Nikolai Gogol
Die Geschichte vom großen Krakeel zwischen Iwan Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch
Nikolai Gogol

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Das zweite Kapitel, aus dem man erfahrt, was für ein Gegenstand Iwan Iwanowitsch in die Augen stach, worüber sich Iwan Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch miteinander unterhielten und zu welchem Ende diese Unterhaltung führte

Eines schönen Julimorgens lag Iwan Iwanowitsch unter seinem Vordach. Es herrschte eine starke Hitze, und ein leises Flimmern schwebte in der trocknen Luft. Iwan Iwanowitsch war schon draußen auf dem Gutshof vor der Stadt gewesen, hatte den Schnittern zugesehen und die Bauern, die ihm unterwegs begegneten, nach dem Wohin, Wie und Warum befragt, war endlich wieder, müde von der Lauferei, zu Hause angekommen und hatte sich hingelegt, um auszuruhn. So lag er und besah sich seinen Hof, die Scheuern und die Kammern und die Hühner, die im Sande scharrten, und sprach stillvergnügt zu sich: ›Herrgott, bin ich ein Wirt! Möcht wirklich wissen, was mir fehlt! Ich hab Geflügel, hab ein Haus, hab Scheunen, hab alles, was das Herz begehrt, hab Branntwein und Likör; Birnen und Pflaumen trägt mein Obstgarten, mein Küchengarten Erbsen, Mohn und Kohl . . . Was fehlt mir denn? Möcht wirklich wissen, was mir fehlt!‹

Diesem tiefsinnigen Gedanken grübelte Iwan Iwanowitsch nach; doch suchten seine Augen unterdes jenseits des Zauns nach neuen Zielen und entdeckten auf dem Hofe seines Nachbarn einen Vorgang, der ihn fesselte: Ein dürres altes Weib trug dort muffig gewordne Kleidungsstücke aus dem Haus und hängte sie zum Lüften über die Wäscheleine. Ein alter Uniformrock mit verblichnen Aufschlägen hielt die Ärmel in die Luft gestreckt und wollte anscheinend ein halbtuchenes Ärmelleibchen an sich drücken; hinter diesem lugte eine Adelsuniform mit Wappenknöpfen und von Motten angefressenem Kragen hervor; dann ein Paar schmutzige weiße Kaschmirhosen, die vor langer Zeit Iwan Nikiforowitschs Beine stramm umspannt hatten und heute seine Finger eben noch zur Not umspannen würden. Daneben hing ein Kosakenrock aus blauem Tuch, den sich Iwan Nikiforowitsch vor reichlich zwanzig Jahren hatte machen lassen, als er sich zur Landwehr melden wollte und sich deshalb schon den Schnurrbart stehn ließ. Hierauf kam ein Degen, der gleich einer Kirchturmspitze in die Lüfte stach. An seiner Seite flatterte ein faltenreicher, langer grüner Rock mit talergroßen Messingknöpfen. Hinter ihm sah eine goldbordierte, sehr weit ausgeschnittne Weste hervor und hinter dieser ein Unterrock der seligen Großmama, mit ein paar Taschen, daß man darin gut und gern je eine riesige Melone hätte unterbringen können. Dies alles bot Iwan Iwanowitsch ein Bild voll Reiz; und wie die Sonnenstrahlen hier ein Stückchen eines blauen oder grünen Ärmels oder einen roten Aufschlag, dort ein Stückchen Goldbrokat aufleuchten ließen oder funkelnd auf der Degenspitze spielten, gaben sie dem Ganzen etwas wunderlich Geheimnisvolles, wie es wohl um die Puppenspiele webt, die schlaue Gaukler im Umherziehn auf den Bauernhöfen zeigen – eng gedrängt bestaunt die Menge den Herodes mit der goldnen Krone und den Anton mit der Ziege. Hinter der Bühne wimmert eine Geige; ein Zigeuner ahmt die Trommel nach, indem er mit den Fingern an den Lippen spielt; die Sonne sinkt, die frische Kühle der südlichen Sommernacht schmiegt sich den drallen Bäuerinnen heimlich fest an Brust und Schultern.

