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Vierzehntes Kapitel.

Frau Daniels hatte Hut und Mantel noch nicht abgelegt; ihre Züge waren schreckensbleich. Sie wollen mich sprechen? fragte sie, Herrn Blake gespannt und ängstlich anblickend.

Er raffte seine ganze Kraft zusammen: Frau Daniels, wer war das Mädchen, das Sie so lange in dem oberen Zimmer beherbergt haben? Wie hieß sie, und wo kam sie her?

Die Angeredete zitterte an allen Gliedern und warf uns einen hilfesuchenden Blick zu.

Reden Sie, befahl Gryce, jetzt ist keine Zeit mehr zu Heimlichkeiten.

O, Herr Blake, rief sie und griff nach einem Stuhl, um nicht umzusinken, es war Ihre Frau, das junge Wesen, das – –

Ein lauter Aufschrei unterbrach sie; alle Qualen hoffnungsloser Liebe, die er in den letzten Monaten erduldet, drängten sich zusammen in dem einen Laut.

Auf den Knien habe ich ihr schwören müssen, sie nicht zu verraten, was auch geschehen möge, rief Frau Daniels angsterfüllt. Zwei Wochen nach Ihres Vaters Tode, Herr Blake, suchte sie mich hier im Hause auf, vertraute mir an, was sich zugetragen hatte und sagte, sie könne als Frau nur unter dem Dache ihres Gatten leben, das sehe sie als ihre Pflicht an. Um unerkannt zu bleiben, trug sie eine schwarze Perücke, die zu ihren dunklen Augen paßte und ihr Aeußeres völlig veränderte; ihr eigenes goldrötliches Haar, das ihr etwas so Fesselndes, Ungewöhnliches gab, mußte sie natürlich vor allen Blicken verbergen. Ich konnte ihrem Verlangen nicht widerstehen und öffnete ihr nicht nur das Haus, sondern auch mein Herz. Ihr Geheimnis schwor ich zu bewahren und hielt mein Versprechen so streng, als gelte es das Heil meiner Seele.

Aber als sie das Haus verließ, rang es sich von Blakes bleichen Lippen, als man sie von hier fortschleppte, warum schwiegen Sie dann?

Es war ein furchtbarer Kampf. Ich durfte meinen Eid nicht brechen, und doch schwebte ich in fortwährender Todesangst, daß ein Unglück aus der Heimlichkeit entstehen könne. Ich glaubte, wenn Sie nur wüßten, wer die Verschwundene sei, würden Sie alles daran setzen, um dies schuldlose Haupt und die Ehre Ihres Namens zu schützen; statt dessen sah ich Sie kalt und gleichgültig mit andern Dingen beschäftigt, während das arme, junge Geschöpf, das mit Freuden, sein Leben für Sie geopfert hätte, der Gewalt jener schändlichen Bösewichte preisgegeben war. Was mag sie gelitten haben vor ihrem Ende, sie war so edel, so hochherzig, so liebevoll –

War? – Er fuhr mit der Hand zum Herzen, als fühle er eine tödliche Wunde. Warum sagen Sie: war?

Weil ich eben aus dem Leichenhause komme, wo sie tot liegt.

Nein, nein, das verhüte der Himmel! rief er; jenes Mädchen sieht ihr vielleicht ähnlich, aber sie ist es nicht selbst.

Gott gebe, daß Sie recht haben – doch die langen goldigen Flechten – ein Haar, wie das ihrige, habe ich nie zuvor gesehen.

Es ist, wie Herr Blake sagt, mischte ich mich in das Gespräch, denn ich vermochte den Auftritt nicht länger schweigend zu ertragen. Er hat das Mädchen, welches heute aus dem Wasser gezogen wurde, noch vor kurzem gesehen und gesprochen, und muß daher wissen, ob es seine Frau ist.

So war sie es nicht?

Nein, tausendmal nein; das Mädchen ist mir ganz fremd.

Der Frau schien eine Zentnerlast vom Herzen zu fallen. Gott sei gedankt, rief sie, gerührt die Hände faltend. Plötzlich begann sie jedoch von neuem zu zittern. Ach, was habe ich getan, was habe ich getan! Ich sollte das Geheimnis nur im Falle ihres Todes enthüllen. Sie verließ sich so fest auf meine Treue –

Frau Daniels, sagte Blake in feierlichem Tone, ich liebe meine Frau, von nun an wird sie sich auf mich verlassen.

Mit einem Freudenschrei sprang die Haushälterin von ihrem Sitze auf. Sie lieben sie? – Gott sei gepriesen! – Tränen stürzten ihr aus den Augen, und unfähig, ihre Rührung zu unterdrücken, zog sie sich in eine Ecke des Zimmers zurück.


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