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Frühling.

Nun blühen am Tiberio die Narzissen
Und niederwallt ihr Athem mit der Luft,
So heiß, wie einer brünst'gen Seel' entrissen,
Wie eines Brautgemach's narkot'scher Duft –
Nun blühen am Tiberio die Narzissen!

Sieh die Capresin dort! Im dunklen Haare
Nickt siegreich ihr der weiße Frühlingsstern:
»Wenn diese wieder blüh'n im nächsten Jahre«,
Sprach der Geliebte, »bin ich nicht mehr fern'« –
Drum blühen die Narzissen ihr im Haare!

Und nahen fühlt sie ihn, in süßen Träumen,
Korallen führt sein Schiff und Perlenfracht,
Und von den Rudern sieht sie's leuchtend schäumen,
Wie Gold – da schreit sie auf, ach! und erwacht –
Doch nahen fühlt sie ihn, in süßen Träumen!

Und nahen seh' auch ich, in schwankem Nachen,
Das Glück, von einem fernen Wunderstrand,
Und durch die Luft klingt sein melodisch Lachen,
Und ausstreck' sehnend ich nach ihm die Hand:
»O nimm mich auf in deinen schwanken Nachen!«

Nun blühen am Tiberio die Narzissen
Und hoch im Frühlingsrausche geht die Fluth –
So nimm mich hin – ich will mit fortgerissen
Vom Taumel sein, verzehrt von deiner Gluth!
Nun blühen am Tiberio die Narzissen!


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