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3. Kapitel
Laute Bewunderung erfüllte die Griechen, als sie zuerst die herrlichen Parks der orientalischen Großen erblickten. Nichts hatte ihre Kultur geschaffen, was sich mit diesen Werken mächtiger Großkönige und Satrapen messen konnte. Gerade in der klassischen Zeit des hellenischen Volkes, in der die andern bildenden Künste in rascher Entwicklung dem Höchsten zustrebten, hören wir nichts von der Gartenkunst. Wir dürfen nicht hoffen, von dieser vergänglichsten aller Künste durch Ausgrabungen eine befriedigende Vorstellung zu erhalten, doch schweigen auch die Zeugen, die uns ein Bild des orientalischen und ägyptischen Gartens erhalten haben, die Dichter, die Geschichtsschreiber und Maler vollkommen, so daß nur ein Horchen auf Zufallsstimmen in der Literatur es uns möglich macht, die ganz eigenartige und für die Folge bedeutsame Entwicklung des griechischen Gartens zu erkennen.
Eine Erklärung für diese auffallende Lücke in dem griechischen Kulturbilde der großen Zeit finden wir in der Verfassung der Polis. Sie bildet den Rahmen, der das ganze geistige und wirtschaftliche Leben des Hellenen umfaßte, und dieser Rahmen bot gerade in der Zeit seiner höchsten Anspannung für die Entwicklung einer privaten Gartenkunst keinen Raum. Zu allen Zeiten hat diese Kunst ihre bedeutsame Entfaltung erst in den Händen einer bevorzugten, wirtschaftlich kräftigen und ästhetisch verfeinerten Herrenklasse gefunden. Die wachsende Demokratie aber wachte eifersüchtig darüber, daß kein geistiges und wirtschaftliches Übergewicht einer Familie Generationen hindurch eine Sonderstellung gewährte.
Wenn dennoch auch hier der griechische Geist für die Folge Bedeutsames geleistet hat, so müssen wir die Entwicklung des Gartens auf ganz neuem Gebiete suchen.
Auch Griechenland hat eine Zeit gesehen, in der die Bedingungen für eine Gartenentwicklung günstig genug lagen: die große Zeit der kretisch-mykenischen Kultur. Leider aber reicht die Leuchte literarischer Nachrichten nicht bis in diese Zeit zurück. Die Ausgrabungen zwar bieten jedes Jahr neue Beweise für die erstaunliche Bedeutung dieser Epoche, die nebeneinander gewaltige, fast übermenschliche Bauten aufführte und eine bis zum äußersten Luxus raffinierte Lebenskunst verrät. Man hat Paläste jeder Art und Größe aufgedeckt, aber der Anhalt für die Anlage von Gärten ist zu unsicher, um mehr als eine Forderung zu sein. Die Burgen des Festlandes zwar sind meist Festungen, deren beschränkter Raum innerhalb der Mauern durch eine Menge dichtgedrängter Häuser neben dem Palast den Gärten einen noch kleineren Raum gestattet haben wird, als die mittelalterlichen Burgen unserer Zeitrechnung. Anders aber liegen die Dinge in Kreta, wo sich nach unserer heutigen Kenntnis diese ganze Kultur von ihren ersten Anfängen bis zu ihrer höchsten Vollendung entwickelt hat. Hier herrschten königliche Geschlechter in tiefem Frieden vom Meere geschützt. Keine Festungsmauern engen ihre Paläste ein. Der Schmuck ihrer Geräte, die Bemalung ihrer Vasen, die Fresken, mit denen sie ihre Zimmer zierten, verraten ihre Liebe zur Pflanzenwelt; Blumen und Bäume sind mit erstaunlichem Können künstlerisch dargestellt (Abb. 46). Mit feiner Berechnung der Lage, vor den rauhen Winden des Winters geschützt und im Sommer allen kühlen Lüften offen, baut sich, dem Hügelabhang angeschmiegt, in drei Stockwerken übereinander der Wohnflügel im Palaste zu Knossos auf. Offene Säulenhallen und Terrassen schauen auf das lieblich grüne abgeschlossene Tal herab (Abb. 47); seitliche Treppen führen herunter. Leider fehlen nun weitere Grabungen, doch eine fast zwingende Notwendigkeit drängt dazu, hier anschließend schöne üppige Gärten zu denken, die dem Luxus der Lebensweise dieser vornehmen eleganten Fürsten entsprachen. Aber dieses Blatt in der Geschichte der kretischen Kultur, die die Denkmäler jährlich deutlicher schreiben, bleibt für unsere Kunst leider noch leer.
Ein wenig helleres Licht strahlt die homerische Ritterpoesie aus. Auch hier spiegeln sich Sitten und Lebensweise eines Herrenvolkes, das wohl geneigt war, in der Muße, die ihm der Krieg ließ, sich mit der Pflege des Gartens zu beschäftigen. Und das Epos zeigt uns auch bedeutsame Ansätze zur Entfaltung einer Gartenkunst; freilich waren die Lebensgebräuche einfacher, als sie sich im Palaste zu Knossos entfaltet haben. Den alten Laertes hat wohl der Kummer um seinen verschollenen Sohn Odysseus auf sein Landgut getrieben, so daß er dort im Knechteskleid niedere Arbeit verrichtet. Doch die Pflege seines Gartens, den er sich durch den Fleiß seiner Hände erworben, war ihm niemals fremd gewesen. Früh schon erzog er den Knaben Odysseus zu gleicher Beschäftigung und schenkte ihm, um seinen Ehrgeiz anzustacheln, eine Reihe von Fruchtbäumen und Rebstöcken. Einen Farmgarten würden wir diesen Platz nennen, wo sich der Heimgekehrte dem kummerbedrückten Vater zu erkennen gibt: schön geordnete Reihen von Obstbäumen und Weinspalieren, umgeben von einem Zaun aus Dornstrauch geflochten; zu ihm gehörte das einfache Haus, in dem mit dem Herrn zugleich die Knechte wohnen, die den Acker bestellen (Odyssee XXIV). Ähnlich werden wir uns auch das Landgut Τέμενος eigentlich nur ein eingehegter Bezirk, doch bedeutet er nach häufigem Sprachgebrauch bei Homer wohl Königsgut. mit seinem schönen Fruchtgarten denken, das Alkinoos in Rufweite von der Stadt besaß, beim Haine der Pallas Athene, wo Odysseus warten mußte, bis Nausikaa mit den Mägden unter das väterliche Dach getreten war. Aber Alkinoos besaß auch einen großen, herrlichen Garten Die homerischen Ausdrücke für Garten, Feld, Weingarten und Fruchtgarten sind noch so wenig begrenzt, daß man meist erst durch den Zusammenhang den jeweiligen Sinn festlegen kann. Das Wort für den Garten der klassischen Zeit, κ̃ηπος, gebraucht Homer als allgemeinen Ausdruck abwechselnd mit ὅρχατος, was ein eingehegtes Land bedeutet. Schwieriger ist die Deutung des Wortes ὰλωή, eigentlich Feld, das η 122 unzweifelhaft Weingarten heißt und ω 224 ebenso unzweifelhaft Obstgarten. In unserer Stelle ξ 293 ist τεθαλυῖά τἀλωή) auch am besten mit blühendem Fruchtgarten zu übersetzen. in der Stadt Scheria, er stieß an seinen Palast an (Odyssee VII, 112 ff.), zu dessen Schilderung der Dichter alles zusammentragen möchte, was er Schönes und Prächtiges nur ersinnen kann. Und doch, wenn wir diesen genau prüfen, geht auch er über einen Nutzgarten durchaus nicht hinaus und unterscheidet sich in dieser Richtung wenig von Laertes' Farmgarten. Odysseus überschaut ihn, ehe er die hohe Schwelle des Phäakenpalastes überschreitet.
Außerhalb des Hofes liegt er, nahe der Tür. Dieser Vorhof ist rings von Mauern, wohl auch, wie dies die mykenischen Paläste uns zeigen, mit Gebäuden umgeben; neben der Haupteingangspforte erstreckt sich der vier Hufen große Garten, auch er, wie der Hof, von Mauern umgeben So wird hier wohl am besten ἕρκος zu übersetzen sein. Homer braucht allerdings den gleichen Ausdruck in seiner ursprünglichen Bedeutung als Dornhecke. Im Garten des Lasters (ω 223) findet Odysseus keinen der Knechte, der alte Dolios ist mit den Söhnen hinausgegangen, um Dorngesträuch, ἁιμασιά, zu sammeln, ἀλωῆς ἔμμεναι ἔρκος, den Garten mit einem Zaun zu umgeben.. Dem Hof zunächst liegt der Baumgarten: Äpfel, Birnen, Feigen und Oliven, die gleichen Arten wie in Laertes' Garten, nur die Granate wird dort nicht erwähnt. Auf den Fruchtgarten folgt der Weingarten, endlich in letzter Reihe die Beete des Gemüsegartens, wohlgeordnet mit verschiedenen Arten bepflanzt Παρὰ νείατον ὄρχον kann nur heißen: hinter der letzten Reihe der Weinstöcke. Der Rhapsode schildert vom Hofe nach hinten gehend. Böttiger, Racemationen zur Gartenkunst der Alten, Kl. Schriften III, 157–189, spricht sich mit unzureichenden Gründen für eine umgekehrte Reihenfolge aus.. In dieser Dreiteilung, die jede andere Bepflanzung und jeden Schmuck ausschließt, der nicht unmittelbar dem Nutzen dient, hat der Phäakengarten durchaus das gleiche Gesicht wie jeder andere Farmgarten. Wenn der Dichter uns also auch hier, wo er das Höchste seiner Zeit schildert, nichts anderes sagen kann, so ist der Schluß wohl berechtigt, daß jene Kultur nur solch einfachste Formen des Gartens gekannt hat, die weder mit der ägyptischen noch mit der orientalischen Gartenentwicklung sich messen können.
Der Dichter muß zu ganz anderen Mitteln greifen, um ein Bild feenhafter Pracht innerhalb dieses primitiven Planes zu entrollen: Der Garten steht das ganze Jahr hindurch in unveränderter Fülle von Blüte und Frucht zugleich, kein Mangel, kein Mißwachs schädigt ihn. Birne reift auf Birne, Feige auf Feige, vom sanften Zephyr umfächelt. Diese Schilderung wiederholt sich in allen Teilen, am ausführlichsten im Weingarten, wo die Traube von der Blüte bis zur Kelter gleichzeitig vor Augen geführt wird. Zweifellos haben dem Rhapsoden hier die sagenhaften Gärten der Hesperiden vorgeschwebt. Das Märchenhafte liegt in dem Zeitlosen von Blüte und Frucht derselben Gattung, denn die Forderung, daß ein schöner Garten stets etwas Blühendes aufweisen müsse, haben alle Zeiten und Gegenden aufgestellt, und jenes glückliche Klima konnte sie leichter und reicher erfüllen als unsere nordischen Striche, und doch verlangt selbst ein Bacon das gleiche für einen englischen Garten.
Von eigentlicher Blumenpflege hören wir in diesem Wundergarten noch gar nichts, denn die »schön geordneten Beete« sind nur Gemüsebeete. Wie hätte auch sonst der Dichter, der uns den blühenden Anger in freier Natur mit so reichen Farben zu schildern versteht, gerade hier von diesem herrlichsten Schmucke späterer Gärten geschwiegen. Man war augenscheinlich noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, diese lieblichen Kinder der Wiese in Gärten zu pflegen. Erst eine spätere Zeit hat dann gerade die Gemüsegärten mit blühenden Gewächsen geziert, so daß aus diesem Teile des Nutzgartens sich der Blumengarten entwickeln sollte. Dieser Mangel einer Blumenzucht in homerischer Zeit erklärt sich daraus, daß man Blumen noch wenig zum Schmucke der Kleidung und des Hauses verwandt hat Der homerische Hymnus auf Aphrodite VI, 18, wo die Göttin ἰοστέφανος Κυθηρείν genannt wird, ist nicht älter als das VII. Jahrhundert.. Weit häufiger schmückt Homer seine Gefäße mit Blumen, doch ist dieses »blumig« wohl durchweg als Blumenornament zu denken, denn es sind nicht Vasen, in die man nach ägyptisch-orientalischer Weise Blumen hineinsteckt, sondern Opfergefäße für das Weihwasser oder auch Mischkrüge γ 440 ἀνθεμόεντι λέβητι. ω 275 κρητῆρα ἀνθεμόεντα. ψ 885 λέβητ᾽ ἀνθεμόεντα.. Eine hübsche Illustration für solche homerischen Gefäße gibt ein mykenischer Silberbecher (Abb. 48), der in dreifacher Wiederholung einen Blumenkübel, in dem Blumen gepflanzt sind, zeigt. Das Ornament selbst ist wohl aus ägyptischem Einflusse hervorgegangen, wo solche Blumenschalen zum gewöhnlichsten Schmuck des Hauses gehörten. Das Ornament allein aber genügt nicht, um, wie man wohl getan hat Köhler, Athenische Mitt. VIII, 1883. 1. Die dort ausgesprochenen Ansichten über die allgemeine Gartenentwicklung werden durch meine ganze Darstellung widerlegt. Vgl. über die ägyptischen und mykenischen Prunkgefäße jetzt A. Jolles, Arch. Jahrb. 1908, 209, wo das gesamte Material behandelt, unsere Vase aber sonderbarerweise nicht besonders gewürdigt ist., auf eine ausgedehnte Blumenzucht der mykenischen Kultur zu schließen.
