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1. Kap.
Bodenbeschaffenheit Ägyptens
Die Anfänge aller Gartenkultur fallen mit der Seßhaftigkeit der Völker zusammen. Der Nomade treibt seine Herden auf die freie, nicht umzäunte Weide; sobald aber die erste Frucht, mit der Hacke bestellt, den Menschen zwingt, sich in festen Wohnplätzen anzusiedeln, wird und muß er seinen Fruchtplatz mit einem Zaun umgeben, um ihn vor dem Einbruch der feindlichen Menschen und wilden Tiere zu schützen. Wenn wir also diesen primitiven Garten, d. h. einen umhegten Fruchtplatz, im Gegensatz zu dem freien Felde ansehen, so ist der Garten das Frühere gegenüber der Bewirtschaftung des Feldackers, die erst in einem Lande, in dem die allgemeine öffentliche Sicherheit schon die Fluren schützt, sich entfalten kann. In diesem Sinne hat Herder recht, wenn er den Gartenbau älter nennt als den Acker. Erst später lösen sich die eigentlichen Gärten ab, die, in unmittelbarer Nähe des Hauses gelegen, mit Fruchtbäumen und wertvolleren Nutzpflanzen, den Gemüsen, bestanden, als besonderes Eigentum des Hausbesitzers von ihm mit einer Umzäunung geschützt werden. Daß diese verschiedenen Pflanzen in regelmäßigen Beeten zusammengepflanzt sein mußten, geht aus der Natur ihrer Pflege hervor, die nur bei einer gewissen Ordnung es möglich macht, den Ertrag zu liefern, um dessentwillen der Mensch die Mühe der Wartung auf sich nimmt. In diese ersten Stadien der Entwicklung des Gartenbaues vermögen wir natürlich nicht unmittelbar hineinzublicken, auch prähistorische Funde von Kulturpflanzen geben über die Art und Ordnung ihrer Anpflanzung keine Auskunft. Sicher kann man nur schließen, daß auch hier die Entwicklung sich nicht schematisch gleichmäßig vollzogen hat, daß in einem Lande, dessen Kultur dem Urwalde abgewonnen ist, das Gartenland ein anderes Ansehen gehabt hat als bei dem Oasenbau der wüstenumgürteten Länder.
Gleich an der Wiege aller menschlichen Kultur steht ein Land, das um der eigentümlichen Beschaffenheit seines Bodens und seines Klimas willen mit Notwendigkeit zu einer frühen bedeutsamen Entwicklung einer Gartenkultur gedrängt wurde: Ägypten. Ein schmales, langes Tal hat hier der Nil mit seiner wunderbaren selbsttätigen Arbeit der Wüste abgerungen. Und jedes Jahr übernehmen seine Segen und Fruchtbarkeit spendenden Wogen die Arbeit, die der Mensch an anderen Orten mit Mühe und Sorgsamkeit selbst vollführen muß: dem Boden die ihm entzogenen Nährstoffe zuzuführen. Dieses schmale Land aber, das der kostbaren Halmfrucht überaus günstig war, eignete sich schlecht für die Aufzucht größerer Baumbestände oder anderer Dauerpflanzen. Ob Ägypten in prähistorischer Zeit größere Waldbestände gehabt hat, wie dies aus paläontologischen Funden hervorzugehen scheint F. Woenig, Die Pflanzen im alten Ägypten, Leipzig 1886, S. 277., kann hier nicht in Betracht kommen, da dies eine andere klimatische Beschaffenheit voraussetzt. In geschichtlicher Zeit mußte der regenlose Himmel besonders in Ober-Ägypten einer Waldentwicklung entgegenstehen. Wollten die Könige dem Vergnügen der Jagd fröhnen, so mußten sie sich mit der angrenzenden Wüste begnügen; Bilder des alten und mittleren Reiches L. Klebs, Reliefs des alten Reiches (Heidelberg 1915) S. 38 und L. Klebs, Reliefs und Malereien des mittleren Reiches (Heidelberg 1922) S. 52. zeigen Hürden, die um Jagdgründe aufgerichtet sind, wahrscheinlich nur zum Zwecke der Treibjagd; unter den Wüstentieren finden sich allerdings auch Hirsche, was beinahe einen Baumbestand verlangt.
Alle Gartenkultur des Landes mit ihren größeren Baumanpflanzungen konnte nur auf den Erhöhungen und Talrändern, wohin der Strom seine Wogen während der Überschwemmung nicht trägt, angelegt werden. Ihr Gedeihen hing daher von Anbeginn von der sorgsamsten Pflege des Menschen ab. Die Bewässerung und mit ihr alle Nahrung des Bodens mußte eine künstliche sein. Ein vielverzweigtes Netz von Kanälen, durch Damm- und Terrassenbauten und Schleusenwerke reguliert, brachte das Nilwasser in die höheren und entfernteren Teile des Landes; hier wurde es mit Hilfe eines Hebelbrunnens, an dessen einem Arm ein Stein, dem anderen ein Schöpfeimer hing, herausgeholt und auf Bäume, Pflanzen und Äcker entleert. So sehen wir es auf den alten Bildern, die Jahrtausende zurückliegen, so kann man es noch heute überall beobachten Erman, Ägypten II, p. 568; Wilkinson, The Manners and Customs of the ancient Egyptians, rev. by Birch 1878, I, Vignette D, p. 279 u. 281; Rosellini, Monumenti Civili II, N. 40. (Abb. 1 u. 2). Selbstverständlich wurden mit dieser nicht leichten Pflege nur Bäume und Pflanzen bedacht, die durch ihre Nutzbarkeit dem Menschen auch seine Mühe vergalten. Gerade aber aus der nutzbringenden Pflege der Vegetation ist alle Gartenkultur hervorgegangen. Eßbare Früchte, Holznutzung und Schatten verlangte und erlangte der Ägypter von seinem Garten.
Wenn auch erst das neue Reich Die heutige Wissenschaft rechnet das alte Reich von etwa 2950-2450; die Dynastien, die in Betracht kommen, die IV. und V., reichen etwa von 2930-2625. Das mittlere Reich von ungefähr 2150-1780; die wichtigste Dynastie ist hier die XII. von 2000-1788. Das neue Reich von 1580-945, namentlich die XVIII. und XIX. Dynastie, von 1580-1205, bedeuten die Glanzzeit Ägyptens. Bilder einer planvollen Anordnung und Gruppierung verschiedener Pflanzungen in einer Umgebung, also Gärten in unserem Sinne, überliefert hat, so zwingen doch Darstellungen der IV. und V. Dynastie und noch mehr im mittleren Reiche, Anlagen von Baum-, Wein- und Gemüsegärten anzunehmen. Diese frühesten Bilder zeigen mehr die Einzelarbeit im Garten als geschlossene Anlagen: den Gärtner, wie er das Land bewässert, wie er erntet, wie er die Früchte vom Baume pflückt, die reifen Trauben bricht, das Gemüse einsammelt oder wie er den Göttern von dem Segen seiner Arbeit spendet. Unter den Bäumen, die zum ältesten Bestände der ägyptischen Gärten gehörten, steht die Sykomore obenan; in den alten Texten, wo dieser Baum am häufigsten genannt wird, steht das Zeichen für Sykomore oft für Baum überhaupt Moldenke, Die in altägyptischen Texten erwähnten Bäume und deren Verwertung: Inaug.-Diss. Leipzig 1886, S. 7 u. 19.. Wahrscheinlich einem weit zurückgehenden Glauben zufolge, stand am Himmelszelt gegen Aufgang wie beim Untergang eine Sykomore; man dachte sie sich aus Malachit, wohl um ihre unvergänglich grüne Farbe damit auszudrücken Lepsius, Das Totenbuch der Ägypter 1842, Kap. CIX u. CXLIXb; N. de G. Davies, The Rock Tombs of El-Amarna III, S. 31, Anm. 2, u. VI, S. 20: Archaeological Survey of Egypt ch. 5.. Früchte und Holz sind an diesem Baume gleich nutzbar, in seinem Schatten freut sich der Lebendige wie der Tote; der Bauer verehrt ihn als besonders heilig und bringt ihm das Opfer des Feldes dar G. Maspero, Histoire ancienne des peuples de l'Orient I, p. 121. Diese Abb. ergänzt nach Mémoires publ. par les membres de la Mission archéologique franç. au Caire V, pl. IV. (Abb. 3). Ein Gefühl innigster Zusammengehörigkeit des Niltalbewohners mit diesem Baume spricht sich in einem kleinen Liedchen aus, das ihn als Freund der Liebenden schildert: An dem Tage, an dem »der Garten seinen Festtag hat«, wo er in der Pracht seiner Blüten steht, sendet der Baum dem Mädchen Botschaft:
Die kleine Sykomore,
die sie gepflanzt hat mit ihrer Hand,
sie bewegt ihren Mund zum Reden.
