Nikolai Gogol
Taraß Bulba
Nikolai Gogol

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel

Erregtes Lärmen lief durch das Lager der Kosaken. Im Anfang konnte keiner Auskunft geben, wie es hatte geschehen können, daß die feindliche Truppenmacht in die Stadt gedrungen war. Alsbald aber erfuhr man den Grund: die ganze Gemeinde Perejaslaw, die vor dem Nebentor der Festung lag, war sinnlos trunken gewesen. Da konnte es nicht wundernehmen, daß die Hälfte des Regiments niedergesäbelt, die andre Hälfte gefangen war, bevor die Leute noch recht wußten, was eigentlich geschah. Als endlich der Lärm die Nachbargemeinden weckte und diese zu den Waffen griffen, war der Feind mit seiner Hauptmacht schon in der Stadt, und seine Nachhut hatte es nicht schwer, durch ein paar Salven die noch nicht so recht erwachten und halb trunknen Kosaken abzuweisen, als die in ungeordneten Haufen gegen sie anstürmen wollten.

Der Hetman rief das ganze Heer zusammen, und als nun alle, die Mützen in der Hand, den Ring um ihn geschlossen hatten und Stille eintrat, da begann er:

»Saubre Geschichten sind das gewesen heut nacht, ihr Herren und Brüder! Das kommt von dem verfluchten Saufen! So einen Possen darf der Feind uns spielen! Ihr habt ja feine Sitten: erlaubt man euch die doppelte Ration, dann sauft ihr euch gleich toll und voll, so daß der Feind der christlichen Ritterschaft euch unbesorgt die Pluderhosen vom Leibe ziehn kann; und wenn er euch dabei auch ins Gesicht niest – ihr merkt ja nichts davon.«

Die Kosaken standen schuldbewußt, mit hangenden Köpfen. Bloß Kukubenko, der Oberst der Gemeinde Nesamoiko, verspürte den Drang, zu widersprechen.

»Laß dir nur Zeit, mein Lieber!« sagte er. »Es stimmt zwar nicht so recht zur Manneszucht, daß einer aus dem Glied heraus antwortet, wenn der Hetman vor versammeltem Heere spricht; aber die Sache war nicht so, und das muß gesagt werden. Ganz nach der Gerechtigkeit ist das einmal nicht, daß du der christlichen Ritterschaft so harte Vorwürfe machst. Schuldig wären die Kosaken freilich, und den Tod würden sie verdienen, wenn sie sich im Feld besoffen hätten, im Krieg, bei einer ernsthaften, richtigen Sache; aber wir saßen hier und taten nichts, wir brachten bloß so die Zeit hin vor dieser dummen Stadt. Irgendein Fasttag oder sonst ein kirchliches Verbot stand uns ja nicht im Weg; wie soll sich da ein richtiges Mannsbild nicht besaufen, wenn es sonst nichts zu tun hat! Das ist keine Sünde. Nein, zeigen wir ihnen besser, was das heißt, über unschuldige Leute herfallen! Wir haben sie früher tüchtig verdroschen, jetzt werden wir sie dreschen, daß sie nicht einen von ihren Knochen heil heimtragen sollen!«

Die Rede des Obersten gefiel den Kosaken. Sie hoben die gesenkten Köpfe, gar mancher nickte Beifall und sagte: »Wohl gesprochen, Kukubenko!«

Und Taraß Bulba, der nicht weit vom Hetman stand, nahm das Wort: »Na, Hetman, mir scheint, der Kukubenko spricht die Wahrheit. Was sagst nun du dazu?«

»Was soll ich sagen? Ich sage: gesegnet ist der Vater, der solch einen Sohn hat! Dazu gehört nicht viel Verstand, den Leuten Vorwürfe zu machen, aber großen Verstand braucht einer, um, ohne über das Unglück zu schimpfen, das einmal geschehn ist, die Leute wieder aufzupulvern und ihnen neues Feuer zu geben, wie man dem Gaul, der frisch vom Tränken herkommt, Feuer mit den Sporen macht. Ich hab euch selber so ein Wort zum Troste sagen wollen. Der Kukubenko kam mir nur zuvor.«

»Wohl gesprochen hat auch der Hetman!« klang es aus den Reihen der Kosaken.

»Wohl gesprochen!« so stimmten die andern zu.

Und selbst die alten Grauköpfe, die aufgeblasen wie Täuberiche dastanden, nickten bedächtig, wölbten die Lippen vor, daß sich ihnen die greisen Schnauzbärte sträubten, und murmelten: »Sehr wohl gesprochen! Dies Wort hat Sinn und Verstand!«

