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Im Colosseum.

1.

Eingetreten und schon fluthet's
Von Gestalten um mich her,
Aug- und sinnberückend gluthet's
Rings, ein flirrend Farbenmeer!
Hoch auf marmornen Emporen
In der Toga schwerer Pracht
Rom's gewalt'ge Senatoren,
Fürsten gleich, an Ehr' und Macht;
Hier im weißen Priesterkleide
Vesta's hehrer Jungfrau'nkreis,
Dort im blanken Erzgeschmeide
Feldherrn mit dem Lorbeerreis,
Und, entzückend anzusehen,
Roma's Frau'n, ganz Lust und Scherz,
Trügerische Lichtkameen:
Weich der Schnitt und Stein das Herz.
Aller Völker Sprachen wecken
Dieser Mauern Echo auf:
Von Ägyptens Wüstenstrecken
Bis zu des Rhenanus Lauf;
Von dem Schmeichellaut der Parsen,
Bis zum rauhen Gurgelton
Finst'rer Brukterer und Marsen
Schallt es wirr um Cäsars Thron. –
Und schon naht er selbst im Schimmer
Seiner unbegrenzten Macht,
Diese Krone, welch Geflimmer!
Dieser Purpur, loh'nde Pracht!
Diese Augen – ha, wo blitzen
Ähnliche voll Gier und Gluth?
Spähe nach des Zwingers Ritzen,
D'rin der Königstiger ruht!
Doch – noch prunken helle Farben
Mit der Schönheit im Verein,
Zauberische Sonnengarben
Streuen gold'ne Funken d'rein,
Festlich wogt es im Gedränge,
Festlich strahlt des Äthers Dom,
Und zu Füßen ruht der Menge
Heut' die Weltbezwing'rin Rom!
Da – ein Klirren in der Tiefe
Der Arena – und heraus
Speit, als ob ein Dämon riefe,
Sie der Thierwelt ganzen Graus:
Königstiger und Hyäne
Wühlen knirschend in dem Sand,
Und der Löwe wirft die Mähne
Um die Stirn wie zornentbrannt;
Hunger reizt in grimmer Weise
Schon seit Stunden ihre Wuth
Und Rom's Cäsar beut als Speise –
Schaud're – ihnen Menschenblut!
Hilflos zitternde Gestalten
Stößt des Henkers Tritt herein,
Und im Kampf mit den Gewalten
Roher Urkraft flieht ihr Sein.
Werden auch die Römer fliehen?
Ruft kein Einziger: »zu viel!?«
Schande wär's – mit sattem Glühen
Folgt ihr Blick dem frevlen Spiel.
Und ein grausam-wildes Leuchten
Bricht mit ungezähmter Macht
Plötzlich aus den trüg'risch-feuchten
Frauenaugen – Rom, hab' Acht!
O dies widerliche Spähen,
Um der Opfer letzte Qual
Wie ein Spiel mit anzusehen,
Pfui, welch Grinsen überall –
Keine Schranke trennt die bunten
Weltenprahler mehr vom Thier –
Bestien oben, Bestien unten:
Dort Natur – Gesittung hier!

2. Pollice verso.

Stolz tritt er in die Schranken,
Der lockige Barbar,
Kein Zucken oder Schwanken
Der Muskel und Gedanken,
So keck sein Aug' und klar!

Noch niemals unterlegen!
Ganz Rom kennt seine Art:
Bald tückisch, bald verwegen,
Doch immer überlegen,
Sein Arm wie Stahl so hart.

Er ist nur Gladiator
Und blutig sein Gewinn,
Doch heut' ein Triumphator,
Denn Roma's Imperator
Verlor sein – Weib an ihn!

Dein kurzer, fester Nacken,
Dein krausgewelltes Haar,
Die Art den Feind zu packen
Und fühllos einzuhacken,
Gewann sie dir, Barbar!

Die königlichen Glieder
Vom Purpur stolz umwallt,
Schaut sie auf dich hernieder,
Kaum zucken ihre Lider,
So herb ihr Blick und kalt.

Du aber wardst im Dunkel
Der Nacht von ihr umarmt,
Kennst ihres Aug's Gefunkel –
Barbar, im sünd'gen Dunkel
Bist du an ihr erwarmt! …

Und schon beginnt das Ringen –
Hab' Allzusich'rer Acht
Und brauche deine Klingen,
Du mußt den Feind bezwingen.
So lang dies Weib dir lacht!

