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Taraß Bulba war schon fast eine Woche mit seinen Söhnen im Lager. Ostap und Andri befaßten sich nicht viel mit kriegerischen Übungen. Im Lager hielt man wenig davon, Zeit und Mühe an den Friedensdienst zu verschwenden; der Ausbildung und Erziehung der jungen Mannschaft diente allein der praktische Ernstfall, das Schlachtgewühl, das darum auch fast nie zur Ruhe kam. Die Kosaken hätten es schandbar langweilig gefunden, die kurzen Friedenspausen mit dem Eindrillen irgendeiner Disziplin auszufüllen, höchstens, daß sie hie und da nach der Scheibe schossen und, selten einmal, ein Rennen oder eine Hetzjagd in der Steppe abhielten. Die übrige Zeit gehörte dem Pokulieren, dem man sich wahrhaft großzügig in die Arme warf. So bot das Lager ein erstaunliches Bild: das Leben hier war ein ununterbrochnes Gelage, ein Fest, das lärmend angefangen hatte und dem das Ende abgeschnitten zu sein schien. Der und jener trieb wohl ein Handwerk, manche hatten Buden aufgeschlagen und spielten den Handelsmann; der größte Teil aber zechte vom Morgen bis zum Abend, solange das Geld in der Tasche klang und der Beuteanteil noch nicht ganz in die Klauen der Krämer und Schankwirte gewandert war. Dies ewige Gelage hatte etwas Bezauberndes. Das war keine Versammlung von Schnapsbrüdern, die ihren Gram versaufen, es war ganz einfach das ausgelassene Becherschwingen urfröhlicher Leute. Wer hierher kam, vergaß alsbald und ließ fahren, was ihn bisher erfüllt hatte. Er pfiff auf das Vergangne und gab sich der freien Kameradschaft von seinesgleichen hin, ein Zecher ohne Verwandte und ohne Heimat außer dem weiten Himmel und der ewigen Lust. Hieraus entsprang die unbändige Lebensfreude, die aus keiner andern Quelle hätte fließen können. Die Geschichten und Witze, die man sich, faul auf der Erde liegend, im Kreis der Genossen erzählte, waren oft so komisch und wurden mit solchem Saft und solcher Frische vorgebracht, daß man schon die ganze äußerliche Gelassenheit des Kosaken besitzen mußte, dabei ein steinern ernstes Gesicht zu zeigen und nicht einmal mit dem Schnauzbart zu zucken. So hälts der Südrusse noch heutzutage, und das ist ein Zug, der ihn scharf von seinen Brüdern aus andern Landstrichen unterscheidet. Es war eine trunkne, lärmende Fröhlichkeit, aber es mischte sich nichts vom Ton der gemeinen Kneipe hinein, wo in mühsam gezwungener Lustigkeit der Mensch sich selber vergißt; die Kosakenfröhlichkeit gemahnte an einen vertrauten Kreis von Schulkameraden. Der Unterschied war nur, daß sie, anstatt mit dem Griffel den Zeilen entlangzufahren und dem öden Gewäsch des Lehrers zu lauschen, fünftausend Mann hoch zu Rosse stiegen und auf Abenteuer auszogen; statt der Spielwiese lag ringsum die große Steppe mit unbewachten, freien Grenzen, an denen höchstens einmal ein Tatar flüchtig seinen Kopf zeigte, oder ein grünbeturbanter Türke, ohne sich zu rühren, drohend herübersah. Statt sich, wie's auf der Schule ist, gemeinsam einem fremden Willen zu beugen, waren diese Leute dem eignen Willen gefolgt, hatten Vater und Mutter und Elternhaus verlassen. Es gab welche, die schon den Strick um den Hals gespürt und statt des bleichen Todes das Leben gefunden hatten, das Leben in seinem tollsten Übermut, es gab welche, die nach Ritterbrauch keinen Groschen in ihrer Tasche halten konnten, es gab welche, die bisher einen Dukaten für ein Vermögen gehalten hatten, und denen man, dank den freundlichen Bemühungen der jüdischen Pächter, die Taschen umdrehen konnte, ohne befürchten zu müssen, daß etwas herausfiele. Hier fand man Seminaristen, die sich den akademischen Prügeln nicht hatten fügen wollen und die von der Schule kaum die Kenntnis eines Buchstabens mitbrachten; aber zugleich fand man hier Leute, die sich wohl auskannten im Horaz, im Cicero, in der Geschichte des römischen Staates. Hier fand man viele von den Offizieren, die später in den königlichen Heeren Ruhm gewannen; hier fand man eine Menge jener alten Parteigänger, die die edle Überzeugung hegten, es wäre ganz gleich, für wen man fechte, wenn man nur fechte, weil ein Leben in Frieden eines anständigen Menschen unwürdig sei. Gar mancher war auch im Lager, um dort gewesen zu sein und dadurch in den Geruch des tapfern Ritters zu kommen. Wen es nach kriegerischen Taten gelüstete, oder nach goldnen Bechern, kostbaren Brokaten, nach Dukaten und Realen, für den gabs immer Arbeit. Bloß für Weiberhelden war hier kein Boden – nicht einmal in der Vorstadt des Lagers getraute sich je ein Frauenzimmer auch nur die Nase zu zeigen.