Wieder kam die Alte schwer beladen aus der Kammer her und schleppte keuchend einen Sattel mit abgerissenen Steigbügeln und schäbigen ledernen Pistolentaschen sowie eine Schabracke, die einst rot gewesen war und reiche Goldstickerei und Messingplättchen als Verzierung trug.

– ›So'n dummes Frauenzimmer!‹ dachte Iwan Iwanowitsch. ›Ich möchte wetten, nächstens trägt sie noch Iwan Nikiforowitsch selbst heraus und hängt ihn da zum Lüften auf.‹

Und in der Tat, Iwan Iwanowitsch hatte hiermit gar nicht weit vorbeigeraten. Schon nach fünf Minuten hingen seines Nachbarn herrschaftliche weite Hosen auf dem Strick und füllten fast für sich allein den halben Hof. Und endlich kam das alte Weib dann noch mit einer Mütze sowie einer Flinte aus dem Hause.

›Was bedeutet das?‹ dachte Iwan Iwanowitsch. ›Das hab ich doch noch nie gesehen, daß Iwan Nikiforowitsch eine Flinte hat! Nein, was bedeutet das? Er schießt doch nie – und hält sich ein Gewehr! Was tut er denn damit? Und eine feine Flinte! So was wünsch ich mir schon längst. Das wäre so mein Fall, dies Schießgewehr, – ich hab so großen Spaß am Schießgewehr!‹

»He, Alte, Alte!« rief Iwan Iwanowitsch und winkte ihr. Die Alte schlurfte an den Zaun heran.

»Du, Alte, sag mal, was hast du da?«

»Das können Sie doch selbst sehn – eine Flinte.«

»Was für eine Flinte denn?«

»Was für 'ne Flinte? Weiß der liebe Gott! Ja, wenn sie mir gehörte, wüßte ich vielleicht, aus was sie ist. Nein aber, sie gehört dem gnädigen Herrn.«

Iwan Iwanowitsch stand auf und sah sich das Gewehr von allen Seiten an. Dabei vergaß er ganz, sie auszuschimpfen, weil sie auch den Degen und die Flinte lüften wollte.

»Wenn mir recht ist, wird sie wohl von Eisen sein«, sagte das Weib.

»Hm, Eisen. Warum sollte sie von Eisen sein?« murmelte Iwan Iwanowitsch. »Hat sie der Herr schon länger?«

»Kann wohl sein, daß er sie länger hat.«

»Schönes Gewehr!« sagte Iwan Iwanowitsch. »Ich bitte mir die Flinte von ihm aus. Was macht er denn damit? Oder ich geb ihm was dafür in Tausch. – Du, Alte, ist der Herr daheim?«

»Jawohl.«

»Hat sich wahrscheinlich hingelegt?«

»Jawohl.«

»Na schön; ich geh mal hin.«

Iwan Iwanowitsch zog sich an, nahm seinen Knotenstock zum Schutz gegen die Hunde mit, die in den Mirgoroder Straßen häufiger als die Menschen sind, und machte sich gleich auf den Weg.