Wie schön sind ihre hübschen Zweige,
Sie ist beladen mit Früchten,
die röter sind als Jaspis.
Ihr Schatten ist kühl.
Sie legt ein Briefchen in die Hand einer Kleinen,
Der Tochter ihres Obergärtners,
sie läßt sie eilen zu der Vielgeliebten:
»Komm und weile inmitten deiner Mädchen.
Man ist trunken, wenn man zu dir will,
ehe man noch getrunken hat.
Die Diener, die dir gehören
kommen mit ihrem Gerät;
sie bringen Bier von jeder (Art),
allerhand Brot vermischt,
viele Blumen von gestern und heut
und allerhand erquickende Früchte.
Komm, und verbringe den Tag heut schön
und morgen und übermorgen, drei Tage lang ...
sitze in meinem Schatten.«
Ihr Freund sitzt zu ihrer Rechten,
Sie macht ihn trunken
und folgt dem, was er sagt ...
ich aber bin verschwiegen
und sage nicht, was ich sehe.
Ich werde kein Wort sagen.«
Die Bilder des alten Reiches erzählen, wie man den Baum in regelmäßigen Abständen pflanzte, wie man seine Früchte einsammelte, wie er umgehauen und sein Holz verwertet wird oder wie man, wenn er zum Umhauen reif ist, sein Laub von den Zicklein fressen läßt Klebs, Reliefs I, S. 100 f., wo sich noch andere Beispiele finden.. Auch sonst scheint man sich der Beihilfe der Tiere bei der Ernte bedient zu haben. Affen müssen helfen, Feigen zu sammeln (Abb. 4), man erlaubt ihnen, sich selbst an den Früchten gütlich zu tun, wenn sie nur den Männern ihr Teil in die Körbe liefern Klebs, Reliefs II, S. 78.. Der Feigenbaum ist dem alten Ägypter nicht minder wichtig als die Sykomore. Zu diesen treten dann noch zwei Palmenarten, die Dattelpalme und die Dumpalme; die Dattelpalme besonders wird in größter Mannigfaltigkeit benutzt Moldenke, a. a. O., S. 27 ff.. Auch die Akazie, zu denen wohl der von den Alten Persea genannte Baum zu rechnen ist (Mimusops Schimperi), gehört zu den Bäumen, die in ältester Zeit mit der Sykomore in Ägypten den Charakter der Baumvegetation bestimmt haben; ihre Heimat haben allerdings beide nicht in Ägypten Schweinfurth, Über Pflanzenreste des mittleren Reiches 29 u. 30, S. 159. Anh. zu Heinrich Schäfer, Priestergräber: Veröfftl. d. deutschen Orient-Ges. Nr. 8 (1908)..
Neben diesen Bäumen war noch ein heiliger, hochverehrter Baum, den die Texte Isched nennen, ein Fruchtbaum, der nicht ganz sicher bestimmt ist. Der Ischedbaum ist der Baum der Geschichte, auf welchen die Götter den Namen und die Taten des Königs aufmalen Lepsius, Denkmäler III, 37a u. 169; auch Erman, Ägypten, S. 465. (Abb. 5). Reichlich vermehrt sind diese Arten erst im neuen Reich, wo der Schreiber Ennene, der um 1500 lebte, in seiner Grabschrift die Bäume aufzählt, die er in seinem Leben gepflanzt hat. Es ist eine Liste von 20 verschiedenen Arten, von denen noch nicht alle bekannt sind. Die alten Arten sind auch hier in der Überzahl, nicht weniger als 73 Sykomoren, 170 Dattelpalmen und 120 Dumpalmen finden sich in der Liste Erman-Ranke, Ägypten S. 209. Das Bild des Gartens von Ennene nach photograph. Aufnahme veröffentlicht bei Wreszinski Atlas I, Taf. 60. Andre Gärten des neuen Reichs ebenda Taf. 278, 260.. Im neuen Reich muß der Waldmangel Ägyptens in etwas durch eine große Reihe von heiligen Hainen ersetzt worden sein. Von den 42 Gauen, in die Ober- und Unterägypten eingeteilt war, besaß jeder seinen Tempel mit seinem heiligen Haine. Von altersher war dem Ägypter der Baum heilig, hier aber hatte jeder dieser Tempel einen ihm besonders heiligen Baum, der hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, in dem Tempelgarten gepflegt wurde Moldenke, a. a. O., S. 8 ff.. Die großen Tempel müssen den Inschriften zufolge sehr große Besitztümer gehabt haben.
Neben dem Baumgarten legte man schon im alten Reich die Weingärten an Klebs, Reliefs I, S. 56. Vgl. zur Frage des Weinbaus H. F. Lutz, Viticulture and brewing in the Ancient Orient (Leipzig 1922) S. 17.. Ägypten ist das älteste Land, aus dem wir Darstellungen von Weinbau haben; über die Anfänge herrscht auch hier Dunkel. In der IV. und V. Dynastie erzählen die Bilder das ganze Schicksal der Traube; wie sie zu reifen beginnt, wie die Wächter die Vögel mit Stöcken wegjagen, wie sie dann gepflückt, gekeltert und der Most in die spitzen fußlosen Krüge gefüllt wird. Man scheint die Weinstöcke in frühester Zeit in Lauben gezogen zu haben, d. h. es wurden Pflöcke aufgestellt und darüber ein Querbalken gelegt. Das veranschaulicht die älteste Hieroglyphe für Wein (Abb. 6).
Doch schon im alten Reich hat man begonnen, statt der rohen Holzpflöcke Säulen aufzustellen Klebs, Reliefs I, S. 56., aus denen dann im neuen Reich die schönen, reich bemalten Säulenpergolen entstanden sind. Diese Lauben wurden manchmal auch rund gezogen, was ihnen ein gefälligeres Ansehen gab Ebenda. (Abb. 7). Daß diese Form von den ersten Gradlinien unterschieden wurde, zeigt eine zweite Hieroglyphe. Schon im mittleren, mehr noch im neuen Reiche, werden alle diese Motive in immer reicherer Weise ausgeführt. Es bleiben bis in das neue Reich die Weinlauben Mittelpunkt und Hauptsache aller Gartenanlagen Ebenda..