Ostap und Andri dünkte es höchst merkwürdig, was für eine Menge Volkes ins Lager einzog, ohne daß irgendeiner darnach gefragt hätte, woher die Leute kämen, wer sie wären, und wie sie hießen. Sie kamen her, als kehrten sie in ihr eignes Haus zurück, das sie erst vor einer Stunde verlassen hätten. Der neue Gast meldete sich einfach beim Hetman, und der sagte:
»Sei gegrüßt! Glaubst du an Christum?«
»Ja!« gab der Neuling zur Antwort.
»Und an den dreieinigen Gott glaubst du auch?«
»Ja!«
»Und du gehst in die Kirche?«
»Ja!«
»Also, dann schlag einmal das Kreuz!«
Der Ankömmling bekreuzigte sich.
»Ist schon gut«, sagte der Hetman, »such dir selber die Gemeinde aus, zu der du willst!«
Und damit war die Zeremonie beendet. Das ganze Lager ging in die gleiche Kirche und war bereit, sie bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, wenn der Kosak auch von Fasten und Kasteien nichts hören wollte. Habgierige Juden, Armenier und Tataren besaßen den Mut, in der Vorstadt zu hausen und Handel zu treiben. Reizen konnte sie das wohl, denn die Lagerbewohner feilschten nicht gern – soviel Geld einer auf gut Glück aus der Hosentasche zog, soviel warf er auch auf den Tisch. Übrigens hatten diese gierigen Krämer ein unsichres Los: sie glichen Leuten, die an den Hängen des Vesuvs Hütten bauen – hatten die Kosaken kein Geld mehr, so schlugen sie ihnen die Buden kurz und klein und nahmen sich, was sie brauchten, ohne zu zahlen.
Das Lager bestand aus mindestens sechzig verschiednen Gemeinden, deren jede eine selbständige Republik darstellte, oder vielleicht noch eher so etwas wie eine Schule, wo die Kinder alles von der Leitung zugeteilt bekommen. Niemand schaffte sich etwas an und besaß Eigentum; alles unterstand dem Gemeindeältesten, den man deshalb auch «Vater« nannte. Er verwaltete das Geld, die Kleider, die Nahrungsmittel, Mehl, Grütze, sogar das Brennholz; jeder gab ihm sein Geld zur Aufbewahrung. Nicht eben selten gab es Streit zwischen den Gemeinden; und dann kam es ohne weitres zur Rauferei. Man begab sich dazu auf den Gerichtsplatz und drosch so lange aufeinander los, bis eine Partei die Oberhand hatte; war es soweit, so wurde zum Abschluß ein großes Trinkgelage gehalten. Auf die Art verging die Zeit im Lager; solch ein Dasein hatte für junge Gemüter einen eignen Reiz.
Ostap und Andri stürzten sich mit dem ganzen Feuer der Jugend in dieses Meer der Freuden und vergaßen mit einem Schlag Vaterhaus und Schule und alles, was sonst ihr Herz bewegt hatte. Das neue Leben füllte ihr Denken aus. Alles fesselte sie hier: die fröhlichen Bräuche des Lagers und seine knapp und bestimmt gefaßten Regeln und Gesetze, die sie für solch eine freie Republik manchmal beinah etwas streng dünkten: ließ sich ein Kosak auf Diebereien ein, stahl er auch nur eine wertlose Kleinigkeit, so galt das als Schmach für die ganze Kosakenschaft; er wurde als ehrloser Lump an den Schandpfahl gebunden, und neben ihm lag ein Knüppel, mit dem mußte ihm jeder, der des Weges kam, einen Hieb versetzen, bis er zu Tode geschlagen war. Wer eine Schuld nicht bezahlte, wurde in Ketten an eine Kanone geschmiedet und saß dort so lange, bis einer von den Kameraden sich bereit fand, ihn durch Bezahlung der Schuld zu befreien. Den tiefsten Eindruck aber gewann Andri von der furchtbaren Strafe, die den Totschläger traf. An dem Platz, wo man ihn griff, wurde alsbald eine Grube ausgehoben, man stieß den Mörder hinein, stellte den Sarg mit der Leiche seines Opfers auf ihn und schaufelte wieder zu. Lange Zeit ging Andri die Erinnerung an solch eine grausige Hinrichtung nach, lange noch schwebte ihm das Bild des mit dem Sarg zusammen lebendig Begrabnen vor Augen.