»Hört also zu, ihr Herren!« fuhr der Hetman fort. »Es steht uns einmal nicht zu Gesicht und ist keine Kosakenarbeit, eine Festung zu belagern, Laufgräben vorzutreiben und uns unter der Erde durchzugraben, wie es die Zugereisten tun, die deutschen Meister – mag der Böse sie holen! Wenn man die Sache aber ansieht, wie sie ist, so hat der Feind nicht gar so viel Proviant mit in die Stadt gebracht; viele Wagen hat er bestimmt nicht bei sich gehabt. Die Leute drinnen sind ausgehungert – da fressen sie leicht alles auf einmal; und Heu für die Pferde – ich glaub ja nicht, daß irgendeiner von ihren Heiligen ihnen etwas vom Himmel auf ihre Gabeln herunterschmeißt. Na ja, das weiß natürlich Gott allein; ihre Pfaffen zwar haben es wohl mehr mit dem Maul. Ob aber wegen des Volks oder wegen des Viehs – zum Tor heraus werden sie so oder so bald müssen. Wir teilen uns deshalb in drei Haufen und sperren die drei Wege vor den drei Toren. Fünf Regimenter vor dem Haupttor, und vor den beiden andern drei und drei. Die Regimenter Djädki und Korßun legen sich in den Hinterhalt, auch Oberst Taraß mit seinem Regiment! Die Regimenter Tytarew und Tymoschew bleiben als Reserve dort rechts vom Wagenpark, und auf der andern Seite, links, die Regimenter Tscherbinow und Stebliki! Und nun die Burschen vor die Front, die ein gesundes Maulwerk haben; wir wollen die Feinde ein bißchen necken! So ein Polack hat ja kein Hirn im Schädel: wenn man ihn schimpft, geht er gleich in die Luft. Vielleicht bringt man die Gesellschaft auf die Art noch heute zum Tor heraus. Jeder Oberst mustert sein Regiment: bei wem die Zahl nicht voll ist, der holt sich Ersatz bei den Perejaslawern, die übrig sind. Und daß mir alles gründlich nachgesehn wird! Jeder Mann kriegt zur Entnüchterung einen Becher Schnaps und ein Brot. Freilich wird wohl noch jeder von gestern satt sein, denn da habt ihr euch, geben wir der Wahrheit die Ehre, alle mörderisch vollgefressen. Mich wundert nur, daß heute nacht kein Mann geplatzt ist. Und dann noch eins, strengster Befehl: wenn mir einer von den Marketendern, so ein verfluchter Jude, einem Kosaken bloß einen einzigen Schoppen Fusel verkauft, dem Hundsfott nagle ich ein Schweineohr auf die Stirn und henke ihn an den Beinen auf! – Nun an die Arbeit, Brüder! Frisch ans Werk!«

Also befahl der Hetman, und die Kosaken neigten sich tief vor ihm und eilten barhaupt zu ihren Wagen und Zelten; erst als sie ein weites Stück gegangen waren, wagten sie ihre Mützen wieder aufzusetzen. Und alles begann sich zu rüsten: sie prüften die Säbel und Pallasche, sie schütteten Pulver in die Hörner, schoben die Wagen auf einen Platz zusammen und wählten sich die Pferde für die Schlacht.

Wie Taraß so zum Sammelplatz seiner Leute ging, zerbrach er sich den Kopf darüber, wo Andri geblieben wäre.

Ob sie ihn wohl mit den andern erwischt und einfach im Schlaf gebunden hatten? Aber das konnte kaum sein: Andri war nicht der Kerl, der sich lebendig fangen ließ. Und unter den gefallnen Kosaken befand er sich nicht.

Tief in Gedanken, schritt Taraß die Front seines Regimentes ab und hörte gar nicht, daß ihn jemand, jetzt schon zum drittenmal, beim Namen rief.

Doch endlich fuhr er auf und fragte: »Was soll ich?«

Der Jude Zankel stand vor ihm:

»Herr Oberst, Herr Oberst!« sagte der Jude hastig und mit zitternder Stimme, als müßte er ihm eine große Neuigkeit erzählen. »Ich bin nämlich gewesen ßu sein in der Stadt, Herr Oberst!«

Taraß sah den Juden an und schüttelte den Kopf. Wie war der Kerl nun wieder schon in die Stadt gekommen?

»Und welcher Satan hat dich hingebracht?«

»Nu–u, das erzähl ich Euer Gnaden gleich«, erwiderte Zankel. »Wie ich heut in der Früh hab gehört den Lärm, und wie die Herrn Kosaken machten de grauße Schießerei, da hab ich genommen meinen Kaftan und hab mer nich gelassen Zeit, hineinzuschlüpfen, und bin gelaufen, was ich konnte; erst unterwegs bin ich hineingeschlüpft in die Ärmel, weil ich ja gleich hab wissen wollen, was bedeutet der Lärm, und ßu was se schießen am frühen Morgen schon, de Herrn Kosaken. Nu–u, wie ich komm ßu laufen ans Stadttor, sind grad de letzten Truppen herein in de Stadt. Ich seh: vor der Abteilung reitet der Herr Kornett Galjändowitsch. Ich kenn den Mann. Wie sollt ich nix kennen den Mann! Hundert Dukaten hat er genommen ßu leihen von mir, jetzt schon im dritten Jahr. Nu–u, ich ihm nach und so getan, als hätt ich vor, von ihm ßu fordern mein Geld. Nu–u, und so bin ich mit ihm in de Stadt.«

»Was, in die Stadt bist du hinein und hast noch Geld von ihm gefordert?« fragte Bulba. »Ja, hat er dich denn da nicht auf der Stelle aufknüpfen lassen wie einen tollen Hund?«

»Nu freilich, straf mich Gott, hat er mich wollen knüpfen auf«, antwortete der Jude. »Und seine Diener haben mich schon gehabt beim Wickel, und um den Hals war mer auch schon gelegt der Strick, aber ich hab gebittet recht schön den Herrn und hab gesagt, ich wart mit meinem Geld, solang als der Herr es möchte, ich geb ihm auch mehr noch ßu leihen, wenn er mir bloß will helfen, daß ich kann eintreiben de Gelder von den andern Herrn; denn, waih geschrien, der Herr Kornett – ich sag de reinste Wahrheit, Herr Oberst –, er hat ja sowieso nix gehabt keinen einzigsten Dukaten im Sack. Nu–u, gut: soll er haben soundso viel Höfe und Güter und Stücker vier Schlösser und ä graußes Stück Land in der Steppe – bei der Stadt Schklow is es –, von Bargeld hat er grad so viel wie ein Kosak: keinen blutigen Groschen. Auch jetzt – er hat ja bloß können ziehn in den Krieg, weil ihm die breslauer Jüden haben geborgt de Ausrüstung. Drum is er ja auch nix gewesen ßu sein auf dem Reichstag . . .«