Welch eine Fülle von Gemüsen der alte Ägypter baute, darum muß man die Opfertische befragen, die Gemüsekörbe, die dabeistehen, und die Festzüge. Lange Reihen von Männern trugen beladene Fruchtkörbe auf den Schultern und Ähren oder Papyrus in den Händen; dazwischen stehen auch schöngeflochtene Körbe, hoch mit Gemüse aller Art beladen. Doch auch schon Darstellungen von Gemüsegärten kennt wenigstens das mittlere Reich: In ungeschickter Perspektive zeigt ein Bild von Beni Hassan Rosellini II, No. 40, Fig. 1; Newberry, Beni Hasan I, pl. 29; Lepsius, Denkmäler II, 127. quadratische Beete, die mit einem grünen Gemüse bepflanzt sind (Abb. 8). Ein in rundem Bassin endender Kanal ist von grünen Ranken umgeben, um anzudeuten, daß auch er noch im Garten liegt; daneben sind zwei Männer beschäftigt, Wasser zu schöpfen und es über die Beete auszuleeren. Sie fühlen sich als wichtige Personen in der Dienerschar ihres Herren, denn beider Namen ist nicht allein durch eine Inschrift über ihnen verewigt, sondern in dem großen Zuge der Diener, die ihre Gaben zu den Opfertischen vor den Toten bringen, kehren unsere beiden Gärtner mit ihren Namen »Neter-Necht und Nefer-Hetep« wieder; in Körben, die sie auf Querstangen über den Schultern tragen, bringen sie das Gemüse, das sie im Garten erzielt haben, ihrem Herrn dar P. E. Newberry, Beni Hasan I, pl. 28 (e)..
Auch auf einem andern Bilde aus gleicher Zeit sind die Gemüsebeete ebenso schachbrettartig gezeichnet, allerlei Pflanzen wachsen darauf; da auch hier Gärtner das Land bewässern, muß ein Kanal oder Bassin dazu zu ergänzen sein P. E. Newberry, El-Bersheh Tehuti-Hetep Gr. 2, I, pl. 26: Archaeolog. Survey of Egypt. Newberry glaubt in den Schachbrettlinien selbst kleine Bewässerungskanäle zu sehen, doch läßt die Tatsache, daß Männer die Eimer darüber leeren, einen Kanal oder Teich außerhalb, wie auf dem Bilde von Beni Hasan, vermuten. (Abb. 9). Darüber ist noch eine Reihe von Kübelgewächsen aufgestellt, eine früheste Darstellung dieser später so häufigen Gartenzier. Links von dem Gemüsegarten ist eine Weinlaube über Holzpflöcke gezogen, wo die reifen Trauben eben gepflückt werden. Solch eine Weinernte ist auch in dem Beni Hassan-Grabe dargestellt. Hier ist die Laube ganz besonders elegant gezimmert und überzogen, wie das sonst in dieser alten Zeit noch nicht häufig vorkommt.
Soweit sprechen die Bilder der Zeit vor dem neuen Reiche. Aber auch damals wurden nicht nur Nutzanlagen gemacht; die Vornehmen des Reiches umgaben schon in ältester Zeit ihre Landhäuser mit Gärten, um sich dorthin von einem tatenreichen Leben zurückzuziehen; das überliefert uns eine Inschrift in dem Grabe des Meten, eines hohen Beamten und Oberpriesters, der unter dem letzten Könige der III. und dem ersten der IV. Dynastie lebte. Meten baute sich eine prächtige Villa, die Umwallung war eine Mauer, die ein Viereck von 105 m Seitenlänge, also ein Areal von 11025 qm, umschloß. Das gutgebaute Wohnhaus war mit allen zum Leben notwendigen Dingen versehen, es war umgeben von Bäumen zu Schmuck und Nutzen: Palmen, Feigen und Akazien. Mehrere Bassins, von Grün eingefaßt, boten ein Asyl für Schwimmvögel. Vor dem Hause liefen Lauben, und zwei Äcker mit Weinpflanzungen lieferten ihm jedes Jahr eine Fülle des edlen Getränkes Maspero, Études égypt. II, p. 320/34.. Kein Bild verrät die Anordnung dieser Pflanzungen, an denen der Besitzer so großes Vergnügen empfand; wir müssen eineinhalb Jahrtausende überspringen, um im neuen Reiche Schildereien zu finden, die in einer hoch entwickelten Gartenkunst in Anordnung der Pflanzen und Gebäude den gleichen Inhalt aufweisen, den schon Meten aufzählt.
Die Haus- und Gartenpläne der ägyptischen Malerei sind nicht ohne weiteres leicht zu verstehen. Der Wunsch, alles was es liebt und worauf es Wert legt, in einem Bilde zugleich aufzuweisen,verführte dies plauderlustige Volk zu perspektivischen Absurditäten. Zugleich soll das Innere und das Äußere des Hauses, Vorder- und Seitenfassade gesehen, im Garten desgleichen womöglich alles, was hintereinander liegt, nebeneinander gezeigt werden. Daraus wurden Ansichten, die bald als Grundriß, bald als Aufriß, bald aus der Vogelperspektive genommen scheinen. Wenn aber das Auge gelernt hat, diese Bilder in unsere Darstellungsweise zu übersetzen, so ist die Belehrung, die es daraus erhält, auch besonders vielseitig. Am leichtesten verständlich ist ein Gemälde, das aus dem thebanischen Grabe eines hohen Beamten Amenophis III. Erman-Ranke, Ägypten S. 208. Ranke hält das Gebäude am Eingang nur für das große pylonartige Tor, nicht für ein Wohnhaus. (Abb. 10) stammt, wenn es auch in der Interpretation einige Schwierigkeiten bereitet.
Es gibt den ganzen Plan der Villa hauptsächlich aus der Vogelschau. Wie das Landhaus Metens ist das Quadrat des Grundstückes von einer Mauer umgeben, die hier mit runden Zinnen gekrönt ist. Ein großes Eingangstor und zwei kleine Nebenpförtchen Dieses rechte Pförtchen ist zu ergänzen, da sonst kein Zutritt zu einem der Gartenteile wäre und die völlige Symmetrie des Ganzen nur hier unterbrochen würde. erlauben den Zutritt auf der Vorderseite. Hier führt außen der Mauer entlang eine schattige Baumallee, die auf ihrer anderen Seite von einem Kanal begleitet wird; das erhöht noch den Eindruck völliger Abgeschlossenheit, den das Bild hervorbringt. Durch das Tor tritt man unmittelbar in ein Haus, das im Vergleich mit allen anderen Gegenständen viel zu groß gezeichnet ist, wie schon allein die Türe als einzige Unterbrechung der Fassade zeigt. Der Zeichner hatte damit wohl die Schönheit dieses Außentores, das den Reichtum des Besitzers kündet, anzeigen wollen. Hier war jedenfalls die Portiersloge, vielleicht auch noch Empfangsräume für Besucher, die nicht zum Herrenhause, das völlig versteckt im Garten liegt, zugelassen werden sollten. Zwischen dem Tor und dem Herrenhause liegt, die ganze Mitte des Gartens einnehmend, der Weingarten; er besteht aus vier gewölbten Lauben, deren Querbalken jedenfalls von Säulen getragen sind. In der Mitte ist ein Weg freigelassen, der den Hauptzugang vom Tor zum Herrenhause bildet, aus dem zwei Seiteneingänge wohl direkt in die Laubengänge führen. Das Herrenhaus ist sehr schwer zu rekonstruieren, es ist im Gegensatz zum Torhause viel zu klein gezeichnet. Vielleicht hat es eine Vorhalle gehabt, wie die meisten ägyptischen Häuser, mit drei Räumen im Unterstock und einem Oberstock. Zur Seite waren Blumenbeete, ringsum schattige Baumalleen gepflanzt. Der ganze übrige Garten ist von schattigen, in symmetrischer Regelmäßigkeit angeordneten Alleen von Sykomoren und verschiedenen Palmen, Dattel- und Dumpalmen, durchzogen. Auch sonst zeigt die Anordnung des Gartens strengste Symmetrie, kleine Mäuerchen zerlegen ihn in acht korrespondierende Teile von verschiedener Größe. Der Hauptteil, in dem das Haus liegt, umklammert den Weingarten, er hat außer den verschiedenen Alleen zu beiden Seiten des Haupthauses zwei kleine, zierliche, offene Pavillons mit Blumenbeeten davor, die auf zwei rechteckige Bassins schauen, deren Ränder mit grünem Rasen (?) bepflanzt scheinen; auf dem Wasserspiegel schwimmen Enten und schaukeln sich Lotosblüten. Zwei gleiche Teiche, nur in anderer Richtung angeordnet, liegen in den vorderen Teilen zu beiden Seiten des Tores. Hier schieben sich noch zwei besonders umhegte Baumpflanzungen hinein. Wieder für sich durch ein Mäuerchen getrennt, sind zwei Alleen von allen drei Baumarten den Seitenmauern entlang gepflanzt. Also: ein Viereck von hohen abschließenden Mauern umgeben, das Wohnhaus, besonders versteckt, von Bäumen beschattet, die Bassins von Wasservögeln belebt, die Ränder grünbepflanzt, in der Mitte die Weinanlage und ringsumher die Alleen verschiedener Bäume. Fast alle diese Elemente finden wir schon im alten Garten des Meten. Sehen wir die schöne Regelmäßigkeit des Planes, die reiche Abwechslung der mit klugem Bedacht gepflanzten Bäume, die elegante Form der vertieften Bassins, die höchst zweckmäßig im Garten verteilten Bauten, so müssen wir mit Staunen erkennen, daß hier ein hoher Grad der Entwicklung des regelmäßigen Gartens gleich an der Schwelle seiner Geschichte erreicht ist. Symmetrischer Rhythmus und eine glückliche Verbindung von Eleganz und Nutzbarkeit, Forderungen, wie sie die Gartenkunst später oft in jungen aufstrebenden Zeiten gestellt hat, sind vollendet erreicht. Freude am stillen Mitleben mit der gepflegten Natur und klarer Ordnungssinn spricht sich hier aus. Dieser wird noch unterstützt durch die Abgrenzung der einzelnen Gartenteile, ein Motiv, das im späteren Garten noch häufig angetroffen werden wird. Die auffallendste Eigentümlichkeit ist die unbedingte Vorherrschaft des Gartens, dem sich die Baulichkeiten, das Wohnhaus eingeschlossen, unterzuordnen haben.
