Nikolai Gogol
Taraß Bulba
Nikolai Gogol

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Viertes Kapitel

Am nächsten Tag schon beriet Taraß Bulba mit dem neuen Hetman darüber, wie man die Kosaken zu irgendeiner Unternehmung aufstacheln könnte. Der Hetman war ein kluger, mit allen Wassern gewaschner Kosak, der seine Genossen der Länge und Breite nach kannte. Er sagte anfangs:

»Meineidig werden dürfen wir nicht, das geht nicht.« Dann aber, nach einem kurzen Schweigen, fuhr er fort: »Na, am Ende gehts doch: meineidig werden wir nicht, aber es läßt sich vielleicht etwas machen. Sieh zu, daß das Volk sich versammelt – nicht als ob ich es befohlen hätte, sondern nur so auf den eignen Kopf hin; du weißt schon, wie man das macht –, und dann komm ich mit den Beamten gelaufen, und wir . . . wir wissen von nichts.«

Es war seit dieser Unterhaltung noch keine Stunde verstrichen, als schon die Pauken erdröhnten. Auch heute fehlte es nicht an betrunknen und aufgeregten Kosaken. Eine Unzahl von schwarzen Lammfellmützen wimmelte auf dem Platz. Sie fragten: »Wer hat . . .? Weshalb ist . . .? Was ist denn los, daß man sich versammelt?« – Niemand gab Antwort. Schließlich hörte man bald hier, bald da aus der Menge murrende Rufe: »Da geht die Kosakenkraft ganz umsonst vor die Hunde – ohne Krieg! Wohl sein lassen sie sichs, die Ältesten, vor Fett sehn sie bald nicht mehr aus den Augen! Das muß man schon sagen: keine Gerechtigkeit gibt es mehr auf der Welt!« – Die andern Kosaken hörten das anfangs ruhig an, dann begannen sie gleichfalls zu brummen:

»Das ist schon wahr: keine Gerechtigkeit gibt es mehr auf der Welt!«

Die höchste Behörde zeigte sich baß erstaunt über solche Worte. Endlich trat der Hetman vor und sagte: »Gestattet ihr mir, ihr Herren, daß ich eine Rede halte?«

»Red nur zu!«

»Also, wenn man es richtig betrachtet, ihr edeln Herren, und ihr wißt das wahrscheinlich besser als ich, so reden die Leute davon, daß viele Kosaken bei den Schnapsjuden und bei ihren Kameraden so tief in der Kreide stecken, daß ihnen kein Kuckuck mehr etwas borgt. Und wieder, wenn man es richtig betrachtet, so reden die Leute, daß wir viele junge Burschen da haben, die überhaupt noch gar nichts vom Kriege kennen, wo's doch für junge Leute – das wißt ihr ja selber, ihr Herren – ohne Krieg nichts Richtiges ist. Wie soll aus so einem ein Kosak werden, wenn er seiner Lebtage nicht gegen die Moslim ins Feld zieht?«

»Er redet gar nicht so dumm«, sagte Bulba.

»Denkt nur nicht, ihr Herren, daß ich das vielleicht sage, um den Frieden zu brechen – Gott soll mich bewahren! Ich sag das bloß so. – Na ja, und dann haben wir hier ein Gotteshaus, es ist eine Schande, wie's aussieht. Die langen Jahre, die das Lager schon steht . . .! Und bis heute – ich sage ja nichts von der Kirche von außen –, bis heute sind sogar die Heiligenbilder drinnen ohne den kleinsten Schmuck. Wenn ihnen nur irgendeiner eine silberne Fassung hätte stiften wollen! Das bißchen haben sie gekriegt, was ihnen ein paar Kosaken im Testament vermacht haben; und was ist das schon gewesen – das meiste haben sie ja bei Lebzeiten selber versoffen. – Also, ich sag das nicht, weil ich Krieg möchte mit den Moslim: wir haben dem Sultan den Frieden versprochen und würden uns durch einen Wortbruch versündigen, weil wir auf unser Gesetz geschworen haben.«

»Wozu er den Unsinn vorbringt . . .!« murmelte Bulba.

