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Neunzehntes Kapitel.

Entschlossen, nichts unversucht zu lassen, um Luttras Widerstand zu besiegen, wollte Herr Blake eben aufs neue in sie dringen, den Wunsch seines Herzens zu erfüllen, da ging die Türe auf, und Frau Daniels trat hastig ein. Ihr folgte eine dicht verschleierte Dame, die der Gestalt und Haltung nach keine andere sein konnte, als die Gräfin de Mirac.

Frau Daniels! rief Luttra, der Haushälterin überrascht und erfreut die Hand reichend, welche diese gerührt ergriff.

Meine liebe, gütige Herrin, sehe ich Sie endlich wieder!

Sie haben meinetwegen viel Angst ausgestanden, aber das konnte ich nicht vermeiden, wie schwer es mir auch fiel, Sie ohne Nachricht zu lassen. Ich mußte sonst fürchten, eine Gefahr heraufzubeschwören, welche abzuwenden ich damals dies Haus verließ. Das Leben und Eigentum Ihres Herrn war bedroht, Frau Daniels.

Wie, was höre ich – rief Herr Blake, bist du ihnen nur gefolgt, um mich zu retten?

Was hätte mich sonst dazu bewegen können? Mich mochten sie immerhin töten, was lag daran – aber als sie Drohungen gegen dich ausstießen –

Frau Daniels deutete jetzt auf eine Narbe an dem weißen Arm der jungen Frau. Woher kommt das? fragte sie, ich habe dieses Mal nie zuvor bemerkt.

In jener Nacht, erwiderte Luttra mit leichten: Erröten, habe ich mir die kleine Wunde beibringen müssen; es war nicht der Rede wert.

Doch, Luttra, sagte ihr Gatte nähertretend, du bist uns noch mancherlei Aufschluß schuldig. Ich möchte nicht nur wissen, wie dies geschehen ist, sondern wie sich überhaupt damals alles zugetragen hat. Wie kamen sie dazu, deinen Zufluchtsort zu entdecken?

Ich glaube, erwiderte sie mit tiefer Bewegung, sie waren ursprünglich nicht in dein Haus eingebrochen, um mich zu suchen. Sie hatten gehört, du seiest ein reicher Mann, und die Leiter, welche am Anbau lehnte, schien ihnen zu verführerisch. Einige Tage, ehe sie den Raub wagten, hatten sie ein Zimmer deinem Hause gegenüber gemietet. Das Geld war ihnen ausgegangen und erst später entschloß sich mein Bruder, die Stadt zu verlassen, um die Summe herbeizuholen, die sie in dem Keller ihres früheren Hauses in Vermont vergraben hatten. Sie erkletterten das Dach des Anbaues, mein Fenster war nur durch einen Rollvorhang verhüllt, da ich es stets öffne, wenn ich schlafen gehe. Als sie den Vorhang lüfteten, sahen sie mich zu ihrer Ueberraschung an der Kommode stehen und mein Haar ordnen. Schnell gaben sie sich mir durch ein geheimes Zeichen zu erkennen, an das ich mich nur allzuwohl erinnerte, und flüsterten mir zu, ich möge das Licht auslöschen, damit sie sicher zum Fenster hereinsteigen könnten. Im ersten Schrecken tat ich, was sie verlangten, ohne an die Folgen zu denken. Sobald sie im Zimmer waren, äußerten sie ihre Befriedigung, mich gefunden zu haben und teilten mir zu meinem Entsetzen mit, daß sie hier warten würden, bis alles im Hause fest schliefe, dann solle ich ihnen zeigen, wo Herr Blake sein Silberzeug aufbewahre oder wo sein Geldschrank stehe, was ihnen noch lieber sei. Ich sah, daß sie mich bei der schlechten Beleuchtung für eine Dienerin hielten und ließ sie auch zuerst bei diesem Glauben. Als sie aber erzürnt über meine Weigerung, ihnen zu helfen, mich wütend beiseite stießen, um auf eigene Faust die Missetat zu begehen, vergaß ich in meiner Angst die nötige Klugheit; ich vertrat ihnen den Weg und beschwor sie, niemand ein Leid zu tun, da dies das Haus meines Gatten sei. Die Entdeckung war ihnen von großer Wichtigkeit und sie bestürmten mich mit Fragen, bis die ganze Wahrheit an den Tag kam. Zu spät erkannte ich, wie töricht es gewesen war, sie in mein Vertrauen zu ziehen. Es leuchtete ihnen sofort ein, daß sie sich mein Verhältnis zu dem reichen Manne zunutze machen könnten, um Geld von ihm zu erpressen. Als ich mich ihrem Verlangen, das Haus mit ihnen zu verlassen, widersetzte und mit Entdeckung ihrer Pläne drohte, wollten sie mich mit Gewalt fortschleppen, dabei ward ein Stuhl umgeworfen und der Vorhang zerrissen, an den ich mich festklammerte; auch ritzte ich mir den Arm mit dem Messer, um ihnen zu beweisen, daß ich für meine Person keine Gefahr fürchte und mich nicht einschüchtern lasse.