Nach den neuesten Ausgrabungen in El-Amarna beginnt auch das Bild des städtischen Wohnhauses deutlicher herauszutreten. Der pylonenartige Haupteingang scheint mindestens in den Vorstadthäusern immer direkt in den Garten zu führen. Geradeaus liegt dann der große Teich, der in El-Amarna, wie es scheint, wohl überall durch Grundwasser gespeist wird. Hinter dem Teiche oder manchmal auch zur Seite erhebt sich ein Kiosk mit Säulenhalle und einem Rampenaufgang in den vornehmsten Häusern. Das Wohnhaus liegt meist zur Seite, der Straße näher zugerückt L. Borchardt, Ausgrabungen in El-Amarna. Vorläuf. Bericht:Mitt. d. deutsch. Orient-Gesellschaft, Nov. 1911, S. 15 u. Bl. III. L. Borchardt, Das altägyptische Wohnhaus im 14. Jahrh. v. Chr. (1916). Sp. 523 ff..
Mit Hilfe solcher Grundrisse lassen sich nun mit Leichtigkeit eine Reihe anderer Gartenbilder ergänzen und erklären. Der gleichen Zeit mit dem eben Besprochenen gehört ein thebanisches Grabgemälde an Rosellini II, N. 68. (Abb. 11), das eine Besuchszene in einem vornehmen Hause darstellt. Auch hier liegt das Haus im Garten, der von einer Mauer umschlossen ist. Die Eingangspforte führt unmittelbar in den Garten; von dort her kommt der Besuch zum Hause, das von allen Seiten vom Garten umgeben ist, was der Maler durch einen großen Baum und zwei kleine Pflanzen hinter dem Hause andeutet; auf dieser Seite befindet sich auch noch ein zweites Eingangstor. Das Haus hat nach vorne eine offene Vorhalle, wo die Gäste, die den Garten durchschritten haben, feierlich begrüßt werden.
Der hervorragendste Platz scheint auch hier den Weinlauben gegeben zu sein, an einer schönen Säulenpergola ranken sich die reifen Trauben empor; unter den Bäumen lassen sich Feigen, Granatbäume und Sykomoren erkennen, die in Alleen diesem Garten Schatten und Fruchtbarkeit gewähren. Wasserbassins zeigt dieser sichtbare Teil des Gartens nicht, sie sind aber notwendig hinzuzuergänzen, denn ein ägyptischer Garten ist ohne Wasser nicht denkbar. Selten fehlen daher die Wasserbassins auf den Bildern selbst. Reichlich ist damit ein anderer Garten Wreszinski, Atlas I, Taf. 172, nennt unser Bild:Besuch im Tempel. Es ist hier nach photogr. Aufnahme in größerem Zusammenhang abgebildet. versehen, in dem, wie in dem vorigen, Gäste begrüßt werden (Abb. 12). Aus dem Kanal, der an der Villa vorüberfließt, ist ein Arm in den Garten geleitet, dieser erweitert sich am Ende zu einem Bassin, ringsum ziehen sich Alleen von Bäumen, die auch um die Villa herumgeführt werden. Solche T-förmig angelegte Kanäle finden sich häufig in den Gärten. Wie üppig bei guter Pflege und reicher Bewässerung alles gedeiht, zeigt der Garten des Apoui (Abb. 13) in einem thebanischen Grabe. Ein reizender, zierlicher Bau liegt inmitten eines großen Gartens, in den man aus dem Tore auf einer Freitreppe herabsteigt, ein Kanal tritt von beiden Seiten an das Haus heran, von Beeten, von Kornblumen, Mohn, Papyrus und ähnlichen Blumen begleitet. Große Alleen von Fruchtbäumen mit leuchtenden Früchten stehen zwischen den Blumen. Vier Gärtner sind an vier Schadufs beschäftigt, um das Wasser herauszuholen und über die Pflanzen zu gießen Mémoires publ. par les membres de la Miss. archéol. franç. au Caire V 3, 4, p. 604 ff.; Spiegelberg, Ägypt. Zeitschr. 45 (1908) hält das Haus für einen Peripteros-Tempel.
Die meisten dieser Anlagen sind verhältnismäßig kleine Wohnhäuser, die vielleicht, wie die Villen bei den späteren italienischen Großen, nur als vorübergehender Aufenthalt in günstiger Jahreszeit gedacht sind, dafür spricht auch der Umstand, daß nichts von Wirtschaftsräumen angedeutet ist; in dem Grundstücke des geschlossenen Gartengrundrisses sind sie sicher nicht vorhanden. Auch nur eine Vorstadtvilla schildert der Setnaroman: Setna, so heißt es dort, ging nach dem Westen der Stadt, bis er nach einem sehr schönen Hause kam; es war ringsum von einer Mauer umgeben, an der Nordseite hatte es einen Garten und vor der Türe eine Terrasse Maspero, Contes populaires, 4. Aufl., p. 147..