»Was hast du in der Stadt gemacht? Und hast du unsere Leute da gesehn?«

»Wie soll ich nix sehen ünsere Leut! Es gibt da einen Haufen von ünsere Leut: den Itzig, den Rachum, den Schmuhl und den Chaiweles, was macht den jüdischen Pächter . . .«

»Verrecken sollen die Hunde!« schrie Taraß erbost. »Was mauschelst du mir vor von deinem Judenpack! Ich frag dich nach unsern Kosaken.«

»Da hab ich nix nich gesehn, von ünsere Kosaken – bloß den Herrn Andri.«

»Andri hast du gesehn?« rief Bulba. »So sprich doch, verdammter Kerl! Wo hast du ihn gesehn? In einem Keller? In einem dunkeln Loch? Entehrt? In Ketten?«

»Wer soll sich denn erlauben ä so ä Unverschämtheit, daß er möcht legen Herrn Andri in Ketten? Wo er jetzt is ä so ä graußmächtiger Ritter! Gott soll mich strafen, wenn ich ihn hab überhaupt wiedergekennt! De Schulterstücke – lauteres Gold, de Armschienen – Gold, der Harnisch – Gold, der Helm – Gold, der Gürtel voll Gold, und wo mer hinschaut – Gold, und alles bloß Gold. Genau so, als wenn im Frühjahr scheint de Sonne, und im Garten singen und piepen de Vögel, und jedes Gräschen riecht schön – genau so blänkert er von oben bis unten von Gold. Und seinen besten Gaul hat ihm der Marschall auch noch gegeben ganz fer umsonst; ßweihundert Dukaten kostet er leicht, ohne das andre, bloß der Gaul.«

Bulba stand wie versteinert. »Ja, warum zieht er denn die fremde Tracht an?«

»Se wird ihm besser gefallen, darum ßieht er se an. Und er reitet herum, und de andern reiten herum; und er redet klug ßu ihnen, und se reden klug ßu ihm: akkerat wie der feinste polnische Herr.«

»Wer kann ihn zwingen . . ;.?«

»Hab ich gesagt, es hat ihn einer gezwungen? Weiß der Herr Oberst nix, daß er aus freiem Willen hinüber is ßu de andern?«

»Wer ist hinüber?«

»Nu–u, der Herr Andri.«

»Zu wem soll er hinüber sein?«

»Nu–u, auf de andre Seite; er is jetzt halt einer von ihre Leut.«

»Das lügst du in deinen Hals, Hundsfott!«

»Woßu soll ich denn lügen? Ich wer ein Narr sein und lügen! Ich wer mich lügen um den eignen Hals! Ich weiß doch, der Jüd wird gehenkt als wie ein toller Hund, wenn er möcht lügen ßu einem Herrn!«

»Also willst du behaupten, er hat Vaterland und Glauben verkauft?«

»Hab ich gesagt, er hat eppes verkauft? Ich hab bloß gesagt, daß er hinüber is ßu de andern.«

»Das lügst du, verfluchtes Schwein! Das war noch nie da auf der Christenerde! Du faselst, Satansbraten!«

»Gras soll wachsen vor meine Tür, wenn ich tu faseln! Ausspucken sollen alle Leut auf das Grab von meinen Vater, meine Mutter, meinen Schwiegervater, meine Großväter von Vater- und von Mutterseite, wenn ich tu faseln. Und will es der Herr Oberst wissen, so kann ich ihm auch sagen, worüm er is hinüber ßu de andern.«

»Also?«

»Der Marschall hat ä so ä schöne Tochter. Gott soll mich strafen, is die schön!« Und der Jude versuchte, so gut es ging, die Schönheit der Marschallstochter durch Mienenspiel zum Ausdruck zu bringen: er spreizte die Finger, kniff die Äuglein zu und zog schmatzend das Maul schief, als koste er blanken Honigseim.

»Na ja, und dann?« fragte Taraß Bulba.

»Nu–u, und fer sie hat er getan das alles und is hinüber ßu de andern. Wenn sich der Mensch ämal verliebt hat, is er wie eine Schuhsohle, die mer hat eingeweicht ins Wasser – mer nimmt se und tut se biegen mit de Finger, nu–u, und se biegt sich.«

Bulba versank in dumpfes Brüten. Er gedachte dessen, wie groß die Macht des schwachen Weibes ist, wieviel starke Männer schon daran zugrunde gegangen sind, wie leicht grade Andri solchen Wallungen folgte. Eine Weile stand Taraß am gleichen Fleck, als wäre er im Boden festgewurzelt.

