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8. Kapitel
»Was ist spanischer Stil, wo, in welchem Jahrhundert sind nationale Schulen zu finden?« Diese Fragen wirft Karl Justi in seiner Einleitung zur spanischen Kunstgeschichte auf und beantwortet sie: »Man könnte sich die Prälaten und Granden, die Magistrate und Zünfte der Vorzeit vorstellen als Kunstfreunde von sehr vorurteilslosem und wechselbedürftigem Geschmack, die aber ihren Enthusiasmus, wie die Araber ihre Freude an der Tanzkunst, mehr im Zusehen gezeigt haben« Carl Justi, Zur spanischen Kunstgeschichte: Baedeker von Spanien, Einleitung.. Und mehr noch als für jede andere hat dieses Wort seine volle Gültigkeit für die Gartenkunst. Spanien war während der ganzen Zeit der arabischen Unterjochung von dem Lebensstile dieses Volkes so beherrscht, daß die orientalische Wohnweise, welche die Gärten zu offenen Wohnräumen und sie in Schmuck und Anlagen den brunnen- und blumenverzierten Sälen und Zimmern ihrer Häuser nahe verwandt macht, als selbstverständlich überall aufgenommen wurde. Und so fest hatte sie Wurzel geschlagen, daß noch lange, nachdem der Kampf um die Herrschaft in Spanien sich zugunsten der Christen entschieden hatte, auch die Schlösser und Lusthäuser der katholischen Könige und ihrer Großen sich mit ganz seltenen Ausnahmen von denen der Mauren nicht unterschieden. Wohl suchen die spanischen Kunsthistoriker einen besonderen Stil, den sogenannten Mudejar, herauszuschälen, den das christliche Spanien bis zum XVI. Jahrhundert anwandte, doch haben hier nur arabische Baumeister ihre altgewohnte Ornamentik, wie früher mit gotischen Baugliedern so jetzt mit solchen der italienischen Renaissance zu verbinden gewußt. Der Grundplan des Hauses bleibt der alte orientalisch-arabische. Die Wohnräume gruppieren sich um einen Zentralhof, dem sich bei großen Schlössern noch einige Nebenhöfe angliedern; an einer Seite, selten an zweien, schließt sich der Garten an. Von Gebäudeteilen, Galerien oder hohen Mauern ist er möglichst vollständig nach außen hin abgeschlossen und das in einer Zeit, wo in Italien sich das offene Landhaus schon zur völligen Freiheit durchgerungen hat. Ein bestes Beispiel ist der Alcazar in Sevilla (Abb. 282).
Als Peter der Grausame 1353/64 sein Königsschloß hier erbaute, tat er dies auf den Trümmern der alten Sultansburg, die einst eine weit größere räumliche Ausdehnung hatte und mit ihren Gärten bis zum Guadalquivir herunterreichte, wo heute noch einer der alten Befestigungstürme, der sogenannte Goldturm, steht. Der König beschäftigte bei seinem Neubau maurische Werkmeister, höchstwahrscheinlich konnte er auch noch alte arabische Reste, jedenfalls Vorbilder, benutzen. Um diesen alten Kern ist in den nächsten fünf Jahrhunderten immer wieder gebaut und restauriert worden; doch ist der maurische Baugedanke der völligen Abgeschlossenheit gegen die Öffentlichkeit dadurch nicht verwischt worden. Schon die schöne Hauptfassade ist immer als eine Art von Hoffassade gedacht. Sie führt zu den Räumen, die sich um den Zentralhof, den Patio de las Doncellas, herumgruppierten (Abb. 283).
Dieser Hof ist ganz gepflastert, sollte aber jedenfalls Kübelpflanzen als Schmuck tragen, ähnlich wie die Höfe einiger Privathäuser des Mudejarstiles noch heute gehalten sind Schmidt, Sevilla, S. 36, 38, 40. Berühmte Kunststätten.. Ein Brunnen fehlt im Patio de las Doncellas, kann aber auch bei dem Umbau durch Karl V. verloren gegangen sein. Andere Höfe, wie die Jardines der Maria Padilla, der Geliebten Don Pedros des Grausamen, ebenso wie der Patio de las Banderas, dessen Umgebung allerdings modern ist, waren wohl immer wie heute mit Orangen Die süßen Orangen kamen erst unter Philipp II. nach Spanien; Gachard, Lettres de Philippe II, p. 135. und Palmen bepflanzte Höfe.
Der eigentliche Ziergarten Otto Schubert, Geschichte des Barock in Spanien, S. 290, Abb. 201: Geschichte der neueren Baukunst VIII, 1908. liegt südöstlich von den Gebäuden (Abb. 284 und 285). Don Pedro hatte ihn ursprünglich angelegt, seine heutige Gestalt erhielt er jedoch erst im XVI. Jahrhundert durch Karl V. Doch auch von dem Garten gilt das gleiche, wie von der Anlage der Gebäude, trotzdem immer wieder neue Generationen daran gebaut und gebessert haben, kann der Grundcharakter, der ihn eng verwandt mit den Gärten der Alhambra und des Generalife macht, nicht verwischt werden. Völlige Abgeschlossenheit war auch für ihn Hauptbedingnis, dazu dienten die hohen Mauern, die ringsum wohl schon unter Pedro mit Galerien verkleidet waren (Abb. 286); heute sind sie mit barocker Grottenkunst geschmückt, in die allerlei alte Werkstücke vermauert sind.
Der Eingang (Plan A) in den vertieft liegenden Garten befand sich immer zur Seite, ohne architektonische Verbindung mit dem Hause; von einem großen Teich daneben (G) stieg man zu den Bädern der Maria Padilla herab, vor denen sich ein kleines Parterre erstreckte. Der große Garten senkt sich nach Westen in niederen Terrassen. Als hinteren Abschluß des Mittelweges erbaute Karl V. einen Pavillon im Mudejarstil (J), der im Innern mit Azulejos, das heißt bunten Kacheln, geschmückt ist (Abb. 287).
Als Endpunkt der östlichen Mauergalerie liegt ein Gartenhaus (F), das in die Obstgärten (E) überleitete. Neben dem Pavillon Karls V. lag ein anderes großes Wasserreservoir (H), das nach dessen Mutter Johanna, der Wahnsinnigen, genannt wurde. An den Kreuzungspunkten der gepflasterten Wege stehen Fontänen, um die runde Steinsitze führen. Und wie in Generalife steigen überall aus verborgenen Röhren feine Strahlen auf, die den Sorglosen durchnässen. Die ausgesparten Beete sind in geometrischen Figuren ausgelegt und überall mit Hecken umsäumt. Eine Neuerung, die dem arabischen Garten wahrscheinlich fremd war, führte Karl durch die Anlage eines sehr großen Labyrinthes (K) ein, es liegt auf der untersten Terrasse, so daß man es von oben überschauen konnte. In der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts hat das Barock dann in diese feine stille Anlage allerlei aufdringliche Neubauten, Tropfsteingrotten und Gartentore hineingestellt, daneben auch manche schöne Brunnenanlage hinzugefügt, wie den Merkurbrunnen im Jardin del Estanque. Doch alles dies wird in dem Bilde immer nur wie ein Fremdkörper empfunden.
Karl V., der in diesem Garten sich noch ganz den maurischen Traditionen unterwarf, hatte doch an anderer Stelle der unverfälschten italienischen Renaissance sein spanisches Land geöffnet. Der erste Versuch allerdings, den diese Kunst auf spanischem Boden machte, der Palast, den der Kaiser auf dem Alhambrahügel erbaute, ist Ruine geblieben, und von den beabsichtigten Gartenanlagen können wir kaum eine Ahnung erhalten. Karl hatte auf der Alhambra die ersten glücklichen Monate seiner jungen Ehe verlebt und hoffte immer, diese herrliche Gegend wiederzusehen. Wir kennen den Zustand der Stadt in jenen Jahren, die blühenden Landhäuser mit ihren kühlen, brunnendurchrauschten Gärten, aus den Schilderungen Navageros Navagero, Opera, p. 15., der im Gefolge des Fürsten, als einer seiner Vertrauten, ihr reizvolles Bild gezeichnet hat. Im nächsten Jahre schon, 1527, begann der Bau des neuen, ganz italienischen Palastes. Der Grundriß des quadratischen Zentralbaues, dessen Mitte der große, kreisrunde Säulenhof einnimmt, kann unmittelbar von dem italienischen Villenbau der Zeit, besonders der Villa Madama, beeinflußt sein. Spielten doch in den Köpfen der Künstler wie der Theoretiker solche Grundrisse eine bedeutende Rolle. Man erinnere sich an Leon Battista Albertis Vorschriften, Raffaels Gartengrundrisse, Serlios Villenpläne. Ob der mächtige Hof des Kaiserpalastes ganz leer, nur für Turniere und Festaufzüge gedacht war oder teilweise auch bepflanzt und mit Brunnen geschmückt werden sollte, wird eine offene Frage bleiben. Man denkt wohl dabei an den zentralen Festhof in Poggio Reale, den sich ein spanischer Prinz auf italienischem Boden erbaut hatte. Karl kam nie dazu, hier Feste zu feiern, er hat den Bau, der Ruine blieb, niemals gesehen. Trotzdem ist augenscheinlich auch schon an Gärten gearbeitet worden, die vom Tale herauf wahrscheinlich in Terrassen aufsteigen sollten. Zu Anfang der vierziger Jahre scheint man alles für einen Besuch des Kaisers vorbereitet zu haben C. Justi, Die Einführung der Renaissance in Granada: Miscellaneen I, S. 236.. Damals ließ Luis de Mendoza an dem Aufgang zum Schloß einen Brunnen errichten (Abb. 288), der sich als ein Denkmal dieser Anlagen erhalten hat: dicht unter dem arabischen Torre de Justizia ist eine Mauerverkleidung, durch sechs dorische Pilaster eingeteilt, zwischen dem zweiten und fünften liegt ein ziervoller Wandbrunnen mit sehr schmalem Bassin davor, in das drei Flußmasken das Wasser speien.
Zu Karls Zeit war dieser Aufgang zur Alhambra, an dem das schöne Schmuckstück liegt, noch der einzige; von den Anlagen, durch die er führte, wissen wir nichts. Erst Philipp II. legte den bequemen Fahrweg an, der unter ihm wahrscheinlich auch gleich mit den Zwergulmen bepflanzt wurde. Philipp hatte diesen Baum erst in Spanien eingeführt und seine Verbreitung überall gefördert. Im XIX. Jahrhundert lobt Laborde Laborde, Itinéraire descriptif de l'Espagne II, p. 109. diesen ulmenbepflanzten Aufgang. Auch der schöne Alhambrapark wurde schon unter Philipp mit Ulmen bepflanzt, wenn auch die Neubepflanzung mit den heutigen Bäumen erst von Wellington stammt. Auch die hübschen Gartenanlagen, die auf der Terrasse beim Torre de la Vela liegen, mögen dieser Zeit angehören (Abb. 289).