Doch wissen die Grabgemälde auch große Anwesen zu schildern Davies, The Rock Tombs of El-Amarna I, Text p. 40, 41, pl. XXV. XXXI u. XXXII; Lepsius, Denkmäler IV, Bl. 95.. Der Hohepriester Merirē aus El-Amarna war einer der Getreuen des Königs Amenophis IV., des kühnen Neuerers, der den Kultus der Sonnenscheibe als Staatsreligion in Ägypten einführte und seine Residenz von Theben nach der Ebene von El-Amarna verlegte. Das Bild, mit dem das Grab des Merirē (Abb. 14) geschmückt ist, zeigt eine große Menge von Gebäuden, die verschiedenen Zwecken gedient haben, teils Wohnräume des hohen Priesters, teils des niederen Klerus, teils Schatzhäuser und Vorratskammern des Tempelgutes. Alle aber sind von Gartenanlagen umgeben. Selbst zwischen dem Speicher und dem Schatzhause sind blühende Pflanzen in schön verzierten Kübeln aufgestellt. Auch der Eingang ist hier besonders anmutig durch einen baldachinartigen Vorbau gebildet, und im inneren Vorhof steht ein reizender Pavillon. Der Ägypter liebt es, wie wir schon in den früheren Gärten sahen, überall besondere Abteilungen mit Mauern und Türen abzuschließen, so sind auch die Höfe noch wieder verschiedentlich abgeteilt, die meisten von ihnen mit Baumalleen bepflanzt. Die einzelnen Bäume sind mit einem kleinen Erdwall und Höhlung umgeben, um das Wasser besser zu halten. Die Hauptgartenanlage nimmt die hinterste Ecke ein Perrot et Chipiez I, p. 465, Fig. 260. Der Rekonstruktionsversuch ist nicht sehr glücklich.. Vor dem Hause liegt innerhalb von Baumalleen ein vertieftes Bassin, zu dem zwei Treppen herabführen, ein gleiches Bassin liegt auch vor dem schmucklosen Nebenhause. Das Gartenhaus ist konzentrisch gebaut, der innere Teil von einem Kranz von Bäumen umgeben, auf den sich Säulenhallen öffnen. Die Mitte scheint dann eine erhöhte Plattform mit seitlich aufsteigenden Rampentreppen und einem Altar darauf zu sein. Genau axial angelegt, liegt dahinter der Hauptgarten, vom Hause durch einen Zwischenhof und doppelte Tore getrennt. Die Mitte des Gartens nimmt ein sehr großes, viereckiges, vertieftes Bassin ein; und hier ist im Zentrum, vielleicht für wasserlose Zeiten, ein besonders kleiner, tiefer Brunnen ausgespart, neben dem ein Schaduf angebracht ist Möglich ist es allerdings auch, daß hier eine Insel gezeichnet sein soll.. Das Bassin ist rings von Bäumen mannigfachster Art umgeben: Die bekannten Palmenarten, Sykomore und Granatapfel, sind überaus genau und zierlich gezeichnet. Ein zweiter Schaduf steht am hinteren Ufer des Bassins, und unter den Bäumen vor demselben entdeckt man noch ein kleines Gebäude, das ein Gartenhaus oder vielleicht auch ein Altar sein kann Im Journal of Egyptian Archaeology X, p. 303, berichtet Griffith über eine interessante Gartenausgrabung, die die Engländer 1923/24 in El-Amarna gemacht haben:Der Garten ist in kleine Beete geteilt, von Bewässerungskanälen umgeben, mit Löchern für die Bäume versehen. Die kleinen Kanäle werden durch zwei größere gespeist und diese durch einen Schaduf, der sich innerhalb der Mauern befindet. Hinter den Bäumen befindet sich eine erhöhte Plattform, auf der wahrscheinlich ein Tempelchen gestanden hat, nahebei fanden sich Stücke von zwei Götter(?)statuen. Taf. XXXIV zeigt eine Photographie, auf der die Beete gut zu erkennen sind..
Gar zu wenig wissen wir in diesem Lande, in dem doch alles im Pharao gipfelt und alle Augen allein auf ihn gerichtet sind, noch von den Einzelheiten der großen Paläste, die sich die Könige als Wohnstätten errichteten, da hier weniger die Gräber als die Ausgrabungen berichten müssen. Waren schon die Wohnungen der Großen so reich mit Gärten umgeben, so verlangt man wohl mit Recht, daß die Königsgärten diejenigen der Beamten an Größe und Schönheit übertreffen mußten, ebenso wie der Herrscher an Größe und Schönheit über die Höchsten seiner Untertanen herausragt. Auch in El-Amarna, wo das unmittelbare Verhältnis des Volkes zum König überall deutlich in den Bildern zum Ausdruck kommt – mußte ihm doch die gewinnende, persönliche Beziehung von besonderer Wichtigkeit sein –, ist zwar der Palast des Königs häufig in den Gräbern seiner Großen gemalt, aber wenig läßt sich daraus über den Garten bestimmen. Auch die Ausgrabungen werden erst allmählich Licht bringen. Nach dem Nil zu muß vor dem Palast ein reicher Blumengarten, wahrscheinlich auf einer Terrasse, gelegen haben. Der König wie die Königin hatten jeder einen Kiosk an der Landungsstelle ihrer Barken, und von hier führten besondere Wege durch die Uferstraße hinauf und den Vorgarten nach einer Säulenhalle, die den Garten nach dem Palast zu begrenzte Mémoires publ. par les membres de l'Institut franç. d'archéol. orient. du Caire 1903, VIII, pl. 35; Davies, The Rock Tombs V, pl. 5. Ein anderer Gartenstreifen ist so zerstört, daß seine Lage nicht zu bestimmen ist. (Abb. 15). Daß Amenophis IV. ein großer Blumenliebhaber war, zeigt die ganze Ausschmückung seines Palastes: Sein Schlafzimmer ist rings mit Blumen ausgemalt, die kleinen Hofgärten haben meist ein Bassin, um das ringsumher die herrlichsten Blumen wachsen Davies, El-Amarna IV, pl. 8, VI, pl. 17, u. VI, pl. 4.. Ein gemalter Fußboden, den die Ausgrabungen ans Licht gefördert haben, zeigt in seiner realistischen Blumenmalerei den Schmuck dieser Bassins mit Blumenbeeten, aus denen die Säulen des Gemachs, die das Dach der Halle tragen Petrie (Flinders), Tell-el-Amarna 1899, pl. II u. III., herauswuchsen wie Blütenstengel (Abb. 16). Zweifellos hat Amenophis IV. auch große parkartige Gärten um seinen Palast gepflanzt, die wetteifern konnten mit denen, die sein Vater in Theben angelegt hatte. Für diese kann als Maßstab ihrer Ausdehnung das große Bassin gelten, das Amenophis III. für seine Gemahlin Teje ausgraben ließ. Es war 1½ km lang und mehr als 300 m breit. Der König ließ es bei der Jahresfeier seiner Krönung im 12. Jahre mit Wasser füllen. Damals fuhr er in der prächtigen Königsbarke mit seiner Königin zum ersten Male darauf und machte es zum Mittelpunkt herrlicher Feste.
Greifbarer wird das Bild der Heiligtümer, die die Könige den Göttern erbauten. Auch hier bringen erst die Bilder des neuen Reiches die Anschauung, wenn auch das mittlere sicher schon die Tempel mit Gärten umgeben hat. Es war in der Zeit, wo Ägypten sich mit großen Schritten der Weltherrschaft näherte, als in der langen Reihe der Könige die erste bedeutende Frau aus dem Dunkel heraustritt: die Königin Hatschepsut. Sie hatte sich die Anerkennung auf dem Throne erzwungen und während ihrer Regierung dem Reiche einen großen materiellen Aufschwung gebracht. Sich und ihren Taten errichtete sie ein glänzendes Denkmal, dem Gotte Amon zu Ehren, in dem Tempel von Deir-el-Bahari. Die Bauten Ägyptens samt ihren Gärten waren durch die eigentümliche Beschaffenheit des Landes gezwungen, hochzuliegen. Von altersher führten zu den Tempeln, die die Könige den Göttern und ihrer Seele zu Ehren errichteten, wie zu ihren eigenen Wohnhäusern langsam ansteigende Zugänge vom Flusse her Vgl. die ägyptischen Totentempel, ebenso den Zugang zum Palast von El-Amarna, Davies V, pl. 5. Die Gebäude selbst, Tempel und Palast, lagen häufig auf einer Terrasse, schon in der XI. Dynastie wurde in dem schönen felsumkränzten Tale ein Tempel errichtet, der sich auf einem von Säulenhallen verkleideten Unterbau erhob Naville, The XI th Dynasty Temple at Deir-el-Bahari II, pl. 1.. Diesen Tempel hatte Hatschepsut vor Augen, als sie daneben ihren eigenen Totentempel erbaute (Abb. 17), aber der großartige Gedanke, drei breite Terrassen übereinander zu legen, die Futtermauern jedesmal gegen den Berg mit Säulenhallen zu schmücken und auf der höchsten das Heiligtum in den Fels hineinzusprengen, tritt hier zum ersten Male für uns deutlich erkennbar in der Geschichte der Kunst auf Naville, Deir-el-Bahari VI, p. 1, pl. 169, Rekonstruktion.