»Ja, ihr seht selber, ihr Herren, mit Krieg anfangen ists nichts – die Ritterehre steht dem im Weg. Aber in meinem dummen Kopf denk ich mirs so: sollen die jungen Leute allein in die Kähne steigen und hinunterfahren und sich die anatolische Küste ein bißchen ansehn. Was meint ihr, ihr Herren?«

»Führ uns, führ uns alle!« schrie der Ring der Kosaken. »Für den Glauben halten wir gern den Kopf hin.«

Der Hetman erschrak. Er hatte keineswegs das ganze Lager aufrufen wollen. Wie die Sache lag, dünkte es auch ihn nicht ehrenhaft, den Frieden zu brechen.

»Erlaubt mir, ihr Herren, noch eine Rede zu halten?«

»Hör schon auf!« schrieen die Kosaken. »Was Klügeres sagst du nicht mehr!«

»Soll es so sein, dann mag es so sein! Ich bin der Knecht eures Willens. Es ist eine bekannte Sache und steht ja auch in der Schrift, daß Volkes Stimme so gut ist wie Gottes Stimme. Etwas Klügeres denkt sich wohl keiner aus, als was das Volk im Ganzen sich denkt. Nur eins will ich noch sagen: ihr wißt ja, ihr Herren, der Sultan läßt doch den Spaß, den unsere Burschen vorhaben, nicht unvergolten. Und wir wären dann schön bereit, und unsere Kräfte wären noch frisch, und wir würden uns wohl nicht fürchten vor ihm. Und wenn wir fortgehn, könnte auch das Tatarenpack unser Lager besuchen; die tückischen Hunde – ins Gesicht hinein wagen sie's nicht, und wenn der Herr daheim ist, sehn sie sich vor, aber von hinten beißen sie uns in die Hacken, und so, daß es weh tut. Und wenn man dann schon die reine Wahrheit sagen soll: wir haben nicht so viel Kähne im Vorrat, und Pulver ist auch nicht in solchen Mengen gemahlen, daß alle mitgehen könnten. Aber mag es so sein, wenn ihr wollt – ich bin der Knecht eures Willens.«

Der schlaue Hetman hatte gesprochen. Die Haufen begannen zu verhandeln, die Gemeindeältesten berieten sich untereinander; Betrunkne gab es zum Glück nicht viele, und darum wurde beschlossen, dem vernünftigen Rat zu folgen.

Unverweilt fuhr eine kleine Schar zum andern Dnjepr-Ufer hinüber, wo die Vorratskammern des Lagers waren und in unzugänglichen Schlupfwinkeln unter dem Wasser im Schilf der Heerschatz und ein Teil der erbeuteten Waffen verborgen lagen. Die andern gingen zu den Kähnen, sie nachzusehen und für die Kriegsfahrt zu rüsten. Auf einmal war der ganze Strand voller Menschen. Die Zimmerleute kamen mit ihren Äxten. Alte sonnverbrannte, breitschultrige, stämmige Kosaken mit grauen und schwarzen Schnauzbärten standen, die Pluderhosen aufgekrempelt, bis zum Knie im Wasser und zogen die Kähne an starken Tauen vom Strand. Andre schleppten trockne Balken und allerlei Holzwerk heran. Hier wurde ein Kahn mit Planken verkleidet, dort band man andern nach Kosakenbrauch lange Schilfbündel an den Außenbord, damit sie draußen bei Seegang nicht kenterten; weiterhin wurden den ganzen Strand entlang Kessel aufgestellt und in ihnen Pech zum Dichten der Kähne erhitzt. Die erfahrnen Alten lernten die Jungen an. Das Geklopf und Geschrei der Arbeiter erscholl über das Wasser, es war ein Gewimmel am Strand.

Da näherte sich dem Ufer ein großer Prahm. Die vielen Leute, die darauf standen, winkten schon von weitem erregt mit den Händen. Es waren Kosaken in arg zerrissenen Röcken. Ihr schäbiger Aufzug – viele hatten nichts am Leib als das bloße Hemd und die kurze Pfeife zwischen den Zähnen – ließ ahnen, daß sie entweder sehr schlimme Tage erlebt oder aber sich so lustige Tage gemacht hatten, daß all ihr Hab und Gut bis auf die letzten Gewänder versoffen war. Aus ihren Reihen hervor trat ein kleiner, breitschultriger Kosak so um die Fünfzig herum. Er schrie lauter als alle andern und fuchtelte heftig mit den Armen. Aber vor dem Lärm der Arbeiter konnte man nichts von seinen Worten verstehn.