Odysseus überschaut den ganzen Garten, an der Schwelle des Hauses stehend. Sollen wir den Dichter wörtlich nehmen, so muß er ein ansteigendes Terrain vor sich haben. Dafür spricht auch die Anordnung seiner Bewässerung. »Zwei Quellen«, heißt es zum Schluß, »gibt es, die eine ist durch den ganzen Garten geleitet, die andere unter der Schwelle des Hofes hindurch nach dem hohen Hause hin.« Von hier schöpften die Bürger. Über die künstliche Bewässerung von Gärten gibt Homer in der Ilias ausführliche Auskunft. Wir hören dort von einem besonderen Wassermeister, der die Quellen über Pflanzungen und Gärten leitet, augenscheinlich in Kanälen, in denen das Wasser gestaut bleibt, bis man es braucht; dann entfernt der Aufseher die Hindernisse, und das Wasser strömt brausend heraus und ergießt sich über das Land ψ 257. In Athen gab es später ὑδάτων ἐπιστάται, vgl. Blümner-Hermann, Griech. Privataltertümer 104, Anm. 1, auf Delos einen ἰνωποφύλαξ oder κρηνόφυλαξ (Schöffer bei Pauly-Wissowa IV, 2490) usw..
Solch eine Art der Bewässerung, die auch dem Phäakengarten seine Fruchtbarkeit sichert, ist nur durch eine ansteigende Lage zu erreichen. So erklärt sich auch am besten die Verteilung der beiden Quellen; wenn die eine gestaut werden soll, so kann sie zu einem Brunnen, der fortwährend fließendes Wasser braucht, nicht verwendet werden. Darum leitet man die zweite direkt in den Hof unter der Schwelle durch, wo sie, den Bürgern auch zugänglich, nach der Außenmauer eine Mündung haben muß. Noch ein Punkt der homerischen Schilderung läßt einen Zweifel über seine Anlage zu. Von den Trauben im Weingarten heißt es: die einen dörrten in der Sonne auf dem Trockenplatze auf ebenem Boden. Liegt dieser Trockenplatz im Garten selbst, so müßten wir uns, da er dem mittleren Teile angehört, nicht nur ein ansteigendes Terrain, sondern Terrassenanlagen denken. Da wir in dieser Märchenschilderung aber auch hören, daß die Trauben hier geschnitten, dort gekeltert werden, so könnte der Trockenplatz auch da sein, wo die Kelter ist, bei den Wirtschaftsgebäuden.
Der reiche Phantasieeindruck dieser Schilderung, unterstützt von der Autorität ihres Dichters, läßt den Garten des Alkinoos das ganze spätere Altertum hindurch sprichwörtlich alles Höchste und Schönste auf diesem Gebiete ausdrücken. Auch als diese Kunst eine von Homer nie geahnte Höhe erreichte, blieb sie den Dichtern ein Ideal, das ihrer Sehnsucht lockend wie die Gefilde der Seligen vorschwebte Böttiger, Kleine Schriften II, 170, hat einige Stellen späterer Schriftsteller über die Gärten des Alkinoos zusammengestellt, die leicht vermehrt werden könnten..
So sehr des Alkinoos Garten an überschwänglicher Fruchtbarkeit sich auszeichnete, so wenig wird ein Palastgarten an sich eine Ausnahme gewesen sein. Wahrscheinlich wird jeder der Großen der homerischen Zeit solch einen Garten, der seine Tafel mit allem Nötigen versorgte, bei seinem Palast gehabt haben. Am Hause des Odysseus wird ausdrücklich ein solcher erwähnt. Penelope erzählt, daß ihr Vater ihr als Brautgabe den erfahrenen Dolios mitgegeben habe, damit er den Garten, den baumreichen, ihr besorge (Odyssee IV, 737). Dolios wohnt jetzt draußen auf dem Lande bei Laertes, Penelopes Garten aber müssen wir uns bei dem Palast denken, ihrer besonderen Aufsicht unterstellt. Schon damals also war es Rittersitte, daß der Garten der Schloßherrin besonderes Eigentum war, da er ihr Früchte und Gemüse für die Küche lieferte, wie wir es später das ganze Mittelalter hindurch unter ähnlichen sozialen Bedingungen finden werden.
In den offenen Höfen der Paläste, die in der weiteren Entwicklung der Gartenkunst eine so große Rolle spielen, darf eine bedeutsame Anpflanzung weder in mykenischer, noch homerischer Zeit gesucht werden. Der vordere Hof war immer gepflastert, enthielt den Altar und wohl häufig auch einen Brunnen, der, schön in Marmor gefaßt, eine Zierde des Platzes war. Doch gab es auch in homerischer Zeit bepflanzte Höfe, wie die Erzählung des Odysseus von der geheimnisvollen Einrichtung seiner kunstvollen Bettstatt beweist ψ 190 ff. θάμνος ἒφυ τανύφυλλος ἐλαἰης ἕρκεος ἐντός, ἀκμηνὸς θαλέθων πἆχετος δἧν ἦὗτε χἶων Ölbaum, der weitschattig, mit einem Zaun umgeben, in einem der hinteren Höfe stand, baute Odysseus sich sein Schlafgemach. Er benutzte den Stamm des Baumes als Säule, um darauf ein Bett zu fügen, das er unlösbar mit der Erde verband. Wahrscheinlich waren die Höfe der Frauenwohnungen mit Bäumen bepflanzt gewesen. Auch noch in später Zeit waren die Vorhöfe meist gepflastert. Lukian schildert ein Haus der Aphrodite: der Vorhof war hier »nicht wie gewöhnlich« gepflastert, sondern wie es der Herrin des Hauses entsprach, mit herrlichen schattigen Bäumen, Blumen und Lauben bepflanzt.
Weit häufiger als der Gärten ist in den homerischen Epen der heiligen Haine Erwähnung getan. Wir müssen sie uns noch als Hauptstätten der Gottesverehrung denken, da der Tempeldienst der Götter, obgleich im Epos schon vorhanden, gegen den in den Hainen noch sehr zurücktritt. Ob diese Kultstätten immer umfriedet, also ein τέμενος waren, ist nicht mit Sicherheit zu behaupten, da sie meist nur Hain ἄλσος genannt werden; gewiß ist nur, daß der Altar von schattenspendenden Bäumen umstanden ist, denn baumreich, schattenspendend sind die Beiworte, die das Epos diesen Hainen gibt. Fast immer wird auch eine Quelle erwähnt, die Baumarten werden selten genannt, dann aber sind es zum Unterschiede von Gärten immer unfruchtbare Waldbäume. Häufig wird ein heiliger Baum neben Quelle und Altar herausgehoben, so die herrlich ragende Palme im Apollohain auf Delos, die Odysseus in den Sinn kommt, als ihm Nausikaa gegenübersteht ζ 162 f.. Ebenso opfern die Achaier auf einem Altar neben einer Quelle, die aus einer schönen mächtigen Platane entspringt β 305.. Am berühmtesten war die Eiche zu Dodona, aus deren Gipfel Odysseus die Stimme des Donnerers vernimmt ξ 328. Siehe dazu Wäntig, Haine und Gärten im griechischen Altertum, Progr. Chemnitz, 1893, und Helbig, Das homerische Epos 313.. Ebenso häufig sind auch die bildlichen Darstellungen auf kretisch-mykenischen Monumenten von heiligen Bäumen in kleinen Gehegen oder steinernen Umfriedungen Aus der Masse seien als typische Beispiele genannt die Ringe bei Evans, Journal of Hellenic Studies 1901, 171, 176, 177, 182, 183, 185, das Steingefäß ibid. 103, der Sarkophag von H. Triada, Monumenti antichi dei Lincei XIX, 5 (v. Duhn: Archiv f. Religionswiss. 1909, 161). Häufig finden wir auf griechischen Gefäßen des VI./V. Jahrhunderts Bäume mit Votivtäfelchen geschmückt (z. B. Journal of Hell. St. IX, 1888, Tafel 1, Kern bei Pauly-Wissowa III, 159).. Diese Baumverehrung teilten die Griechen mit den Orientalen, sie überdauerte die hellenistische Zeit und erbte sich in das Römertum fort.
Doch fehlt es auch nicht an ausführlichen Schilderungen, die zeigen, wie man zu Homers Zeit mit Absicht und Kunst solch eine Stätte der Gottesverehrung schmückte. Der Athenahain auf Scheria bei dem Landgute des Alkinoos liegt am Wege, er hat eine Wiese ringsum von Quell umflossen, auf der der Altar stand, dunkle Schwarzpappeln umschatten ihn ζ 292.. Reizvoller noch ist das Heiligtum der Nymphen auf Ithaka geschildert ρ 205-211.. Odysseus wandert mit dem Sauhirten der Stadt zu. In ihrer Nähe gelangen sie zum kunstreich gefaßten, schön fließenden Brunnen, der das kühle Wasser auffängt, das hochschäumend vom Felsen herabfällt, ringsumher überall kreisrund war ein Hain wasserliebender Pappeln gepflanzt, auf der Höhe stand ein Altar, wo die Wanderer allen Nymphen zu opfern pflegten. Es war das Werk dreier Bürger von Ithaka, deren Namen der Dichter ausdrücklich nennt, so lieblich dünkt ihm selbst das Heiligtum. Diese erste Schilderung eines Nymphäums zeigt uns schon ein vollendetes Bild einer Anlage, wie sie im späteren Altertum, und mehr noch in der Renaissance, von der Gartenkunst mit besonders künstlerischer Freude ausgestattet wurde.
Bei diesen Schilderungen handelt es sich ausdrücklich um eine Anlage und Pflege von Menschenhand. Etwas anderes ist es mit der Grotte der Kalypso. Hier ist nur eine anmutige Naturszene gegeben; kein Hain wächst um die Grotte, sondern nur ein Wald von Erlen und Pappeln und wohlriechenden Zypressen, in denen breitfiedrige Vögel: Habichte, Baumeulen und breitzüngige Krähen, die der Meeresgeschäfte kundig sind, nisten. Ein Weinstock rankt sich, von Trauben schwellend, um den Eingang der Grotte. Vier Quellen entspringen nachbarlich und schlängeln sich hierhin und dorthin um die Wiesen, die von Veilchen und Eppich schwellen. Es ist ein Bild, »das auch ein Unsterblicher mit Freuden verweilend anschaut« ε 63 f..
So sehen wir in der homerischen Kultur allerlei Keime zu einer Gartenentwicklung, die aber die Folgezeit bei ganz veränderten sozialen Bedingungen sehr ungleich zur Entfaltung brachte. Wohl wissen wir, daß der Grieche bis in das V. Jahrhundert mit Vorliebe auf dem Lande lebte, daß selbst die Verwüstungen der Perserkriege ihn nicht hinderten, sich im folgenden Frieden seine Wohnstätte wieder aufzubauen Thukyd. II, 14, 16, 65.. Doch war alles in verhältnismäßig kleinen Landbesitz zersplittert. Auch die Reichen hatten in ihren Häusern zwar »prächtiges Gerät« angesammelt, in ihren Gärten aber bauten sie die nötigen Früchte für das Haus wohl in gleicher Weise, wie zu des Odysseus Zeiten. Als Kimon die Zäune seiner Gärten niederlegen ließ Plutarch, Cimon 13; Nepos IV, 17 f., um jedermann Zutritt zu verschaffen, gab er damit keine kunstvollen Anlagen preis, nur die Früchte sollten allen zugänglich sein. Vielleicht, obgleich uns leider alle bestimmten Nachrichten über diese Zeit fehlen, hat man doch begonnen, Blumen in den Gärten zu ziehen; denn die Sitte, sich zu bekränzen, die dem homerischen Epos noch so fremd war, beginnt vom VI. Jahrhundert an mehr und mehr das ganze Leben des Hellenen zu durchdringen. Jede gottesdienstliche Handlung wurde von Bekränzten ausgeführt, jeder Geweihte wurde bekränzt, und da das Symposion mit einer gottesdienstlichen Handlung begann, so bekränzten sich auch dabei die Gäste Wilamowitz, Kommentar zu Euripides Herakles 2 677, S. 156..