Die beiden Nachbarhöfe grenzten aneinander, und man konnte leicht über den Zaun vom einen in den andern steigen. Doch Iwan Iwanowitsch ging lieber über die Straße zu Iwan Nikiforowitsch. Von dieser Straße mußte er in eine Gasse biegen, die so eng war, daß zwei einspännige Wagen, die sich zufällig darin begegneten, nicht weiterkonnten und voreinander stehenbleiben mußten, bis man sie an den Hinterrädern packte und nach zwei verschiednen Seiten wieder rückwärts auf die Straße zog. Und wer zu Fuß durch diese Gasse ging, sah sich alsbald sehr reich mit Grün geschmückt, weil an den Zäunen rechts und links so viele Kletten wuchsen. Auf der einen Seite dieser Gasse lag Iwan Iwanowitschs Scheune, auf der andern lagen seines Nachbarn Iwan Nikiforowitsch Speicher, Tor und Taubenschlag. Iwan Iwanowitsch trat ans Tor und klappte mit der Klinke, was ein wütendes Gebell entfesselte; doch die verschiedenfarbige Hundeschar verzog sich freundlich wedelnd in den Hintergrund, als sie bemerkte, daß da ein Bekannter kam. Iwan Iwanowitsch durchschritt den Hof, wo es ein buntes Durcheinander gab: indische Tauben, die Iwan Nikiforowitsch selbst zu füttern pflegte, Schalen von Wassermelonen und andern Melonen, hier Gemüseabfälle, dort ein zerbrochnes Rad oder einen Faßreifen oder einen kleinen Jungen, der sich mit verdrecktem Hemd am Boden wälzte – kurz, ein Bild, das einem Maler zum Entzücken hätte dienen können. Die über den Strick gehängten Kleidungsstücke hüllten fast den ganzen Hof in ihren Schatten und erzeugten auf diese Weise eine Spur von Kühle. Nachlässig verneigte sich die Alte vor Iwan Iwanowitsch, gähnte dann aber und rührte sich nicht einen Schritt vom Fleck. Die Anfahrt vor dem Haus hatte ein Schutzdach über sich, das auf zwei eichnen Säulen ruhte und die Sonne nur sehr ungenügend abhielt; die versteht um diese Zeit ja in Kleinrußland keinen Spaß und läßt den Wanderer vom Kopf bis zu den Füßen weidlich schwitzen. Daraus ersieht man ohne weiteres, wie stark Iwan Iwanowitschs Sehnsucht war, das unentbehrliche Gewehr sein Eigentum zu nennen; denn er hätte sich sonst kaum um diese Stunde auszugehn entschlossen, sondern den Besuch erst um die Abendzeit gemacht, weil er bei Tage überhaupt niemals spazierenging.

In dem Zimmer, das Iwan Iwanowitsch betrat, herrschte vollkommne Finsternis. Die Läden waren zugemacht, der Sonnenstrahl, der durch das Guckloch eindrang, leuchtete in den Regenbogenfarben und malte auf die Rückwand eine bunte Landschaft: Binsendächer, Bäume und die Kleidungsstücke, die im Hofe hingen; alles aber auf dem Kopfe stehend. Das erzeugte eine sonderbare Dämmerung in dem Gemach.

»Grüß Gott!« sagte Iwan Iwanowitsch.

»Schönen guten Tag, Iwan Iwanowitsch!« antwortete eine Stimme aus der Zimmerecke. Und jetzt erst erblickte Iwan Iwanowitsch seinen Nachbarn, der am Boden ausgestreckt auf einem Teppich lag. »Entschuldigen Sie, daß ich vor Ihnen im Naturzustand erscheine.« Iwan Nikiforowitsch lag bar jedes Kleidungsstückes da, selbst ohne Hemd.

»Macht nichts. Wie haben Sie heut nacht geruht, Iwan Nikiforowitsch?«

»Danke. Und wie haben Sie geruht, Iwan Iwanowitsch?«

»Oh, danke sehr.«

»Dann sind Sie jetzt erst grade aufgestanden?«

»Ich? Grade aufgestanden? Lieber Gott, Iwan Nikiforowitsch! Wie kann man denn so lange schlafen! Ich komm eben vom Gutshof zurück. Ein prachtvoller Getreidestand den ganzen Weg entlang! 'ne wahre Freude! Auch das Heu so lang und weich und üppig . . .!«

»Gorpina!« schrie Iwan Nikiforowitsch. »Bring Iwan Iwanowitsch den Schnaps und Maultaschen mit saurer Sahne!«

»Schönes Wetter heute.«

»Sagen Sie das nicht, Iwan Iwanowitsch! Der Teufel mag es holen! Niemand weiß, wo er vor Hitze hin soll!«

»Natürlich muß der Teufel angerufen werden! Ach, Iwan Nikiforowitsch, passen Sie nur auf, Sie werden sich an das, was ich Ihnen jetzt sagen will, erinnern, wenn's zu spät ist: Ihre Strafe in der andern Welt für diese gotteslästerlichen Worte bleibt nicht aus.«

»Womit hab ich Sie denn gekränkt, Iwan Iwanowitsch? Ich habe weder gegen Ihren Vater noch gegen Ihre Mutter was gesagt.«

