdrängend, durch die Mittelpforte.)

Erny.
Hier, endlich hier! Nun, Gott sei tausend Dank!

Bancbanus.
Je, Kind, was kommt dir an? Vom Tanz erhitzt.
Du gingst wohl durch den Schloßhof? Herr und Gott,
Es kann dein Tod sein, schneidend weht die Luft.
Du böses Kind, was machst du mir für Sorge!

Erny.
Nun ist es gut! Weil nur bei dir! O gut!
(Sie setzt sich in den Stuhl.)

Bancbanus.
Zu luftig ist es hier. Zurück zum Tanz!
Ein Reihen oder zwei erwärmt dich wieder.

Erny (aufspringend).
Zum Tanz? Ich weiche nicht von deiner Seite!
So drück ich mich in deine Nähe, so.
Trotz sei geboten, wer von hier mich trennt!

Bancbanus.
Und dennoch muß es sein. Sieh hier, Geschäfte.

Erny.
Ich geh mit dir, ich falte dir die Blätter,
Ich streue Sand, wie ich wohl oft getan;
Doch nicht in jenen Saal mehr. Nein! fürwahr!

Bancbanus.
Was war denn?

Erny.
        Nichts. Doch geh ich nicht von dir.

Bancbanus.
Bancbanus' Weib steht gut in seiner Nähe,
Des Reichsverwesers Frau gehört zum Fest.

Erny.
Gib sie zurück denn, dieses Amtes Bürde,
Sei Ernys Gatte bloß, mit ihr beglückt.

Bancbanus.
Was fällt dir ein? Weil du nicht gern beim Fest,
Soll ich von Hof, Unfrieden herrschen lassen,
Verwirrung rings im Land? Ich hab's versprochen,
Dem König angelobt bei seinem Scheiden,
Den Frieden zu bewahren hier, die Ruh',
Und werd es halten, trifft was immer zu.
Dem Dienste folg ich, folg dem Feste du!

(Die Stiegen herauf tönt Geräusch von Stimmen und Schwertergeklirre.)

Was ist? Horch! – Schwerterklang!?
(Zu einem Diener, der hereinstürzt.)
        Mein Freund, was gibt's?

Diener.
Herr, Eures Bruders Diener, und des Prinzen,
Sie streiten, sie sind handgemein, man ficht.

Bancbanus.
Die Diener meines Bruders? Wer gab Anlaß?

Diener.
Des Prinzen Leute reizten sie durch Spott.

Bancbanus.
Gleichviel! Wo ist mein Schwert?

Erny.
        Ich will mit Euch,
Ihr wagt Euch sonst.

Bancbanus.
        Bist du nicht klug? Bleib hier.

(Ein Kämmerer kommt aus dem Zimmer der Königin.)

Kämmerer (zu Erny).
Die Königin verlangt nach Euer Gnaden.

Bancbanus.
Hörst du? Geh hin! Ich schlicht indes die Fehde.
(Zu den Supplikanten.)
Ihr harret auf der Treppe, bis die Ruh',
Neu hergestellt, uns Muße gibt zur Rede.

(Er geht, die übrigen folgen.)

Erny.
Er geht. – Wo ist der Kämmrer, der mich rief
Zur Königin? – Gleichviel! Ich will nur hin!
Was kann der Prinz auch tun? Ich war wohl töricht!
Zurück zum Fest und ihm ins Aug' geblickt!
Du aber Gott, du gib mir Mut und Kraft,
Der Unbill zu begegnen mit Verachtung!
Gib, daß kein Wort, kein Wink, kein Laut
Bestät'ge was er meint und was er hofft! –
Doch erst das Haar geordnet und die Kleider,
Verraten möchten sie mein kindisch Zagen,
Des wär' er froh, allein da harre du!
(Im Vorgrunde stehend, und die Locken an den Fingern aufwickelnd.)
Sie glauben, weil ich selten sprech und wenig,
Ich könne mich nicht wahren, nicht verteid'gen.
Mein Vater sprach wohl oft: sie hat's im Nacken!
Ich hab es auch. Ihr sollt noch wahrlich sehn!
(Sie betrachtet noch ihre Schuhe.)
Nun ist es gut. Der Schuh sitzt fein genug!
Nun ist es gut! nun will ich nur hinein!