Allerdings waren es noch wenig Blumenarten, die der Grieche kannte, und das alte Volksliedchen, das Athenäus aufbewahrt hat Athenäus XIV, 629 c.: »Wo finde ich die Rose, wo die Veilchen und wo den schönen Eppich?« zählt schon fast alle Arten auf, die das frühe Altertum gekannt hat, Lilie, Krokus und Hyazinthe kommen noch hinzu. Die Rose wird den Griechen wohl bald nach homerischer Zeit auch als Gartenzuchtblume bekannt gewesen sein. Am Fuße des Bermiongebirges in Makedonien liegen schon in Herodots Herodot 838. Zeiten die fruchtbaren Gärten des Midas, des Sohnes des Gorgias, wo selbst sechzigblättrige Rosen wachsen, die an Wohlgeruch alles übertreffen. Vielleicht kam über Makedonien die Rosenkultur nach Griechenland. Sie wächst dort schnell an; Demosthenes Demosthenes LIII, 16. kennt schon Rosengärten, in denen viele Arten gezüchtet wurden. Über alle Einzelheiten von Blumenzucht und Anlage solcher Gärten lassen uns die griechischen Quellen im Stich, und der Verfasser des pseudoplatonischen Minos kann unsere Neugierde nur rege machen, wenn er von »Schriften über Gärten, von Gärtnern verfaßt« Plato, Minos p. 316 e. spricht, von denen keine Spur hinterblieben ist. Auch der besondere Ausdruck für Beet oder Rabatte »Perikēpoi« läßt auf einen Blumengarten mit Beeten schließen. Als der Bedarf an Blumen wuchs, werden besondere Handelsgärtner ihn gedeckt haben, aber für den Hausgebrauch haben sicher auch die Junker neben den Gemüsen Blumen gezogen. Wie weit in Griechenland etwa schon die Blumenzucht durch medizinische Zwecke, wie so deutlich erkennbar im Mittelalter, gefördert worden ist, ist aus den Quellen nicht sichtbar. Wohlriechend nennt auch Aristophanes Aristophanes, Av. 1067. die Gärten; besonders auch um Gräber pflanzte man gerne wohlriechende Gewächse, da der Wohlgeruch als ein Zeichen der Verklärung des Toten galt Anthol. Palat. VII, 22.. Da Gräber häufig einen Teil der Gärten ausmachen, so werden wir auch darin eine Förderung der Blumenzucht sehen. Blumen wurden auch in den Hainen weiblicher Gottheiten gezogen. An der Mündung des Alphaios Strabo VIII, 433; Pausanias I, 27, 3, vgl. I, 19, 2 und Frazer zur Stelle Strabo XIV, 683. Pindar, Pyth. V, 32. lagen Blumenhaine der Artemis, und den Nymphen heilig. Besonders aber war Aphrodite, die früh die »Veilchenbekränzte« heißt, eine Schützerin der Blumen und Gärten.
Einer uralten Sitte im aphrodisischen Kult, wie er schon im VI. Jahrhundert in Griechenland heimisch und vielleicht aus Syrien mit dem Adoniskult herüber gekommen war, darf hier gedacht werden, da hier Keime späterer Gartenentfaltung liegen. Es sind dies die Adonisgärtlein Wilamowitz, Bion von Smyrna, Adonis, Berlin 1900, 12-14.: Am Adonisfeste, das im Hochsommer die Frauen Athens mit Klageliedern um den Tod von Aphroditens Liebling feierten, bahrten sie auf den Dächern ihrer Häuser eine Puppe als Adonis auf. Rings umher stellten sie irdene Scherben mit Erde gefüllt auf, in die Fenchel, Lattich, aber auch Weizen, Gerste und Salat gesät wurden. Schnell sproßte der Samen auf, um ebenso schnell wieder hinzuwelken, als ein Symbol für das Welken der Vegetation, die nach der üppigen Schönheit des Frühlings in den südlichen Ländern frühzeitig im heißen Sommer verdorrt. Die Trauer darüber verkörpert sich in dem frühen gewaltsamen Sterben des schönen Knaben Adonis. Frauen feierten dieses Fest, das niemals eine offizielle Anerkennung erhalten hat, und hielten es als Volksgebrauch teuer, wie bei uns die Maifeier. So hat sich auch die Kleinkunst, die Vasenmalerei, mit Vorliebe der Darstellung dieses Stoffes bemächtigt. Ein Aryballos in Karlsruhe Furtwängler-Reichhold, Griech. Vasenmalerei II, 78; im Text zitiert Furtwängler einige Vasen mit Weihrauchernte, die auch hier angeführt zu werden verdienen. (Abb. 49) schildert mit naiver Anmut die Szene: Aphrodite selbst ist erschienen, die Nacktheit verrät ihre Göttlichkeit. Eine Leiter, auf deren unterster Sprosse sie steht, soll andeuten, daß sie auf das Dach steigt, um eine der blühenden Scherben, die Hälfte eines zerbrochenen Kruges, die Eros ihr reicht, hinaufzutragen; die andere bepflanzte Krughälfte und eine weitere Schale harren noch am Boden. Rechts und links davon stehen athenische Frauen mit Gebärden des Erstaunens über die Epiphanie. Auf einer anderen Vase begießen Aphrodite und Eros die Scherben für das Fest, um die Saat zu schnellem Aufgehen zu bringen (Abb. 50). Später, in alexandrinischer Zeit, wurden die Schaustellungen prächtiger und erhielten einen mehr offiziellen Charakter: Als die Gemahlin Ptolemaios' II. das Fest feierte, wurden in pomphaftem Aufzuge im Palast zu Alexandrien Aphrodite und Adonis auf silbernem Bette, unter blühender Laube, umgeben von Blumen und Früchten, aufgebahrt Theokrit XV, 112 f.. Der alte einfache Kultgebrauch aber war lange in den Hintergrund gedrängt und zum Kinderspiel geworden: die Knaben pflanzten sich in bauchige Gefäße schnellsprossenden Samen und freuten sich der grünenden Keime. Wenn die Adonisgärten so oft in alten Schriftstellern, auch bei Plato Plato, Phädrus 276 b, vergleicht jene Redner und Schriftsteller, die unmittelbaren und leichten Erfolg erwarten, der ebenso schnell verschwindet, mit den Pflanzern von Adonisgärten, die in acht Tagen das Grün sehen wollen, während der sorgsame Ackerbauer Monde wartet. erwähnt werden, so danken sie das dem sprichwörtlichen Gebrauch, wonach man leichte Dinge, die keine Früchte tragen und zu kurzem Vergnügen dienen, mit ihrem Namen nannte. In Kultgebrauch und Kinderspiel aber dürfen wir die ersten Keime der Topfgärtnerei finden, sie lehrten allen denen, die der Gärten entbehren mußten und die ihre Häuser schmücken wollten, einen Ersatz in den Pflanzen der Topfscherben finden, und Theophrast Theophrast, Hist. plant. VI, 7, 3. bezeugt, daß man damals zu seiner Zeit auch schon Pflanzen zu anderen Zwecken in Töpfen zog.
Doch kannte man die Adonisgärtlein noch im kaiserlichen Rom. Als der aus dem Orient kommende Wundertäter Apollonius von Tyana in Rom von Domitian auf dem Palatin empfangen wurde, fand er den Kaiser im Hofe des Adonis: »dieser Hof war mit Blumen geschmückt, durch die Gärten des Adonis wie sie die Assyrier dem Adonis machten und auf ihren Dächern pflanzten«. Der Berichterstatter wußte also noch Genaueres über den Kult, so, daß er aus Syrien, der Heimat der Adonisverehrung, einst auch nach Griechenland gekommen war. Im Kaiserhause des Domitian werden den Säulenhof rings am Dache umlaufende Blumenkästen geschmückt haben Philostrat, Vit. Apoll. VII, 32. Ασσ θὖριοι ist doch wohl eine der häufigen Verwechselungen mit Σὖριοι. Über die Adonaea genannten Gartenanlagen auf dem römischen Stadtplan ist bisher leider nichts bekannt. S. Jordan-Hülsen, Topographie von Rom 87 113.; Spuren einer ähnlichen Zierde werden wir noch in Pompeji kennen lernen.
Und wie die griechischen Frauen ursprünglich in kurzer Festzeit ihre flachen Dächer mit grünenden Topfscherben schmückten, so werden sie später diese hübsche Zierde die ganze Jahreszeit über beibehalten haben, bis sich dann daraus allmählich die Pracht entfaltete, wie sie die Häuser des späteren Roms auf Dächern und Balkons zeigten. Plinius freilich hat von den Adonisgärten eine arg übertriebene, unklare Vorstellung, wenn er sich darunter etwas Ähnliches denkt wie die Gärten der Hesperiden, den Garten des Alkinoos und die hängenden der Semiramis, mit denen er sie, als höchster Bewunderung Plinius, nat. hist. XIX, 4, 19. wert, zusammenstellt.
Mit dem Beginn des peloponnesischen Krieges trat in der Wohnweise der attischen Bürger ein großer Umschwung ein. Damals gelang es Perikles' Überredungskunst und der bitteren Notwendigkeit, die ländlichen Bürger, Bauern und Junker mit aller fahrenden Habe in die Stadt zu ziehen. Das platte Land umher verfiel der Verwüstung des Aristodamus. Sehr ungern und mit vielem Murren und Zagen gaben sie das liebe Landleben auf und ließen ihre schönen Landsitze im Stich. Aber die Not zwang, und jene alte Zeit kam für die attischen Gebiete niemals wieder. Bald sah man wie auf eine glückliche Vergangenheit auf jene Tage, da Attika so sicher war, daß es mit schönen Landhäusern bedeckt war, schöner als die in der Stadt Isocrates, Areopag. 52.. Nur die Eleier durften noch »nach alter Gewohnheit auf dem Lande leben, sie liebten das Landleben, so daß es wohlhabende Familien gab, die seit Generationen nicht in die Stadt gekommen waren« Polybius IV, 73.. Ihnen war diese frühe Gewohnheit nie zerstört worden, da der Gottesfriede ihre Gefilde schützte, ja, sie durften lange noch ihre eigene zerstreute Gerichtsbarkeit genießen, ein Ideal, das auch wohl den attischen Junkern noch bis zu Theophrasts Zeiten vorschwebte, wie sein Spott über einen solchen Aristokraten zeigt Theophrast, Charakt. 26.. Diese verhaßte und immer wachsende Demokratie war es nun, die mehr noch als die Kriegsunruhe den Athener Edlen zwang, für alle Zukunft auf das Landleben zu verzichten. Wie sehr ungünstig aber diese Entwicklung der Entfaltung einer privaten Gartenkunst sein mußte, leuchtet ein.
Natürlich beschränkt sich diese Entwicklung auf das Mutterland. In Kleinasien wird die starke Berührung mit dem Orient wohl auch eine dem Orient angepaßte Gartenpflege gezeigt haben, ohne daß wir imstande sind, dies nachzuweisen. In den Gärten Makedoniens, die schon erwähnt wurden, mögen wohl schon früh direkte Einflüsse aus Kleinasien wirksam gewesen sein. Wie sehr sich auch auf griechischem Boden, wohin der Orient sicher nicht reichte, bei günstigen sozialen Verhältnissen sofort eine Vorliebe für Gärten und Parks entwickelt hat, zeigt Sizilien. Hier besaß der mächtige Tyrann Gelon schon um das Jahr 500 v. Chr. im Bruttierlande einen Park, der durch seine Schönheit hervorragte und auf das reichlichste bewässert war, und darin einen Platz, der ein wunderschönes »Horn der Amaltheia« nach der Ziege, die das Zeusknäblein nährte, genannt wird Athenäus (aus Duris) XII, 542: Das heißt im Park, nicht, wie Hülsen (Pauly-Wissowa I, 1724) behauptet, Gelon hätte seine Villa so genannt. Dem gleichen Irrtum unterliegt Wernicke ebenda, wenn er glaubt, daß das epirotische Landgut des Atticus Amaltheia hieße.. Wir können darunter nur ein Nymphäum verstehen, eins jener Heiligtümer, wie sie schon Homer schildert, das schön angeordnete Bäume, kunstvoll gefaßtes Wasser, wohl meistens auch eine Grotte verlangte. Welcher Art die Bewässerung im Parke des Gelon war, ist nur zu vermuten, vielleicht sollte der Name »Horn der Amaltheia« auf einen reichen Wasserfall deuten, vielleicht bezog er sich auch nur auf die üppige Fruchtbarkeit des Ortes Diodor III, 68. Die ganze Stelle ist nichts als eine wertlose Erklärung des Namens 'Αμαλδειας χερας.. In späterer Zeit waren diese Nymphenheiligtümer in Gärten weit verbreitet. Ein Relief des Lateranmuseums (Abb. 51), das allerdings erst aus hellenistischer Zeit stammt, früher direkt als Amaltheion gedeutet, gibt eine hübsche Darstellung solch einer Grottenanlage. Ähnlich werden auch die Musenheiligtümer in den Gärten bald weit verbreitet gewesen sein. In Sizilien besaß der ältere Dionysios ein Paradies, in das er Platanen pflanzte, die sein Stolz waren, wenn sie auch keinen hohen Wuchs erreichten. Zu Theophrasts Zeiten schmückten die Bäume ein Gymnasium, das auf diesem Gebiete angelegt war.
Auf Hellas selbst aber mußte dieselbe demokratische Verfassung, die dem Privatmann die Möglichkeit nahm, sich Gärten im großen Stile anzulegen, einer Pflege öffentlicher Anlagen günstig sein. In der Tat werden wir hier den Weg suchen müssen, der uns schließlich zu einer Kunst großen Stiles führt.