»Ach, lassen Sie es, lassen Sie es nur, Iwan Nikiforowitsch!«

»Bei Gott, ich hab Sie doch nicht gekränkt, Iwan Iwanowitsch!«

»Zu sonderbar, die Wachteln lassen sich zur Zeit noch gar nicht mit der Pfeife locken.«

»Wie Sie mögen! Denken Sie, was Ihnen richtig scheint – ich hab Sie durchaus nicht kränken wollen.«

»Ich weiß nicht, warum sie noch nicht auf den Lockpfiff gehen«, sagte Iwan Iwanowitsch, als höre er nicht, was Iwan Nikiforowitsch sprach.

»Die Zeit ist dann wohl noch nicht da, obgleich ich das Gefühl hab, es muß eben jetzt die rechte Zeit sein.«

»Sagten Sie, die Saaten stehen gut?«

»Oh, wunderbar, ganz wunderbar!«

Ein Schweigen folgte diesen Worten.

»Sagen Sie, Iwan Nikiforowitsch, was für Kleider lassen Sie denn eigentlich da draußen lüften?« fragte nun Iwan Iwanowitsch.

»Ja, meine schönen und so gut wie neuen Kleider hat das gottverfluchte Weib verschimmeln lassen; jetzt muß sie sie lüften; feiner tadelloser Stoff; wenn man das Zeug wenden läßt, kann man es wieder anziehn.«

»Etwas von den Sachen hat mir sehr gefallen«, sagte Iwan Iwanowitsch.

»So? Was denn?«

»Sagen Sie doch, bitte, was ist das für eine Flinte, die da mit den Kleidern an die Luft gehängt ist?« Und Iwan Iwanowitsch hielt dem Nachbarn seine Tabakdose hin. »Darf ich Sie bitten, mir die Ehre anzutun? Bedienen Sie sich!«

»Danke sehr! Bedienen Sie sich selbst! Ich schnupf von meinem eignen.«

Iwan Nikiforowitsch tastete nach allen Seiten und fand glücklich seine Dose.

»So ein dummes Weib! Hat sie die Flinte mit hinausgehängt! Famoser Tabak, den der Jude in Sorotschinzy zusammenmischt! Ich weiß nicht, was er da Wohlriechendes hineintut. Hat so was von Rainfarn. Nehmen Sie ein bißchen in den Mund und kauen Sie es gut: ob es nicht ganz wie Rainfarn schmeckt? Bedienen Sie sich, bitte sehr!«

»Ich danke bestens. Ach, Iwan Nikiforowitsch, um nun auf Ihr Gewehr zurückzukommen – sagen Sie, was tun Sie eigentlich damit? Sie brauchen es doch nicht.«

»Wieso – nicht brauchen? Wenn ich mal schießen will?«

»Oh, Gott behüte Sie, Iwan Nikiforowitsch, wann sollten Sie denn schießen? Etwa bei Christi nächster Wiederkunft? Sie haben doch, soviel ich weiß und andre sich erinnern können, nie im Leben auch nur die kleinste Wildente erlegt, und Ihre ganze Konstitution ist ja von Gott dem Herrn auf Schießen überhaupt nicht eingerichtet. Wo Sie doch so stattlich von Gestalt und Haltung sind! Wie wollen Sie durch Sumpf und Morast steigen, wenn auch ohne das schon Ihre Unaussprechlichen gelüftet werden müssen? Sagen Sie, wie wäre es erst dann? Nein, was Sie brauchen, das ist Ruhe und Erholung.« (Wie wir weiter oben schon erwähnten, wußte sich Iwan Iwanowitsch blendend auszudrücken, wenn er jemand überzeugen wollte. Oh, wie schön er sprach! Mein Gott, wie schön er sprach!) »Nein, nein, für Sie paßt nichts, was Unruhe bedeutet. Wissen Sie, verehren Sie die Flinte mir!«