»Wenn der Herr Oberst will horchen – ich verzähl de ganze Geschicht, wie se ist, dem Herrn Oberst«, sagte der Jude. »Wie ich gehört hab heut früh den Lärm und hab gesehen, daß se hineinßiehn in de Stadt, da hab ich mer gedenkt: Was kann es schaden, ich steck mer in de Tasch eine Perlenschnur fer alle Fälle. Is nich wahr: es sind doch in der Stadt de schwere Menge schöne Mädchen und Edelfraun? Nu–u, und wenn wo sind schöne Mädchen und Edelfraun – sollen se auch nix haben ßu essen, ich kenn se: Perlen kaufen se doch. Nu–u, und wie se mich haben lassen laufen, de Diener vom Herrn Kornett, da bin ich gerennt auf dem Marschall sein Schloß, ob ich nix kann verkäufen de Perlenschnur. Und da hab ich gleich ausgefragt de Tatarin, de Zofe vom Fräulein. ›De Hochzeit wird sein gleich‹, hat se gesagt, ›wenn de Kosaken sind gejagt ßum Teufel‹, hat se gesagt. ›Herr Andri hat uns versprochen, er will jagen ßum Teufel alle Kosaken‹, hat se gesagt.«

»Und du hast ihn nicht auf der Stelle erschlagen wie einen räudigen Hund?« brüllte Bulba.

»Heißt ä Frage! Erschlagen! Fer was denn? Is er nix hinüber freiwillig? Kann da der Mensch was dafür? Drüben gefällt es ihm besser. Nu–u: is er hinüber.«

»Und du hast ihn selber gesehn?«

»Gott straf mich! Ich wer ihn nix haben gesehn! Ä so ä noblichter Ritter! Der schönste von alle. Soll er bleiben gesund: er hat mich gleich wiedergekennt; und wie ich bin gekommen ßu gehen näher bei ihm, da hat er gesagt . . .«

»Was hat er gesagt?« rief Taraß.

»Er hat gesagt . . . Das heißt, ich will nix lügen: zuerst hat er mir gewunken mit seinem Finger, und dann erst hat er gesagt: ›Zankel!‹ hat er gesagt. Und ich: ›Herr Andri!‹ hab ich gesagt. ›Zankel‹, hat er gesagt, ›sag meinem Vater, sag meinem Bruder, sag den Kosaken, sag ihnen allen, daß der Vater mir nich mehr is der Vater, der Bruder – nich mehr der Bruder, der Kamerad – nich mehr der Kamerad, und daß ich werd fechten mit ihnen allen – mit ihnen allen!‹ hat er gesagt.«

»Erstunken und erlogen ist das, höllischer Judas!« schrie Taraß in unbändiger Wut. »Verlognes Schwein! Du hast ja auch Christum gekreuzigt, gottverfluchter Heide! Ich stech dich ab, Satan verdammter! Mach dich dünn, oder du bist ein Kind des Todes!«

Taraß riß den Säbel aus der Scheide. Der erschrockne Jude rannte mit aller Geschwindigkeit davon, die seine dürren Beine hergeben wollten. Ohne sich ein einziges Mal umzusehen, jagte er durchs ganze Lager und noch weit ins freie Feld hinaus, obgleich Taraß gar nicht daran dachte, ihm nachzusetzen. Denn der Alte begriff sehr wohl, wie unsinnig es wäre, seine Wut so an dem ersten besten auszulassen.

Jetzt fiel ihm wieder ein, daß Andri heute nacht mit einem Frauenzimmer durchs Lager geschlichen war. Er ließ den grauen Kopf hangen und begriff immer noch nicht, wie solch ein Schimpf über ihn hatte kommen können, wie es möglich war, daß sein leiblicher Sohn schmählich Glauben und Ehre verriet.

Endlich raffte er sich auf und führte sein Regiment in den Hinterhalt: in das einzige Waldstück, das die Kosaken noch nicht niedergebrannt hatten. Die übrige Mannschaft aber, Fußvolk und Reisige, besetzte die drei Straßen, die zu den drei Toren führten. Eins nach dem andern marschierten die Regimenter auf: Uman, Popowitsch, Kanew, Stebliki, Nesamoiko, Gurgusi, Tytarew, Tymoschew. Bloß die Perejaslawer fehlten; selbst ihr gestrenger Herr Oberst Chlib hatte sich von den Polacken ohne Pluderhosen und Obergewand fortschleppen lassen müssen.

Die Leute in der Stadt vernahmen den Aufmarsch der Feinde. Sie strömten auf den Wall, und vor den Belagerern entfaltete sich ein buntes Bild: da standen sie oben, die polnischen Recken, einer immer schmucker als der andre. Die bronzenen Helme strahlten wie die Sonnen, und schwanenweiß wallten die Federn um sie. Andere von den Herren trugen leichte rosenrote und himmelblaue Mützen, deren Deckel keck auf das eine Ohr herabhingen, und goldgestickte oder einfach verschnürte Röcke mit hangenden Ärmeln. Sie führten kostbar verzierte Säbel und Büchsen, die den Herrchen schwere Summen gekostet hatten, und auch sonst sah man Schmuck in Hülle und Fülle. Vorn stand, aufgeblasen wie ein Truthahn, die rote, goldgestickte Mütze auf dem Kopf, der Oberst aus Budschaki. Gar ein gewichtiger Herr war der Oberst, höher und breiter als alles Volk ringsum; er platzte fast aus dem prächtigen Rock, der jedem andern zu weit gewesen wäre. Drüben, in der Gegend des Seitentores, stand der andre Oberst, ein kleines dürres Männlein, aber seine scharfen Augen spähten wachsam unter den buschigen Brauen hervor, er wendete sich schnell bald hierhin, bald dorthin, gab dem und jenem mit seiner schmalen, dünnfingrigen Hand einen hastigen Wink und erteilte Befehle; man sah, daß er sich trotz seiner Kleinheit recht gut auf das Kriegshandwerk verstand. Nicht weit von ihm stand der Kornett, ein endlos langer Bursche mit dickem Schnauzbart, bei dem man über Mangel an blühender Gesichtsfarbe gewiß nicht klagen konnte – dieser Herr hatte eine Schwäche für starken Met und üppige Mähler. Und hinter den dreien war die ganze Ritterschaft aufmarschiert. Der eine hatte sich selber ausgerüstet, beim andern hatte die königliche Kasse dafür gesorgt, bei manchem auch das Geld, das die Juden gegen Verpfändung von allem herliehen, was in den Ahnenschlössern nicht niet- und nagelfest war. Es fehlten auch nicht die Schmarotzer aus vornehmen Häusern, wie sie ein reicher Herr an seine Tafel zieht, um mit einem großen Hofstaat zu glänzen – Kerle, die dann zum Dank vom Tisch und aus den Kredenzen silberne Becher zu stehlen imstande waren, so daß einer, der heute noch als Ehrengast an vornehmem Tische saß, morgen vielleicht auf dem Kutschbock thronte und irgendeinem Edelmann die Pferde besorgte. Allerlei Leute gab es da. Manch einem klang kaum das Geld für ein Glas Schnaps im Beutel, aber für den Krieg hatten sie sich alle in Gala geworfen.