Welch einen Anblick muß der vom Fluß Kommende empfangen haben, wenn er die lange Doppelreihe von Sphingen durchschritt, die zu beiden Seiten wahrscheinlich eine Allee ragender Akazienbäume begleitet hat, bis er vor dem mächtigen Pylonentor stand, das ihm Eintritt zu der untersten Terrasse gewährte. Vor dem Tore haben die Ausgrabungen noch die viereckigen gemauerten Schachte aufgedeckt, die man einst mit Nilerde gefüllt hatte, um den Bäumen die beste Nahrung zu gewähren; durch seitlich eingeführte Rohre wurden sie künstlich bewässert, und in diesen Löchern hat man auch Reste von Perseastämmen gefunden Naville, Deir-el-Bahari VI, p. 1.. Mit gleicher Sorgfalt waren auch die Bäume, die auf den drei Terrassen in den Gärten standen, gepflanzt worden. Auch dort fanden sich bei den Ausgrabungen in zwei runden Mauerschachten noch Stammreste. Von Terrasse zu Terrasse führt in der Mitte ein langsam ansteigender Gang, der die Futtermauern durchschneidet. In den Säulenhallen aber, die die Gärten nach hinten abschließen, hat die Königin uns von ihren Taten in Worten und Bildern erzählt. Vor allem, wie der Gott Amon ihr befohlen habe, in seinem Hause einen Garten zu errichten, groß genug, damit er sich darin ergehen könne. Und die Königin rüstete auf Befehl des Gottes eine Expedition aus, um aus dem Lande Punt, dem Lande der Götter, Weihrauchbäume zu holen und den Worten des Gottes gemäß »ein Punt in meinem Hause (d. h. Tempel) zu machen« Breasted, Ancient Records of Egypt II, 287, 295. Schon die alten Ägypter waren in das Land Punt gelangt, doch war das wohl im neuen Reich vergessen.. Niemand kannte damals die Myrrhenterrassen des Landes Punt, aber die Schiffe der Königin gelangten hin, sahen das Land und seine seltsamen Bewohner. Die Wandbilder, die diesen Bericht illustrieren, lassen uns ein baumreiches Land erblicken, im Osten von Ägypten gelegen. Die Leute der Königin sammelten dort Schätze aller Art, zu den kostbarsten aber gehörten die 32 Weihrauchbäume für den Garten des Gottes.
Sie wurden mit ihrem Erdreich, wie es scheint im Frühling, ehe sie sproßten, ausgegraben und in Kübel gepflanzt. Sie werden in Tragbändern von den Matrosen, je sechs oder vier nach der Größe der Bäume, auf die Schiffe getragen Naville, Deir-el-Bahari III, pl. 69, 72. (Abb. 18), und überall, wo die beladene Flotte erscheint, sehen wir auch die Bäume darauf. Nach der glücklichen Heimkehr wird diese kostbare Beute frisch und prächtig grünend ausgeladen Deir-el-Bahari III, pl. 74. und alsbald von der Königin in den Lustgarten des Amon gepflanzt. Herrlich wird ihre Mühe belohnt. Ein Bild zeigt die stolz herangewachsenen Bäume, sie sind gediehen, so daß das Vieh darunter grasen kann und andere Opfergaben reichlich darunter aufgestapelt werden Deir-el-Bahari III, pl. 78. (Abb. 19). Der Weihrauch selbst wird neben den Bäumen in riesigen Haufen aufgesammelt. Natürlich war für diesen mächtigen Bau der Terrassengärten eine sehr bedeutende künstliche Bewässerung durchaus notwendig. Leider können wir sie aus den Ausgrabungen nicht klar erkennen.
Seitdem haben die Könige häufig solch friedliche Expeditionen ausgerüstet. War das Land der Zedern das Ziel, so war es mehr das kostbare Holz, das herübergeschafft wurde. Die Zeder selbst hat sich in Ägypten nie akklimatisiert Sethe, Eine ägypt. Expedition nach dem Libanon im XV. Jahrhundert v. Chr.; Sitz.-Berichte der Akad. d. Wiss. Göttingen 1906.. Ramses III. aber erzählt wieder, wie er dem Gotte Amon zu Ehren importierte, fremdländische Gewächse heimisch gemacht habe. Ob er diese in seinem Tempel zu Medinet-Habu angepflanzt hat, ist heute nicht mehr zu bestimmen, aber zweifellos wird auch hier der große Vorhof mit Gartenanlagen bedeckt gewesen sein Hölscher, Das hohe Tor von Medinet-Habu:Veröffentlichung der deutschen Orient-Gesellschaft 1910. Taf. 3 Rekonstruktion der Gärten nur nach Analogie anderer, Text S. 4; 5, 2; 5, 3.. »Ich grub einen Teich vor ihm«, rühmt der König die Anlage des Gartens um diesen Tempel, »überflutet vom Himmels Ozean, bepflanzt mit Bäumen, und grünen Pflanzen wie Unterägypten. Weingärten, Baumgärten, Früchte und Blumen für dein Angesicht umgaben den Tempel« Papyr. Harris I, 4, 3; 5, 2, übersetzt von Breasted, Records IV 189 u. 194.. An anderer Stelle spricht er von Lusthäusern Hölscher, a. a. O., S. 4 Lusthäuser mit Fensterschlitz (?)., vor denen er einen Teich mit Lotosblumen grub, also wohl Pavillons, alles Dinge, die wir aus den Gärten schon kennen. Ramses war überhaupt ein großer und freigebiger Gartenfreund. Im Delta des Nils schuf er bei einer Neugründung vor allem große Gärten, »weite Orte zum Spazierengehen mit allerlei süßen Fruchtbäumen, die mit Früchten beladen sind, einen heiligen Weg, der von Blumen aller Länder glänzt, von Lotos und Papyrus zahlreich wie der Sand« Papyr. Narris I, 8, 3.. Und auch alle andern Tempel beschenkte der König auf das reichste. In einer Schenkungsurkunde lesen wir unter den Gaben an Heliopolis: »Ich schenke dir große Gärten, versehen mit ihren Baumstücken und Reben im Tempel des Atum, ich schenke dir Landstrecken mit Olivenbäumen in seiner Stadt On. Ich versah sie mit Gärtnern und zahlreichen Leuten, um reines Öl von Ägypten zu bereiten, um anzuzünden die Lampen in deinem prächtigen Tempel. Ich schenke dir Baumplätze und Gehölz mit Dattelpalmen, Weiher, versehen mit Lotosblumen, Binsen, Gräsern und Blumen jedes Landes für dein schönes Antlitz« Papyr. Harris I, 27, 2.. Im 5. Abschnitt, der ein zusammenfassendes Verzeichnis der königlichen Geschenke an alle Kultstätten enthält, finden sich neben 107,180 Maass Ackerland auch 514 Gärten und Baumanlagen und 19,130,032 Blumensträuße.