»Nein, ausgeschlossen! Haben Sie 'ne Ahnung, was die Flinte wert ist! Solche Flinten gibt es heute nirgends mehr. Ich hab sie einem Türken abgekauft, als ich zur Landwehr wollte. Und auf einmal soll ich sie verschenken? Ausgeschlossen! Wo sie mir doch unentbehrlich ist!«

»Ja, wozu denn unentbehrlich?«

»Ach, was heißt: wozu? Und wenn mich nun in meinem Hause Räuber überfallen . . .? Was? Nicht unentbehrlich soll sie sein? Na, Gott sei Dank! Jetzt hab ich meinen ruhigen Schlaf und fürchte mich vor keinem. Und warum? Nur weil ich weiß, daß in der Kammer meine Flinte steht.«

»'ne feine Flinte! Ach, Iwan Nikiforowitsch, wo doch das Schloß von dem Gewehr total verdorben ist . . .!«

»Wie? Was? Was ist verdorben? Na, dann repariert man es. Man braucht es bloß mit Hanföl einzufetten, daß es nicht verrostet.«

»Ihre Worte, teuerster Iwan Nikiforowitsch, klingen mir nicht eben freundschaftlich. Sie wollen überhaupt nichts tun, um mir ein Zeichen Ihrer Zuneigung zu geben.«

»Was? Wie können Sie behaupten, daß ich Ihnen niemals meine Zuneigung bewiese? Schämen Sie sich nicht? Wo Ihre Ochsen doch auf meinem Grasland weiden, ohne daß ich sie ein einziges Mal beschlagnahmt hätte. Und wenn Sie nach Poltawa fahren, bitten Sie sich immer meinen Wagen aus. Und, sagen Sie doch selbst, hab ich es Ihnen jemals abgeschlagen? – Ihre Kinder klettern über den Zaun in meinen Hof und spielen hier mit meinen Hunden, und ich sag kein Wort – sollen sie ruhig spielen, wenn sie nur nichts anrühren! Sollen sie ruhig spielen!«

»Also, da Sie mir die Flinte nicht verehren wollen . . . meinetwegen, machen wir ein Tauschgeschäft!«

»Was bieten Sie mir denn dafür?« fragte Iwan Nikiforowitsch, richtete sich auf und sah Iwan Iwanowitsch an.

»Ich gebe Ihnen die schwarzbraune Sau, Sie wissen schon, die ich gemästet habe! Passen Sie mal auf, was die Ihnen im nächsten Jahr für Ferkel bringt!«

»Nein, ich begreif es einfach nicht, Iwan Iwanowitsch, wie Sie so etwas überhaupt aussprechen mögen! Was soll ich denn mit Ihrer Sau? Dem Teufel wohl ein Seelenessen davon geben?«

»Schon wieder! Ja, ohne Teufel kommen Sie nicht aus! Mein Gott, wie können Sie sich so versündigen, Iwan Nikiforowitsch, so versündigen!«

»Wenn Sie mir für die Flinte weiß der Teufel was für einen Dreck anbieten: eine Sau, Iwan Iwanowitsch!«

»Warum ist eine Sau denn weiß der Teufel was für ein Dreck, Iwan Nikiforowitsch?«

»Warum? Ja, denken Sie doch selbst ein bißchen darüber nach! Bei einer Flinte weiß man, was man daran hat; aber ein Schwein, da soll der Teufel sagen, was das ist! – Wenn dieser Vorschlag nicht von Ihnen käme, müßt ich ihn gradezu beleidigend finden.«

»Was soll denn an einer Sau so Schlimmes sein?«

»Ja, aber wirklich! Wofür halten Sie mich denn? Ich sollte eine Sau . . .«

»Bleiben Sie sitzen, bleiben Sie nur sitzen! Oh, ich will sie gar nicht mehr! Mag Ihre Flinte in der Ecke dort bei Ihnen in der Kammer denn verfaulen und verrosten – ich verlier kein Wort mehr über sie!«

Nun folgte eine Pause.