Karl V. war in allen seinen Reichen ein großer Förderer der Gartenkunst. Er teilte mit seiner ganzen Zeit das intensive botanische Interesse, und als er sich krank und herrschermüde nach San Yuste in das Kloster des heiligen Hieronymus zurückzog, da widmete er seine weltlichen Stunden außer mechanischen Fertigkeiten ganz der Gärtnerei. Eine bescheidene, wenn auch nicht unkönigliche Wohnung hatte sich der weltmüde Herrscher an den Südabhängen des Hügels unterhalb des Klosters erbauen lassen. Sein Schlafzimmer stieß unmittelbar an die Kirche, so daß er vom Bett aus durch eine Glastüre am Hochamte teilnehmen konnte. Sein Arbeitszimmer aber schaute nach Süden, überall von den teils selbstgeschaffenen Gärten umgeben, und darüber hinaus auf die schönen Hügel und Hänge der Verga de Plasenzia, die mit Kastanien, Nußbäumen, Maulbeeren und Mandeln bedeckt waren Mignet, Charles-Quint, Paris 1854, p. 204 ff.. Dicht neben diesen Zimmern, von einem Korridor aus erreichbar, der die Nord- und Südzimmer trennte, befand sich eine große Gartenterrasse, die halb als hängender Garten über dem Erdgeschoß des am Abhang knieenden Hauses von dem Kaiser selbst zum Garten umgeschaffen war. Hier pflanzte er Orangen und Zitronen und zog wohlriechende Gewächse, die er sich aus seinem Weltreich durch die bedeutendsten Botaniker herbeischaffen und an allen Zentren seiner Herrschaft, in Wien, in den Niederlanden und Spanien, hatte kultivieren lassen. In der Mitte der Terrasse lag ein großes Vivarium, in dem in Gebirgsbächen gefangene Forellen für die Fasttage der königlichen Tafel gezogen wurden. Am anderen Ende des Korridors nach Westen befand sich eine ganz gleich angelegte Terrasse, aus der man in die Klosterkreuzgänge, mit denen sie auf gleicher Höhe lag, gelangen konnte. Von der östlichen Terrasse führte ein sanft geneigter Weg in den unteren Garten; der kranke Kaiser wollte keine Treppen mehr steigen, sagte man, doch wirkte wohl auch die Abneigung der italienischen Frührenaissance gegen Treppen in den Gärten mit. Der untere Garten war der alte Obstgarten des Klosters, den die Brüder dem Kaiser abtraten und sich dafür einen neuen im Nordosten des Klosters anlegten. Eine Mauer schützte den Kaiser vor neugierigen Augen und unliebsamen Begegnungen; eine Tür aber ließ ihm einen Besuch in den neuen Mönchsgarten offen. Der untere Obstgarten zeigte eine überschwengliche Vegetation von Laub- und Fruchtbäumen, und die Stämme der Zitronen- und Orangenbäume reichten bis an die Fenster der kaiserlichen Zimmer, um ihn mit Farben und Duft zu erfreuen. Dort genoß der kranke Kaiser seine letzten, reinen, weltlichen Freuden, und an guten Tagen durchschritt er wohl die Pforte des hochgemauerten Klostergartens und trat hinaus auf ebenem Pfade in den Park, der mit alten Eichen und Kastanien bestanden war, unter denen auf grünem Rasen die Kühe weideten, die die Milch für den königlichen Hofstaat lieferten. Kleine Betkapellen begleiteten den Weg, und hundert Schritt von dem Kloster war die Eremitage von Belem, wo der Kaiser am Tage vor seinem Eintritt ins Kloster gerastet hatte.
Zwei Jahre nur hatte der Klosteraufenthalt des Kaisers gedauert. Als gegen das Ende des Jahres 1558 sein Sohn Philipp das Testament seines Vaters erhielt, fand er darin eine Aufforderung, ihm eine würdige Grabkirche zu errichten. Schon ein Jahr vorher, beim Siege von St. Quentin, wo einer seiner Generale ein Kloster des heiligen Laurentius hatte zerstören müssen, hatte der König gelobt, dem Heiligen dafür ein neues prächtiges Kloster zu erbauen. Diese beiden Ideen verschmolzen sich nun mit einer dritten, seit langem her tief im spanischen Wesen gewurzelten, die nun durch das erhabene Vorbild seines Vaters eine neue und besondere Bedeutung erhielt: Kloster und königliche Gruftkirche mit einem fürstlichen Palast zu einem bisher nie erhörten Prachtbau zusammenzuschweißen: so entstand der Plan des Escorial (Abb. 290).
Die Abdankung Karls V. wurde damals von der ganzen Welt mit scheuer Ehrfurcht und staunender Bewunderung aufgenommen und als der erhabenste Schritt, den je ein Mensch getan, gepriesen. Es scheint, als hätte sein Sohn unter diesem Eindruck durch den Bau dieses königlichen Residenzklosters ausdrücken wollen, daß auch er gesonnen sei, das Mönchsleben und die königliche Macht miteinander ganz zu durchdringen und in seiner Person zu vereinigen. Der Gedanke, ein Kloster mit einer königlichen Wohnung zu verbinden, war dem spanischen Hofleben nicht fremd. Schon lange besaßen die Könige ein Absteigequartier in dem über dem Prado vor dem Tore von Alcalà in Madrid gelegenen Kloster St. Jeronimo. Um das Altarhaus legten sich dort die königlichen Zimmer. Die Verbindung religiöser Übungen und festlicher Vergnügungen entsprach ganz dem spanischen Charakter. »Die Kapelle ist der erste Raum, den die spanischen Könige in ihren Häusern errichten« C. Justi, Velasquez I, S. 285.. Auch als Philipp II. den Neubau von Aranjuez befahl, wurde zuerst mit der Kapelle begonnen, und das alte Aranjuez war in seiner ursprünglichen Gestalt ein Sommerhaus der Brüder von Santiago. »Hier wechseln Zeremonien, Audienzen, Etikette mit andächtigen Exerzitien, wie Schlaf und Wachen, eines ruft das andere hervor«, so schildert ein Italiener den Hof Philipps IV. Serrano, Commend., Venezianischer Gesandtschaftsbericht 10. Dez. 1633.. Und ganz anders und innerlicher galt dieses von dem seines Großvaters. Das war italienischem Wesen ganz fremd. Ein gewisser Stolz, bei seinem Landhause auch einen Eremiten zu haben, um durch solch friedlich frommen Schutz der Seele den Aufenthalt auf dem Lande noch angenehmer zu machen, führt zwar in der Frührenaissance auch in Italien hier und dort dazu, solch ein Asyl im Parke zu erbauen. Stärker werden wir diese Neigung in Frankreich ausgebildet finden, nur kommt hier sehr früh ein Zug ins theaterhaft Spielerische dazu, und diese Gesinnung breitete sich von Frankreich in ganz Nordeuropa aus, bis schließlich die Eremitagen in den Parks zu einer unverstandenen Formel wurden. Einmal aber, bei den Menschen des XV. und XVI. Jahrhunderts in Spanien, sprach sich ein innerstes Bedürfnis aus, die Erholung ihres Leibes mit der tiefsten Devotion ihrer Seele zu verbinden. Der gigantische Ausdruck dieses Bedürfnisses ist der Bau des Escorial. Der erste Baumeister, der die Pläne für das königliche Kloster entwarf, Juan Bautista de Toledo, war bald nach der Grundsteinlegung 1563 gestorben. Sein Nachfolger, der eigentliche Erbauer, ist Juan de Herrera. Es war wohl mehr als Zufall, daß nicht nur dieser Baumeister, sondern auch der Gärtner, den Philipp gleich berief, um sofort nach den ersten Grundmauern auch mit dem Garten zu beginnen, Marcos de Cordona C. Justi, Philipp II. als Kunstfreund: Miscellaneen aus drei Jahrhunderten spanischen Kunstlebens II, S. 26. Dieser Sammlung spanischer Aufsätze verdanke ich neben Justis Velasquez die größte Anregung über das Kunstleben in Spanien., beide Männer waren, die bis zum letzten seinem Vater treu zur Seite gestanden hatten. Herrera war nach einer Architektenlehrzeit Offizier geworden und als solcher in der Leibgarde des Kaisers mit nach Yuste gegangen. Nach dessen Tode trat er bei Toledo in die Lehre und zeigte sich nach dieses Meisters unerwartetem Tode als sein bedeutender Nachfolger. Die Gruppierung der Gebäude mußte den sehr weit gehenden Anforderungen des Königs genügen. Das Ganze bildet ein gewaltiges Viereck. Durch das in der Mitte der Westfront gelegene Hauptportal tritt man in den Vorhof, von dem links das Kolleg, rechts das Kloster liegt, gegenüber der Eingang zur Kirche. Die Hauptkapelle mit dem Hochaltar ragt über die östliche Front hinaus, und um sie herum liegt zweistöckig die Privatwohnung der königlichen Familie. Die Zimmer des Königs sind im Vergleich zu der Pracht der anderen Gebäude sehr einfach gehalten, denn als Mönch, nicht als König wollte er hier weilen. Allerdings wollen die weißgetünchten Wände, die allen Besuchern von heute so auffallen, nichts sagen, denn selbst Karl V. hatte sich flandrische Teppiche nach Yuste für die Bekleidung der Wände kommen lassen, und in die von Philipp testamentarisch verordnete Versteigerung seines Privateigentums, das auf sieben Millionen Goldtaler geschätzt wurde C. Justi, Philipp II. als Kunstfreund: Miscell. II, S. 26., werden auch die Wandbekleidungen seiner Zimmer im Escorial hineingekommen sein. Immer das Gedächtnis an den Vater vor Augen, hatte auch Philipp sein Schlafzimmer so in Verbindung mit der Kirche gebaut, daß er von seinem Lager am Hochamt teilnehmen konnte, und so, das Kruzifix des Vaters in den Händen, ist er gestorben. Und wie sein Vater hatte er gesorgt, daß seine Privatwohnung ganz isoliert von Kloster und Hofstaat lag, und dadurch, daß sie über die Ostfront hinaussprang, war sie auch von drei Seiten von Gärten umgeben. Eine große breite Gartenterrasse legt sich hier vor die ganze Ostfassade und zieht sich in gleicher Breite auch im Süden an dem Hause entlang. Es war ein großes in Buchs und Blumenbeeten ausgelegtes Parterre, das alte Besucher mit den hängenden Gärten verglichen; die herrliche Aussicht auf das Gebirge war immer das Schönste an diesen Gärten. Die Mauer, die diese Terrasse abgrenzte, umgaben am Fuße wohl ursprünglich nur Gemüse- und Küchengärten, wenigstens hören wir von weiteren Anlagen in älteren Schilderungen nichts. Der untere Park mit seinem anmutigen Lustschloß, der Casa de Abajo, gehört erst dem XVIII. Jahrhundert an. Ursprünglich waren die Gärten reich mit Brunnen und Statuen geziert, die ebenso auch den Schmuck der vielen Innenhöfe ausmachten. Man zählte 76 Brunnen und 73 Statuen, die der König, dessen Kunstliebe zuerst die reichen Kunstschätze der italienischen Renaissance nach Spanien überführte, hier aufgestellt hatte. Unter den Höfen ist der größte, nicht nur im Escorial, sondern überhaupt der größte Kreuzgang der Welt, der Patio de los Evangelistas (Abb. 290 a).
In der Mitte steht ein achteckiges Tempelchen mit vier quadratischen Bassins an den Ecken, über denen die Statuen der vier Evangelisten stehen, ihre Attribute speisen die Bassins mit Wasser. Ringsum ist das heckenumsäumte Parterre, heute in Buchs in den Arabeskenmustern des XVIII. Jahrhunderts ausgelegt, ursprünglich werden geometrisch gestaltete Beete mit Blumen ein leuchtenderes Bild gegeben haben. In diesem Asyl, das dem innersten Wesen des Monarchen angepaßt war, weilte er gerne, je älter und düsterer er wurde, um so lieber, nachdem ihm Madrid fremd und ungeliebt geworden war.