(Otto, der, während der letzten Worte, durch die Seitentüre rechts, leise eingetreten ist, nähert sich jetzt von hinten, ihre beiden Arme mit dem Äußersten der Finger berührend.)

Otto.
Verstärkt Ihr noch die Macht so vieler Reize?
O schmückt Euch nicht! wir sind schon wund genug!

Erny (links nach dem Vordergrunde zurückweichend).
O Gott! Er selbst!

Otto.
        Ich bin's, und hochbeglückt,
Daß die Gelegenheit, so oft gesucht,
Und nie gefunden, günstig dar sich beut.

Erny.
So glaubt Ihr? Laßt mich! Ich will fort!

Otto.
        O bleibt!

Erny.
Der Königin Befehl –

Otto (vorkommend).
        Er ist erdichtet,
Von mir erdichtet. So wie jener Streit,
Der Euren Gatten in dem Schloßhof hält,
Auf mein Geheiß sich, auf mein Wort entspann.
Ich wollt' Euch sprechen, und ich tu's, beim Himmel!
Es komme was da will! Der Ort ist günstig:
Das Fest hat aus der Nähe sich gezogen,
In fernen Zimmern dampft das frohe Mahl.
Wir sind allein, und doch, die Türen offen,
(Auf die offene Pforte des Hintergrundes zeigend.)
Der kleinste Ruf führt Zofen her und Diener,
Ihr seid so sicher gegen jede Kühnheit,
Als nur am eignen Herd.

Erny.
        Und dennoch fort!

Otto.
Auch das! Hier ist mein Arm! Kommt mit zum Fest!
Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehn,
So irrt Ihr, Gräfin, sehr. Ihr kennt mich nicht.
Doch wer mich kennt, der weiß, in Hofes Mitte,
Am offnen Markt, heiß ich Euch Rede stehn,
Und leg Euch vor dieselben Fragen, die –
Nichts mehr, als dies, – ich hier Euch stellen wollte.
Doch ist's Euch nicht genehm, gut, wir verschieben's!

Erny.
O Übermaß des sträflichsten Erkühnens!

Otto.
Ihr seid was eitel, merk ich, gute Gräfin.
Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag sein! Vielleicht!
Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht so erregbar.
Ein Menschenkenner bin ich, Menschenforscher,
Zumal auf Fraun geht meine Wißbegier.
Die tausend Formen zu erspähn, die Krümmen,
In denen sich das eins und eine birgt,
Das eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche!
Bin ich nicht gut, so wollt' ich's auch nicht scheinen!
Ihr aber scheinet Tauben, fromme Tauben,
Und seid's in einem nur, in ew'ger Glut.

Erny.
Das anzuhören ziemt mir nicht.

Otto (aus dem Wege weichend).
        O ja;
Die eine läßt sich trauen einem Greise,
Mit grauem Bart und Haar, ein schlottrig Scheusal,
Voll Launen, abgeschmackt, zum Tollhaus reif;
Doch ehrt und liebt sie ihn.

Erny.
        Sie ehrt und liebt ihn!

Otto.
Wenn je und dann sie schielt nach hübschen Jungen,
Minutenlang mit ihrem Blick verweilt,
Je, Neugier! Ei, zum Sehn ward uns das Auge!
Wie? Oder auch schon Menschenforscherin,
Auflauernd der Entwicklung des Geschlechts,
Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen?

Erny.
Ich weiß, Ihr wollt beleid'gen und erniedern;
Was sonst Ihr meint, weiß und versteh ich nicht.

Otto.
Ihr blicktet nie nach andern, ei, ich weiß!
Ihr wart auch jene nicht, wie, oder doch?
Die, als man ihr beim Tanz die Hand –

Erny.
        Ihr lügt!

Otto.
Verteidigt nicht, bevor man noch beschuldigt!
Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt,
Den Druck zurückegab. Ich fühlt' es, ja!


 << zurück weiter >>