Die Reihen der Kosaken standen breitspurig vor den Mauern. Von ihnen war keiner mit Gold behängt; höchstens der Säbelgriff oder der Beschlag der Büchse funkelte bei dem und jenem hell in der Sonne. Es war nicht Brauch bei den Kosaken, sich für das Schlachtfeld aufzuputzen, schlicht waren Rock und Kettenpanzer, einen weithin sichtbaren starken Farbenklang in Schwarz und Rot gab die schwarze Lammfellmütze mit dem roten Boden dazu.

Nun sprengten zwei Kosaken vor die Front: der eine ein blutjunger Bursche, der andre ein wenig älter, beide mit einem gesunden Mundwerk gesegnet, aber auch mit der Faust keine schlechten Kosaken. Ochrim Nasch und Mykyta Golokopytenko waren ihre Namen. Hinter ihnen her lenkte Demid Popowitsch sein Pferd aus der Reihe, ein stämmiger Kosak, der sich seit vielen Jahren im Lager herumtrieb, bis vor Adrianopel gekommen und in seinem Leben nicht selten in des Teufels Küche geraten war. Er hatte schon auf dem brennenden Scheiterhaufen gestanden und war trotzdem ins Lager zurückgekehrt, freilich mit schwarzgeteertem Kopf und abgesengtem Schnauzbart; aber Popowitsch war bald wieder obenauf, er ließ sich einen neuen dicken, pechschwarzen Schnauzbart wachsen und einen Prachtschopf, den er verwegen hinter das linke Ohr gelegt trug. Auch ihn, den Demid Popowitsch, kannte man als einen Kerl mit spöttischem Mundwerk.

»Schöne Röcke habt ihr da oben; wenn ich nur wüßte, ob ihr auch so schön fechten könnt«, begann er.

»Ich zeigs euch!« schrie der dicke Oberst. »An Händen und Füßen laß ich euch binden! Gebt die Büchsen und die Gäule heraus, ihr Sklavengesindel! Habt ihr vielleicht nicht gesehn, wie ich eure Leute hab binden lassen? Bringt sie schnell auf den Wall, die Kosaken!«

Und die gefesselten Kosaken wurden auf den Wall geführt, an ihrer Spitze der Oberst Chlib, ohne Hosen und Obergewand, wie sie ihn in seinem Rausch gefangen hatten. Der Oberst ließ den Kopf hangen, er schämte sich seiner Blöße vor den Kosaken und schämte sich, daß er sich hatte im Schlafe fangen lassen wie ein elender Hund. Sein mächtiger Kopf war in der einen Nacht völlig ergraut.

»Mach dir nichts draus, Chlib! Wir holen dich schon wieder!« riefen die Kosaken hinauf.

»Bruder, mach dir nichts draus!« sagte der Oberst Borodaty. »Ist ja nicht deine Schuld, daß sie dich nackend gefangen haben – Unglück kann jeder haben. Auf sie fällt die Schande, daß sie dich zum Schimpf hinstellen und nicht einmal deine Blöße bedecken, wie sichs gehört.«

»Gegen schlafende Leute habt ihr ersichtlich viel Mut«, rief Golokopytenko zu den Polen hinauf.

»Dazu reicht er schon noch, euch die Schöpfe herunterzuschneiden!« schrie es von oben.

»Da möcht ich einmal zusehn, wenn die uns die Schöpfe herunterschneiden!« rief Popowitsch, wendete seinen Gaul und sagte zu den Kosaken: »Na, wer weiß! Kann ja sein, daß die Polaken ausnahmsweise einmal die Wahrheit reden: wenn sie der Dickwanst da zum Tor herausführt, stehen sie alle in gutem Schutz.«

»Wieso meinst du, daß sie dann in so gutem Schutze stehn?« fragten die Kosaken, denn sie konnten sich natürlich denken, daß der Popowitsch einen Saftigen auf der Pfanne hatte.