Er aber war es gewesen, der gleich zu Beginn seiner Regierung mit dem Umbau der mittelalterlichen Veste des Alcazar in Madrid begonnen hatte. Er hatte den großen Platz vor der Südseite freilegen lassen und hier eine vornehme Fassade im italienischen Stil gebaut, während der Palast nach der Flußseite, wo er sich auf steilem Hügel erhebt, sein mittelalterliches Ansehen behielt. Vor dieser Westseite am Fuße des Hanges fand Philipp schon einen ausgedehnten Park, dem man den Jagdcharakter nicht nehmen wollte. Es wird erzählt, daß Karl V. Krähen aus den Niederlanden hierher verpflanzen ließ, die in den Wipfeln der Bäume nisteten. Von den Gärten, die Philipp im Nordosten des Palastes anlegen ließ, dem Garten des Königs, dem der Königin und dem der Priora, ist wenig bekannt. Ging doch alles, was an Gärten da war, im großen Brande von 1747 unter und blieb jahrzehntelang wüst liegen. Im Norden muß ein Platz gelegen haben, groß genug, daß in einem Amphitheater Stierkämpfe stattfinden konnten. Bessere Kunde ist von einer kleinen Lieblingsschöpfung des Königs erhalten. Südwestlich, unter dem Torre d'oro und nur von diesem zugänglich, hatte er einen kleinen Statuengarten geschaffen. Eine brunnengeschmückte Terrasse war als Gartenparterre angelegt, ringsumher hatte Philipp Halbfiguren römischer Kaiser aufgestellt. Er hatte sie 1561 vom Kardinal Ricci da Montepulciano, der damals gerade mit dem Bau der späteren Villa Medici begonnen hatte, geschenkt erhalten. Diese und eine Bronzekopie des Dornausziehers sandte der Kardinal durch die Künstler selbst, die dem König wohl auch bei der Aufstellung geholfen haben C. Justi, a. o. O., S. 55.. Philipp wollte diesen Statuengarten im Wetteifer mit den italienischen errichten, er fand es daher nicht zuviel, als er bald darauf vom Papst Pius V. die ganze Serie der Kaiser noch einmal erhielt, auch diese in demselben Garten aufzustellen. Später kamen dann noch Bronzebilder des Königs und seines Stiefbruders Don Juan d'Austria dazu. In den Gartenzimmern, die auf diese Statuenterrasse schauten, hatte der König seine liebsten Gemälde, die Tizian für ihn gemalt hatte, untergebracht.
Gewiß hat er in dieser verschwiegenen, abgelegenen Ecke des großen finsteren Palastes Stunden ungetrübter Ruhe und Freude verlebt. Denn dieser finstere, asketische Monarch, dessen strenges Bild die Weltgeschichte in den dunkelsten Farben gemalt hat, hatte Seiten von weicher, tiefer Menschlichkeit. Dies Antlitz, das er aber nur den kleinen, stillen Freuden des Lebens, seinen Kindern, der Natur, dem Garten, treuen Dienern zukehrte, spiegelt sich deutlich in den noch nicht lange entdeckten Briefen, die er in den Jahren 1581/83 während der Besitznahme von Portugal an seine beiden Töchter, Mädchen von 14 und 15 Jahren, schreibt. Nichts Seltsameres, ja Verblüffenderes, als diese zartfühlende Sorge eines Vaters, der mit fast mütterlicher Umsicht an die Bedürfnisse seiner jungen Töchter denkt, der mit schwärmerischen Worten, wie sie im XVI. Jahrhundert sonst unerhört sind, seine Freude an der Natur, seine Sehnsucht nach der Heimat, nach den Kindern kundgibt. Welch ein anderes Bild tritt aus diesen Blättern als das bekannte des menschenverachtenden Tyrannen, wenn er hier sich nach den Nachtigallen in den Gärten seiner Schlösser sehnt, wenn er seine Mädchen erinnert, wie er im Mondenschein mit ihnen auf der Gartenbank plauderte. Seinen alten Diener und die ebenso alte Köchin führt er mit sich, ergötzt sich an ihren Schwächen, läßt sich von seinem Gärtner jeden Tag einen Blumenstrauß bringen, bewundert aufs höchste die Gärten von Lissabon und läßt sich Pläne von ihnen zeichnen. Die erste süße Orange, die man ihm in Portugal verehrt, sendet er seinen Töchtern und ist ungeduldig zu hören, wie sie ihnen schmecken wird Gachard, Lettres de Philippe II, 1884, p. 87, 101, 116, 135 usw.. Die verschiedenen Gärten daheim und die Sorge um sie spielen in diesen Briefen eine große Rolle.
Schon im Jahre 1558 hatte der König ein großes Waldgebiet jenseits des Manzanares, seiner Residenz gegenüber, angekauft und es als Wildpark mit Fischteichen, Fasanerien, Volieren und Zwingern für wilde Tiere anlegen lassen. Hier hatte er ein kleines Jagdhaus, Casa del Campo (Abb. 291) genannt, mit einem Ziergarten erbauen lassen. 1582 findet er diesen Garten sehr vernachlässigt. Mit Bedauern schreibt er darüber an seine Kinder, er wolle aber Sorge tragen, daß ein neuer Gärtner ihn bald wieder zu seiner früheren Schönheit herstellen solle Gachard, Lettres de Philippe II, p. 176.. Auch hier hatte Philipp die vier Ecken des Parterres mit Statuen geschmückt, die Mitte betonte ein prächtiger Schalenbrunnen mit vielen Skulpturen. Später wurde dann das Standbild seines Sohnes Philipps III. dort aufgestellt. Die besonders schönen schattigen Bäume, die man im XVII. Jahrhundert bewunderte La Cour et la Ville de Madrid vers la fin du XVII e siècle. Relation du Voyage d'Espagne par la comtesse d'Aulnoy, édit. nouvelle par M me Carey, Paris 1874, p. 330., sind auch schon durch Philipp gepflanzt worden.
Aber auch im Osten der Stadt Madrid hatte der König einen Garten geschaffen. Dort lag auf einem Hügel das schon erwähnte königliche Absteigequartier im Kloster San Jeronimo. Philipp ließ es durch seinen Baumeister Toledo sehr erweitern, je 30 Zimmer für den König und ebenso viele für die Königin legten sich östlich um den Chor der gotischen Kirche des alten Klosters. Eine Nachricht erzählt, Philipp habe dem Baumeister befohlen, die ganze Anlage mit Galerien, Türmen, Gräben und Lustgärten nach dem Muster des englischen Landhauses, das er mit Maria von England zusammen bewohnt habe, zu machen C. Justi, Velasquez I, S. 335.. Vor unsern Augen ziehen Winchester, Hampton Court, Richmond vorüber. Leider aber sind diese Gärten des Klosterlandhauses Philipps II. bald und ohne weitere Spur untergegangen, und kein Bild hält diese interessante Nachricht fest; doch gibt auch sie einen kleinen, pietätvoll menschlichen Zug in ein Verhältnis, wie die Ehe mit Englands blutiger Marie. Von seinem Hügel schaute das alte Retiro de San Jeronimo herab auf das Pratum, einst wohl das Wiesenlandgut, das zu dem Kloster gehörte. Seit lange aber war es schon zu einem öffentlichen Spaziergang umgewandelt, wahrscheinlich schon ein mittelalterlicher Volksgarten, ein Erholungsort für die Bürgerschaft, wie wir solche bei Paris, Florenz und anderen Städten fanden. Unter Philipp, besonders wenn während der Fastenzeit oder bei Trauer der Hof oben in San Jeronimo wohnte oder wenn von hier aus die Könige ihren Krönungseinzug in die Stadt nahmen, war es das Rendezvous der vornehmen und galanten Welt. Schon damals bestand die dreifache Allee, der heutige Salon del Prado. Unter Philipp wurde sie mit Fontänen geschmückt. Damals war der Ort weitberühmt, und »Veneri sacer est et amoribus aptus«, wie ein Berichterstatter sagt C. Justi, Velasquez I, S. 282, Anm..
Mit besonderer Liebe aber hing Philipp an Aranjuez, das er zur eigentlichen Sommerresidenz der spanischen Könige erhob. Hier hatte einst der Orden von Santiago ein viereckiges, durch zwei hölzerne Zugbrücken zugängliches Wasserschloß besessen. Früh schon hatten die spanischen Könige, gelockt durch den Wasserreichtum und die in Kastilien sonst unbekannte üppige Vegetation, es erworben. Isabella hatte gern dort geweilt, es hieß damals Isla (Insel), da es auf einer Insel, vom Tajo und der Jarama gebildet, liegt. Auch Karl V. war häufig hier. Eine Fabel schreibt ihm die Anlage der Gärten zu; Saint-Simon erzählt, der Kaiser habe sie nach altem vlamländischen Geschmack anlegen lassen und befohlen, daß sie immer von einem vlämischen Gärtner unterhalten werden sollten, und man habe dies treulich befolgt Mémoires du Duc de Saint-Simon, éd. Cheruel, Paris 1856–58, XIX, p. 309.. Des Kaisers geheiligte Tradition war hier bis zum letzten Erlöschen seines Stammes wirksam; in Wirklichkeit hatten die Gärten, als sie Saint-Simon im Anfang des XVIII. Jahrhunderts sah, schon so mannigfache Veränderungen durchgemacht, daß es äußerst schwer ist, ihre ursprüngliche Gestalt zurückzurufen. Diese aber erhielten sie durch Philipp II., der das kleine Jagdschloß durch einen größeren Umbau zur ständigen Sommerresidenz erhob. Auch unter Philipp sind wohl die Gärten, die um das Schloß herum angelegt wurden, noch sehr klein gewesen Das kleine Bildchen des Nürnberger Planes ist die einzige Darstellung aus dieser Zeit (Abb. 292). Und sehr spät erst dachte der König daran, die Tajoinsel den heutigen Jardin de la Isla, den Gärten hinzuzufügen. Erst in den achtziger Jahren baute Herrera die Brücke über den Tajo, und damals wurde auch der Garten angelegt. Die Töchter berichten dem König nach Portugal, wie schön der Inselgarten geworden sei. Der König kann sich anfangs gar nicht erinnern, von welcher Insel die Rede ist, bis ihm einfällt, daß man ja eben die neue Tajobrücke dorthin erbaut habe Gachard, Lettres de Philippe II, p. 168/69. Dieser Inselgarten kann also nicht als Schauplatz der Begegnung von Don Carlos mit seiner Stiefmutter gedacht werden, da damals beide tot sind.. Alle diese Gärten sind im XVII. und XVIII. Jahrhundert sehr stark umgestaltet; am stärksten bewahrt noch die Eigenart Philipps das südliche Parterre, der Jardin de las Estatuas, den er ebenso wie seinen Madrider Garten mit Statuen schmückte, auch hier wurden Kaiserbüsten aufgestellt. Philipp IV. setzte dann dorthin das Standbild seines Vaters. König Philipps II. Zeit aber gehört ein großer Teil der Alleen, die, bis in das XIX. Jahrhundert vermehrt, von allen Besuchern auf das höchste bewundert werden. Philipp II. führte, wie schon erwähnt, zuerst die Ulme in Spanien ein und hat diesen Baum, der die meisten der häufig mehrreihigen Alleen bildet, mit großem Glücke angepflanzt. Wahrscheinlich sind damals die kleinen Kanäle den Bäumen entlang geleitet worden, deren Bewässerung man mit Recht die enorme Höhe der Bäume zuschrieb Comtesse d'Aulnoy, Voyage d'Espagne, p. 455 ff.. Im Inselgarten wird eine dieser Alleen von mächtigen Platanen gebildet, sie führt den Namen Salon de los Reyes católicos (Abb. 293) und könnte auf eine noch ältere Anlage zurückgehen. Die schönste unter ihnen, deren Anfang und Ende man von der Mitte aus nicht absehen kann, Calle de la Reina genannt, ist sicher von Philipp angepflanzt; denn als Velasquez die Ulmen malte, hatten sie schon eine beträchtliche Höhe erreicht C. Justi, Velasquez I, S. 353..