Wie blitzt es auf und nieder,
Sein blankes, kurzes Schwert!
Wie prächtig seine Glieder
Im steten Hin und Wider –
Er war des Preises werth!

Die Arme die behenden,
Sie schwellen ihm vor Kraft;
Wie zuckt's um seine Lenden
Beim steten Dreh'n und Wenden,
Ganz Muth und Leidenschaft.

Und nun – nun wird er siegen:
Ein Hieb, dann ist's gethan!
Der Andre muß erliegen –
Schon holt er aus – da fliegen
Die Blicke ihm hinan;

Zu ihr, die lechzend während
Des Kampfs sich vorgebeugt
Und nun, das Aug' begehrend
Geöffnet, ihm verzehrend
Ihr heiß Verlangen zeigt.

So lohten ihre Blicke
In jener schwülen Nacht! –
Da siegt des Gegners Tücke,
Mit blutendem Genicke
Wird er zu Fall gebracht.

Und kalt des Schwertes Spitze
Aus seine Brust gestellt,
Verbeugt sich vor dem Sitze
Des Cäsars Jener: »Blitze
Oder schone, Herr der Welt!«

Doch keck blickt er nach oben,
Der lockige Barbar,
Nun wird sie sich erproben –
Wenn sie die Hand erhoben,
Krümmt Keiner ihm ein Haar!

Die feisten Senatoren,
Sie gönnten's ihm wohl baß:
Den Schlemmern, kahlgeschoren.
Auf üppigen Emporen,
Wär's ein – Verdauungs-Spaß!

Und Vesta's Jungfrau'n wieder,
Sie kämpften schon aus Neid
Des Mitleids Stimme nieder:
Nicht blühen solche Glieder
Für ihre Einsamkeit!

Doch sie, die ihn umfangen – –
Und wieder fliegt sein Blick
Zu ihr, die dort voll Prangen
Sein Hoffen und Verlangen
Und heut' auch – sein Geschick!

Wie könnte sie ermatten,
Für ihn, um ihn zu fleh'n?
Schon beugt sie sich zum Gatten –
Nun lächelt sie – kein Schatten
In ihrem Blick zu seh'n;

Und nun – ha schwindelnd wenden
Des Opfers Augen sich –
Mit ihren eignen Händen
Befiehlt sie kalt zu enden,
Und jäh trifft ihn der Stich;

Ein Zucken und ein Röcheln –
Ganz Rom heult wie verzückt!
Sie läßt sich Kühlung fächeln
Und lacht – es ist das Lächeln,
Das gestern ihn beglückt …

3.

Ein licht- und duftverklärter Sonnentag
Du Riesenbau, den ich auf deinen Mauern
Verträumt, läßt heute noch mein Herz erschauern,
Erregt noch heute meiner Pulse Schlag:

In wolkenloser Bläue wölbt sich weit
Der Himmel über dir und Roma's Zinnen,
Von Zitterstrahlen flirrt es außen, innen
Und ringsum – eine gold'ne Seligkeit!

In meiner Brust auch wird es plötzlich laut,
Wie süße Stimmen längst begrab'ner Wonnen,
Und Sterne glaube ich zu seh'n und Sonnen,
Die früher nie mein trübes Aug geschaut …

Wie heilig dieses Sonnentages Gluth!
Sie läßt so ahnung-süß mein Herz erschauern,
Verklärt selbst dich und küßt von deinen Mauern
Mit warmem Glanz die Frevel und das Blut;

Und wo ihr gold'ner Strahl am hellsten lag,
Erweckte sie ein Blümchen – o Entzücken!
Zwar schwankt's auf losem Stein, doch muß ich's pflücken,
Es hat ja Theil an diesem Sonnentag!

An ihm und Allem, was mein Herz empfand,
Und hier genoß – ja Holde, laß dich brechen,
Noch fern' sollst du von diesem Tag mir sprechen,
Und siegesfroh streck' ich danach die Hand –

Da bröckelt aus der Mauer sich der Stein
Und rollt zu andern Trümmern in die Tiefe –
Dumpf schlägt er auf – mir aber ist, als riefe
Des Echo's Hohn: »Dies mag ein Bild dir sein!«


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