Solche königlichen Geschenke ließen dann die Tempelgärten aufblühen und die heiligen Haine, von denen die oben erwähnten Inschriften melden, weit anwachsen. Heilig aber in gewissem Sinne waren die Gärten dem Ägypter überhaupt. Ja, alles was er tat, umgab er mit einer religiösen Weihe, denn was er hier in diesem Leben vollbrachte, kam unmittelbar seiner Seele im Jenseits zugute. Vor allem suchte jeder Privatmann, wenn es irgend anging, seine Wohnung mit schattenspendenden Bäumen zu umgeben, denn was er hier pflanzte, um sich im Schatten zu ergötzen und am Dufte der Blumen zu erlaben, das ist eine Wohltat, die er seiner Seele erweist. Sie darf dann in der heißen Jahreszeit heraustreten aus dem Grabe, wo sie wohnt, und den kühlen Schatten genießen. Dies betonen die Grabinschriften immer aufs neue: »Daß ich mich dann ergehen kann jeden Tag ohne Aufhören am Ufer meines Teiches, daß meine Seele sich ausruhe auf den Zweigen der Bäume, die ich gepflanzt habe, und mich erfrische im Schatten unter meiner Sykomore« Louvre C. 55 Recueil de Travaux relatifs à la philologie et archéol. Égyptiennes et Assyriennes I, p. 197.. Ganz tatsächlich und buchstäblich dachte sich der Ägypter diesen Vorgang. Zu diesem Zwecke und doch wieder als eine Art symbolischer Handlung malte man ihm seinen Garten, den man ihm doch nicht wirklich mitgeben konnte, auf die Wände seines Totenhauses, denn wir müssen im Auge behalten, daß der größte Teil aller Gartenbilder, die wir kennen, aus Totenkammern stammt. Seltener versucht man die Grabkammern selbst mit Hilfe der Malerei zu einem Teil des Gartens zu machen. In dem Grabe des Sennofer, des Vorstehers der Scheunen, Herden und Gärten des Amon, überzieht ein Weinstock das ganze Grabgewölbe, es so in eine Weinlaube umschaffend Recueil de Travaux XI-XII (XI, p. 132 repr.).. Dürfen wir die Sitte von der Grabkammer auf einen wirklichen Wohnraum übertragen, so haben wir hier einen frühen Versuch, sich durch Malerei von Pflanzen an den Wänden ein Stück Garten in den Innenraum zu zwingen; immer wieder vom Altertum bis in die Neuzeit werden wir diesem Versuch begegnen.
Wie wichtig der Garten für den Toten war, zeigen auch die sehr häufigen Darstellungen, in denen die Mumie oder die Statue des Toten von diesem liebsten Besitztum Abschied nimmt, indem sie noch einmal über den Teich gerudert wird, von den Dienern begleitet und empfangen Mém. de la Miss. franç. V 1, pl. 38: Le Tombeau de Rekhmara; V 2, p. 319, fig. 7: Le Tombeau de Khem-Nekht. (Abb. 20). Dies gehört wohl zu der besonderen Totenfeier, die im Garten vorgenommen wurde Henry Madson, Aus dem Hohenpriestergrabe zu Memphis: Zeitschr. f. ägypt. Sprache 1904, S. 110; Die Totenfeier im Garten, ebenda 1906, S. 51.; man stellt den Sarg an den Platz, wo der Lebende am liebsten geweilt hat, etwa in das Gartenstück vor der Vorratskammer oder auf die Insel im Teich samt den Opfergaben, während sich das Trauergeleit am Ufer versammelt. Man errichtet für die Opfergaben auch besondere Lauben in den Gärten. Immer aber ist es der wirkliche Garten, der hier dargestellt wird, das Besitztum, das der Lebende sich selbst bereitet hat, auch wenn der Tote schon als Herrscher darin abgebildet ist. In dem Grabe des Schreibers Ennene, der, wie oben erzählt, in langer Liste sich der von ihm gepflanzten Bäume rühmt, ist auch sein Garten samt seinem Hause abgebildet. In mehreren Reihen übereinander ist unten zuerst das Haus mit einem Kornspeicher, von einer Mauer mit zwei Eingangstüren umgeben, dargestellt, dann inmitten von Bäumen ein Bassin, darüber mehrere Reihen von Bäumen, endlich oben ein offener Kiosk, in dem der Tote mit seiner Frau sitzt, begrüßt von einem vorübergehenden Diener. Ennene hat hier erreicht, was er in seiner Inschrift sagt, »er beschreitet seinen im Westen gelegenen Garten und erfrischt sich unter seiner Sykomore, er besichtigt seine schönen und großen Baumanlagen, welche er angelegte als er auf Erden war« Erman-Ranke, Ägypten, S. 209.. Er beschaut sich also sein wirkliches Besitztum, in dem daher auch die Arbeit ruhig weitergeht, die lebenden Gärtner den Garten pflegen und bewässern.
Aber außer diesen Gärten, die in den Gräbern gemalt wurden, um anzuzeigen, daß die Seele sich ihres Besitztums jederzeit bedienen dürfe, legte man auch vor den Gräbern selbst kleine Totengärtchen an. In der Erzählung des Sinuhe kommt der Flüchtling aus fremdem Lande wieder heim, und dankbar rühmt er, wie der Pharao ihm ein prächtiges Begräbnis bereitet, »es wurde mir ein Nekropolengarten gemacht, mit Feldern darin vor der Stadt, wie es einem ersten Vertrauten getan wird« A. H. Gardiner, Die Erzählungen des Sinuhe u. d. Hirtengeschichte 1909; Hieratische Papyr. aus d. Kgl. Museen zu Berlin V, p. 14.. Diese Erzählung gehört dem mittleren Reiche an, und im neuen finden wir auf zwei Grabstelen auch die Darstellung solcher Totengärtlein. Neben dem Eingang zu den Gräbern sind zwei oder drei Palmen und eine Sykomore, auf der einen auch noch ein Opfertisch sichtbar (Abb. 21). Groß waren diese Totengärtlein sicher nicht, wie sollte man wohl in der Wüste mit ihrem Wassermangel große Pflanzungen aufbringen Maspero, Sur les jardins funéraires, Études de Myth. et d'Archéol. 1900, p. 241, nimmt wirklich große Anlagen von Totengärten an, aber nur von der falschen Vorstellung ausgehend, daß die Darstellung oder Erwähnung wirklicher Gärten, wie die des Schreibers Anna, Totengärten seien; Erman I, p. 189. Musée Bulaq.. Sie waren wohl nur als eine Art symbolischer Andeutung eines Gartens gedacht, damit die Seele, wenn sie heraustritt aus dem Grabe, wirklich einen Baum findet, um sich darauf niederzulassen: Sicher gehört hierzu auch die Darstellung der Seele des Osiris, die als Vogel Bennu, der Phönix der Griechen, auf dem heiligen Baume vor ihrem Grabe sitzt (Abb. 22) Wilkinson, Manners III, p. 349, vgl. Ed. Meyer, Ägypten zur Zeit der Pyramidenerbauer.. Daß auch Hunger und Durst der Seele im Garten gestillt wird, ist eine häufig dargestellte Szene. Aus der Sykomore reicht mit halbem Leibe herausragend die Göttin der Seele Trank und Speise The Book of the Dead, Facsim. of the Papyr. Ani in the Brit. Mus. 1890, pl. 16.. Manchmal ist es nur ein Arm, der wie ein Zweig aus dem Baume herausreicht Maspero, Sur les jardins funér. p. 246/7.. Das Totenbuch zeigt auch eine Darstellung, in der der Tote und seine Frau Wasser mit der Hand schöpfen und dieses trinken Book of the Dead a. a. O. (Abb. 23).
Vielleicht geben eine Vorstellung von der üblichen Anlage von Totengärten Bilder seltsam schematischer Gartendarstellung, die mit geringer Abweichung in verschiedenen Bildern der XVIII. Dynastie wiederkehren. Es sind Palmen, sieben, fünf, auch noch weniger, in der Mitte ihres Stammes von einem Wasserbassin durchzogen, um anzudeuten, daß sie zu beiden Seiten des Wassers stehen, daneben ist eine schachbrettartige Darstellung von Gemüsebeeten, meist darüber noch zwei Bäume, die wohl Sykomoren darstellen sollen J. J. Tylor, Wall Drawings and Monuments of El Kab. The Tomb of Renni 1895, pl. 13. Boussac, Tombeau d'Anna, Mém. Miss. 18, 1, Taf. 1. A. Wilkinson, Manners I, p. 375 gibt eine etwas abweichende Darstellung. (Abb. 24). Diese Gartendarstellung findet sich mittelbar mit dem Totenkult der Begräbnisfeier selbst verbunden (Abb. 25).