Des Königs Bautätigkeit und sein Interesse an der Kunst erweckte auch bei den Granden seines Hofes und Landes Interesse und Sammeleifer. Sie lernten bald von Italien, daß ihre Häuser und Gärten erst durch den Schmuck von antiken und modernen Statuen ihre schönste Weihe erhielten. Italien mußte jetzt manchen seiner Schätze an spanische Kunstfreunde und Mäzene abgeben. Einen bedeutenden Namen unter ihnen erwarb sich der erste Herzog von Alcalà; als Vizekönig von Neapel hatte er die beste Gelegenheit, sich Altertümer zu verschaffen, denen man damals in Italien, besonders im Rom Pius' V. schon nicht mehr überall mit der ersten Renaissancebegeisterung nachtrachtete. Die Riberas, das Geschlecht des Herzogs, besaßen in Sevilla ein Haus, das noch ganz im Mudejarstil vor einer Generation erbaut war, heute das Pilatushaus genannt. Noch jetzt schmücken den doppelten Säulenhof die vier prächtigen antiken Göttinnen, die dieser spanische Mäzen im XVI. Jahrhundert hier aufgestellt hatte. In der Höhe sind 24 Kaiserbüsten angebracht, und in der Mitte des gepflasterten Hofes, der mit Topfpflanzen aller Art geziert war, steht der noch heute ganz erhaltene Janusbrunnen Schmidt, Sevilla, S. 44. Hinten, an eine Seite des Hauses, lehnte sich der Garten, von zwei Seiten von Gebäuden, an den beiden andern von hohen Mauern umgeben. Die Mauern waren mit Inschrifttafeln und antiken Reliefs bedeckt, die heckenumsäumten Beete schmückten schöne Brunnen, ein kühles Bad, die Grotte der Susanna, vervollständigt das Bild eines Gartens in einem Stile, der auch hier wieder nur den Schmuck der Renaissance entlehnt Boisel, Journal du Voyage d'Espagne, p. 146, sieht zwei kleine Gärtchen.. In Nacheiferung der Medici hatte der Herzog in seinem Hause eine Art von Akademie gegründet, wo Künstler und Gelehrte immer willkommen waren.
Aber die Herzöge von Alcalà waren nicht die einzigen, die ihre Häuser zu einem Mittelpunkte der Kunst machten, auch der Herzog von Alba ließ sich Antiken aus Italien kommen, um sein Haus und Garten in Alba de Tormes damit zu schmücken. In einem anderen Besitztum des Herzogs, Lagunilla genannt, nicht fern von Plasenzia, hat sich vom Garten noch manches erhalten. Das Schloß liegt am Abhange der Sierra de Bajar in reizender Lage; ein Ziergarten in zwei Terrassen liegt davor, die Futtermauer ist durch Nischen belegt, seitliche Treppen führen von der balustradengeschmückten oberen Terrasse herab. Der mit dichten Bäumen bepflanzte Park ist ganz von dem Flüßchen Ambros umflossen, in seiner Mitte steht ein achteckiges, einst mit Spiegeln geschmücktes Gartenhaus, zu dessen Seiten je ein Brunnen liegt. Im Jahre 1555 berief der Herzog den Bildhauer Francesco Camilani, um Garten und Park mit seinen Statuen zu schmücken Schubert, Barock in Spanien 1906, S. 293. Nicht Lagunilla, sondern Abadia ist von Lope de Vega beschrieben worden. Siehe weiter unten.. Wenn wir der dunklen eisernen Gestalt des Feldherrn Philipps II. in ihren Schlössern begegnen, so gewinnt auch sie wie ihr Gebieter freundlichere Züge. Ein anderes Schloß des Herzogs ist durch Lope de Vegas Verse unsterblich gemacht. Schloß und Garten von Abadia, an der Grenze von Estremadura gelegen, waren auch von einem Bergflüßchen, dem Serracinos, umflossen: das zinnengekrönte Schlößchen spiegelt sich auf einer Seite in den Fluten des Flusses; der Garten ist nicht groß, aber in der Sprache des Dichters ein Paradies. Er ist in Quadrate geteilt und die Gänge mit Orangen besetzt, die der strenge Winter Kastiliens nicht dulden würde – sie wurden damals eben in Spanien eingeführt. Zuerst empfängt den Dichter ein Parterre mit Myrten eingefaßt, in denen Blumen gepflanzt sind, weiter erfreuen ihn in den Bosketts besonders die Brunnen. In einem der Quadrate hat Alba einen Parnaß, auf dem Tiere zwischen Wasser und Bäumen zum Gipfel steigen, den ein Pegasus krönt, dem Garcilaso dela Vega, dem früh gefallenen Helden und Dichter, dem er jung befreundet gewesen war, als Denkmal gesetzt C. Justi, Garcilaso de la Vega: Miscellaneen II, S. 191.. Diesem gegenüber sind in einem von Myrten künstlich gebildeten Kreise antike Marmorbüsten aufgestellt – ein damals sehr beliebtes Gartenmotiv. In einem Bassin sieht Lope in der Mitte eine von Meergöttern getragene Barke, die von Neptun geführt wird, auf deren Deck außer einer Venus auch ein von vier Meergöttern gestützter Felsen aufragt. In der Mitte des Gartens erhebt sich zwischen den Bosketts die Hauptfontäne des Gartens, die Alba sich selbst als Denkmal bestimmt hat, mit einer Fülle von Statuen und Reliefs verziert, die teils Albas Taten, teils Allegorien darstellen. Der Fluß durchschneidet den Garten; auf seiner anderen Seite schließen diesen vier Tore ab, die wieder mit Brunnen, Statuen und kleinen Gartenhäusern, teils in Groteskenarbeit, versehen sind; in den Mauern sind Reliefs und Inschriften angebracht. Auch bedeckte Alleen und Bosketts mit kunstreich verschnittenen Figuren fehlen nicht Lope de Vega, Descripcion de la Abadia: Autores Españoles XXXVIII.. Es ist dieses die ausgeführteste Gartenschilderung jener Zeit, die die vielen verstreuten Nachrichten über andere Gärten zu einem, wenn auch dichterisch verschönten, Bilde zusammenfaßt.
Trotzdem aber wollen die spanischen Gärten schwer für uns ein lebendiges Gesicht erhalten. Und nicht nur, weil an dem wirklich Vorhandenen das XVII. und XVIII. Jahrhundert gar zu viel verändert hat oder Brände und Erdbeben oder Nachlässigkeit vieles ganz vernichtet haben – solche Verluste hat diese unbeständige Kunst in allen Ländern zu beklagen: es ist etwas Anderes, das die geschichtliche Betrachtung einer Entwicklung in Spanien erschwert. Es gibt viele schöne und interessante spanische Gärten, es gibt aber keine eigentliche spanische Gartenkunst. Die Spanier haben nicht von den Italienern so gelernt, wie wir das bei den Franzosen sehen werden, die dann ein neues organisches Ganze haben erwachsen lassen, sie haben auch nicht den fremden Einfluß ungleichmäßig auf heimische Produkte geleitet, wie das manche andere nordische Länder taten. Sie haben sich, nachdem der hohe Wert der maurischen Gärten ihnen eine Frührenaissance ersparte, mehr oder weniger ihre Gärten von italienischen Künstlern anlegen lassen oder doch mindestens ihre eigenen so nach der fremden Tradition gebildet, daß man sie nicht mehr von diesen unterscheiden kann. Daran änderte auch das XVII. Jahrhundert nichts, das doch in der Malerei einen so hohen nationalen Aufschwung brachte. Als nach dem geistigen Schlaf, in den der Hof und das Land unter der blöden Regierung Philipp III. versunken war, der junge ritterliche, schönheits- und kunstdurstige Philipp IV. auf den Thron gekommen war, sollte bald Spanien in diesem Feste feiernden Jahrhundert eine erste Rolle spielen. Dazu brauchte es prächtige Schlösser und große Gärten. Daheim aber fehlten die Architekten, die Ideen und Praxis hatten, um diesem aufrauschenden Bedürfnis in aller nötigen Eile nachzukommen. In Italien aber wußte man durch rasche Hilfe gute Freundschaft mit dem spanischen Hofe zu halten. Die Mediceer besonders sandten dem König Architekten, Ingenieure und Gärtner.
Der Künstler, dem die Blüte spanischer Gärten in dieser Zeit in erster Linie zugeschrieben werden muß, war der Florentiner Cosimo Lotti Schubert, Barock, S. 134.. Er war ein Schüler Barlottis und ein jüngerer Genosse Buontalentis. Alle diese Künstler waren zusammen in Palazzo Pitti und Giardino Boboli beschäftigt, wo eben nach 1620 eine neue Bauperiode eingesetzt hatte. Cosimo Lotti, der sich besonders als Theaterbaumeister, Festdekorateur und Gartenarchitekt ausgezeichnet hatte, war ganz der Mann, wie man ihn in Madrid brauchte, als er im Jahre 1628 dort erschien, begleitet von zwei Gärtnern aus dem Giardino Boboli. Zuerst stellte ihn Philipp und sein allmächtiger Minister Olivarez vor die Aufgabe, die Gärten von Aranjuez umzugestalten. Er gab dem Inselgarten den Charakter eines reichgeschmückten Brunnenbosketts. Die Spuren des Einflusses des Boboligartens empfangen uns gleich beim Eintritt (Abb. 294): den Herkulesbrunnen bildet ein großes Bassin, in dessen Mitte eine Insel eine Brunnenschale trägt, auf der ein keulenschwingender Herkules steht; zwei Brücken mit Statuen führen von hier über das große Bassin.
Diese ganze Anlage ist ein vereinfachter Isolotto aus dem Giardino di Boboli. Überall an den Kreuzungspunkten der Alleen auf runden oder achteckigen Plätzen stehen Brunnen; einen der anmutigsten, der aber heute in den Palastgarten von Madrid überführt ist, hat Velasquez gemalt (Abb. 295).