»Was bringt ihr Gutes?« fragte der Hetman, als der Prahm an Land stieß.

Alle die Arbeiter ließen Hammer und Meißel ruhen und schauten erwartungsvoll auf.

»Schlechte Post!« schrie der kleine Kosak vom Prahm herüber.

»Was denn für eine Post?«

»Gestattet ihr mir, ihr Herren Kosaken, eine Rede zu halten?«

»Sprich nur!«

»Oder wollt ihr vielleicht die Ratsversammlung berufen?«

»Sprich nur, wir sind hier alle versammelt!«

Das Volk drängte sich eilend zuhauf.

»Habt ihr denn wirklich gar nichts davon gehört, was in der Hetmanschaft los ist?«

»Was ist denn los?« fragte einer von den Gemeindeältesten.

»Fragt nicht so dumm! Euch hat der Tatar wohl Dreck in die Ohren gestopft, daß ihr nichts gehört habt?«

»Sag einfach, was los ist!«

»Sachen, wie sie noch kein getaufter Christenmensch früher gesehn hat.«

»Also mach keine Umschweife, Hundsfott!« schrie einer aus der Menge, dem die Geduld riß.

»Zeiten sind es, daß uns sogar unsere Kirchen nicht mehr gehören.«

»Was heißt: nicht gehören?«

»Sie sind an die Juden verpachtet. Wenn du dem Juden nicht im voraus das Geld dafür gibst – keine Messe wird dir gelesen!«

»Red keinen Unsinn!«

»Und wenn das jüdische Schwein nicht zuerst mit den unreinen Pfoten sein Zeichen über die heilige Hostie macht, darfst du kein Abendmahl feiern.«

»Schwindel, ihr Herren und Brüder, das kann doch nicht sein, daß ein unreiner Jude Zeichen über die heilige Hostie macht!«

»Hört nur zu! Das ist noch gar nichts: die römischen Pfaffen fahren jetzt in Bauernkarren durchs ganze Grenzland. Das aber ist nicht das Schlimme, daß sie in Bauernkarren fahren, das Schlimme ist, daß sie keine Pferde vorspannen, sondern rechtgläubige Christen. Hört nur zu! Das ist noch gar nichts: die Judenschicksen nähen sich Röcke aus Meßgewändern. So geht es zu im Grenzland, ihr Herren! Und ihr sitzt im Lager und sauft, der Tatar hat euch wohl so ins Bockshorn gejagt, daß ihr keine Augen und Ohren mehr habt und nicht hört, was in der Welt los ist?«

»Wart einmal!« unterbrach ihn der Hetman, der bisher gesenkten Blickes gestanden hatte. Kein Kosak folgt in ernsten Dingen der ersten Wallung, sondern er schweigt und speichert in seinem Innern die grimme Kraft seines Unwillens an. »Wart einmal! Ich will euch ein Wort sagen. Und ihr – der Teufel soll euren leiblichen Vater versohlen –, was habt ihr denn getan? Habt ihr keinen Säbel gehabt? Was war eure Antwort auf solche Greuel?«

»Ihr habt leicht reden! Antwort auf solche Greuel . . . Hättet ihrs doch probiert, wo's von Polacken allein an die fünfzigtausend waren. Und – hängen wir der Katze die Schelle nur um – auch unter den Unsern hats Lumpen gegeben, die übergetreten sind zu denen ihrem dreckigen Glauben.«

»Und euer Hetman und die Obersten – was haben die gemacht?«

»Die Obersten sind gemacht worden, und zwar so, daß Gott uns alle in Gnaden davor behüte!«

»Was soll das heißen?«

»Das heißt es, daß unser Hetman heut in einem Kupferkessel gebraten zu Warschau liegt; und die Hände und Köpfe von unsern Obersten führen sie auf den Jahrmärkten herum und stellen sie vor dem Volk aus. Das haben unsere Obersten gemacht; jetzt wißt ihrs!«