Die beiden jungen Kosaken waren bald wohlgelitten bei den Kameraden. Oft zogen sie mit andern aus ihrer Gemeinde, manchmal auch mit der ganzen Gemeinde oder mit den Nachbargemeinden vereint, in die Steppe hinaus und schossen dort Mengen von Steppenvögeln, Hirschen und Rehen, oder sie fischten mit Netz und Angel in den Seen, Flüssen und Bächen, die den einzelnen Gemeinden durch das Los zugeteilt waren, und brachten reichen Fang für das Lager heim. Wurde das auch nicht zu den edeln Künsten gerechnet, in denen sich der richtige Kosak erprobt, sie konnten sich hier doch vor andern jungen Leuten durch Mut hervortun und dadurch, wie gut ihnen alles von der Hand ging. Geschickt und sicher schossen sie nach der Scheibe, sie durchschwammen den Dnjepr gegen den Strom – eine Leistung, für die man den Neuling schon feierlich in den Kreis der Kosaken aufnahm.
Der alte Taraß aber hatte andres mit ihnen im Sinn. Solch ein bummliges Leben war nicht nach seinem Geschmack – sie sollten richtig was lernen. Er ließ es sich durch den Kopf gehn: man müßte das Lager zu irgendeiner kecken Unternehmung aufstacheln, bei der seine Söhne sich tummeln könnten, wie sichs für Ritter geziemt. Endlich ging er eines schönen Tages zum Hetman und sagte ihm gerade heraus:
»Na, Hetman, findest du nicht, daß es Zeit war für einen fröhlichen Krieg?«
Der Hetman nahm ruhig das Pfeifchen aus dem Mund und spuckte zur Seite.
»Ja, das kannst du leicht sagen. Und gegen wen denn?« erwiderte er.
»Dumme Frage! Gegen das Türkenpack oder das Tatarengesindel.»«
»Türkenpack und Tatarengesindel – ganz ausgeschlossen«, sagte der Hetman und schob die Pfeife wieder mit Seelenruhe zwischen die Zähne.
»Was heißt denn: ausgeschlossen?«
»Das heißt . . . Wir haben dem Sultan nun einmal den Frieden beschworen.«
»Er ist doch ein Muselmann, Gott und die Heilige Schrift befehlen, gegen die Moslim zu kämpfen.«
»Wir haben das Recht nicht dazu. Wenn wir es ihm nicht bei unserm Glauben zugelobt hätten, dann könnte es vielleicht noch zur Not sein, daß es ginge. So aber nicht! Es geht nicht.«
»Was heißt: es geht nicht? Was redest du da: wir haben kein Recht? Und ich hab zwei Söhne, zwei junge Burschen. Ist noch keiner von ihnen ein einziges Mal im Krieg gewesen, und du sagst, wir haben kein Recht? Und du sagst, die Kosaken sollen nicht losgehn?«
»Weil es sich nicht gehört.«
»So? Aber gehört es sich denn, daß die Kosakenkraft einfach für nichts veraast wird, daß der Mensch verfault wie ein Hund, ohne richtig etwas zu tun, ohne der Heimat und der ganzen Christenheit den kleinsten Nutzen zu bringen? So? Wozu leben wir dann, möcht ich wissen, Hölle und Teufel, wozu denn? Erklär mir das mal! Bist ein gescheiter Kerl, nicht wahr, man weiß, weshalb du zum Hetman gewählt bist: erklär mir einmal, wozu wir dann leben?«
Der Hetman gab keine Antwort auf diese heftige Frage. Er war ein dickschädliger Kosak. Er blieb eine Weile stumm und sagte dann:
»Krieg gibt es drum doch nicht.«
»Krieg gibt es also nicht?« fragte Taraß von neuem.
»Nein.«
»Also, gar nicht daran zu denken, was?«
»Gar nicht daran zu denken, nein.«
– Wart nur, du Teufelsbraten! dachte Bulba bei sich. – Du lernst mich noch kennen! – Und er beschloß, dem Hetman das einzutränken, je früher, je besser.