Die heiligen Haine, die zu Homers Zeiten noch meistens von Bauwerken allein den Altar enthielten, wurden in der späteren Zeit mehr und mehr zu gartenartiger Umgebung von Tempeln. Doch war und blieb der Hain im Heiligtum ebenso wichtig und notwendig, wie der Tempel selbst. In Delphi lag der Lorbeerhain dicht neben dem Tempel des Gottes, wahrscheinlich auf der Aufschüttung, die im Süden die hohen Substruktionen des Tempels verdeckt haben muß Berl. Philol. Wochenschrift 1906, 1182.. Euripides läßt Hermes im Ion Euripides, Ion 76 ff. am Ende seines Prologes in den Lorbeerhain beiseite treten. Daß bei dem Asklepios-Heiligtum in Epidauros ein Hain gelegen haben muß, beweist eine Inschrift, wo Neugierige auf einen Baum klettern, um die Schlafenden im Heiligtum zu sehen Fouilles d'Épidaure I, 24, Z. 90 ff..
Auch bei den Ausgrabungen beginnt man auf die Haine in der Umgebung der Tempel ein Augenmerk zu richten. In Milet ist um den Apollotempel in 60 bis 100 m Umfang nur eine unbebaute Humusschicht gefunden, auf der mit Recht die Stelle des heiligen Haines vermutet wird Wiegand, Vorl. Mitteil. aus Milet II..
Allerdings gab es auch heilige Bezirke, die keine Haine hatten, und bei den meist späten Quellen, die uns davon berichten, muß man mit Vorsicht gerade die Überlieferungen von Baumanlagen benutzen. Ein seltsamer Zufall läßt uns die Unsicherheit von solchen Traditionen erkennen. Strabo Strabo IX, 412. kommt zu dem Poseidontempel bei Onchestos. Ihn hatte Homer dort einen Hain von besonderer Schönheit erwarten lassen, der in der Ilias B. 506. Hymn. auf Hermes II, 186. wie im Hymnus auf Hermes gepriesen wird. Statt dessen findet er einen von Bäumen und Grün entblößten Ort und enttäuscht schilt er die Dichter, die jeden heiligen Bezirk um des Redeschmuckes willen gleich einen Hain nennen müßten. Etwa 180 Jahre später zieht Pausanias Pausanias IX, 26, 5. des gleichen Wegs und findet jetzt dort einen Hain – die Zeit von 1½ Jahrhunderten war lang genug, um die Bäume zu herrlicher Höhe anwachsen zu lassen, vielleicht war Strabos Unwillen sogar der Anlaß einer neuen Bepflanzung –; Pausanias bewunderte ihn aufs höchste und meint, es sei wohl derselbe, den schon Homeros so gerühmt habe.
Erst in späterer Zeit – und dann wohl zum Nutzen der Tempeldiener – pflanzte man auch Fruchthaine um die Tempel und Nymphenheiligtümer, die im Frühling durch Blüten und Wohlgeruch erfreuten Xenophon, Anabasis V, 3, 12, pflanzt in Skillus um den Tempel der Artemis einen fruchttragenden Hain. Pausanias I, 21, 7 sieht im Gryneion um den Apollotempel einen Hain von fruchttragenden und wohlriechenden Bäumen. Pausanias IX, 24, 4 erzählt von einem Fruchthain um ein Nymphäum. I. G. I, 425, eine Inschrift aus der Hymettosgrotte, läßt einen Gärtner einen Nymphengarten pflanzen.. Meist aber empfand der Grieche tief die Unantastbarkeit seiner heiligen, den Göttern geweihten Bäume Pausanias III, 22, 12:Die Lakonier ehren in Boiae einen Myrthenbaum als Artemis Soteira. Auch die Ölbäume in Athen, der Athena heilig, waren eingezäunt und unverletzlich.. Wie in mykenischer Zeit finden sich auch auf griechischen Gefäßen des VI. und V. Jahrhunderts Darstellungen von heiligen Bäumen, an denen Votivtäfelchen hängen, und häufiger und ausführlicher werden die Bilder auf hellenistischen Reliefs, wo neben der halbrunden Schranke, die den Baum umgibt, noch ein Tor, häufig auch noch eine Säule steht; ein Zeltdach darüber kündet einen Ruheplatz, und in der Umfriedung, die nach einer Seite offen ist, war wohl eine Bank angebracht (Abb. 52).
Zu solchen, den hohen Göttern geweihten, heiligen Hainen und Bäumen kamen in nachhomerischer Zeit die Heroenheiligtümer: das Grab des Ahnen eines Geschlechtes, des Gründers einer Stadt, an das sich ein besonderer Kult knüpfte, wurde fast immer mit Bäumen umgeben, die für so heilig und unverletzt galten, daß die Athener mit dem Tode bestraften, wer einen, auch den kleinsten dieser Bäume fällte Aelian, var. hist. V, 17. Auf attischen Grablekythen sind bisweilen Bäume oder Sträucher zu Seiten der Grabstele gemalt, z. B. Benndorf, Griech. u. sicil. Vasenbilder 24, 2.. Fast jede Stadt besaß ein solches mit heiliger Scheu verehrtes Heroon. Uralte Eichen, Ölbäume, von denen nicht einmal die Früchte gesammelt werden durften, Zypressen, die die Einwohner um ihres schlanken Wuchses willen Jungfrauen nannten, dichtester Schatten ältester Bäume kündete bis in späte Zeit überall das Grab des Ahnen an Pausanias VIII, 24, 7: Die αρδενοι genannten Bäume waren so hoch, daß sie den Berg von Psophis beschatteten. Pausanias II, 28, 7: Um das Hyrnetion bei Epidauros wuchsen Ölbäume, deren Früchte nicht gesammelt werden durften. Silius Italicus, Punica I, 81 ff.: Mitten in der Stadt Karthago stand das mit heiliger Scheu verehrte Grab der Elissa in dichtem Schatten. Theophrast, hist. plant. IV, 13, 2: Herrliche alte Eichen wuchsen um das Grab des Ilus. Plinius, nat. hist. XVI, 44, 88, erzählt, daß diese Eichen bei Gründung der Stadt gepflanzt waren.. Furchtbar aber ahndete auch der Heros einen Frevel an seinem Haine, wie die grause Rache des Heros Anagyros an einem Landmann, der seinen heiligen Hain umgehauen hatte, beweist Rohde, Psyche 3 191 u. 152, 1..
An den Heroenkult knüpften sich die Wettspiele; ursprünglich Spiele zur Leichenfeier, wie sie schon Homer kennt, wurden sie nun jährlich an den Festen der Heroen wiederholt. »Im Heroenkult hat die für griechisches Leben so eigen charakteristische, als Schule des Individualismus, der Griechenland groß gemacht hat, bedeutende Einrichtung des Agon seine erste Wurzel.« Allerdings sind die höchsten Agone in geschichtlicher Zeit Göttern zu Ehren abgehalten worden, doch scheinen auch sie erst nachträglich von Heroenspielen zu höherer Ehre, zu Götterspielen erhoben worden zu sein. Gerade um ganz Griechenland zusammen zu vereinigen, mußte statt des lokalen Heros ein hoher Gott eintreten, der den Wettspielen auf seinem Gebiete Gastrecht gewährte. Denn in den heiligen Hainen fanden die Agone statt. Auf dem Isthmus lag der heilige Hain des Poseidon, ein Teil war mit hochragenden Fichtenstämmen in großer Zahl und strengster Ordnung bepflanzt, der andere, in dem die Spiele der Athleten stattfanden, mit Statuen der Sieger geschmückt Strabo VIII, 380; Pausanias II, 1, 7.. Selbst Wagenkämpfe konnten in dem Temenos eines Gottes stattfinden: Im Heiligtum des pagasaeischen Apollo, das der Dichter ausdrücklich heiliger Hain nennt, besiegt Herakles den Aressohn Kygnos Ασπις Ηραχλεονς
Von Anfang also waren die heiligen Haine der Heroen und Götter der Schauplatz für die Wettspiele. Pindars dritte olympische Ode schildert den Vorgang allerdings in leicht erklärlicher Umkehrung. Pindar besingt hier die Einsetzung der Wagenspiele im Hippodrom durch Herakles: Der Heros überschaut das öde Gefilde, das, ein »nackter Garten«, in dem kein Baum grünt, versengt von den Strahlen der Sonne daliegt; da eilt er zu den Hyperboräern, deren herrliche, fruchtbare Anlagen er bewundert, holt einen Ölzweig und pflanzt das Reis dort ein, »wo die Wagen zwölfmal in die Runde um das Ziel donnern«, so daß nun ein schattiger Hain den Platz umgibt. Doch auch in dieser Darstellung sehen wir die enge Verbindung der frühesten Agonplätze mit geweihten Hainen. Zugleich aber zeigt uns die Odenschilderung die praktische Notwendigkeit, in den südlichen Ländern bei den erhitzenden Spielen den Zuschauern sowohl, wie den ermüdeten Kämpfern segensreichen Schatten zu spenden. Daß die Bepflanzung ganz regelmäßig sein mußte, geht nicht nur aus gelegentlichen Nachrichten, sondern aus dem praktischen Gebrauch der Plätze hervor. Der Kampfplatz selbst mußte frei bleiben und um ihn herum die Baumalleen führen.
Mit der wachsenden Bedeutung, welche die agonalen Spiele für Griechenland gewannen, stellte sich mehr und mehr das Bedürfnis heraus, feste Übungsstätten für die Jugend zu errichten, ohne daß diese erste Entwicklung der Gymnasien sich zeitlich feststellen ließe. Sie ging Hand in Hand mit der Ausdehnung der gymnasialen Übungen als Erziehung der griechischen Jugend. Immer aber bleibt auch hier deutlich die Anknüpfung an eine Kultstätte, an ein Heroon. Am klarsten läßt sich Entstehung und allmähliches Wachstum an dem berühmtesten griechischen Gymnasium, an der Akademie, verfolgen. Der Name leitet sich her von einem Heros Hekademos, dessen Kultstätte überliefert ist. Dieses Heroon, in dem die Gedächtnisspiele zu Ehren des Heros gefeiert werden, hat sich allmählich zu der berühmten attischen Erziehungsstätten ausgewachsen. Andere Heiligtümer haben sich angegliedert, so vor allem der Temenos der Athena mit den zwölf heiligen Ölbäumen, von denen einer als Absenker der von Athena selbst auf dem Erechtheion gepflanzten Olive galt. Auch andere Götter, Zeus und Prometheus und Hephaistos Pausanias I, 30, 2., wurden darin verehrt, auch Hermes und Herakles, die eigentlichen Schutzgötter aller gymnastischen Spiele, fehlten nicht, selbst dem Eros war ein Altar heilig. Schon zur Zeit der Tyrannen bestand das Gymnasium, aber erst unter Kimon wurde es zu einer vielbewunderten Anlage Plutarch, Kimon 13.. Er versorgte die Akademie, die bis dahin unter der Trockenheit ihrer Lage sehr gelitten hatte, mit Wasser und machte sie so aus einem nur mit Bäumen bestandenen, unfruchtbaren Platze zu einem schönen fruchtbaren Parke, der weithin berühmt wurde. Um üppige Wiesen wuchsen schattige Alleen von Pappeln, Ulmen und Platanen, deren herrlicher Wuchs und enorme Stärke noch Plinius Plinius, nat. hist. XII, 5, 9. bewunderte. Auch für breite Fahrwege und schattige Promenaden hatte Kimon gesorgt.
Gerade zu Kimons Zeit begann man überhaupt ein weiteres Interesse an der Verschönerung der Städte durch Gartenanlagen zu nehmen. Kimon ließ auch die Agora von Athen mit Bäumen bepflanzen. In anderen Städten fand das Nachahmung. Die Agora von Anthedon, nahe bei Theben, wurde von einer doppelten Säulenhalle umsäumt, innerhalb derselben war sie mit Bäumen bepflanzt Fragm. hist. graec. II, 259 = Geogr. gr. minor. I, 104. Überall begann man in der Zeit des Aufblühens der Städte zierliche und schöne Anlagen zu machen. In Sparta gab es einen Übungsplatz inmitten der Stadt, kreisrund, wie eine Meerinsel, von einem »Euripos« Euripos, ursprünglich die Meerenge von Chalkis, wird später allgemein für einen künstlichen Kanal gebraucht. umflossen, nur zwei Brücken führten herüber, von denen die eine mit einem Herkulesbild, die andere mit einer Lykurgstatue geschmückt war. Der Platz selbst war mit schönen Platanen bepflanzt und führte nach ihnen den Namen Platanistas Pausanias III, 14, 8.. In Korinth Pausanias II, 4, 5. lag das alte Gymnasium neben dem Theater und dabei ein schöner Quell, Lerna genannt, um den herum Säulenhallen und Sitzplätze für die Spaziergänger im Sommer angebracht waren, also auch Gartenanlagen innerhalb des Portikus.