»Ja nu: hinter dem Wanst verkriecht sich das ganze Heer, und es muß schon mit dem Teufel zugehn, wenn man da überhaupt noch einen um die Ecke herum mit der Lanze erwischt.«

Da lachten die Kosaken dröhnend; und lange noch schüttelte mancher von ihnen den Kopf und sagte: »Ja, der Popowitsch! Wenn der sich einmal einen vornimmt – dann aber . . .!« – Was dann aber wäre, sagten die Kosaken nicht.

»Zurück, schleunigst zurück von der Mauer!« schrie der Hetman; denn die Polacken schienen keinen Spaß zu verstehen, der auf sie selber gemünzt war – ihr Oberst winkte schnell mit der Hand.

Kaum hatten sich die Kosaken davongemacht, da krachten auch schon vom Wall die Kartätschen. Treiben und Hasten kam in die Leute da oben, der grauköpfige Marschall selber zeigte sich hoch zu Roß. Das Tor ging auf, und das Heer marschierte heraus. Voran ritten in wohlgerichteten Reihen die Husaren, hinter ihnen die Panzerreiter mit ihren Lanzen, dann kam eine Schar in Bronzehelmen, und darnach, jeder für sich allein und nach seinem eignen Geschmack gerüstet, die vornehmen Junker. Diese stolzen Herrchen verschmähten es, mit den andern in die Front zu treten; hatte einer von ihnen keine Kommandostelle, so ritt er auf eigne Faust mit seinen Dienern in die Schlacht. Ihnen folgten wiederum Fronttruppen, darauf, sich stolz im Sattel wiegend, der Kornett, abermals Fronttruppen, und dann der dicke Oberst; als allerletzter Mann vom ganzen Heer kam schließlich der kleine Oberst zum Tor herausgesprengt.

»Laßt sie nicht aufmarschieren, laßt sie nicht aufmarschieren, schmeißt ihnen die Schlachtordnung über den Haufen!« schrie der Hetman. »Alle Regimenter zugleich auf sie! Laßt doch die andern Tore! Regiment Tytarew packt sie in der Flanke! Regiment Djädki – in die andre Flanke! Fallt ihnen in den Rücken, Kukubenko und Palywoda! Stört ihren Aufmarsch, bringt sie durcheinander!«

Von allen Seiten stürmten die Kosaken an, sie störten die Ordnung der Polen, brachten sie durcheinander und gerieten selbst durcheinander. Sie ließen den Feind nicht erst zum Feuern kommen; es war ein Kampf mit Schwert und Lanze, ein wütendes, eng geballtes Getümmel, in dem jedermann Mut und Kraft zu bewähren vermochte.

Demid Popowitsch erstach drei gemeine Soldaten und hieb zwei adlige Junker aus den Sätteln. »Die Gäule lob ich mir!« rief er. »Solche Gäule hab ich mir lange gewünscht!« Er jagte die Beutetiere weit ins Feld hinaus und rief den Kosaken, die dort hielten, zu, sie sollten sie fangen. Dann stürzte er sich wieder ins Gewühl und griff von neuem die Junker an, die er aus den Sätteln gehauen hatte. Den einen erschlug er, dem andern warf er den Fangstrick um den Hals. Er nahm ihm den Säbel mit dem kostbaren Griff ab und schnitt ihm die dukatenschwere Geldkatze vom Leib, dann band er ihn an seinen Sattel, gab dem Pferde die Sporen und schleifte den Feind über das weite Blachfeld.

Kobita, ein wackrer Kosak, noch jung an Jahren, geriet mit einem der Tapfersten aus dem polnischen Heer zusammen. Lange fochten sie miteinander und packten sich schließlich zum Ringkampf. Schon hatte der Kosak gesiegt und den andern auf den Rücken gelegt, er hieb ihm das scharfe türkische Messer in die Brust; aber er nahm sich selbst nicht in acht, und unversehens fuhr ihm eine heiße Kugel in die Schläfe. Der vornehmste unter den polnischen Herren hatte ihn gefällt, ein schöner Ritter aus altem Fürstengeschlecht. Schlank und gerade wie eine Pappel, sprengte er auf falbem Gaul einher. Und herrlich hatte er seine Ritterkühnheit schon bewährt: zwei Kosaken hatte er förmlich gespalten mit seinen Hieben; den Fjodor Korsch, einen wackern Kosaken, hatte er mit seinem Gaul niedergeworfen, den Gaul erschossen und den Kosaken unter dem Gaul mit der Lanze erstochen; so manchem hatte er Kopf und Arm abgeschlagen und zuletzt den Kosaken Kobita durch einen Schuß in die Schläfe gefällt.

»Dem zeig ichs!« rief Kukubenko, der Oberst vom Regiment Nesamoiko.

Er trieb sein Pferd an, fiel dem Ritter in den Rücken und schrie so gewaltig, daß allen, die es hörten, das Schlottern in das Gebein fuhr vor diesem unmenschlichen Brüllen. Der Polack wollte seinen Gaul schnell herumreißen und Brust gegen Brust mit dem Angreifer kämpfen, aber der Gaul gehorchte ihm nicht: er sprang, erschrocken von dem lauten Gebrüll, zur Seite, und Kukubenkos Büchsenkugel traf den Feind. Sie drang ihm durchs Schulterblatt in den Leib, und er fiel aus dem Sattel. Auch jetzt noch wollte der Pole sich nicht ergeben, er holte zum Schlag aus, doch sein Arm war zu schwach und sank machtlos samt dem Schwerte nieder. Kukubenko aber faßte seinen schweren Pallasch mit beiden Fäusten und stieß ihn dem Feind gerade zwischen die jäh erblichnen Lippen, der Pallasch schlug dem Ritter zwei Zähne, weiß wie Zucker, aus dem Oberkiefer, spaltete ihm die Zunge, zertrümmerte ihm die Nackenwirbel und drang noch tief in den Boden. So nagelte der Oberst seinen Feind für ewig an die kühle Erde. In schlankem Springquell, rot wie die Schneeballbeere am Bach, schoß das adlige Blut empor und färbte des Ritters gelben, goldgestickten Rock. Kukubenko aber kümmerte sich nicht weiter um ihn und sprengte mit seinen Nesamoikern da hin, wo das Gewühl am dichtesten war.