Er munkelte heimlich mit dem und jenem und gab dann seinen Getreuen ein tüchtiges Fest. Von dort zogen die berauschten Kosaken, ihrer wenige nur an Zahl, auf den Platz, wo an einer Säule die Kesselpauken hingen, deren Klang die Kosaken zur Ratsversammlung berief. Da sie die Schlegel nicht fanden, weil sie der Pauker in sicherm Gewahrsam hatte, griff jeder zu einem Holzscheit und ballerte munter drauf los. Auf den Lärm hin kam zuerst der Pauker gelaufen, ein langer Kerl mit nur einem Auge, das aber verschlafen aussah für zwei.
»Wer untersteht sich, die Pauken zu schlagen?« schrie er.
»Halts Maul! Nimm deine Schlegel und gib Alarm, wenn mans dir befiehlt!« erwiderten die trunknen Ältesten.
Der Pauker zog ungesäumt die Schlegel hervor, die er gleich mitgebracht hatte, weil er wohl wußte, was für ein Ende solche Geschichten zu nehmen pflegten. Die Pauken dröhnten, und alsbald wimmelten die Kosaken in dunkeln Scharen wie Hummeln über den Platz. Sie bildeten einen Ring, und nach dem dritten Wirbel erschien endlich die höchste Behörde: der Hetman, als Zeichen der Herrschaft den Stab in der Hand, der Richter mit dem Heeressiegel, der Schreiber mit dem Tintenfaß, der Oberstleutnant mit dem Stock. Der Hetman und die Beamten zogen die Mützen und verneigten sich nach allen Seiten vor den Kosaken, die spreizbeinig standen, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Was bedeutet diese Versammlung? Was wünscht ihr Herren?« sagte der Hetman.
Wüstes Geschimpf und Geschrei unterbrach ihn. »Leg den Stab hin! Legst du wohl gleich den Stab hin, Satansbraten! Wir wollen dich nicht mehr!« schrieen ein paar Kosaken aus der Menge.
Einige nüchtern Gebliebne schienen sich widersetzen zu wollen; und es entspann sich ein wildes Gerauf zwischen Nüchternen und Betrunknen. Der Spektakel griff um sich.
Der Hetman wollte anfangs noch einmal das Wort erbitten, aber er wußte, daß die hitzige Versammlung imstande war, ihn als Antwort darauf zu Tode zu prügeln. Das pflegte bei solchen Gelegenheiten häufig das Ende zu sein. Darum verneigte er sich respektvoll, legte den Stab hin und tauchte schnell in der Menge unter.
»Ihr Herren, befehlt ihr, daß auch wir die Amtszeichen niederlegen?« sagten der Richter, der Schreiber und der Oberstleutnant und waren schon drauf und dran, Tintenfaß, Heeressiegel und Stock von sich zu tun.
»Nein, ihr bleibt!« schrie es aus der Menge. »Wir wollten nur den Hetman forthaben – er ist ein altes Weib, wir brauchen ein Mannsbild als Hetman.«
»Wen wählt ihr denn nun zum Hetman?« fragten die Beamten.
»Kukubenko wollen wir!« schrieen einige.
»Nichts Kukubenko!« schrieen andere. »Ist zu jung, hat ja noch einen Milchbart!«
»Schilo soll Hetman sein!« schrieen wieder andre. »Wir wollen Schilo zum Hetman!«
»Steckt ihn euch in den Hintern, den Schilo!« ereiferte sich wütend die Menge. »Ist das auch ein Kosak? Das Diebsgesicht! Der Hundsfott stiehlt wie ein Tatar! Zum Teufel in die Hölle mit euerm Schilo, dem Süffel!«
»Borodaty! Borodaty wird Hetman!«
»Wir wollen keinen Borodaty! Des Teufels Großmutter soll ihn versohlen!«
»Schreit: Kirdjäga!« flüsterte Taraß Bulba einigen zu.
»Kirdjäga! Kirdjäga!« schrie die Menge. »Borodaty! Borodaty! Kirdjäga, Kirdjäga! Schilo! Zum Teufel mit Schilo! Kirdjäga!«
Alle die Kandidaten drückten sich, sobald sie ihren Namen rufen hörten, schleunigst aus dem Ring, daß ja nicht die Meinung aufkommen könnte, sie bemühten sich etwa persönlich um ihre Wahl.
»Kirdjäga! Kirdjäga!«Der Name wurde am lautesten gerufen. »Borodaty!«
Man ging daran, sich mit den Fäusten zu überzeugen, und Kirdjägas Freunde gewannen den Sieg.
»Holt Kirdjäga!« wurde geschrieen.
An die zehn Kosaken machten sich spornstreichs auf; ein paar davon konnten kaum auf den Füßen stehen – so schwer hatten sie geladen. Sie suchten Kirdjäga, ihn von seiner Erwählung zu unterrichten.