Die Gymnasien innerhalb der Städte waren naturgemäß immer kleinere Anlagen. Die vier großen Gymnasien Athens lagen alle außerhalb der Stadt und waren alle mit Parkanlagen reich geschmückt. Im III. Jahrhundert werden die drei Gymnasien – das vierte bestand noch nicht – als blühende Gärten geschildert, reich an Bäumen, mit Rasen bedeckt, ein Ort für mancherlei Philosophen, der Seele ein froher Ruheplatz Fragm. hist. graec. II, 254 = Geogr. gr. min. I, 98.. Und schon eine Generation nach Kimon schildert Aristophanes in den Wolken Aristoph., nub. 1005 ff. die Akademie als einen baumreichen Park: Der Geist der Gerechtigkeit fordert den Jüngling auf, vom schalen Treiben zu lassen: dann werde er umherwandelnd unter den Ölbäumen der Akademie sich mit weißem Rohre kränzen und wettlaufen mit den verständigen Genossen. Bei süßduftender Eibe, unter dem zitternden Laub der Pappel, wird er sich freuen in der Frühlingszeit, wenn die Platane mit der Ulme flüstert.
Von Anbeginn hatte man die Gymnasien als öffentliche Versammlungsorte angesehen, man traf sich dort, um den Übungen zuzuschauen, man traf sich aber auch, um dort Austausch in geistigen Gesprächen zu finden. So waren es vor allem die Philosophen, die mehr und mehr in regelmäßigen Zusammenkünften ihre Freunde und Schüler hier versammelten. In Platons Dialogen und Xenophons Schriften sehen wir, wie sich überall die Szene auf dem Hintergrund eines Gymnasiums abspielt.
Zu Platons Zeiten waren Gymnasium und Parkanlagen so zusammengehörig, daß der Philosoph verlangt, man solle Gymnasien nur an wasserreichen, von der Natur bevorzugten Plätzen anlegen Plato, legg. 761 c.. In Rhegium wird ein solches im Paradies des älteren Dionysius errichtet Theophrast, hist. pl. IV, 5, 6., und in Elis hat früher an Stelle der Gartenanlagen um das Gymnasium ein wilder Wald gestanden Pausanias X, 8, 8.. Daß wir aber auch in späterer Zeit den Anschluß der Gymnasien an Heroenheiligtümer festhalten dürfen, zeigt uns die Entstehung eines Gymnasiums in Syrakus im hellen Lichte der Geschichte: die Stadt errichtete ihrem Befreier Timoleon ein Grab auf der Agora und stiftete ihm ein Heroon mit jährlichen Festspielen. Aus diesen entstand später ein prächtiges Gymnasium mit Hallen, Übungsplätzen, Gartenanlagen und ein Odeon für musische Festspiele Plutarch, Timoleon XXXIX, 5..
Erst Vitruv Vitruv V, 88 wiederholt seine Verwunderung, daß der griechische Sprachgebrauch (ξὖστος bedeckte Winterhalle) und der römische (xysta, Gartenanlage vor dem Gebäude) auseinandergingen. lehrt in römischer Zeit das Aussehen eines für gymnasiale Spiele eingerichteten Baues. Er nennt ihn ausdrücklich griechisch, nicht römisch, und zwar Palästra und nicht Gymnasium. Ihn interessieren zudem in erster Linie die Gebäude, nur wo er nicht umhin kann, erwähnt er auch die Gartenanlagen. Er unterscheidet zuerst einen Peristyl, um den die verschiedenen Räume, in denen sich die Philosophen zu ihren Gesprächen vereinigen, angeordnet sind. Daran erst schließt sich die eigentliche Ringschule; eine Säulenhalle, »Xystos« genannt, wo im Winter bei schlechtem Wetter die Spiele abgehalten werden können. Neben diesem Xystos sind Spaziergänge unter freiem Himmel, die die Griechen Nebenbahnen, die Römer aber Xysta nennen, in welche die Athleten im Winter bei heiterem Wetter hinausgehen und wo sie sich üben können. Die Xysta sind als Bosketts oder Platanenpflanzungen zwischen zwei Portikus angelegt, unter den Bäumen an Promenadenwegen sind Ruhesitze angebracht, am Ende der Xysta liegt meist das Stadion. Vitruv kann sich nicht genug wundern Vitruv VI, 7., daß der griechische und römische Sprachgebrauch über Xystos so auseinander gehe. Die Römer aber müssen das griechische Wort in einer Zeit aufgenommen haben, als auch die Griechen die offnen Spielplätze Xystos nannten. In dem alten Gymnasium zu Elis, wo die Vorübungen für die olympischen Spiele stattfanden, wurde sicher der offene, von Mauern umgebene, mit hohen Platanen bepflanzte Spielplatz Xystos genannt. Seinen Namen soll er davon erhalten haben, daß Herakles sich hier übte und jeden Morgen den hier dicht wachsenden Akanthus vorher dazu abschor. Die Etymologie soll nicht geprüft werden, doch würde der Akanthus Pausanias VI, 23, 1., der hier die Übungsbahn bedeckte, dem Rasen unserer Zeit entsprechen. Von andern werden diese Übungsbahnen im Freien auch Xystosgarten Plinius XXII, 22, 34. oder häufiger noch Xystosbahnen genannt. Als dann mehr und mehr die Gymnasien Jugenderziehungsstätten wurden, brauchte man gedeckte Hallen, um den Unterricht nicht durch jede Witterungsunbill unterbrechen zu lassen. Diese wurden nun zu den Hauptbahnen, den eigentlichen Xystoi, während die Gartenanlagen im Freien, die nun eine Art Parterre neben der Portikus wurden, nur noch als »Nebenbahnen« angesehen wurden.
Vitruv nennt sein Gebäude, wie erwähnt, Palästra, nicht Gymnasium. Ganz zweifellos wurden im späteren Altertume die beiden Worte »Palästra« und »Gymnasium« ziemlich gleichbedeutend gebraucht O. Schreiber, Die griechischen Gymnasien und Palästren: Dissert. Freiburg (Schweiz) 1907. Der Versuch, Palästren als Knabenschulen, Gymnasien als Jünglingsschulen festzulegen, ist hier recht unzureichend begründet.. Doch muß im Auge behalten werden, daß das, was Vitruv schildert, nichts weiter ist, als die unmittelbar für den gymnastischen Unterricht notwendigen Teile. Die Gymnasien aber umschlossen schon in klassischer Zeit neben den Übungsplätzen, den eigentlichen Palästren, innerhalb schöner, reichbewässerter Gartenanlagen Götterheiligtümer, Tempel, Altäre, Kapellen und waren mit einer Fülle von Statuen geschmückt; Schwimmbassins im Freien haben nicht gefehlt, wie wir in Delphi sehen können. Auch die Bäder werden nicht überall unmittelbar ein Teil der eigentlichen Palästra gewesen sein. Was anfangs eine ganz bescheidene Anlage war – in Priene ist noch gar kein Warmbad vorhanden Wiegand, Priene 275.– wurde später so bedeutsam, daß man die Begriffe »Gymnasium« und »Thermen« häufig gleichsetzte. So verstehen wir, wenn in Milet ausdrücklich von den »Gebäuden« des Gymnasiums gesprochen wird. Und die Ruinen gerade der ältesten Gymnasien bestätigen dies. Das Gymnasium von Delphi Homolle, B. C. H. XXIII, 1899, 560, Tafel 13. (Abb. 53) ist auf zwei Terrassen angelegt, da der steile Berghang für die ebene Entfaltung keinen Raum bot.
Die ältesten Teile, wie die schöne polygonale Stützmauer der oberen Terrasse und das darunterliegende Peristyl um einen Hof – in einer delphischen Rechnung Ballspielplatz genannt –, um das sich Gänge und Zimmer gruppieren, stammen aus dem VI. Jahrhundert. Darüber liegt auf der oberen Terrasse langgestreckt die breite, offene Übungsbahn, der Paradromos. Die bedeckte Winterhalle, die sich dahinter an den Berg lehnt, gehört erst dem IV. Jahrhundert an. Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß in der älteren Zeit ebenso wie in Elis hier nur ein Übungsplatz unter freiem Himmel als Xystos bestanden hat, ehe man die bedeckte Bahn baute. Zu gleicher Zeit erweiterte man auch die Unterterrasse nach Westen und legte dort ein kreisförmiges, schönes Schwimmbad an, es ist das erste bekannte unter freiem Himmel. Stufen führen in das Bassin herunter, und aus der Stützmauer dahinter sprudelte Wasser in steinerne Waschbecken (Abb. 54). Ringsumher lagen auf dem geglätteten unbebauten Terrain der Terrasse sicher Gartenanlagen. Auf der oberen Terrasse durchschneidet hier über der Badanlage ein schmaler Kanal die Bahn, der jedenfalls als Reservoir für das Bad gedient hat. Wir dürfen auch hier Bosketts und andere Gartenanlagen annehmen. Die erwähnte delphische Rechnung nennt unter den Arbeiten das Umgraben und Glätten des Xystos mit seiner Nebenbahn, des Peristyls und Ballspielplatzes. Der Xystos wird mit weißer Erde bedeckt, der Ballspielplatz mit schwarzer Homolle, a. a. O., 563 ff..
Leider genügen die Ausgrabungen der anderen klassischen Gymnasien noch gar nicht, da man das Hauptaugenmerk bisher immer nur auf die Bauten des Peristyls gerichtet hat, der ja nach Vitruv nur einen Teil des Gymnasiums ausmacht. Das prächtige Peristyl in Epidauros, mit dem reichen Propylon und dem großen Säulenhof ist erst im IV. Jahrhundert erbaut, da die Rennbahn aber noch nicht ausgegraben ist, können wir in dem großen Mittelhof allein Gartenanlagen vermuten. Ebenso unbefriedigend sind die Ausgrabungen in Olympia. Vielleicht werden weitere Grabungen die Säulenhalle des sogenannten großen Gymnasiums, die nördlich an das Peristyl stößt, als Xystos erweisen. Aber auch das weit besser ausgegrabene untere Gymnasium von Priene hat außer den sicher zu vermutenden Gartenanlagen im Peristyl, das sich nach Süden frei, nach Osten auf das Stadion öffnet, ringsumher in den nichtausgegrabenen Teilen seine Parkanlagen und Heiligtümer gehabt.
Ein einziges Gymnasium der Spätzeit bietet sich uns in seiner ganzen imposanten Ausdehnung: das Gymnasium von Pergamon Dörpfeld, Athen. Mitt. XXIX, 1904, 121 ff., Tafel 8, XXXII, 1907, 190 f., Tafel 16, XXXIII, 1908, 328 ff., Tafel 18 ff. (Abb. 55). Das Terrain steigt in drei mächtigen Terrassen, die einen Höhenunterschied von je 12 bis 14 m zeigen, empor. Kolossale Stützmauern, denen unten Nischen, wahrscheinlich mit Weihstatuen geschmückt, oben große Portiken vorgelagert sind, halten das Erdreich. Alle drei Terrassen sind mit Bauten bedeckt, die zum Gymnasium gehören. Die mittlere scheint besonders geeignet, um imponierende Gartenanlagen aufzunehmen. Hier hat man mehrere Gebäude, darunter einen Tempel, wahrscheinlich einem der Gymnasiumsgötter, vielleicht dem Herakles heilig, gefunden. Nur die obere Terrasse zeigt aber ein gewaltiges Peristyl, von Sälen und Gemächern, wie sie Vitruv verlangt, umgeben. Auch hier wird dies Peristyl im Innern als Garten geschmückt gewesen sein; an den Säulen haben fast überall Weihstatuen gestanden. Ringsumher müssen wir uns einen großen Park denken. Auffällig ist, daß bei der Neigung der Pergamener zu Terrassenanlagen, die sie hier mit einem Riesenaufwand von Arbeit erst in den Fels geschnitten haben, die Treppe, der Aufgang von Terrasse zu Terrasse, nicht als bedeutsam wirkendes Glied in das Bild eingefügt ist. Sie ist ganz für sich behandelt, als überdeckte Wendeltreppe, die zur oberen Terrasse, aber an einer Ecke in ungleichen Breiten, emporführt. Es ist diese Bemerkung für die Entwicklung des antiken Villengartens im Verhältnis zur italienischen Renaissance von einschneidender Wichtigkeit.
Dieses Gymnasium ist gewiß eines der imposantesten des Altertums. Die gewaltige Kraft und pathetische Größe der pergamenischen Kunst findet auch hier ihren vollen Ausdruck. Sie steht in stärkstem Gegensatz zu den kleinen maßvollen Verhältnissen des delphischen Gymnasiums; der Zufall wollte, daß am Anfang der Entwicklung sich auch eine Terrassenanlage erhalten hat, während die großen, ebenen Gymnasien klassischer Zeit bisher noch kein genügendes Bild zeigen.
In Griechenland finden wir also zum ersten Male eine der demokratischen Entwicklung gemäße öffentliche Gartenpflege. Ein Ort wurde geschaffen, einzig zu dem Zwecke, um dem Menschen Schatten, kühle Brunnen, gute Luft und wohlgepflegte Wege mit Sitzen zu gewähren, teils, damit sie ihren Körper bilden, teils, damit sie, wie die platonischen Dialoge schildern, als Spaziergänger im Gespräch sich ergehen und sich dann behaglich auf einem der Sitze niederlassen konnten. Jede rein gärtnerische Nutzbarkeit, die bei der Anlage der ägyptischen Gärten auch in den Tempelgärten immer der leitende Gesichtspunkt blieb, war ausgeschlossen, ebenso fehlt der Gedanke eines Jagdreviers, wie es im wesentlichen das orientalische Paradies bildete; wir dürfen hier zum ersten Male an einen Lustgarten im modernen Sinne denken.