Alle Besucher des XVII. Jahrhunderts sind einig, daß die größte Schönheit dieser Gärten in der Fülle ihrer Brunnen besteht Juan Alvaresde Colmenar, Les délices de l'Espagne, Leyde 1907, p. 342 ff., zu denen jede Zeit immer wieder neue hinzugeschaffen hat (Abb. 296). Die Komtesse d'Aulnoy Comtesse d'Aulnoy, Voyage d'Espagne, p. 455. die Aranjuez 1679 besucht, findet davon eine so große Zahl, daß es unmöglich sei, eine Allee zu durchschreiten, in ein Kabinett, ein Parterre oder auf eine Terrasse zu treten, ohne überall fünf oder sechs mit Statuen geschmückte Bassins zu sehen. Sie schildert mehrere dieser Brunnen, die alle das Tajowasser künstlich zu großer Höhe treiben; einer liegt auf einer künstlichen Erhebung in dem sonst ganz ebenen Garten: die Göttin Diana steht auf einem Berg, auf dem Jagdtiere klettern; von dem kunstvoll verschnittenen Myrtenplatze aus werfen versteckte Amoretten Wasser auf die Tiere. Auch ein Parnaß mit einem »Helikon« genannten Wasserfall fehlt nicht. Ein anderer Brunnen, wo das Wasser aus vier großen Bäumen ganz überraschend herabfällt, erinnert an arabische Brunnenscherze und wird wohl auch von solchen seinen Weg direkt nach Aranjuez gefunden haben. Ein reizvolles Boskett zeigt der Meuniersche Stich: den figurenreichen Brunnen in der Mitte des kreisrunden Platzes, von dem je vier, paarweis zusammengehaltene Laubengänge aus Lattenwerk ausgehen (Abb. 296).
Die Bosketts waren, wenigstens für damals schon verwöhnte französische Augen, eng Boisel, Journal du Voyage d'Espagne, 1669, p. 49 f., aber Wasser war überall in Überreichtum da. Noch im Anfang des XVIII. Jahrhunderts heißt es: »es kommt unter ihren (der Neugierigen) Füßen heraus, es fällt von den künstlichen Vögeln, die auf den Bäumen sitzen, ein reichlicher Regen herab, der sie durchnäßt; andere Strahlen, die sich kreuzen, indem sie aus den Mäulern von Tieren und Statuen hervorspringen, durchnässen einen in einem Augenblick, daß man nicht weiß, wie sich retten« Mémoires du Duc de Saint-Simon XIX, p. 309.. Noch heute kann man in der Allee, die neben dem Tajo der Palastfront entlang läuft, los Burladores genannt, viele von diesen Wasserscherzen bewundern. Dieser wasserdurchrauschte Garten wurde, ohne einen einheitlichen künstlerischen Plan zu haben, durch das breite Band des Tajo, der ihn rings umströmt, zusammengehalten (Abb. 298). Glänzend und prächtig von einem natürlichen, kaskadenartigen Wehr belebt, fließt er an dem Hauptparterre, das östlich vor dem Hause liegt, vorüber, das allerdings in seiner heutigen Anlage erst dem XVIII. Jahrhundert angehört; der große Herkulesbrunnen zum Abschluß dieses Parterres ist erst 1827 gesetzt worden. Noch später ist der Jardin del Principe und der anmutige Garten der Casa del Labrador entstanden.
Neben dieser Sommerresidenz hatten, gleich nachdem Madrid endgültig zur Hauptstadt des Landes erklärt worden war, eine Reihe von Jagdschlössern ringsumher eine erhöhte Bedeutung erhalten. Die Fürsten des Hauses Habsburg waren alle große Jäger, und von jeher war die Jagd um Madrid, besonders in den ausgedehnten Ländereien im Norden und Westen, berühmt. Karl V. hatte sich ein altes Jagdschlößchen am Manzanares, El Pardo genannt, aufbauen lassen, und zwar als einen Zentralbau mit Ecktürmen, ein für Jagdschlösser noch auf lange hinaus beliebter Grundriß. Auch Philipp II. liebte es sehr, er schmückte es mit Gemälden und hatte hier seine berühmte Porträtgalerie von Zeitgenossen, von Antonis Mor gemalt, untergebracht. Ein Garten von irgendeiner Bedeutung scheint damals hier noch nicht bestanden zu haben. Seinen Töchtern, die ihm von einer Spazierfahrt in das Jagdschlößchen berichtet haben, schreibt er, daß dieses im Winter vielleicht noch schöner sei als im Sommer, da ihm das Grün der anderen Schlösser mangele Gachard, Lettres de Philippe II, p. 155.. Erst Philipp IV. ließ auch dort Cosimo Lotti seine Kunst versuchen. Hier hat sich dieser Künstler nicht den florentinischen Garten zum Vorbild genommen; gerade in der Zeit, als Lotti nach Spanien kam, übertraf der Ruhm der römischen Gärten, besonders der Villen von Frascati, alle andern. Die Theaterwand (Abb. 299), die er im Garten des Pardo als Verkleidung der Terrassenmauer anlegte, mit ihren Nischen, in denen jedenfalls Brunnen geplätschert haben, die Wassertreppe, die in der Mitte dem Schloß gegenüber die Wand durchschneidet, der triumphbogenartige Abschluß der oberen Terrasse, die Art, wie er das ganze aufsteigende Bild in die Bosketts des gesamten Parks eingebettet hat, alle diese Motive sind damals im römischen Garten, besonders in Frascati, fest ausgeprägt.
Vom Pardo aus konnte man in endlosen Wildparks weitergehen. Eine halbe Meile davon hatte sich Philipp IV. einen alten Halteturm, die Torre de la Parada, als ein kleines Absteigequartier ausbauen und das Innere mit kostbaren Bildern schmücken lassen; etwas weiter lag das Jagdschlößchen des Bruders des Königs, des Kardinalinfanten Ferdinand, Zarzuela genannt. Auch hier lag ein Terrassengarten vor dem Schlößchen, eine der Terrassen war von einer großen Zahl von Gewölben gestützt, »was von weitem gesehen einen gar sonderbaren Eindruck macht« Laborde, Itinéraire descriptif III, p. 155.. Von der oberen Terrasse stieg man auf zwei Rampentreppen, die mit durchbrochenen Balustraden geschmückt waren, herab. Brunnen und Bäche durchrauschten auch diesen Garten, der höchstwahrscheinlich gleichzeitig und von dem gleichen Architekten wie El Pardo angelegt ist.
Madrid selbst war während der stumpfen Regierung Philipps III. ganz vernachlässigt worden. Der König liebte es nicht und hat vorübergehend sogar den Versuch gemacht, Valladolid zur Residenz zu erheben. Philipp IV. aber hat fast ausschließlich die vierzig Jahre seiner Regierung hier verlebt. Im Schlosse selbst hat er für den inneren Schmuck der Zimmer alles getan, doch von Erweiterung oder Verschönerung der Gärten hören wir wenig. Da war seine Aufmerksamkeit und sein Interesse bald ganz von einer anderen Schöpfung, von Buen Retiro, gefangen genommen. Philipp besuchte wie sein Großvater auch gerne das Sommerhaus bei San Jeronimo. Es hatte in der ersten Zeit seiner Regierung eine seltsame Begegnung gesehen. Karl Stuart war dort auf seiner abenteuerlichen Brautfahrt im Jahre 1624 abgestiegen. In den Gärten trafen sich die beiden Fürsten zuerst, um das Inkognito zu wahren, bis der Prinz von Wales am nächsten Morgen mit fürstlichem Gepränge in die Stadt geholt wurde. Ganz in der Nähe besaß damals der allmächtige Günstling des Königs, der Conde Duque Olivarez, einen kleinen Tierpark, Galinera genannt, in dem er besonders seltenes Geflügel zog Memorial Historico Español, XV Cartas de algunos P. P. della Compañia de Jesus, p. 143; C. Justi, Velasquez I, S. 281 ff.. Dieser Minister, der als unbeschränkter Günstling die Staatsmaschine sehr zum Unglück Spaniens leitete, mußte seinen Monarchen, der von einem ruhelosen Zerstreuungsbedürfnis umhergetrieben war, zu immer neuen Festen und Überraschungen leiten, damit er kein Auge für die verderbliche äußere Politik seines Landes habe. In dem düsteren Alcazar von Madrid war wenig Platz, um dem Festestaumel, der im XVI. Jahrhundert nacheinander die europäischen Höfe ergriff, einen genügenden Hintergrund zu gewähren. So faßte Olivarez den Entschluß, hier im Osten der Stadt an einer dem König angenehmen Stelle eine großartige Villa zu erbauen, die königlich das übertraf, was die römischen Großen an der Peripherie ihrer Stadt eben angelegt hatten (Abb. 300).
Das Terrain, das er durch Ankauf und Schenkung zusammenbrachte – der Klosterplatz von San Jeronimo wurde hineinbezogen – betrug den Umkreis einer Meile. Mit einer alle verblüffenden Schnelle und Heimlichkeit hat Olivarez hier in wenig mehr als zwei Jahren das Buen Retiro von Madrid geschaffen, das von nun an der eigentliche Schauplatz für die Geschichte des spanischen Hofes wurde. Der Baumeister des Palastes, der sich nördlich an den alten Klosterpalast anlehnte, der Italiener Crescenzi, hat damit nicht große Ehre einlegen dürfen, denn auf die äußere Architektur mochte Olivarez bei der Schnelligkeit und den ungeheueren Kosten nicht so großen Wert legen. Besser konnte sein Talent hier Cosimo Lotti entfalten; ihm war die Aufgabe, das Theater zu bauen, die Gärten anzulegen und die Feste, die nun bald mit unerhörtem Luxus hier gefeiert werden sollten, zu leiten. Der Palast, und mit ihm die eigentlichen Ziergärten, sind heute vollkommen zugrunde gegangen. Wenn wir aber alte Stiche anschauen, so fällt vor allem der Mangel jeder einheitlichen Komposition, auch den italienischen Vorbildern gegenüber, geschweige denn den französischen Gartenanlagen, deren Entwicklung damals schon an den Toren ihrer letzten Vollkommenheit stand, ins Auge. Es hängt dies mit der noch im XVII. Jahrhundert nicht ganz verlassenen Gewohnheit der spanischen Bauweise zusammen: die Palasträume werden um Höfe gruppiert, auf die der größte Wert gelegt wird. Mehr aber noch: auch die den Fassaden vorgelegten Gärten sind als Hofgärten durch umgebende Mauern für sich behandelt. Hier in Buen Retiro ist außer den bepflanzten Klosterhöfen des alten San Jeronimo auch der schöne Jardin del Principe vor den Fenstern der alten Wohnung Philipps II. so behandelt. Er ist wie ein italienisches Gartenparterre des XVI. Jahrhunderts, in den Führungslinien mit zwei Schalenbrunnen geschmückt, angelegt. Nördlich davon liegt das Hauptparterre des Palastes, der Jardin de la Reina (der Nürnberger Stich gibt eine falsche Anordnung des Parkes) (Abb. 301), der deutlich den Einfluß der italienischen Villen Medici, Ludovisi, Borghese usw. darin zeigt, daß neben dem Parterre ein großer Platz für ritterliche Spiele freigelassen ist. Die Mitte dieses Platzes schmückte seit 1642 die bronzene Reiterstatue Philipps IV., von Pietro Tacca gegossen Schubert, Barock, S. 121.. Dieses Parterre ist aber wieder, dem spanischen, nicht dem italienischen Empfinden entsprechend, mit einer Mauer nach dem Parke zu abgeschlossen, augenscheinlich selbst ohne Tor, das in den Park führt (Abb. 302); in den Mauern sind die üblichen Nischen für Büsten angebracht. Nördlich davon liegen neben den Palasträumen und dem Theaterbau andere kleine Parterres, doch alle mit vollkommener Abschließung gegen den Park zu. Die Komtesse d'Aulney schildert besonders den Garten des Palasthofes, »vier große Corps de logis mit vier größeren Pavillons bilden ein vollkommenes Viereck, inmitten dieses findet man ein Parterre mit Blumen angefüllt und eine Fontäne, deren Statue die Wasser emporwirft, welche die Blumen und die sich kreuzenden Alleen, die von einem Corps de logis zum andern führen, bewässern können« Comtesse d'Aulnoy, Voyage d'Espagne, p. 328..