»Ha, der Narr! Läßt die kostbare Beute liegen!« sagte Borodaty, der Oberst des Regiments Uman und lenkte den Gaul von den Seinen fort, hin zu dem Platz, wo der von Kukubenko gefällte Ritter lag. »Sieben Junker hab ich heute mit dieser Faust erschlagen – solch eine Beute sah ich bei keinem.«

Die Habgier übermannte Borodaty; er bückte sich zu dem gefallnen Junker, ergriff dessen türkisches Messer mit der edelsteinfunkelnden Scheide, band ihm die dukatenschwere Geldkatze vom Leib, zog ihm den Beutel mit seiner Wäsche, kostbarem Silberzeug und einer zum Gedächtnis aufbewahrten Mädchenlocke aus dem Busen. Der arme Borodaty merkte gar nicht, daß hinter ihm der rotnäsige Kornett herangesprengt kam, den er heute schon einmal aus dem Sattel gehauen hatte, wovon der lange Kerl eine tüchtige Schramme als Denkzettel trug. Hoch durch die Luft schwang der Kornett den Säbel und hieb ihn dem Obersten ins Genick. Übel geleitet hatte den Kosaken die Habgier: sein gewaltiges Haupt sprang von den Schultern, zu Boden stürzte der kopflose Rumpf und tränkte die Erde in weitem Umkreis mit Blut. Gen Himmel fuhr die männische Kosakenseele, murrend und grollend, dazu baß erstaunt, weil sie den starken Leib so früh schon verlassen mußte. – Der Kornett konnte das Haupt des Recken nicht mehr beim Schopfe packen und an seinen Sattel binden, denn schon war ein grimmiger Rächer über ihm.

Wie der Weih hoch oben im Himmel auf starken Flügeln gewaltige Kreise zieht, dann plötzlich weitklafternd still steht und sausend gleich einem Pfeil auf das jammernde Wachtelmännchen am Wegrain niederschießt, so stürzte sich jetzt Taraß Bulbas Sohn Ostap auf den Kornett und warf ihm tödlich sicher den Fangstrick ums Genick. Noch roter wurde der rote Kopf des Junkers, als die Schlinge ihm grausam die Gurgel schnürte. Zwar riß er die Pistole aus dem Gürtel, aber die krampfig geballte Faust konnte nicht zielen, und die Kugel flog ohnmächtig in die Weite. Ostap aber nahm sogleich die seidne Schnur vom Sattel des Kornetts, die der bei sich führte, seine Gefangnen zu fesseln. Er band ihm mit der eignen Schnur die Hände und die Füße, machte das Ende des Stricks an seinem Sattel fest und schleifte den Feind über das Blachfeld. Sein lauter Zuruf mahnte die Kosaken des Regiments Uman, ihrem Führer die letzte Ehre zu erweisen.

Da die Umaner hörten, daß Borodaty gefallen war, verließen sie das Schlachtfeld und eilten, seinen Leichnam zu bergen. Und dann berieten sie gleich, wen sie zum Führer wählen sollten. Endlich sagten sie:

»Was wollen wir lange beraten? Einen bessern Obersten finden wir nie als Ostap Bulba; es ist schon wahr, daß er der Jüngste ist von uns allen. Aber Verstand hat er wie ein Alter.«

Ostap zog die Mütze und dankte den Kameraden für die erwiesene Ehre. Er sprach nicht erst lang und breit von seiner Jugend und Unerfahrenheit – er wußte, daß es im Krieg nicht Brauch ist, sich mit so etwas aufzuhalten. Er führte die Seinen sofort in das Kampfgewühl und bewies ihnen da, daß ihre Wahl nicht auf den Falschen gefallen war. Den Polacken begann die Sache brenzlich zu riechen, sie wichen schleunigst und sammelten sich erst unweit der Mauer. Der kleine Oberst aber gab den vier frischen Fähnlein, die am Stadttor in Reserve standen, schnell einen Wink, und alsbald wurde von dort mit Kartätschen in das Kosakenheer gefeuert; das schuf jedoch wenig Verluste, und ein paar Kugeln schlugen mitten zwischen die Zugochsen der Kosaken, die aus großen, scheuen Augen in das Schlachtgewühl starrten. Dumpf auf brüllten die erschrocknen Rinder, sie jagten durch das Kosakenlager davon, zertrümmerten viele Wagen und trampelten so manchen Mann tot. Da aber brach Taraß mit seinem Regiment aus dem Hinterhalt und warf sich ihnen unter Lärmen und Geschrei entgegen. Erschrocken machte die wild gewordne Herde kehrt und raste nun gegen die polackischen Truppen an, rannte die Reiterei über den Haufen, rannte alles nieder und schuf das tollste Durcheinander.