Eine derselben ist am Grabe des Schreibers Innj neben seinem schönen, wirklichen Garten zu sehen. Gemeint war also sicher irgendeine rituale Darstellung des Totengartens, vielleicht läßt sich Sinuhes Nekropolengarten mit den Feldern darin so veranschaulichen. Ebenso sicher scheint aber hier eine uralte Gartendarstellung früherer Zeit schematisch in den Vorlagebüchern der Grabmäler weitergeführt zu sein. Im mittleren Reiche fanden wir ja die lebendigen Gärten nicht gar zu verschieden, wenigstens in der Anlage der Gemüsegärten, dargestellt. Unsere Bilder aber gehen wohl auf eine noch ältere Zeit zurück, aus der Gartendarstellungen noch nicht gefunden worden sind.
In der Liebe zum Garten spricht sich bei dem Ägypter sein ganzes Verhältnis zur Natur aus, keiner freispendenden Natur, jedoch einer, die mit reicher Schönheit, mit schützendem Schatten, herrlicher Blüte und köstlicher Frucht die Mühe und Pflege des Menschen vergilt. Daher verband der Bewohner des Niltales alles, was ihm teuer war, höchste Festfreude, Poesie und Liebe mit dem Garten und seinen Erzeugnissen, besonders den Blumen. Die meisten orientalischen Völker können sich ihre Feste ohne Blumenschmuck nicht denken. Nirgends aber sind die Blumen so innerst notwendig mit dem Menschenleben verbunden, wie in Ägypten. In der Architektur sind sie die Vorbilder für die Säulen, für die Entfaltung der Kapitelle und aller Ornamente, im Hause bilden sie den schönsten Zierat. Das Innere der Zimmer zeigt oft nichts weiter als große Blumensträuße in schön verzierten Vasen oder blumengeschmückte Opfertische. Wurde aber ein Fest im Hause oder für die Götter bereitet, so wurde alles mit Blüten umwunden. Man kränzte sich Haar und Hals, beim Eintritt wurde der Gast mit einem Strauß oder mindestens einer Blüte begrüßt. Die Diener waren nicht emsiger beschäftigt, die Speisen zu bereiten, als immer neue Sträuße zu flechten, und mit jeder Erfrischung reichte man neue Blüten herum. Die Gäste trugen sie die ganze Zeit in der Hand und ließen sich gegenseitig am Dufte teilnehmen. In erster Linie waren es natürlich Lotosblumen, diese eingeborenen Kinder des Niltales, die in alten Zeiten in überreicher Fülle den Strom und alle Kanäle und Seen wildwachsend überdeckt hatten und das ganze Land während der Überschwemmungsmonate in ein großes, weißblau - und rotleuchtendes Blütenfeld verwandelten. Lotosblumen weisen alle Bilder des alten Reiches auf, aber auf den Gartenbildern des mittleren und neuen Reiches zeigen die Inschriften und Bilder noch eine Fülle anderer Blumen; als man ausländische Pflanzen aus allen Ländern, die den Schiffen der Pharaonen zugänglich waren, einführte, blieb die Lotosblume und der Papyrus, das andere wildwachsende Sumpfgewächs Ägyptens, eine Art Symbol der Blume überhaupt. Als längst die Maler gelernt hatten, mit wundervoller Treue einzelne Blumen nachzubilden, wie auf dem Palastfußboden zu Tell-el-Amarna, bleibt man dabei, die Lotosblüten und Papyrus in der altehrwürdigen schematischen Weise weiter zu zeichnen (Abb. 26), ähnlich wie auch die Sykomore als älteste Baumdarstellung inmitten anderer realistischer Bäume meist den alten andeutenden Charakter behält. So ist auch auf dem Fußboden in El-Amarna die Papyrusstaude streng stilisiert, während die übrigen Pflanzen, Winde, Mohn, Disteln und Rohr, in natürlicher Gestalt und Bewegung gezeichnet sind Petrie (Flinders), Tell-el-Amarna, pl. II u. III.. Schon das mittlere Reich zeigt in seinen Gräberfunden die meisten dieser Pflanzen Schweinfurth, Über die Pflanzenreste bei Schäfer, Priestergräber (190) S. 152 ff. und Ludwig Keimer, Die Gartenpflanzen im alten Ägypten I, 1924.. Zu diesen kommen besonders häufig Chrysanthemen und Kornblumen, die allerdings nicht durchaus in Gärten gezogen zu werden brauchen. Wie die Beete gestaltet waren, die in den eigentlichen Blumengärten angelegt wurden, ist wenig bekannt. Meist sind die Blumen nur in einzelnen Büschen abgebildet, während das Gemüse schon im mittleren Reich in viereckigen Beeten gezogen wurde. Unger Sitzungs-Ber. d. Wien. Akad. naturw. Kl. XXXVIII, S. 85/86. beschreibt ein Bild aus dem Grabe Ramses III. in Theben, in dem er halbmondförmige, einem geraden Kanal entlang angelegte Blumenbeete sah. Die Blumen, immer eine Art auf einem Beete, erscheinen reihenweis gezogen. Daß der Bedarf an Blumen besonders in späterer Zeit Kunstgärtner verlangte, ist sicher. Die Reichen haben wohl, wie für alle Verrichtungen, eine große Menge Menschen für die Pflege ihrer Gärten verbraucht; der Obergärtner wird oft mit seinem Namen in der Inschrift über dem Bilde ausgezeichnet. In einem Papyrus Maspero, Du genre épistolaire chez les Égyptiens de l'époque Pharaonique: Bibliothèque des Hautes Études, p.56. wird der Gärtner mit dem gleichen Worte wie der Garten bezeichnet, er hat am Morgen für das Gemüse, am Abend für den Weinberg zu sorgen. Bei einer Revision der königlichen Gärten Setos II. werden 21 Gärtner, Männer, Frauen und Kinder, aufgeführt. Eine besondere Kunst, die der Gärtner erlernen mußte, war das Kranzflechten. Dies war ein angesehenes Gewerbe, da die ägyptischen Kränze sehr kompliziert und kunstreich waren und für Lebende und Tote in großer Zahl verbraucht wurden Rosellini II, Taf. 52, links unten..
Die innige Liebe für Gärten und Blumen spiegelt sich auch in der ägyptischen Poesie wider. Die Lieblingslieder sind, wie das hohe Lied der Hebräer, voller Anspielungen und Vergleiche mit Blumen und Bäumen zum Preise der Geliebten. Im Garten treffen sich die Liebenden, wie im Liedchen von der Sykomore. Ein anderes Liebeslied des Turiner Papyrus knüpft nach Art des italienischen Ritornells jede Strophe an eine Blume und deutet durch ein Wortspiel auf den Inhalt hin. Eine Strophe gibt ein besonderes anmutiges Gartenbild:
Ich bin deine erste Schwester
Erman, Literatur der alten Ägypter, S. 311.,
ich bin für dich wie der Garten,
den ich gepflanzt habe mit Blumen
und allen süßduftenden Kräutern.
Schön ist der Kanal in ihm,
den deine Hand gegraben hat,
wenn der Nordwind kühl weht.
Der schöne Ort, wo wir uns ergehen,
wenn deine Hand auf meiner liegt,
und mein Herz wird satt von Freude,
weil wir zusammengehen.
Ein Rauschtrunk ist es, daß ich deine Stimme höre,
und ich lebe, weil ich sie höre.
Wenn immer ich dich sehe,
ist es mir besser als Essen und Trinken
Papyr. Harris 500, 16, 7 ff. Übersetzung Ermans nach Maspero, Études égyptiennes p. 217 ff..