Das vielgenannte Wunderwerk jener Zeit, von dem der rohe Stich (Abb. 300) kaum einen äußeren Anhalt bietet, aber war der Park, der jedoch bei allem Reichtum auch keinen zusammenfassenden Gesamtplan hatte. Hier allerdings konnte sich der Künstler die italienischen Vorstadtparks, mit denen dieser im Wetteifer gearbeitet war, als Vorbild nehmen. Der spanischen Anlage aber fehlen die großen Durchblicke, die dort das Hauptgebäude immer wieder mit dem Park verbinden. Der Park als solcher muß den Schilderungen jener Zeit zufolge alles enthalten haben, was nur an Gartenmotiven die lange Zeit der Entwicklung aufzuweisen hatte. Den Mittelpunkt nach Osten bildete der große Stern, wo von einem achteckigen Platz acht bedeckte Gänge nach den verschiedenen Parkteilen führten. Ein besonderer Stolz waren die großen Wasserbauten; heute noch besteht der riesige Teich, ein 500 Fuß langes, 270 Fuß breites Bassin, das von Pavillons umgeben war, die zum Teil als Schöpfwerke dienten. Er war als eine Naumachie gedacht, mit einer Insel in der Mitte. Von ihm aus führte ein Kanal zu verschiedenen anderen Bassins, die bei Gondelfahrten so untereinander erreichbar waren. An der östlichen Peripherie des Gartens bog der Kanal im rechten Winkel um und begleitete eine mit mehreren Reihen von Bäumen bestandene Mailbahn. Verschwiegene Bosketts mit einer Fülle von Brunnen traf man überall, wenn man sich zurückziehen wollte. Aussichtsberge an den Mauern gestatteten dafür freien Ausblick. Noch heute hat sich in der Nordostecke die montaña ruse erhalten. An der westlichen Mauer lagen die Blumenparterres. Die Herrlichkeit dieser Beete, wie der Gärten überhaupt, schildert ein Jesuitenpater, der sie 1638 sah, in seiner Sprache Memorial Historico, p. 145.: »Hier sieht man farbenglühende Beete, wo der Rosmarin Buchstaben formt, welche das Geheimnis ihrer verschlungenen Blumen erklären. Über Töpfen bemalter Talavera, die das feinste Silber beschämen, erglühen Kronen von Nelken, umgeben von Basilien, gleich als sei die Erde österlich geschmückt, mit rot und blauem Taft. Da sind spiegelklare Quellen, Pfade, gesäumt mit Rosen und Jasmin, purpurschimmernd abgeblätterte Nelkenblüten; Anger, denen Arabien alle seine Lilien überlassen zu haben scheint. Keine erdenkliche Wonne, die diese Gärten nicht in sich schließen.« Die Blumen wurden aus der ganzen Welt hierher zusammengeholt. Im Jahre 1633 kamen 13 Wagenladungen davon aus Valencia; solche Geschenke von Fürsten waren sicher, höchst willkommen zu sein. Der Kardinal Pio di Savoya schickte seinen Gärtner Fabrizio aus Rom mit Blumenzwiebeln im Werte von 10+000 Dukaten C. Justi, Velasquez I, S. 287.. Einige abgelegene Teile nach Süden trugen einen mehr ländlichen Charakter mit Wiesen und Bäumen, »was die Einfachheit des Landlebens bewahrt und ungemein gefällt« Comtesse d'Aulnoy, Voyage d'Espagne, p. 330.. In zwei Dingen, die von großer Wichtigkeit für die Weiterbildung der Gartenkunst werden sollten, wurde Buen Retiro zum Vorbild: der Ausbildung der Eremitenvillen im Park und der Kunst der Gartenfeste. Von der dem Spanier vertrauten Verbindung von Vergnügen und Frömmigkeit war schon die Rede. Wenn der fanatische Ernst des XVI. Jahrhunderts jetzt geschwunden war, so wechselten vielleicht an diesem Hofe der stets aufgeregten Veränderungssucht die Feste und die geistlichen Übungen nur noch schneller und unvermittelter. Das Kloster hatte man ja in Buen Retiro gleich bei der Gründung zur Hand. Und wenn schon Philipp II. keinen Anstoß daran nahm, daß die Mönche im Escorial von den Fenstern aus dem Schauspiel, das er gerne veranstaltete, zuschauten, so war es jetzt üblich, daß die Patres von San Jeronimo zu den Festen des Buen Retiro geladen waren.
Sie wußten, daß nach solch einem Feste ihre Kundschaft im Beichtstuhl sich auch vermehren würde. Aber diese alte Klosterpraxis genügte dem verwöhnten Gaumen nicht mehr. Rings in den Parks zerstreut, meist an der Peripherie, waren kleine Eremitagen erbaut. Es waren kleine Gartenvillen, jede mit einer Kapelle, einem Aussichtstürmchen, einem kleinen Parterregarten, mit Labyrinth und Grotte und anderen »invenzioni boscherecci«. Da war eine Eremitage des heiligen Isidor, diese im Nordwesten dem Palast zunächst liegend, eine des heiligen Bruno, der heiligen Ines, der Magdalena, des Johannes des Täufers.
Die größte war die des heiligen Paulus (Abb. 303); in ihrem Garten, der mit Statuen geschmückt war, stand ein dreiteiliger Narzissusbrunnen. Das Haus hebt sich prächtig aus dem von Treillage umgebenen Parterre Louis Meunier, Diversas vistas de las casas y jardines de placer da Rei d'España.. Die südöstlichste war die des heiligen Antonius, sie war als eine kleine Wasserburg mit Gräben umgeben, von denen der äußere in seltsam gebogener Gestalt mit dem großen Parkkanal in Verbindung stand. Untereinander und mit dem Park waren diese kleinen Bauten durch Alleen verbunden. Im Innern waren sie prächtig mit Gemälden und allem Luxus ausgeschmückt, und hier wohnten bevorzugte Hofleute. In der Einsiedelei des Täufers hatte Olivarez seine Wohnung aufgeschlagen, dort versuchte er mit Hilfe der Künste des Alchimisten Vincenzo Massimi das Gold zu machen, das er mit vollen Händen auszugeben verstand. Zweifellos ist mit diesen Anlagen, die hier in Buen Retiro in einer so selbstverständlichen Vielheit auftreten, der Schritt getan, der die Eremitagen allmählich immer mehr zu einem Spielzeug der galanten, etwas sensationslustigen, vornehmen Welt machte, zu dem sie sich in der späteren Zeit entwickelten. Man möchte gerne in dem Grundwesen des spanischen Volkes wie in der Beschaffenheit gerade dieses Hofes die erste Nötigung zu diesem Schritte sehen, doch während diese Villeneremitagen in den Parks Spaniens erst in Buen Retiro im XVII. Jahrhundert auftreten, baute sich schon um das Jahr 1560 der Kardinal Bourbon in seinem Parke des Schlosses Gaillon eine »érémitage abondant en tout plaisir«, die vollkommen der Schilderung dieser spanischen Eremitas entspricht Siehe das Kapitel über die französischen Gärten in der Renaissance.. Vielleicht fehlt es auch nur an Dokumenten, die ebenfalls in Spanien frühere Vorgänger zeigen. Unbestritten aber wird Philipp IV. der Ruhm bleiben, an seinem Hofe zuerst die größten und überraschendsten Gartenfeste gefeiert zu haben. Im Jahre 1632 empfing Olivarez zum erstenmal den König in seiner Villa, nur um sie dem Herrscher abzutreten, indem er ihm seine Alcaldenschlüssel auf silbernem Teller überreichte. Bisher hatte man nach Aranjuez hinausfahren müssen, um dort in den Gärten Festaufführungen zu veranstalten. Gleich der zweite Geburtstag, den Philipp als gekrönter Fürst 1623 feierte, wurde mit einem großartigen Schaufeste gefeiert, das damals auch ein Italiener, Cäsar Fontana, wohl aus der bekannten Familie der römischen Gartenarchitekten, leitete. Die Königin und die Hofdamen spielten mit; schon in diesem ausführlichen Berichte spielten Zauberburgen, Erdbeben, wunderbare Gärten, feuerspeiende Drachen, in der Luft schwebende Genien eine große Rolle Graf v. Schack: Geschichte der dramatischen Literatur in Spanien III, S. 13 ff.. Hier aber hieß es Neues und immer wieder Neues bringen. Die Ingenieure feierten wahre Orgien ihrer Kunst. Es ist eine seltsame Erwägung, daß die Maschinentechnik, die unser Zeitalter durch immer grandiosere Exaktheit und Kontinuität im Dienste der Nützlichkeit umspannt und knechtet, daß diese selbe Maschinentechnik in ihren fröhlichen Kinderjahren dem ephemeren, luftigsten Tagesvergnügen ihre verwegensten und übermütigsten Erfindungen opferte.
Philipp IV. aber fand für seine Feste nicht nur Ingenieure und Musiker, die ihm das Ausland lieh, sondern auch Künstler im eigenen Lande: Maler, die bereit waren, ihm seine Dekorationen und Hintergründe zu malen; vor allem aber standen um seinen Thron die größten dramatischen Dichter, die seine Nation gekannt hat. Der alte Lope de Vega war ebenso mit einem Einweihungsgedichte für die neue Villa bereit, wie Calderon, der Concordien, Loas und Autos dazu schreibt, die Olivarez' Schöpfung als die heilige Stadt, das heilige Jerusalem deuten C. Justi, Velasquez I, S. 316 f.. Der König brauchte nur einen Wunsch auszusprechen, und jedes Fest in langer Kette wurde mit einem neuen Stück aus der Feder der großen Meister, der zweiten und dritten gar nicht zu denken, gefeiert. Im Parke war das große Bassin mit seiner Insel ein besonders beliebter Platz für diese Aufführungen. Dort wurde in der Johannisnacht 1640 über der Insel die Bühne, auf Barken ruhend, erbaut. Unermeßlich müssen die Maschinerien und Vorrichtungen gewesen sein, wenn wir hören, daß bei der Aufführung der Circe, einem seltsamen Gemisch aus Homer, Ariost und Tasso, erst die Barke des Odysseus, dann der Wald der Circe mit wilden Tieren und redenden Bäumen, dann das Zaubermahl und die Verwandlungen vorgeführt wurden, weiter all der Zauberspuk, den Circe Odysseus vorführt, um ihn zu umgarnen: Seeungeheuer, Tritonen, Sirenen, Amoretten, alles aus dem Wasser auftauchend, weiter der Zauberpalast, der zum Schluß, als Odysseus der Tugend in die Arme sinkt, unter Blitz, Donner und Erdbeben versinkt v. Schack, Geschichte der dramatischen Literatur III, S. 11 ff..