»Recht so, ihr Ochsen, und schönen Dank!« schrieen die Kosaken. »Ihr habt im Troß schon oft gezeigt, was ihr für Kerle seid, jetzt tut ihrs auch in der Schlacht!«

Mit frischen Kräften hieben sie auf den Feind ein. Gar mancher erwarb sich hohen Ruhm: Metelitza, Schilo, die beiden Pißarenko, Wowtusenko; wer nennt sie alle! Die Polacken sahen, daß die Sache ein böses Ende nahm, sie schwenkten die Fahnen und schrieen, man solle das Tor öffnen. Laut in den Angeln kreischend, ging das eisenbeschlagne Tor auf, und die ermatteten, staubbedeckten Reiter drängten hinein, wie Schafe in ihren Pferch. Viele von den Kosaken machten sich an die Verfolgung. Ostap aber tat seinen Umanern Einhalt und rief:

»Zurück, zurück von der Mauer, ihr Herren und Brüder! Nur nicht zu nah heran! Sonst gibt es ein Unglück.« Und er hatte recht: die Polen schossen von den Wällen und warfen mit allem, was ihnen unter die Hände kam. Gar mancher mußte da noch sein Leben lassen.

Der Hetman, der grade vorbeigeritten kam, lobte Ostap und sagte: »Das ist ein neuer Oberst, aber er führt sein Regiment wie ein Alter!«

Der alte Bulba sah sich um: er wollte wissen, von welchem neuen Obersten die Rede ging. Und er sah Ostap vor den Umanern im Sattel sitzen, die Mütze keck aufs Ohr gerückt, den Kommandostab in der Hand.

»Sieh, so ein Kerl!« sagte der Alte und freute sich und dankte den Umanern für die Ehre, die sie seinem Sohn erwiesen hatten.

Die Kosaken zogen sich weiter zurück und wollten schon ins Lager abrücken, aber die Polacken strömten wieder auf den Wall, jetzt freilich in zerrissenen Mänteln. Mit Blut besudelt war mancher kostbare Rock, und dicker Staub lag auf den schönen Bronzehelmen.

»Na, habt ihr uns jetzt gebunden?« schrieen die Kosaken hinauf.

»Ich zeig es euch schon!« schrie unbeirrt der dicke Oberst hinunter und schwenkte einen Strick in der Luft; die staubbedeckten und erschöpften Krieger verstummten noch eine ganze Weile nicht, die Hitzköpfe auf beiden Seiten bombardierten sich mit spitzigen Worten. Endlich aber machten sich die Kosaken in das Lager davon. Der eine streckte sich, erschöpft vom Kampf, zur Ruhe in das Gras, der andre legte Erde auf seine Wunden und zerriß kostbare Tücher und Gewänder, die er dem toten Gegner abgenommen hatte, zu Verbandstreifen. Wieder andre, die sich noch frischer fühlten, lasen die Gefallnen auf und erwiesen ihnen die letzte Ehre. Mit Pallaschen und Lanzen lockerten sie den Boden, in ihren Mützen und Rockschößen hoben sie die Erde heraus; ein ehrliches Begräbnis gaben sie den toten Kosaken und deckten sie mit frischer Erde, auf daß kein Rabe oder Geier ihnen die Augen aushacke. Die Leichname der Polacken aber banden sie, wie sichs grade traf, selbzehnt an die Schweife von wilden Rossen und jagten die ins weite Blachfeld hinaus; sie selber sprengten hinterdrein und peitschten den Gäulen die Flanken. Die scheu gewordnen Tiere setzten in wilden Sprüngen über Raine und Hümpel, Gräben und Bäche, hart gegen den Boden schlugen die blut- und staubbesudelten Leichname der Polenkrieger.

Dann lagerten die Kosaken sich Regiment für Regiment im Kreise zur Abendmahlzeit und sprachen noch lange von den Taten und Siegen, die jeder vollbracht und errungen hatte, auf daß sie zur unsterblichen Sage würden für kommende Kosakengeschlechter, für Kind und Kindeskind. Spät erst legten sie sich zur Ruhe; am allerspätesten aber streckte der alte Taraß sich aus. Er saß und grübelte darüber nach, was es wohl zu bedeuten hätte, daß Andri nicht unter den feindlichen Kriegern gewesen war. Hatte dem Judas doch das Gewissen geschlagen, als er gegen die Seinen ausrücken wollte? Oder hatte Zankel gelogen, und war Andri einfach gefangen? Dann aber dachte Bulba daran, wie über die Maßen leicht Andris Herz durch süße Weiberrede zu kirren war; grimme Trauer schüttelte ihn, und harte Rache schwor er dem Polenmädchen, das seinen Sohn verzaubert hatte. Und er hätte den Schwur gehalten: er hätte ihre Schönheit nicht angesehen, sie an der üppigen Haarflechte aus dem Versteck gezerrt, sie über das weite Feld mitten in den Kreis der Kosaken geschleift. Am rauhen Erdreich wundgeschlagen, mit Blut und Staub bedeckt hätten sich ihre herrlichen Brüste und Schultern, die an Weiße dem ewigen Schnee glichen, der auf den Bergfirnen leuchtet. In die vier Winde hätte Bulba die Stücke ihres blühenden Leibes gestreut. Jedoch der Alte konnte nicht ahnen, was Gott ihm für morgen bereit hielt . . . Seine Gedanken verschwammen, und er schlief endlich ein.

Die Kosaken plauderten immer noch fort; die ganze Nacht hindurch aber wachte bei jedem der Feuer ein Posten und spähte scharf und nüchtern, ohne Zwinkern, nach allen Seiten gegen den Feind.


 << zurück weiter >>