Kirdjäga war ein alter Kosak und ein heller Kopf. Er saß schon lange zu Hause und tat jetzt so, als hätte er keine Ahnung davon, daß etwas Besondres geschehen war.
»Nun, ihr Herren? Was wünscht ihr?« fragte er.
»Komm mit! Du bist zum Hetman gewählt.«
»Jesus Barmherzigkeit, ihr Herren!« sagte Kirdjäga. »Wie soll mir so eine Ehre anstehn? Was wär ich denn für ein Hetman! Da reicht es bei mir ja im Kopf nicht, um so ein Amt zu verwalten. Habt ihr denn keinen Bessern finden können im ganzen Heer?«
»Geh einfach mit, wenn man es dir sagt!« schrieen die Kosaken.
Zwei von ihnen packten ihn bei den Armen, und wie er sich auch mit den Füßen stemmte, er wurde schließlich doch auf den Platz geschleppt, unter Schimpfworten, Rippenstößen, Fußtritten und freundlichem Zuspruch, wie diesem: »Hörst du jetzt noch nicht bald auf mit dem Bocken, du Teufelsbraten? Wenn man dir die Ehre erweist, Hundsfott, so nimm sie an!« Auf diese Art wurde Kirdjäga in den Ring der Kosaken geführt.
»Nun, wie ist es, ihr Herren?« riefen die Leute, die ihn gebracht hatten. »Ist es euch recht, daß dieser Kosak unser Hetman wird?«
»Ist uns schon recht!« schrie der Haufe, und von seinem Geschrei erdröhnte die Weite.
Einer von den Beamten nahm den Stab und trug ihn dem neugewählten Hetman hin. Kirdjäga weigerte sich, wie es Brauch war, ihn zu empfangen. Der Beamte reichte ihm den Stab zum zweitenmal. Zum zweitenmal wies ihn Kirdjäga zurück, und erst beim drittenmal nahm er ihn an. Die Menge brach in tosenden Beifall aus, und wiederum dröhnte von dem Geschrei der Kosaken die Weite. Dann traten aus dem Kreise des Volkes vier von den ältesten Männern, Kosaken mit grauen Schöpfen und grauen Bärten. Sehr alte Leute gab es freilich im Lager nicht, weil kein Kosak eines natürlichen Todes starb. Jeder der vier nahm eine Handvoll Erde und legte sie dem Hetman aufs Haupt. Die Erde war völlig vom Regen durchweicht und zu Schmutz geworden, sie rann ihm vom Kopf herunter, über den Schnauzbart, über die Wangen, und verschmierte ihm das ganze Gesicht. Kirdjäga aber stand, ohne zu zucken, und dankte den Kosaken für die erwiesene Ehre. So war denn die stürmische Wahl vollzogen. Es hatte vielleicht nicht jeder Freude daran, Taraß Bulba aber genoß seine Rache an dem früheren Hetman; und außerdem war Kirdjäga ein alter Kamerad von ihm, sie hatten die gleichen Feldzüge zu Wasser und Land hinter sich gebracht, hatten Not und Mühen des Kriegerlebens gemeinsam getragen.
Das Volk zerstreute sich nun, die Wahl zu feiern, und es erhob sich ein Pokulieren, wie es Ostap und Andri noch nicht erlebt hatten. Die Kneipen wurden zertrümmert, Met, Schnaps und Bier raffte man ohne Bezahlung an sich; die Schankwirte waren herzlich froh, wenn nur sie selber ganz blieben. Die Nacht verging mit Geschrei und Liedern zum Preise tapfrer Taten; als der Mond aufgegangen war, sah er sie noch lange durch die Straßen ziehen, die Musikanten mit Pandoren, Theorben und Lauten und den Kirchenchor, der nicht nur bestallt war, beim Gottesdienste zu singen, sondern auch den Kosakenruhm mit weltlichen Liedern zu preisen. Endlich begannen der Rausch und die Müdigkeit die starken Männer zu fällen. Bald hier, bald dort sah man einen Kosaken zu Boden sinken; Kameraden umarmten sich tief gerührt, schluchzten gottsjämmerlich und fielen innig umschlungen in den Dreck. Hier lag ein ganzer Haufe beisammen; dort suchte einer sorgsam nach einem recht bequemen Plätzchen und legte sich dann grade auf einen Holzklotz. Der letzte, der Held, der am meisten vertrug, hielt noch für sich allein eine nicht sehr klar geordnete Rede; schließlich überwältigte auch ihn der mächtige Rausch, er taumelte nieder, und nun schnarchte das ganze Lager.