Bald aber wollte man sich nicht mehr mit diesen öffentlichen Gymnasien begnügen. Gerade in der Zeit des großen Umschwunges in der Lebensweise der attischen Bürger, dem Erstarken des städtischen Zusammenlebens, hören wir auch zuerst, daß die Vornehmen nicht mehr zufrieden waren, in den Staatsgymnasien ihre Übungen und Zusammenkünfte abzuhalten und ihre Bäder zu besuchen. Sie begannen sich von dem Demos zu trennen und sich eigene private Gymnasien und Bäder anzulegen Ps. Xenophon, Αδην. πολιτ II, 10..
Die Philosophen scheinen hier den anderen vorausgegangen zu sein, wohl aus dem begreiflichen Grunde, das der öffentliche Ort ihnen für ihre Zusammenkünfte zu laut und zu sehr der Zudringlichkeit der Menge ausgesetzt war. Zuerst hören wir von Plato, dessen Name eng mit der Akademie verbunden ist, in der er anfangs seine Lehrvorträge hielt, daß er seine Schule in seinen eigenen Garten verlegte. Er besaß ein Grundstück ganz in der Nähe des Gymnasiums, das er dann der Schule vermachte, in deren Besitz es Jahrhunderte verblieb, bis es Kaiser Justinian im Jahre 529 n. Chr. einzog. Man nannte den Garten später ebenfalls Akademie, wie das Gymnasium, so daß sich der Name auch auf die Schule übertrug. Auch dieser Garten muß mehrere Gebäude gehabt haben. Von einer Exedra und einem Museum ist die Rede. Plato selbst und mehrere Schulhäupter wohnten dort ganz; unter einem derselben, Ptolemon, errichteten die Schüler sich kleine Lauben oder Hütten, um in der Nähe der Exedra und des Museums zu wohnen Laert. Diogen. IV, 19:. Eine Generation später kaufte sich Epikur sogar innerhalb der Mauern der Stadt, in der Nähe des damals noch nicht lange erbauten Dipylontores, ein großes Grundstück für 80 Minen, um darauf einen Garten für sich und seine Schüler in großem Stile anzulegen. In stolzer Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt, zog er sich dorthin mit allen seinen Schülern und Schülerinnen zurück. Plinius Plinius, nat. hist. XIX, 4, 19. schreibt ihm gewissermaßen die Erfindung der Stadtgärten zu. Doch benutzt er die Tatsache, daß Epikur den Garten innerhalb der Mauern besaß, zu einer Polemik gegen den Vielgeschmähten. Er will seinen Römern, die zu seiner Zeit unter dem Namen Gärten in der Stadt Villen mit großen Lustparks besaßen, nur zeigen, daß sie an diesem Meister der Muße (magister otii) ihr Vorbild hatten, »weil«, so fährt er fort, »es bis dahin nicht Sitte war, das Land in die Stadt zu ziehen«. Leider wissen wir über die Anlage des Gartens des Epikur gar nichts. Zu gleicher Zeit legte sich auch Theophrast einen Garten an, den er testamentarisch seiner Schule vermachte, »den Freunden, um dort vereint zu philosophieren«. Der Garten lag neben dem Lykeion, und Theophrast bezog ihn, nachdem sich Aristoteles, der in diesem Gymnasium lehrte, entfernt und ihn zu seinem Nachfolger ernannt hatte. Wir hören aus diesem Testament, daß sich darin ein Musenheiligtum befand und eine Halle mit geographischen Lehrmitteln, geschmückt mit einer Statue des Aristoteles; ferner, daß eine zweite ebenso schöne erbaut werden sollte und daß dem Praxiteles die Statue des Nikomachos, die sie schmücken sollte, zu übertragen sei. Die Häuser, den Garten mit den Spaziergängen und das Grabmonument, das er darin errichtet haben wollte, übertrug er der Obhut seines philosophischen Sklaven Pomphylos Laert. Diogen. V, 52 ff.: Nur von diesem Philosophengarten berichtet das Testament Theophrasts. Über den Irrtum Lenz' (Botanik der alten Griechen und Römer 1859, 154) und Helbigs (Campan. Wandmalerei 281 u. 192), ihn zu einem botanischen Garten zu machen, siehe Athen. Mitteil. 1909, 131 A. 1.. Es wurde allmählich Brauch, daß jedes Schulhaupt, das sich mächtig genug dünkte, seinen eigenen Garten anlegte. Einem Philosophen der Akademie Lakydes schenkte der König Attalos I. einen Garten, der Lakydeion genannt wurde Laert. Diogen. IV, 60.. Lukian, der alle Philosophen mit ihren Gärten bedacht sah, empfand es als ein Unrecht, daß Sokrates so ganz leer ausgehen sollte; so läßt er denn Sokrates auf der Insel der Seligen für seine Verdienste mit einem Garten (er nennt ihn Paradeisos) belohnt werden; Sokrates nennt ihn Totenakademie, dort pflegt er sich mit seinen Freunden zu unterhalten Lukian, verae historiae II, 23.. Wie sehr es zu Theophrasts Zeiten Mode wurde, daß die Reichen sich in ihren Gärten Spielplätze, Palästren usw. anlegten, zeigt der Spott, den er Theophrast, charakt. V. über den »Gefallsüchtigen« ausgießt, der seine kleine Palästra den Philosophen anbietet, dann bei ihren Zusammenkünften als letzter eintritt, damit jeder dem anderen sage, das ist der Herr der Palästra. Allerdings beginnt gerade in der Zeit des peloponnesischen Krieges, wo die Oligarchie sich stärker gegen die Demokratie, die immer mehr verwildert, abschließt, ein Nachlassen des Eifers für die gymnasialen Spiele, zum mindesten unter den Reichen und Vornehmen, sei es, daß sie es mehr in ihren Privatübungsplätzen taten und die öffentlichen mieden, sei es, daß der »agonale« Mensch in Griechenland allmählich mehr zurücktrat. Jedenfalls läßt sich so die Anklage verstehen, die Andokydes, der Redner und Parteiführer, gegen seinen Zeitgenossen Alkibiades erhob, daß er die Jugend verführe und ein Zerstörer der Gymnasien sei Andokides, adv. Alcibiad. 39..
Hier also in diesen Gymnasien mit ihren verschiedenen Heiligtümern, den Gräbern, den reich mit Statuen und Sitzplätzen geschmückten Promenaden, den Sitzplätzen, den Stadien und den mit Alleen umstandenen Hippodromen müssen die Wurzeln der griechischen Gartenkunst gesucht werden. Ihre ganze Bedeutung können wir allerdings erst aus ihrer Entwicklung erfassen, die sie über den Hellenismus zu ihrer höchsten Glanzepoche in der römischen Villa nahm. Erst dort, wo sich neben einer unmittelbaren Weiterentwicklung hellenistischer Gärten in dem hochgebildeten Kreise, der sich in der klassischen Zeit um Cicero schließt, ein ganz bewußtes Zurückgreifen auf den griechischen Philosophengarten findet, legen sich die rein griechischen Elemente der späteren Gartenkunst auf das deutlichste klar.
Einstweilen aber sollte dieser griechischen Entfaltung der Gartenkunst von außen her ein mächtiger Impuls kommen. Durch Alexander des Großen Eroberungszüge wird mit einem Schlage ganz Asien mit seiner hochentwickelten Gartenkunst der griechischen Kultur erschlossen. Schon vorher hatten einzelne Männer mit Bewunderung von den herrlichen Parks der Orientalen gesprochen. Die kleinasiatischen Griechen werden in ihrem näheren Zusammenwohnen mit den Persern und den anderen orientalischen Stämmen schon weit früher auch auf dem Gebiete der Gartenliebe und -pflege dem Mutterland vorausgeeilt sein. Schon Dareios I. lobt einen Satrapen, daß er Früchte von jenseits des Euphrat nach Kleinasien verpflanzt habe. Nach den Perserkriegen muß ein reges Interesse auch in Griechenland vorausgesetzt werden; wenn der Satrap Tissaphernes, wie Plutarch berichtet Plutarch, Alkibiad. 24., einen besonders schönen Park Alkibiades zu Ehren mit dessen Namen belegt, so kann er sich eine Wirkung dieser höfischen Schmeichelei nur versprechen, wenn er bei Alkibiades auch Interesse und Liebe für seinen Park voraussetzen darf. Xenophon schildert die Paradiese der Perser, die er auf seinem Zuge trifft, mit der ausgesprochenen Absicht, seinen Landsleuten ein Vorbild zu geben, dem sie nacheifern sollten und könnten.
Alexander selbst führte schon die Jagdlust, die er aus seiner rauhen und waldreichen Heimat mitbrachte, mit Vorliebe in die Parks der von ihm unterjochten Länder. In Indien fand er Haine und Wälder von Mauern umschlossen, reich bewässert, mit viel Edelwild, aber selbst Löwen schoß er dort von aufgerichteten Kanzeln. Das Paradies von Bazisda Pauly-Wissowa III, 178, bei Curtius VIII, 1, 11-19; Diodor XVII, prol. 26. war so wildreich, daß 4000 Stück erlegt werden konnten, um dem ganzen Heere einen Schmaus zu bereiten. Auf seiner Rückkehr von Indien kränzte Alexander sein Heer mit Efeu; da diese Pflanze in den babylonischen Parks nicht wuchs, beschloß er sie dort anzupflanzen. Harpalos, den er mit der Aufsicht über die Parks betraut hatte, wollte es gerade mit dem Efeu nicht gelingen, so sehr er sonst mit seinen Akklimatisationsversuchen griechischer Pflanzen Glück hatte, selbst die Linde und nach mancher Mühe auch den Buchs machte er dort heimisch Theophrast, hist. pl. IV, 4, 1.. Überall sorgte Alexander dafür, daß die Parks gut beaufsichtigt und gepflegt wurden, und als er in Pasargadae bei seiner Rückkehr fand, daß das Grab des Cyrus, das in dem königlichen Paradiese lag, vernachlässigt und ausgeraubt war, strafte er die Magier, die erblichen Wächter, hart Arrian, anab. VI, 29.. Um die Gärten der Semiramis am Fuße des Berges von Bagistanos zu sehen, machte er einen Umweg auf seinem Zuge von Kelonai nach den nysäischen Pferdeweiden Diodor XVII, 110. II, 13.. Der König liebte es – auch hierin übernahm er die Gewohnheit eines orientalischen Fürsten –, in den Paradiesen seine Geschäfte zu besorgen, seine Feldherrn zu empfangen: dann saß er auf goldenem Throne und seine Getreuen auf silberfüßigen Sesseln Athenaeus XVI, 357 d.. Und als er krank nach Babylon kam, ließ er sich in den großen Königspark jenseits des Euphrat bringen, um dort zu sterben Plinius, nat. hist. XVI, 32, 59..