Da sie einsahen, daß sie auf diese Weise nichts ausrichteten, versuchten sie es mit andern Drohungen, und in der Angst, sie möchten sich an einem mir teuern Leben vergreifen, ging ich endlich auf ihre Pläne ein. Ich raffte einige Gegenstände zusammen, die kostbarsten, welche ich besaß, meinen Ehering und dein Bildnis, welches mir Frau Daniels geschenkt hatte, nahm Mantel und Hut und erklärte mich bereit ihnen zu folgen. – Hätte ich Ihnen auch damals geöffnet, Frau Daniels, als Sie an meine Türe klopften, oder um Hilfe gerufen und das ganze Haus erweckt – was würde es genützt haben? Mein streng bewahrtes Geheimnis wäre jedenfalls ans Licht gekommen, und ich wollte weder das Leben meines Gatten aufs Spiel setzen, noch meine nächsten Blutsverwandten verraten.

Der Weg durch das Fenster und die hohe Leiter hinab bot mir verhältnismäßig nur geringe Schwierigkeit, an dergleichen hatten sie mich von Kindheit auf gewöhnt. Aber furchtbar war mir das Verlassen meines stillen, friedlichen Lebens und die Rückkehr in eine Umgebung von Schuld und Verbrechen. Der Gedanke daran machte mich fast wahnsinnig und gab mir den Mut, noch einen Fluchtversuch zu wagen, als ich, auf der Straße angelangt, den Polizisten erblickte. Ich riß mich von meinem Bruder los und kam glücklich bis an das Gittertor; als ich dich jedoch von drinnen nach mir herausschauen sah, erschrak ich heftig und dachte an nichts anderes mehr, als dir zu verbergen, daß ich so lange unerkannt in deinem Hause gewohnt hatte. Warum du da warst und weshalb du mir nicht folgtest, wußte ich mir nicht zu erklären.

Die Pforte war verschlossen und ich wußte nicht, wie nahe mir die verschwundene Gattin gewesen, seufzte Herr Blake.

Am nächsten Morgen, fuhr Luttra fort, setzten sie mir ihre Absichten klar auseinander. Sie stellten mir frei, sogleich nach Hause zurückzukehren, wenn ich versprechen wollte, in ihrem Interesse verschiedene Forderungen bei dir vorzubringen, welche erfüllt werden müßten. Alles, was sie verlangten, sagten sie, sei eine hübsche, runde Summe, um damit für immer aus dem Lande verschwinden zu können. Sobald ich ihnen das Geld verschafft hätte, würden sie mich nie wieder behelligen. Natürlich dachte ich nicht daran, auf ihr Begehren einzugehen, und nun folgten für mich lange, qualvolle Wochen der Gefangenschaft. Jetzt endlich ist die Angst von mir genommen, und ich bin getrost, denn ich weiß, daß, wohin ich auch gehe, ich deiner Achtung und Teilnahme gewiß bin.


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