Für die weniger Raum beanspruchenden Aufführungen hatte man schon 1637 das Theater in Buen Retiro erbaut, das für die Entwicklung der Schauspielkunst in Spanien von großer Bedeutung wurde; es war die erste spanische Hofbühne, neben den längst im großen Umfange bestehenden Volksbühnen. Nur der Hof hatte hier Zutritt; da aber auch hier größte Pracht der Darstellung erstes Erfordernis war, so war Cosimo Lotti auf den genialen Einfall gekommen, die Bühne so zu bauen, daß durch Herausnehmen einer Hinterwand der Blick sich in den Park öffnete. Da eine Gartendekoration fast in jedem der Stücke gefordert war, so hatte man nun den Vorzug, eine unbegrenzte Großräumigkeit, die Möglichkeit kunstvoller Zauberbeleuchtung und größter Natürlichkeit zu vereinen und hatte doch die Annehmlichkeit, in einem geschlossenen Raume nicht nur selbst zu sitzen, sondern auch das ganze Bild in geschlossenem Rahmen zu sehen. Cosimo Lotti schien sein Äußerstes geleistet zu haben. Sein Nachfolger jedoch, der nach seinem Tode als Gartenkünstler und Festdekorateur nach Madrid gerufen wurde, Baccio del Bianco, übertraf ihn in der Meinung der Zeitgenossen noch um ein Bedeutendes. Baccio del Bianco hatte eine Zeitlang in Prag in Wallensteins Diensten gestanden und hatte für diesen die schöne Loggia seines Gartens und wohl diesen selbst auch angelegt. Als Baccio die Vorbereitungen zu Calderons Perseus traf, ging der Dichter überwältigt zu seinem Monarchen und sagte ihm, er müsse Mahlzeit und Bett mitnehmen, denn die Vorstellung müsse bei solcher Umständlichkeit acht Tage dauern. Doch in wenigen vorgeschriebenen Stunden wickelte sich der ungeheuere Apparat ohne eine Minute Stockung ab v. Schack, ebenda..
Das waren die glanzvollsten Tage Spaniens, in denen Buen Retiro als prunkvoller Hintergrund jener festestrunkenen Versammlungen diente. Und doch taumelte diese scheinbar so reich begabte, geistig hochstehende Gesellschaft immer nahe am Abgrund hin. Buen Retiro erschien den Zeitgenossen schon wie jener Koloß mit den tönernen Füßen. Gleich nach seiner Erbauung regte sich der allgemeine Unwillen über die ungeheueren Summen, die es verschlang, über die neronische Unbekümmertheit, mit der Olivarez hier der Stadt, der schon nach Westen hin durch das Schloß und die Casa del Campo der Verkehr mit dem Lande versperrt war, nun auch im Osten eine solche Sperre vorlegte. Die Reichen murrten zudem, wenn er sie brandschatzte um der Kunstwerke willen, mit denen die weiten Zimmer des Palastes und der Garten geschmückt werden mußten. Heute ist der Park nach der völligen Zerstörung des Palastes und seiner Gärten, wie einst in Rom das Gefilde des neronischen goldenen Hauses, »Madrid wiedergegeben«. Er ist in den großen Stadtpark verwandelt und trägt auch den offiziellen Namen Parque de Madrid. Mit Buen Retiro hört der italienische Einfluß in der spanischen Gartenkunst auf. Als unter dem neuen Königsgeschlecht der Bourbonen noch einmal eine kurze Kunstblüte entstand, war es der übermächtige Einfluß dieser mit ihnen von Norden kommenden Kultur, der hier neue Schöpfungen erstehen ließ.
Als Philipp II. im Jahre 1581 Portugal in Besitz nahm, schreibt er an seine Töchter mit einem gewissen Neid von der Schönheit der Gärten seiner neuen Provinz. Was besonders Kastilien die Natur nur selten und meist nur bei sorgender Hilfe gewährte, das ward Portugal mit überreichen Händen gespendet. Der schmale Küstenstreif am Ozean ist überall von den großen Strömen bewässert, die Spanien erst verlassen müssen, um schiffbar zu werden. Das Gebirge öffnet sich den belebenden westlichen Winden des Meeres. Die weiten Flußniederungen, die Hochebene ebenso wie die Hänge der Gebirge laden gleichmäßig zum Anbau von Villen und Gärten ein, denn überall bietet das glückliche Land der reichsten, mannigfaltigsten Vegetation günstige Bedingungen. Auch Portugal hat, um diese Naturgaben zur Kunst zu gestalten, fremden Einflusses und fremder Künstlerschaft bedurft. Leider sind die Denkmäler der Literatur, die uns erhalten sind, zu wenig von alten Bildern unterstützt, um die Möglichkeit eines klaren Entwicklungsbildes zu geben. Was diese Reliquien vergangener Kunstepochen Portugals für unsere Kunst zu sagen haben, ist die Ausbildung und das treue Festhalten einiger Gartenmotive, die so ausgeprägt in anderen Ländern nicht angetroffen werden.
Die Kreuzgänge der Klöster zeigen hier früh eine besonders reiche Gartengestaltung, der königliche Klosterhof in Batalha gehört noch dem Mittelalter an, auch die heute noch erhaltene Gartenanlage mit ihren fünf schönen Brunnen wird wohl schon im XVI. und XV. Jahrhundert ähnlich gewesen sein. Sie unterscheidet sich nur durch ihre Schönheit, aber nicht wesentlich im Stile von andern frühen Gartenkreuzgängen. Noch vielseitiger scheint sich in der eigentlichen Renaissance die Anlage dieser Kreuzgänge gestaltet zu haben. Im Kreuzgang von San Francisco in Evora sind es hochgemauerte Kästen, die in regelmäßigen Sternfiguren mit der Fontäne in der Mitte und den Wegen ein zierliches Muster bilden. Die kleinen Mauern sind mit Azulejos verkleidet. Heute noch nennt man eine solche Anlage »alegrete« Albrecht Haupt, Baukunst der Renaissance in Portugal II, S. 127. Ich verdanke Herrn Professor Haupt (Hannover) den größten Teil des hier als Unterlage verwerteten Abbildungsmaterials, sowie eine Reihe wertvoller Nachrichten., was man etwa mit Lustgärtlein übersetzen könnte. Der Ausdruck war schon in der Zeit Philipps bekannt. Er schreibt im Juli 1581 seinen Töchtern, »es gibt hier an verschiedenen Orten kleine Gärten, die nicht schlecht sind, man nennt sie alegretes. Wir werden die Pläne mit uns nehmen« Gachard, Lettres de Philippe II, p. 101.. Danach könnte man sich darunter etwas Ähnliches wie die giardini secreti der Italiener denken; vielleicht aber bezeichnete man damit eine bestimmte Zeichnung in Plan und Anlage, ähnlich wie die in Evora.
In einem der nächsten Briefe bewundert Philipp besonders die Gärten des Klosters Penha longa bei Cintra, das seinen Namen von einem langen Felsen, auf dem es erbaut war, trägt. »Sie sind sehr schön und zahlreich, es gibt da schöne Fontänen, die ich wohl gerne mit mir nehmen möchte« Gachard, a. o. O., p. 117.. Von diesen Gärten, die von Mauern umschlossen neben den Klostergebäuden lagen, ist auch heute noch manches erhalten, neben den Fontänen eine fliesengeschmückte Grotte und ähnliches A. Haupt, Renaissance in Portugal I, S. 146.. Zu den herrlichsten Klosterhöfen Portugals, ja vielleicht der Welt, gehört der große Kreuzgang des Klosters von Belem in der letzten Vorstadt von Lissabon, der Haupt- und Lieblingsschöpfung des glücklichen Königs Manuel. Auch dieser Hof, in dem sich heute eine gleichgültige Gartenanlage befindet, hatte noch bis 1830 einen eigenartigen Garten. Der Brunnen, der jetzt an der Nordwestseite des Kreuzganges steht, bildete die Mitte einer Insel, die mit vier andern ringsumher liegenden durch Brücken verbunden war. Alle zusammen lagen in einem sternförmig angelegten Bassin. Die hohen Ufer des Bassins waren senkrecht mit Azulejos bekleidet, die Inseln als Gärtchen angelegt Haupt, a. o. O., I, S. 100.. Ähnlich war der Kreuzgang von Santa Cruz in Coimbra, hier krönen die Inseln kleine Kapellchen, die um einen offenen Säulenrundbau in der Mitte liegen; auch sie sind untereinander durch Brücken verbunden. Von dem Wasserbassin gehen schmale Kanäle aus, in den ausgesparten Vierecken sind Hecken und Beete angebracht Haupt, a. o. O., II, S. 82.. Eine gewisse Verwandtschaft haben diese Klosterhöfe alle mit dem großen Kreuzgang des Escorials. Doch gehen sie ihm nicht nur zeitlich voran, sondern übertreffen ihn an Reichtum und Zierlichkeit der Gartengestaltung.
Von der profanen Baukunst, den Villengärten, hat sich aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ein Kleinod erhalten in dem Landgut, das sich Dom João de Castro, der große Vizekönig von Indien, angelegt hatte, Penha verde genannt. Das einfache Haus liegt fast auf der Höhe des Abhangs der Serra, nicht weit von Cintra. Der Ziergarten, ein geometrisches Parterre, liegt vor dem Schlosse. Das Bemerkenswerte ist die Anlage des Parkes, der sich hinter dem Hause emporzieht und mehrere kleine Kapellen birgt. Auf dem höchsten Punkte liegt halb im Felsen der schöne Rundbau der Marienkapelle, von einer Ruinenarkade umgeben. Den Zugang zu der kleinen, inmitten herrlicher Bäume gelegenen Anlage bildet ein mit Sanskritsprüchen bedecktes Tor. In der Mitte des Platzes kündet ein Grabstein, daß hier das Herz Dom Joãos ausruhe von der Arbeit, die es im Leben dem Vaterland geweiht. Merkwürdig erschien dieser Park schon den Zeitgenossen um der Fülle fremdartiger Gewächse, die de Castro von seinen Reisen mitgebracht hatte, und womit er dem botanischen Interesse seiner Zeit entgegenkam. Sein Biograph erzählt, Dom João hätte die fruchttragenden Bäume aus diesem Besitztum, das der König ihm als Belohnung seiner Verdienste geschenkt habe, entfernen lassen, damit man nicht sagen könne, er wolle daraus irgendeinen Nutzen ziehen Haupt, a. o. O., I, 136 ff.; Andrada, Vida de Dom João de Castro, Lissabon 1651, p. 10..
Von großer Bedeutung für den Schmuck portugiesischer Bau- und Gartenkunst sind die Azulejos, die ursprünglich blauen, später auch bunten Fliesen, die hier wie in Spanien eine Erbschaft maurischer Kunst sind, in Portugal aber eine weit stärkere und länger dauernde Verbreitung gefunden haben Haupt, a. o. O., I, S. 37.. Mit diesen Azulejos bekleidete man mit Vorliebe, wie wir schon in den Klosterhöfen sahen, die Bassins, wo ihnen die Spiegelung des Wassers noch eine buntere Mannigfaltigkeit verlieh. Und die Eigenausbildung der Wasserbassins gibt den Gärten Portugals vom XVI. Jahrhundert an einen nationalen Sonderzug. Gleich in der ersten Villa, die die Bauformen italienischer Renaissance in Portugal rein aufweist, der Quinta di Bacalhôa, hat sich eine reizvolle Anlage erhalten Joachim de Vascello, Quinta di Bacalhoa: Arte e naturezze em Portugal.. Der Erbauer der Villa war der natürliche Sohn und einzige Erbe des großen Admirals Albuquerque. Als ganz junger Mann war Alfonso im Jahre 1521 im Gefolge, das Donna Brites nach Savoyen als Braut des Herzogs bringen sollte, nach Italien gefahren. Von Villafranca bei Nizza, wo die Flotte landete, hatten die portugiesischen Herren eine Reise nach Italien gemacht, und dort hatte Alfonso sein Auge und seinen Geschmack mit Bildern italienischer Kunst erfüllt. Als er dann dies Landgut von der Infantin kaufte und sich 1554 sein Schloß erbaute, wählte er dafür italienische Formen. Der Garten aber zeigt den gleichzeitigen italienischen und spanischen gegenüber eine bemerkenswerte Eigenart.