»Man erzählt«, begann darauf Iwan Iwanowitsch, »drei Könige hätten unserm Zaren neuerdings den Krieg erklärt.«

»Ja, Pjotr Fjodorowitsch hat es mir mitgeteilt. Was ist das für ein Krieg, und worum dreht er sich?«

»Mit Sicherheit läßt es sich gar nicht sagen, worum er sich dreht, Iwan Nikiforowitsch. Ich nehme an, die fremden Könige verlangen, daß wir allesamt zum Türkenglauben übertreten sollen.«

»Sieh mal an, was diese Narren alles möchten!« murmelte Iwan Nikiforowitsch und sah auf.

»Ja, sehn Sie, eben darum hat ihnen unser Zar den Krieg erklärt. ›Nein‹, sagt er, ›nehmt ihr selber lieber unsern Christenglauben an!‹«

»Meinen Sie nicht? Wir werden sie besiegen, was, Iwan Iwanowitsch?«

»Ja, wir besiegen sie. – Wie ist's, Iwan Nikiforowitsch, wird nichts aus unserm Tauschgeschäft?«

»Eins wundert mich, Iwan Iwanowitsch: Sie sind, denk ich, ein Mann von stadtbekannter Bildung und Gelehrsamkeit und reden wie ein grüner Junge. Glauben Sie, ich bin ein solcher Narr . . .?«

»Bleiben Sie sitzen, bleiben Sie nur sitzen! Lassen wir's! Verrecken soll das Schießgewehr! Nicht eine Silbe sag ich mehr davon.«

Jetzt wurden die Erfrischungen gebracht. Iwan Iwanowitsch trank einen Schnaps und nahm als Imbiß eine Maultasche mit saurer Sahne.

»Hören Sie, Iwan Nikiforowitsch: ich biete Ihnen außer meiner Sau noch zwei Sack Hafer an. Sie haben ja keinen gesät und müßten sowieso in diesem Jahre Hafer kaufen.«

»Iwan Iwanowitsch, bei Gott, mit Ihnen sollte man bloß sprechen, wenn man sich den Bauch vorher mit Erbsen vollgeschlagen hat.« (Dies ist gar nichts, und Iwan Nikiforowitsch konnte noch ganz andere Sprüchlein von sich geben.) »Hat man schon gehört, daß einer eine Flinte für zwei Sack Hafer eingetauscht hat? Eins weiß ich genau: Ihre Pekesche bieten Sie mir schon nicht an!«

»Iwan Nikiforowitsch, Sie vergessen ja, daß Sie auch noch die Sau bekommen sollen.«

»Was, zwei Sack Hafer und die Sau für meine Flinte?«

»Ja, und . . .? Scheint Ihnen das zuwenig?«

»Für die Flinte?«

»Für die Flinte, allerdings!«

»Zwei Säcke für die Flinte?«

»Doch nicht leere Säcke. Es ist Hafer darin. Und auch die Sau vergessen Sie, nicht wahr?«

»Küssen Sie Ihre Sau doch ab, und wenn sie Ihnen nicht genügt, den Teufel selbst dazu!«

»Oh, oh, mit Ihnen muß man sich bloß einlassen! Sie werden sehn: einst in jener andern Welt werden die Teufel Ihre Zunge für die gotteslästerlichen Worte mit glühheißen Nadeln spicken. Wenn man sich mit Ihnen unterhalten hat, dann muß man sich Gesicht und Hände waschen und sich noch dazu beräuchern lassen!«

»Bitte sehr, Iwan Iwanowitsch: so eine Flinte ist ein nobler Gegenstand, eine höchst interessante Unterhaltung und ein angenehmer Zimmerschmuck!«

»Iwan Nikiforowitsch, Sie vollführen ein Getue mit Ihrer Flinte wie der Narr mit dem gemalten Futtersack«, sagte Iwan Iwanowitsch erbost, weil er in der Tat anfing, sich zu ärgern.

»Ja, und Sie, Iwan Iwanowitsch, sind mir der richtige Gänserich!«

Oh, wenn Iwan Nikiforowitsch nur nicht dieses Wort gesagt hätte, dann hätten sich die beiden nach dem Streit wie stets als gute Freunde voneinander trennen können – jetzt aber geschah etwas ganz andres. Iwan Iwanowitsch brauste auf.

»Was haben Sie gesagt, Iwan Nikiforowitsch?« fragte er mit lauter Stimme.