Die Nachfolger Alexanders fühlten sich durchaus als die Erben der orientalischen Großfürsten und pflegten den Luxus der großen Parks und Gärten mit Vorliebe, auch sie versuchten, die Akklimatisation fremder Pflanzen mit Glück in großem Stile zu betreiben. Die Seleukiden pflanzten den Zimmetbaum in Syrien, Anemone und Nardus in Arabien an Arrian, anab. VII, 25.. Ägypten vollends, das sich jetzt ebenso wie Westasien der griechischen Kultur eröffnete, brachte durch die hohe Blumenkultur, die dort seit Jahrtausenden heimisch war, einen ganz neuen Glanz in die weitausgedehnten Gärten und Parks. Die Griechen sahen mit Bewunderung, daß man dort das ganze Jahr frische Blumen zog, und die Ptolemäer unterstützten diese Kunst durch einen verschwenderischen Verbrauch bei ihren Festen. Man begnügte sich nicht mehr mit Kränzen für Haupt und Brust, sondern der Festsaal selbst wurde nach ägyptischem Vorbilde mit Blumen verziert. Ptolemäus Philadelphus ließ bei einem großen Feste, das er im Winter feierte, auf den Boden seines Zeltes Blumen streuen, in solcher Mannigfaltigkeit und Pracht, daß man in Wahrheit den Anblick einer himmlischen Wiese hatte Athenaeus V, 196 e.. Zu diesem Einflusse des Orients kam als ein weiterer Umstand, der das Aufblühen der Gartenkunst förderte, die Entwicklung der großen Städte in der hellenischen Welt. Der Umfang des dicht bebauten Terrains, die Schwierigkeit für die Bewohner, hinaus auf das flache Land zu kommen, drängte bei wachsendem Reichtum dazu, die Natur, der man außerhalb stärker entfremdet wurde, mehr und mehr in die Stadt zu ziehen und daselbst bedeutende, große Gartenanlagen zu machen. Fremd war dies ja auch den griechischen Städten nicht gewesen. Nun aber wurde alles in großem Stile ausgeführt. In Alexandrien nahmen die öffentlichen und königlichen Gärten ein Viertel des Stadtumfanges ein; sie hingen alle unter sich zusammen, und zwar sowohl die innerhalb, wie die außerhalb der Mauer gelegenen. Besonders genannt wird der Garten des Museums, wo die Gelehrten lustwandelten, das große Gymnasium und der Hain des Dikasterion, der in der Mitte der Stadt gelegen war Strabo XVII, 793 ff.. Südlich davon lag das Paneion, eine seltsame Anlage: ein künstlicher Hügel mit schneckenartig ansteigenden Wegen, von dem man das Panorama der Stadt genießen konnte. Von einer Bepflanzung wird nichts berichtet, doch spricht dafür der Zweck einer angenehmen Promenade, wie ähnliche Anlagen späterer Zeit, die bis auf unsere Tage sich erhalten haben und die immer die Aussicht auf einem schattigen Anstieg erreichen. Daß in den Vorstädten und außerhalb der Stadt eine Fülle der schönsten Gärten lag, versteht sich von selbst. Strabo sieht auch bei der Nekropole viele Gärten, in denen sich Familienbegräbnisse befunden haben. Auch hier hat orientalische Sitte den griechischen Gebrauch beeinflußt und ausgedehnt. Einst hatten die Griechen nur die besonders verehrten Gräber mit Hainen umgeben, um die Kultstätte vor dem profanen Lebenslärm zu schützen. In klassischer Zeit errichtete man Ehrengräber in den Gymnasien oder den Parkanlagen anderer agonaler Plätze. Auch die Ehrenruhestätte der athenischen Krieger, der Kerameikos, den Kimon als Gräberweg vom Dipylon nach der Akademie führte, war mit Baumreihen bepflanzt Brückner, Kerameikos-Studien: Athen. Mitteil. XXV, 1910, S. 211.. Wenn berichtet wird, daß Herodes im Stadion begraben liegt Philostratos, vitae soph. II, 1, 15 u. II, 1, 30., so kann man sein Grab nicht in der Rennbahn selbst suchen, sondern in den Parkanlagen auf dem Hügel, die zum Stadion gehörten, so daß man eben nur, wie in den Gymnasien, das ganze Gebiet nach dem Spielplatz nannte, und in der Akademie zu Athen wurde dem Sophisten Philiskos ein Grabmal errichtet. Nicht sicher ist es, ob auch Plato im Gymnasium begraben lag, wahrscheinlicher, daß Diogenes Laertius mit der Akademie, in der das Grab des Plato sich befand, dessen eigenen Garten gemeint hat Laert. Diogen. III, 39.. Seine Schüler, die dem großen Meister später auch Heroenehren erwiesen haben, werden das Grab ihrem Schulgarten bewahrt haben. Ganz sicher ist dies von dem Grabe des Theophrast, der, wie erwähnt, testamentarisch die Freunde bestimmt, eine geeignete Stelle in seinem Garten für sein Grab zu finden. So haben auch hierin die Philosophen in ihren Gärten das Vorbild für die Familiengräber gegeben. Kein Wunder, daß in hellenistischer Zeit die Reichen in ihren schönen Parks ein besonders gepflegtes Stück der Begräbnisstätte der Familie weihten oder die Gräber besonders mit einem Garten umpflanzten. Später, allerdings erst im V. Jahrhundert n. Chr. nachweisbar, prägte man ein besonderes Wort für solche mit Gartenanlagen umgebene Gräber: Kepotaphion.
Mehr noch als Alexandria war Antiochia um seiner herrlichen Gärten willen berühmt. Die Stadt hatte eine wunderbare Lage; die Hauptstraße war eine große, fortlaufende Portikus, an die auf einer Seite Häuser stießen, auf der anderen Seite sich Gärten bis zum Fuß des Berges erstreckten. Diese Gärten waren mit allerlei Gartenhäusern, Bädern und Fontänen geschmückt, die aber nicht den Berg hinauf gebaut waren, »um den Eindruck der Regelmäßigkeit nicht zu stören«. Eine zweite Gartenstraße sendet ihre Gärten bis zum Orontes herab. Vor dem westlichen Tor leitet der Weg wiederum durch eine wunderbare Gartenvorstadt, Heraklea genannt, weiter gelangt man durch Wein- und Rosenpflanzungen bis zu dem 7½ km südlich von Antiochia gelegenen, weltberühmten Lustpark Daphne, nach dem die ganze große Stadt den Beinamen Epidaphne erhielt. Auch dieser war ursprünglich ein heiliger Hain, der in der Mitte den Temenos, das Asyl mit dem Tempel des Apollo und der Diana, umschloß Strabo XVI, 750, Libanius XI, p. 356 f.. Der große, schattige Park hatte einen Umfang von 80 Stadien. Seine Quellen waren so überreich, wie sonst nirgends auf der Erde; die wundervollen Zypressen, 300 an der Zahl, waren der Tradition zufolge von den ersten Seleukiden gepflanzt. Nicht genug können die späteren von der Schönheit der Bäder, der Portikus, der Lusthäuser berichten. Die Menge fand vornehme Wirtshäuser, wo die Weinranken bis in die Zimmer wuchsen, in den schattigen Gängen atmeten sie den aromatischen Duft der Blumenbeete. Als der schönste Fleck der Erde, der Garten der Venus oder der Grazien, wird Daphne gepriesen K. O. Müller, De Antiquitatibus Antiochenis, S. 45.. Syrien scheint überhaupt die Gartenkunst zu besonders hoher Blüte entwickelt zu haben. Noch Plinius rühmt von den syrischen Gärtnern, daß sie die geschicktesten seien. Neben Daphne war auch der Park von Batnae sehr bewundert; Kaiser Julian Julian, ep. 27. besucht ihn und findet allerdings mehr einen prächtigen Obstgarten, in dessen Mitte Blumen- und Gemüsebeete liegen. Ringsumher sind dann andere Bäume in schöner Ordnung gepflanzt; einen herrlichen Zypressenhain voll kräftiger Stämme hebt der Kaiser besonders hervor.
Aber nicht nur das griechische Asien legte solchen Wert darauf, das Innere seiner Städte mit Gärten zu schmücken, auch in den weit kleineren Verhältnissen des Mutterlandes eiferte man jetzt diesen Vorbildern nach. In den Bildern griechischer Städte, die Herakleides im Anfang des III. Jahrhunderts zeichnet, ist von Gärten viel die Rede, besonders rühmt er Theben Fragm. hist. graec. II, 259 = Geogr. min. I, 102 ff., das von allen am meisten mit Gärten geschmückt sei, und im Sommer besonders um seines Wasserreichtums, seiner grünen Hügel und Gärten halber einen köstlichen Eindruck gemacht habe.
Im Verhältnis zu den öffentlichen Anlagen scheint das Privathaus in hellenistischer Zeit immer noch bescheiden genug gewesen zu sein. Zwar klagt schon Demosthenes, daß die private Bautätigkeit heute die öffentliche überträfe, aber das war nur ein Vergleich mit der alten Zeit. Einzelne größere Gärten, wie jene des Platon und Epikur, mag es gegeben haben; schon im IV. Jahrhundert hatte sich ein wohlhabender Athener durch Niederlegen eines Nachbargrundstückes einen Garten geschaffen, aber das wird Ausnahme gewesen sein. Man braucht nur den Stadtplan einer Stadt wie Priene, das im IV. Jahrhundert neu gegründet wurde, anzusehen, um die unglaublich enge Wohnweise der Griechen zu begreifen. Und doch müssen wir im griechischen Wohnhause die Entfaltungsmöglichkeit für die in späterer Zeit so bedeutsamen Hofgärten suchen. Das griechische Haus ist ein Hofhaus, d. h. die Wohnräume öffnen sich auf einen offenen Hof, an dessen einer Seite eine durch Säulen geschützte Halle liegt; aus dieser Säulenstellung hat sich dann das in späterer Zeit in allen wohlhabenderen Häusern durchgeführte Peristyl, d. h. der rings von einer Portikus umgebene Hof entwickelt. In den meisten Privatwohnungen, die bisher ausgegraben sind, ist dieser Hof gepflastert, also sicher nicht unmittelbar bepflanzt gewesen. Doch kennt ja schon die homerische Zeit bepflanzte Höfe. Was aber hier für den Königspalast jener Herrenkultur gilt, ist für die bescheidenen Privatwohnungen der griechischen Bürger noch lange nicht anzunehmen. In Priene selbst sind alle Höfe gepflastert. Immerhin lassen die Statuenfunde in den Höfen einiger wohlhabenden Häuser, so besonders in dem Hause in der Theaterstraße Wiegand-Schrader, Priene 285., in dessen Hof ein bärtiger Hermes und ein Löwe aus Terrakotta sich wahrscheinlich an alter Stelle fanden, darauf schließen, daß man auch Topfpflanzen dazwischen aufgestellt hat, um den Hof zu einem angenehmen Aufenthalte zu machen. Ein anderes Haus in Priene hat sich eine Möglichkeit eines Gartenstreifens geschaffen, durch eine schön gezierte Portikus, die sich hinter dem Hause auf einem schmalen Streifen öffnet, der höchst wahrscheinlich als Gartenterrasse bepflanzt war. Das sogenannte Haus des Priesters in Olympia zeigt aber ganz deutlich, daß bei etwas größeren Anlagen diese Höfe auch bepflanzt waren, wie hier Spuren bei der Ausgrabung bewiesen haben. Es ist klar, daß bei wachsendem Wohlstand und wachsender Abgeschlossenheit der Vornehmen gerade das Peristyl, das nach Bedürfnis ausgedehnt werden kann, da es kein hinderndes Dach über sich hat wie das römische Atrium, zur Bepflanzung einladen mußte. Wir können diese Entwicklung und den Gegensatz zu dem italischen Atriumhause, das dieser Gartenmöglichkeit völlig entbehrte, erst verstehen, wenn wir Pompeji betrachten, das aber zu weit in die römische Kaiserzeit hineinreicht, als daß man schon hier näher darauf eingehen könnte.
Doch wie zu erwarten ist, hat der Hellenismus bereits das Peristyl zu einem prächtigen Gartenhof umgeschaffen. Was die Ausgrabungen noch versagen, müssen wir aus literarischer Überlieferung herauslesen. In der Diadochenzeit, wo wieder der ganze Einfluß des Orients sich geltend macht, sind diese Hofgärten, auf die sich die Prachträume des Hauses öffnen, mit großem Luxus eingerichtet gewesen. Selbst so ephemere Bauten, die nur für ein Fest errichtet scheinen, wie das Prachzelt Athenaeus V, 196; 198. des Ptolemäus Philadelphus, das dieser sich außerhalb der Burg von Alexandrien errichtet hatte, wurden mit reichen Gartenhöfen geschmückt. Der große Speisesaal, der mit der allererdenklichen Kostbarkeit für 300 Personen eingerichtet war, öffnete sich auf ein Peristyl. Die Wände der Portikus waren mit Teppichen und seltenen Fellen behängt, der freie Raum in der Mitte aber war mit Buchs, Myrten und anderen geeigneten Sträuchern bepflanzt, zwischen denen Blumen prangten. Zu diesem Zelte führte ein Festzug, der auf verschiedenen Wagen den Triumph des Bacchus darstellte. Einer dieser Wagen trug Semele, die Mutter des Gottes, sie ruhte in einer prächtigen künstlichen Grotte, die mit Efeu und anderen Schlingpflanzen bewachsen war, um die Tauben flatterten. In der Grotte selbst befanden sich zwei Quellen, aus denen Milch und Honig floß. Auch über dem Kolossalbilde des Bacchus wölbte sich eine Laube aus Efeu und Weinranken und Herbstfrüchten.
Grotten legte man damals in allerlei Gestalt an. Plinius Plinius, n. h. XII, 9. erzählt von einer Platane, einem Baum, der zu seinem Gedeihen mit seinen Wurzeln das Quellwasser sucht, der in Lykien zu solchem Umfange erwuchs, daß in seinem hohlen Stamme eine Grotte mit Bimsstein und Moos zierlich ausgelegt sich befand, so daß 18 Personen dort speisen konnten. Solche Grotten baute man auch in künstliche Felsen im Parke. Selbst in einem bescheidenen Park, wie ihn Alkiphron Karl Dilthey, Schleifung der Dirke: Archäol. Zeitung 1878, S. 48, Anm. in der Nähe einer griechischen Stadt, vielleicht Korinth, schildert, erhebt sich ein efeuübersponnener Fels, der mit Lorbeerbäumen und Platanen bewachsen und rings von Myrtengebüsch umgeben ist. Auf den Absätzen sind Nymphen aufgestellt, hinter ihnen ragt Pan auf, der die Nymphen betrachtet. Nach diesem Schmuck wird man in diesem Fels auch Grotten vermuten. Die übrigen Gartenanlagen bei dieser Villa sind ganz bescheiden, nur Zypressen- und Myrtenbosketts und ein kleiner Blumengarten sind noch da. Zu welch einem imponierenden Parkanblick wird unsere Phantasie beflügelt, wenn wir uns etwa in dem Park eines rhodischen Großen einen Grottenberg vorstellen dürfen, dessen Spitze ein Kunstwerk, wie der farnesische Stier (Abb. 56), krönt. Erst, wenn man dieser geistreichen Hypothese Karl Dilthey, Schleifung der Dirke: Archäolog. Zeitung 1878, S. 48. folgt, gewinnt dieses Werk, das im Museumssaale unruhig, kapriziös, und daher trotz seines monumentalen Eindrucks verwirrend wirkt, Leben und Verständnis, dann wächst der durchbrochene grottenartige Sockel mit malerischer Kraft aus der grünen Bepflanzung heraus. All das Beiwerk, Hirte und Tiere, versteht sich dann in der natürlichen Umgebung von selbst, über die, dem Auge ganz anders geschlossen, die gewaltige Hauptgruppe gegen den freien Himmel sich abhebt.