Gleich einer Welle ging es durch die Versammlung. Anfangs lastete den ganzen Strand entlang ein Schweigen, wie es wütenden Stürmen vorausgeht; plötzlich aber erhoben sich Stimmen, das Ufer erbrauste von zornigen Worten:

»Was . . .! Die Juden haben christliche Kirchen in Pacht . . .! Die römischen Pfaffen spannen rechtgläubige Christen an ihre Deichseln . . .! Was . . .! Solche Martern muß man auf russischer Erde von den verfluchten Ketzern erleiden . . .! So springt man mit den Obersten und dem Hetman um . . .! – Nein, das dulden wir nicht, nein, das dulden wir nicht!«

Solche Reden flackerten überall auf. Die Kosaken lärmten empört und spürten im Zorn ihre Kraft. Dies war nicht mehr die fliegende Hitze leichtsinniger Glücksritter – hier entrüsteten sich feste und männische Herzen bis in ihr Tiefstes, Leute mit trotzigen Köpfen, die langsam Feuer fangen, in denen aber, ist es einmal geschehen, die Glut nicht so bald wieder stirbt und verglimmt.

»An den Galgen das ganze Judenpack!« gellte es aus der Menge. »Sie sollen ihren Schicksen nicht Röcke aus Meßgewändern nähen! Sie sollen nicht Zeichen machen über die heilige Hostie! In den Dnjepr mit den Ungläubigen! Ersäuft sie!«

Dies Stichwort, das irgendeiner gegeben hatte, schlug wie der Blitz ein, die Menge strömte in die Vorstadt, entschlossen, alle Juden niederzumachen.

Den unglücklichen Söhnen Israels, die von Haus aus keine Helden waren, fiel das Herz in die Hosen, sie verkrochen sich in leere Schnapsfässer, in Backöfen und sogar unter die Röcke ihrer Schicksen; aber die Kosaken stöberten sie überall auf.

»Erlauchteste Herren!« schrie ein langer, dürrer Jude und reckte seine jämmerliche, angstverzerrte Visage über die Häupter seiner Genossen vor. »Erlauchteste Herren! Laßt doch die armen Jüden sagen ä Wort, ä einzigstes Wort! Mer wollen euch eppes verzählen, was ihr noch nie habt gehört – eine so grauße Sache, es läßt sich gar nix beschreiben, wie grauß!«

»Na, laßt ihn reden!« sagte Bulba, der immer dafür war, auch den Angeklagten zu hören.

»Erlauchte Herren!« stammelte der Jude. »Solche Herren hat mer noch niemals gesehn, Gott soll mich strafen, gar nie! So goldne, so graußmütige, tapfre Herren waren noch nich auf der Welt!« Seine Stimme erstarb und bebte vor Angst. »Wer hat gesagt, daß mer könnten denken eppes Schlechtes von den Herren Kosaken? Das sind nich ünsere Leut, was machen den Pächter im Grenzland! Gott soll mich strafen: nich ünsere Leut . . . So was tut doch kä Jüd, der Teufel soll wissen, was das fer ä Volk is; anspucken soll mer de Gannefs, kalt soll mer se machen. Nu–u, sagen nich meine Freunde das gleiche? Is es die Wahrheit oder nich, was sagste, Schlomm, und du, Schmuhl, was sagste?«

»De lautere Wahrheit, Gott soll üns strafen!« krächzten Schlomm und Schmuhl, die Gesichter unter den zerlumpten Mützen weiß wie die Wand.

»Mer wären üns doch ßu gut«, fuhr der lange Jude fort, »daß mer hätten mögen auch nur bloß hinriechen ßu den Feinden; und de Katholischen, gar nix kennen wollen mer se: Gras soll wachsen vor ihre Tür! Wo mer doch sind ßu de Kosaken als wie die leiblichen Brüder . . .!«

»Was, wir Kosaken leibliche Brüder von euch . . .?« schrie einer aus der Menge. »Das werdet ihr nicht erleben, verfluchte Juden! An den Dnjepr mit dem Gesindel, ihr Herren, ersäuft sie, die Ungläubigen!«

Diese Worte waren das Zeichen. Die Juden wurden gepackt und ins Wasser geworfen. Klägliches Wehgeschrei erscholl weit und breit, aber die rauhen Kosaken lachten bloß, wie sie die Judenfüße beschuht oder strümpfig in der Luft zappeln sahen.