»Daß Sie mir vorkommen wie ein Gänserich, Iwan Iwanowitsch!«

»Wie können Sie es wagen, Herr, jeglichen Anstand und die Achtung vor dem Rang und Namen eines Mannes zu vergessen und ihn durch solch eine ehrenrührige Bezichtigung zu kränken?«

»Was soll da ehrenrührig sein? Und weshalb fuchteln Sie denn eigentlich so mit den Händen, Iwan Iwanowitsch?«

»Ich frage nochmals, wie Sie es nur wagen können, jeglichem Begriff von Anstand ins Gesicht zu schlagen und mich einen Gänserich zu nennen?«

»Ich spuck darauf, Iwan Iwanowitsch! Was schnattern Sie denn so?«

Iwan Iwanowitschs Selbstbeherrschung war zu Ende – seine Lippen zitterten; sein Mund glich nicht mehr wie gewöhnlich einem V, nein, sondern einem O; er blinzelte mit den Augen, daß man Angst bekam. Das nahm man an Iwan Iwanowitsch äußerst selten wahr; da mußte er schon ganz besonders wütend sein.

»Dann teil ich Ihnen also hierdurch mit«, sagte Iwan Iwanowitsch, »daß ich Sie künftig nicht mehr kenne.«

»Großes Unglück!« rief Iwan Nikiforowitsch. »Lieber Gott, das wird mich keine Träne kosten!«

Doch er log, er log, bei Gott, er log! Denn der Gedanke war ihm furchtbar ärgerlich.

»Mein Fuß wird dieses Haus nicht mehr betreten!«

»Hähähä!« sagte Iwan Nikiforowitsch, der vor Zorn nicht wußte, was er tat, und sprang gegen seine sonstige Gewohnheit auf. »He, Alte! Heda, Bursche!« Auf diesen Ruf erschienen in der Tür das uns bereits bekannte dürre alte Weib sowie ein kleiner Junge, der in einen langen und sehr weiten Rock gehüllt war. »Nehmt Iwan Iwanowitsch am Arm und zeigt ihm, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat!«

»Was? Mir als Edelmann . . .!« rief nun Iwan Iwanowitsch im Gefühl gekränkter Würde. »Wagt es nur! Kommt an! Ich tilge euch vom Erdboden samt eurem dummen Herrn! Kein Rabe soll mehr einen Fetzen von euch finden!« (Iwan Iwanowitsch konnte ungeheuer starke Worte sagen, wenn sein Herz erschüttert war.)

Die ganze Gruppe bot ein urgewaltiges Bild. Iwan Nikiforowitsch, der in seiner ganzen Schönheit, ohne jegliche Bemäntelung, mitten im Zimmer stand! Die Alte mit weit aufgerissenem Munde und entgeistertem und furchtversteinertem Gesicht! Iwan Iwanowitsch mit hochgehobner rechter Hand, wie man die römischen Tribunen malt! Dies war ein seltner Anblick, ein Schauspiel von großartiger Pracht! Und hatte doch nur einen einzigen Zuschauer, den kleinen Jungen, der in seinem unermeßlich großen Rock dastand und gemächlich in der Nase bohrte. Endlich nahm Iwan Iwanowitsch seine Mütze.

»Fein benehmen Sie sich, wirklich fein. Iwan Nikiforowitsch! Das vergeß ich Ihnen nicht!«

»Marsch hinaus, Iwan Iwanowitsch, hinaus! Und sehn Sie zu, daß Sie mir ja nicht in die Quere kommen, sonst, Iwan Iwanowitsch, hau ich Ihnen in die Fresse, daß es reicht!«

»Darauf gibt's nur die eine Antwort, Iwan Nikiforowitsch!« sagte Iwan Iwanowitsch, bohrte ihm einen Esel und schlug die Tür hinter sich ins Schloß. Die aber knarrte mit Gekreisch und wurde wieder aufgerissen. Iwan Nikiforowitsch erschien in ihr und wollte seinem Gegner noch was draufgeben, Iwan Iwanowitsch aber sah sich nicht mehr um und sauste buchstäblich zum Tor hinaus.


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