Solche Gärten, in denen dies Bild nur einen Zug bildet, brauchten die hellenistischen Großen als Hintergrund und Schauplatz für ihre schwelgerischen Feste, wie für ihr tägliches Leben. Hieron II., der in Sizilien wahrscheinlich an eine ununterbrochene Tradition fürstlicher Gärten anknüpfen durfte, waren diese ganz unentbehrlich geworden. Wie die orientalischen Fürsten besorgte er alle seine Staatsgeschäfte im Garten, aber selbst auf dem Wasser wollte er ihn nicht entbehren Athenaeus V, 206 d. ff. aus Moschion.. Als er sich ein riesiges Prachtschiff erbaute, das augenscheinlich als Symbol seiner Herrschergröße höchste Pracht und kriegerische Macht vereinen sollte, legte er auch dort einen Garten an. Meister Archias aus Korinth erbaute dieses Schiff, für das Archimedes seine bedeutsamsten Erfindungen machte. Auf dem obersten Deck ward ein Gymnasium und Spazierwege im Verhältnis zur Größe des Schiffes angelegt. In diesem waren mannigfache Rabatten, Pflanzungen, die von Bleistreifen umgeben waren. Die Spazierwege waren von Lauben von Efeu und Weinstöcken überschattet, deren Wurzeln ihre Nahrung in mit Erde gefüllten Kübeln fanden. Sie erhielten die gleiche Bewässerung wie die Rabatten. Im Anschluß daran wurde ein Aphrodision, dessen Fußboden mit kostbaren Steinen und Achat ausgelegt war, erbaut. Die Wände waren aus Zypressenholz, die Türen aus Elfenbein und Weihrauchholz. Es war mit Bildern und Statuen überschwänglich geschmückt, hatte aber nur Raum für drei Ruhesitze. Ein anderes, ebenso kostbar ausgeziertes Gartenhaus enthielt eine kleine auserlesene Bibliothek. Wo die beiden Wasserbassins angelegt waren, von denen die Schilderung weiter noch spricht, ist nicht bestimmt zu sagen. Das eine, mit Meerwasser angefüllt, in dem Fische gehalten wurden, wird offen, also auf dem obersten Deck, wahrscheinlich in Verbindung mit der Gartenanlage, zu denken sein.
Man muß gestehen, daß Hieron hier auf dem beschränkten Räume eines Schiffdeckes ein köstliches kleines Gartenkunstwerk geschaffen hat. Der griechische Baumeister hat alle Bestandteile, die wir für einen Garten kennen, angebracht. Das unerläßlich Wichtigste sind Gymnasium und Spazierwege. Diese Peripatoi stehen hier wie auch sonst wohl als zusammenfassende Bezeichnung nicht nur für die Wege, sondern den ganzen Teil des Gartens, den man zum Spazierengehen einrichtet. Die Rabatten in den Bleikästen können natürlich nur Blumen und flach wurzelnde Sträucher getragen haben; Efeu und Wein, die tiefere Wurzeln haben, erhalten hohe Kübel. Die Pergolen, die sie bilden, geben den nötigen Schatten, der sonst bei Mangel hoher Bäume diesem Schiffsgarten ganz gefehlt hätte. Zwei kostbar geschmückte Gartenpavillons und ein Fischteich vervollständigen diese Anlage, die aufs neue die enge Verbindung des Gymnasiums und Lustgartens zeigt. Das erstere ist natürlich als ein kleiner, vielleicht von einer leichten Portikus umgebener Spielplatz zu denken, der inmitten der Blumenrabatten liegt. Solche Nachrichten geben uns eine Vorstellung, wie die Privatgärten und Parks der Fürsten und Großen des weiten, der hellenistischen Kultur offenen Ländergebietes angelegt waren. Leider besitzen wir keine ausführliche Schilderung eines vorhandenen Villengartens jener Zeit, auch hier müssen wir mehr Rückschlüsse von der römischen Kaiserzeit, wo die Quellen reichlicher fließen, auf jene Kultur machen, die auch auf diesem Gebiete die Lehrmeisterin Roms ist.
Erst bei sehr späten griechischen Schriftstellern finden sich in typischer Wiederkehr Schilderungen von Gärten: in den Liebesromanen der rhetorisch-sophistischen Fabulisten, die etwa ihre Blütezeit vom II. bis VI. nachchristlichen Jahrhundert haben Rohde, Griech. Roman 2 545.. Wenn aber auch diese Denkmäler aus so junger Zeit stammen, so sind sie doch typische Nachahmer einer Dichtungsart, die ebenso wie das Idyll in alexandrinischer Zeit entstanden ist. Wie dies letzte die freie Landschaft, so nimmt der Roman gerne den Garten als Hintergrund seiner Liebesszenen. Die steten Wiederholungen und stereotypen Wendungen solcher Schilderungen weisen auf Vorbilder viel früherer Art und andererseits zeigen Nachahmungen aus später byzantinischer Epoche, wie die Gartenkultur in diesen Gebieten in ungebrochener Tradition aus der antiken Welt sich in das byzantinische Mittelalter hinüber gerettet hat. Allerdings repräsentiert der Garten des griechischen Romans eine besondere Gruppe. Es ist nicht der öffentliche Park, auch nicht der Sitz fürstlicher Pracht, sondern der ländliche Farmgarten, der nur hier und da sich einzelne Züge größeren Stils borgt. Dieser Farmgarten hat natürlich in Griechenland niemals gefehlt; in dem Garten des Alkinoos hatte er sein klassisches Vorbild. Weil die Nutzbarkeit stets seine Anlage bestimmen mußte, hat er sich zu allen Zeiten wenig geändert. Longus Longus II, 3. nennt zwar den Garten, den Daphnis mit seinem Pflegevater Lamon zusammen baut und bewässert und den beide für den Besuch ihres Pachtherrn mit aller Sorgfalt herrichten, ein Paradies; dies Wort bedeutet in jener Zeit gewöhnlich Ziergarten überhaupt im Gegensatz zum reinen Nutzgarten, d. h. einen Park. Er heißt im Roman ein außerordentliches Werk »nach Weise der Könige«, von einem Stadion Länge, er ist hochgelegen, mit schöner Aussicht auf die Ebene, so daß man die Wanderer und das Meer und die vorübergehenden Schiffe sehen kann, und diese Aussicht mit zu einem Teile des Gartens wird. Longus weiß sehr wohl, daß solch eine Lage im hellenistischen Garten als durchaus notwendig angesehen wird, aber auch bei Homer liegt der Phäakengarten hoch oder doch am Abhang eines Hügels. In der Mitte des Gartens ragt ein Tempel und daneben ein efeuumschlungener Altar des Dionysos. Dieser Tempel gibt dem Bilde eine künstlerische Einheit, die dem Garten des Alkinoos noch fehlt. Der Hauptteil wird natürlich von Fruchtbäumen eingenommen, deren Arten nicht viel über die Homers hinausgehen, zwischen den Bäumen schlingt sich die Weinrebe. Eingeschlossen ist der Garten durch Alleen von Zypressen, Lorbeer, Fichten und Platanen, die in gleichem Abstände voneinander gepflanzt sind und in der Höhe ihre Zweige verflechten, zwischen ihnen rankt sich der Efeu wie der Weinstock zwischen den Fruchtbäumen. Auch der Blumen wird nicht vergessen. Es sind noch immer die alten Arten: Rosen, Hyazinthen, Veilchen und Narzissen. Wie Homer stellt auch Longus an seinen Garten die Forderung, daß er Blüten und Früchte zu jeder Zeit bringen müsse. Trotz der Betonung der parkartigen Umgebung ist dieser Garten doch in erster Linie ein Nutzgarten, von gleicher Art wie jener andere, den derselbe Longus mit den Worten schildert: »einen Garten nannte ich mein, in dem ich in Alter und Muße ausruhte, welcher seinen Ertrag bringt je nach der Jahreszeit, im Frühling Rosen, Lilien und Hyazinthen und beide Veilchen, im Sommer Mohn, Birnen und alle Äpfel, jetzt Reben, Feigen und Granatäpfel und grüne Myrten. Man könnte glauben, einen Hain zu sehen.«
Und ebenso wie der Garten hier im Roman erscheint, fordern ihn auch die theoretischen Schriftsteller seiner Zeit, die wir in der Geoponika gesammelt finden. In der Nähe des Hauses, heißt es dort, muß der Garten liegen, nicht nur, damit mit den Augen seine Schönheit genossen werde, sondern auch sein Wohlgeruch die Luft erfülle und die Wohnung gesund mache. Denn, wie es an anderer Stelle heißt, daß Anlegen eines Gartens ist dem Leben höchst notwendig, sowohl der Gesundheit, wie der Wiederherstellung der Genesenden Geoponika X, 1, 1 u. XII, 2, 1.. Die Pflanzen sollen nicht unordentlich und vermischt gepflanzt werden, als wenn, wie man sagt, die Verschiedenheit eine Zierde sei, sondern die einzelnen mögen nach Arten besonders verteilt werden, damit nicht die größeren den kleineren die Nahrung wegnehmen. Zwischen den Bäumen mögen Lilien und Rosen, Veilchen und Krokus gezogen werden, welche durch Anblick, Duft und Nutzen sehr angenehm sind; sie vermehren die Einkünfte des Gartens und geben den Bienen Nahrung. Ordnung wird also als Haupterfordernis aufgestellt, die gleiche Ordnung, die des Longus Garten zeigt, welche die Bilder ägyptischer Gärten vor Jahrtausenden offenbaren, die des Homer streng aufgebaute Schilderung verrät. Des Alkinoos Garten bleibt auch für die Romangärten das Vorbild, auf das man sich mit Vorliebe beruft: Glücklich waren die Phäaken, nicht weil sie von Göttern stammten, sondern weil sie vor allem die Gärten schätzten, beginnt eine Schilderung, und der Ausruf: »Ich glaube den Garten des Alkinoos zu sehen«, kehrt häufig wieder Libanius IV, 1077; Julian, ep. 27; Eustathius I, 4; Erot. gr. II, 162.. Die meisten Erzählungen finden eine gewisse architektonische Einheit ihrer Schilderung in einer besonderen Betonung der Mitte. Bei Longus ist es ein Tempel und Altar, in den meisten anderen Romanen finden wir in verschiedenster Weise gefaßtes Wasser. Bald wird ein sprudelnder Quell in ein viereckiges, mit Kunst hergestelltes Becken, das sich inmitten der Blumen erhebt, geleitet. Dies bewirkt dann wie ein Spiegel, daß zwei Gärten, der wirkliche und sein Bild, sich dem Blicke zeigten. Um alle vier Seiten dieses Gartens geht eine Portikus herum, zwischen blühenden, schattenspendenden Bäumen rankt sich Efeu, Weinspaliere sind an Rohr gebunden, und die Blumen – wieder nur die wenigen Sorten – zeigen ihre Schönheit im Wettstreit mit dem Gesang der Vögel.
Wenn auch der Garten immer gleich unbestimmt geschildert wird, so zeigt doch der Brunnen in der Mitte gerne Abwechslung: Bald ist es ein sprudelnder Quell, schneller als der Wind Achill. Tatius I, 15; Libanius IV, 1077 ff., bald ein klares Badebassin, in dem sich die Liebenden baden und aus dem ein Quell in kleinen Kaskaden von Schale zu Schale springt, auf denen wieder Blumenblätter wie Schiffchen schwimmen, stets reizvolle kleine Anlagen Aristainetus 3..
Mit dem Typus dieses Romanes, der über die Jahrhunderte immer weiter, tief in das byzantinische Mittelalter, seine Ableger senkt, reißt auch die Tradition für die Gartenschilderer nicht ab. Wenig Neues können wir daraus lernen, nur daß der byzantinische Garten sich in der Richtung des hellenistischen fortentwickelt hat. Und an einzelnen Zügen läßt sich der erneute starke Einfluß, den der Orient und insbesondere Persien und Mesopotamien auf Byzanz ausüben, erkennen. In allen früheren Schilderungen zeigt sich eine verhältnismäßige Einfachheit; etwas von dem unausrottbaren griechischen Sinn für edles Maß findet sich auch in den fernsten Ausläufern. Dann aber drängt sich mehr und mehr asiatischer Prachtsinn vor, der in Anhäufung von Motiven, in gleißender Pracht des kostbaren Materials, in der Durchführung schwieriger Kunststücke seine Befriedigung findet.