Das Haus, durch einen pavillonflankierten Hof zugänglich, umschließt einen kleinen giardino secreto, alegrete dürfen wir ihn nennen. Diese Gruppe liegt an einer Ecke einer Gartenterrasse (Abb. 304) von sehr großen Dimensionen, 160 x 156 m. An der entgegengesetzten Ecke ist ein großes Bassin von etwa 30 m Seitenlänge ausgegraben, es ist ringsum von Mauern eingeschlossen, an eine der Wände lehnt sich eine Halle, die durch drei Pavillons unterbrochen ist (Abb. 305), die drei übrigen sind mit Azulejos und Terrakottabüsten bekleidet. An den anderen Ecken der großen Terrasse liegen zwei kleine Pavillons, darunter befindet sich noch eine zweite von ähnlichen Dimensionen, beide heute als Wein- und Obstgarten gehalten. Ob auf der oberen, um die ein schmales, etwas erhöhtes Band an der Mauer entlang läuft, einst ein reiches Blumenparterre gedacht war, muß dahingestellt sein; das Terrain wäre für jene Zeit besonders groß und kaum ohne gliedernde Brunnenanlagen zu denken, die dann untergegangen sein müßten A. Haupt tritt für eine Parterreanlage ein.. Jedenfalls hat die ganze Anlage, das Bassin und das Haus, weder in Italien noch Spanien Vorbilder.
Mehr an Italien, Villa Madama, Palazzo del Te, Petraja, erinnert das gemauerte und auch mit Azulejos verkleidete Bassin, das sich vor die ganze Länge des Schlößchens Bibafria Bibafria nach brieflicher Mitteilung von Professor Haupt. bei Cintra legt. Hier öffnen sich die Fenster der besten Zimmer auf das Wasser. An einer Schmalseite des Bassins liegt ein zierliches Gartenhaus, und darunter erstreckt sich dann der Garten.
Die schönste aller dieser Anlagen, noch heute ein Juwel, das leider wahrscheinlich dem Untergang geweiht ist, ist die Villa Bemfica Bemfica (Arte e naturezze em Portugal).. Sie liegt in dem schönen Alcantaratal, von je ein Lieblingssitz des portugiesischen Adels. Hier baute sich der Marquez de Fronteira, ein Zeitgenosse und Freund des Dichters Louiz de Sousa, ein Sommerhaus, das im XVIII. Jahrhundert zwar erweitert wurde, doch besonders im Garten noch ganz den Stil des XVII. Jahrhunderts, der Zeit seiner Erbauung, festhält. Der Garten ist in geometrischen, meist quadratischen Beeten ausgelegt, mit Buchs eingefaßt, in denen Blumen oder Zwergpalmen stehen (Abb. 306). Dazwischen sieht man einige schöne Buchsverschnitte in Kegel- und Kugelschnitten. Fünf Brunnen, einer in dem Hauptkreuzungswege,
bestimmen die Zeichnung des Parterres, das an allen Wegecken mit Statuen geschmückt ist. Auch hier aber wird das Auge von dem seitlich gelegenen Bassin, das fast die ganze Länge des Gartens einnimmt, neu und fremdartig berührt (Abb. 307).
Im Wasser selbst stehen zwei Statuen und zwei kleine Blumeninseln, die hohe Hinterwand, die eine schmale Terrasse stützt, ist durch drei Tore gegliedert, zwischen denen zwölf Felder mit Reiterstatuen aus Fayenceplatten angebracht sind. Die Futtermauer der oberen schmalen Terrasse, die nicht bepflanzt, sondern nur mit Platten ausgelegt ist, schmücken fünf Nischen mit Bildnissen portugiesischer Könige. Die Nischen sind mit rotem Email ausgelegt, dazwischen bunte Terrakottaornamente in Robbiaart. Auf der Balustrade stehen wieder Statuen, und rechts und links flankieren die Terrasse kleine turmartige Gartenhäuser. Das Bassin selbst ist auch durch eine Balustrade vom Garten abgeschlossen, auf seitlichen Treppen steigt man zur oberen Terrasse. Die Anlage erinnert wohl an Villa Madama, aber den Schmuck, die ganze Umgebung des Bassins hat nur Portugal so ausgebildet. Noch eine zweite Wand, die sich neben dem Hause hinzieht, hat ähnlichen Schmuck, auch hier Fayenceplatten, zwischen denen Statuen stehen und über denen Fruchtgehänge mit Medaillons angebracht sind; in der Erde davor ist eine Muschel eingelassen, die vielleicht auf einen Brunnen schließen läßt.
Überall bilden diese großen, meist an sehr hohen Mauern gelegenen Becken das auffallendste Merkzeichen der portugiesischen Gärten jener Zeit. Auch in der Quinta da Ramalhão Ramalhâo nach brieflicher Mitteilung von Professor Haupt., die erst dem XVIII. Jahrhundert angehört, ist die Anlage eines großen Beckens über den bedeutend abfallenden Terrassen sehr eigenartig. Als sich der Infant Dom Pedro, der im Jahre 1750 als Pedro III. den Thron bestieg, ein Schloß erbaute und dazu einen Park anlegte, der natürlich von den Zeitgenossen das portugiesische Versailles genannt wurde, ist, obgleich ein französischer Baumeister lange den Bau von Queluz leitete, der französische Einfluß doch so gering, daß dies königliche Lustschloß sich noch ganz in die Renaissanceentwicklung einfügt (Abb. 308). Queluz liegt ein paar Meilen nordwestlich von Lissabon, der seitlich gelegene Fluß ist in den Garten hineinbezogen, Flußbett wie Brücke sind mit Azulejos bekleidet, was das Bild inmitten der südlichen Vegetation überaus leuchtend macht. In der Hauptachse des Hauses liegt ein Gartenhof, der von Reiterstatuen beim Eigang nach dem stattlichen Parterre flankiert wird. Den Endpunkt bildet ein Wasserturm mit einer Kaskade, während die Querachse des Parterres auf die Flußbrücke führt. Zur Seite nach dem Flusse, wo das Tal sich senkt, ist in einer abgestumpften Ecke des Schlosses eine Terrasse als hängender Garten angelegt. Ein bedeutendes Rampentreppensystem führt in die tiefer liegenden Teile des Gartens. Selbst in dieser Zeit, wo die Augen so unbedingt auf Frankreich gerichtet waren, hat Portugal hier gewisse eigene Traditionen festgehalten. Heute ist die Anlage verwildert, die Statuen sind zum Teil umgestürzt, doch um so malerischer zeigt sich dies Bild südlicher Schönheit Nach Photographien und brieflicher Mitteilung von Professor Haupt..
Ein anderes Gartenmotiv, das das Barock in Italien ausgebildet hatte, findet in Portugal seine eigenartige Anwendung: in einer ganzen Reihe hochgelegener Klöster ist die Stationstreppe zu einer prächtigen Wassertreppenanlage gestaltet. Das Kloster von Bussaco Sim. de Castro, Bussaco: Arte e naturezze em Portugal, 1905. hat in seinem herrlichen Park inmitten ragender alter Zedern das früheste Beispiel einer solchen Anlage (Abb. 309): gerade Treppen führen von Plattform zu Plattform, zu beiden Seiten eines Wasserlaufes, der, in regelmäßigem Zickzack angelegt, von Tuffstein eingefaßt ist und auf jeder Plattform durch kleine, mit Tuffstein eingerahmte Brücken überspannt wird. Zwischen den Treppen fällt das Wasser in kleinen Fällen herab und endet unten in einem Bassin, während oben aus dem Brunnenhause ein Strahl das oberste Becken speist. Einst war hier der Eingang zum alten Kloster. »Damit dieser Ort der Zurückgezogenheit für immer angenehm sei und dem Gebet angemessen, soll der Prior jedes Jahr Waldbäume pflanzen; er darf keine herausnehmen und umschlagen, ohne die Billigung des Kapitels«, so bestimmt die Gründungsurkunde, und Papst Urban belegte durch eine Bulle mit Bann jeden, der in dem »Bannwalde« Baumfrevel beginge Ebenda.. Dem Gebet heilig ist dieser Ort nicht geblieben, denn moderne Hotelbauten haben sich an Stelle des alten Klosters gedrängt. Aber das schöne Gartenbild der einst frommem Dienste geweihten Treppe umgibt auch heute noch der herrliche, Jahrhunderte hindurch geschonte hochragende Wald (Abb. 310).
Großartiger noch gestalten diese Treppen zwei Klöster, die erst dem XVIII. Jahrhundert angehören, Braga und Lamega. Das erste, Bom Jesus do Monte, ist dem gleichen Schicksal verfallen wie Bussaco. Es ist auch ein Luftkurort geworden, und den Hotels und Neubauten aller Art ist die Klosterstille gewichen Baedeker, Portugal, 1906, S. 526.. Die Stationstreppe (Abb. 311) aber, die in dem alten Park voll wunderschöner Bäume liegt, ist ein Ausdruck der festlichen Pracht, mit der die Kirche in jenem Jahrhundert sich zu umgeben liebte. Hier steigt die Treppe im Zickzack zu beiden Seiten des Wasserfalles, unten von zwei Kapellen flankiert, empor. Rechts und links der Treppe, die zur ersten Plattform gerade emporsteigt, stehen zwei schlangenumwundene Pfeiler, um die wohl einst, wie in Villa Aldobrandini in Frascati, Wasser gerieselt ist. Die Plattformen sind mit Nischen, Ornamenten, Statuen und Fontänen geschmückt, zu beiden Seiten immer von schmalen Blumenbändern begleitet. Zur höchsten Terrasse, die von der zweitürmigen Kathedrale gekrönt ist, legen sich die Treppen halbrund um eine Nische. Dieses glanzvolle Bild, das den Weg der frommen Waller zur Gnade auch »abondant en tout plaisir« machte, hat anderen einfacheren Anlagen zum Vorbild gedient.
Das Kloster Nossa Señhora dos Remedios zu Lamego stammt aus dem letzten Drittel des XVIII. Jahrhunderts Nach Photographien und brieflicher Mitt. von Prof. Haupt.. Die Treppe ist sehr ähnlich der von Braga in den Hügel eingeschnitten. Die neun Absätze der Zickzacktreppe werden durch eine anmutige Kapelle gekrönt. Der Schmuck der einzelnen Absätze mit Fontänen, Nischen und Blumenbeeten ist auch Braga abgelauscht. Den unteren Abschluß bildet eine Futtermauer mit hoher runder Nische.
So bietet das kleine Land zwar keinen Gartenstil, der fortwirkend eine weitere Entwicklung bestimmt hätte, doch eine Reihe bedeutender, energisch ausgebildeter und festgehaltener Motive. Erst Frankreich, dem wir uns nun zuwenden, ward das Los, eine lebensvolle, national gewachsene Kunst auszubilden, der bestimmt war, sich ganz von der Schülerschaft Italiens zu lösen und sich zu seinem bedeutendsten Rivalen auszuwachsen.