Der unglückliche Wortführer, der sich selbst um Kopf und Kragen geredet hatte, schlüpfte aus dem Kaftan, an dem man ihn schon gepackt hielt: er stürzte sich, bloß noch das scheckige, enge Kamisol am Leibe, Bulba zu Füßen, umklammerte seine Knie und flehte gottsjämmerlich:

»Graußmächtiger Herr, erlauchter Herr Graf! Iach hab doch gekennt Euern Bruder, den Herrn Doroscho, Gott hab ihn selig! Er is gewesen ä Krieger, was war de Blüte der Ritterschaft. Iach hab ihm gegeben ßu leihen achthundert Zechinen, daß er sich konnte kaufen los aus der Gefangenschaft bei de Terken . . .«

»Du hast den Bruder gekannt?« fragte Taraß.

»Gott soll mich strafen, wenn ich ihn nich soll haben gekennt! Er is gewesen ßu sein ne Seele von einem Herrn.«

»Wie heißt du?«

»Jankel.«

»Also, ist recht«, sagte Taraß und wendete sich nach kurzem Überlegen an die Kosaken: »Den Juden aufzuknüpfen ist immer noch Zeit; für heute gebt ihr ihn mir!«

Sprachs und führte ihn zu einem der Packwagen, wo seine Leute waren.

»Also, kriech unter den Wagen und leg dich hin und muckse dich nicht; und ihr, Brüder, paßt mir gut auf den Juden!«

Damit eilte der alte Taraß zum Gerichtsplatz, wohin schon das ganze Volk geströmt war. Der Strand lag ausgestorben, kein Kahn mehr wurde gedichtet – jetzt galt es nicht mehr dem Feldzug zu Wasser, sondern einem zu Lande. Da brauchte es nicht Schiffe, noch Kosakenboote, sondern Rosse und Wagen. Und nun wollte alles ins Feld, Alte und Junge; einstimmig wurde auf den Rat der Gemeindeältesten, des Hetmans und nach dem Willen des ganzen Kosakenheeres beschlossen, geradeswegs gegen Polen zu reiten, Rache zu nehmen für all die Unbill, für die Schändung des Glaubens und der Kosakenehre, die Städte zu plündern, die Dörfer und das Korn auf dem Felde zu brandschatzen, Ruhm zu gewinnen, der weit über die Steppe klänge. Schon gürtete sich ein jeder und griff nach den Waffen. Der Hetman war förmlich um eine Elle gewachsen. Dies war nicht mehr der zaghafte Knecht jeder Laune des freien Volkes, dies war ein unumschränkter Gebieter, war ein Despot, der nur zu befehlen verstand. Alle die eigenwilligen Becherschwinger und Ritter standen sauber ausgerichtet in Reih und Glied, sie senkten in Ehrfurcht das Haupt und wagten den Blick nicht zu heben, da der Hetman die Ordre ausgab. Er tat es mit leiser Stimme, ohne Schreien und Hast, sehr langsam und deutlich, wie ein alter Kosak, der sein Geschäft kennt und nicht zum erstenmal einen wohldurchdachten Kriegsplan ins Werk setzt.

»Schaut auf eure Ausrüstung; daß mir keiner was übersieht!« sagte er. »Bringt die Packwagen und die Teereimer in Ordnung, prüft eure Waffen! Ladet euch kein unnützes Zeug auf den Buckel: ein Hemd und zwei Paar Hosen für jeden und einen Topf Mehl oder Hirsebrei – mehr schleppt keiner mit sich! An Vorrat ist alles, was nur gebraucht wird, bei der Bagage. Zwei Pferde nimmt jeder Kosak ins Feld. Und zweihundert Paar Ochsen folgen im Troß, zum Vorspann an Furten und auf sumpfigem Boden. Und vor allem haltet mir Ordnung und Mannszucht, ihr Herren! Ich weiß, es gibt unter euch Leute, die, sowie der liebe Gott ein bißchen Beute beschert, gleich wie Verrückte Nanking und kostbaren Samt zu Fußlappen zerreißen. Laßt diesen höllischen Unfug, kümmert euch nicht um Röcke und Fetzen, nehmt nur Waffen, wenn ihr was Gutes bekommt, und Dukaten und Taler, weil das handliche Beute ist, die euch überall nützt! Und eins, ihr Herren, sag ich euch gleich: wenn sich einer im Felde besäuft – wie einen Hund laß ich den an den Packwagen binden, wer es auch sei, und mag es der beste Kosak aus dem Heer sein – wie ein Hund wird er auf der Stelle erschossen und ohne Begräbnis den Vögeln als Frühstück liegen gelassen, weil einem Saufaus im Felde kein ehrliches Christenbegräbnis gebührt. Ihr Jungen, hört mir gut auf die Alten! Wenn eine Kugel euch trifft oder ein Säbelhieb auf den Kopf oder wo anders hin, so glaubt nicht gleich, daß das etwas wäre! Verrührt einen Schuß Pulver in einem Glas Schnaps, trinkt das auf einen Zug herunter, und es hat sich gehoben – ihr kriegt auch kein Fieber; und auf die Wunde, wenn sie nicht gar zu groß ist, legt etwas Erde – die muß nur vorher im Handteller fest mit Spucke vermischt sein. Dann trocknet die Wunde schon ab. Und nun an die Arbeit, Kinder, munter zupacken, aber nichts überhudeln, daß alles richtig getan wird!«

Der Hetman hatte gesprochen, und kaum war seine Rede zu Ende, da machten sich schon die Kosaken ans Werk. Das ganze Lager war nüchtern geworden, Betrunkne fand man so wenig, als hätte es unter den Kosaken nie einen gegeben. Die einen besserten Radreifen aus und setzten neue Achsen unter die Wagen; andre luden Proviantsäcke oder Waffen auf die Fuhren; wieder andre trieben Gäule und Ochsen zusammen. Ringsum erscholl Pferdegetrappel, Probeschüsse krachten, Säbel rasselten, Kinder brüllten, Wagen quietschten und ächzten, muntres Geschwätz, helle Schreie, Hührufen . . . Und weit, weit dehnte sich alsbald der Heerzug der Kosaken über das Feld. Ein langer Weg wär es gewesen, wenn einer vom Kopf bis zum Schwanz des Zuges hätte laufen wollen. An dem Holzkirchlein hielt der Priester ein Bittamt und sprengte Weihwasser über die fromme Gemeinde, jeder küßte das Kreuz. Als das Heer in Bewegung kam und zum Lager hinauszog, wendeten alle Kosaken die Köpfe zurück.

»Leb wohl, liebe Heimat!« sagten sie wie aus einem Mund. »Schütz dich Gott vor Not und Gefahr!«

Beim Ritt durch die Vorstadt erblickte Taraß Bulba sein Jüdchen, den Jankel, der sich schon wieder eine Art Zelt aufgeschlagen hatte und Stein, Stahl, Pulver und allerlei Heeresbedarf feil hielt, wie man ihn auf dem Marsche gebraucht, auch Semmeln und Brot. – So ein verfluchter Jud! dachte Taraß bei sich, lenkte sein Pferd hinüber und sagte:

»Dummbart, was sitzt du denn da! Willst wohl heruntergeknallt werden wie ein Spatz?«

Jankel schlich näher zu ihm heran, machte mit beiden Armen Zeichen, als hätte er ihm ein ganz besondres Geheimnis zu offenbaren, und flüsterte hastig: »Soll der Herr bloß halten reinen Mund und niemand nix sagen: bei de Kosakenfuhren is eine, was is meine Fuhre; ja ich hab allerlei nötige Sachen fer de Kosaken, und ja ich werd unterwegs verkaufen diversen Proviant ßu so genaue Preise, wie se verkauft hat noch niemals ä Jüd; Gott soll es wissen, wie preiswert, Gott soll mich strafen: so preiswert.«

Taraß Bulba zuckte die Achseln und wunderte sich über die jüdische Geschäftstüchtigkeit. Dann sprengte er wieder zu seinen Leuten.


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