Johann Wolfgang von Goethe
Naturwissenschaftliche Schriften 1792 - 1797
Johann Wolfgang von Goethe

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Betrachtungen über die Farben

geschrieben vor Mainz im Juni 1793
Juli
unterwegs im August

 

Alle gefärbten Gläser zeigen die Gegenstände dunkler, als wir sie mit bloßen Augen oder durch ein reines farbloses Glas sehen.

(Ist auszuarbeiten, weil die Prismatischen Farben auch dadurch gesehen oder durch gefärbte Medien zu betrachten sind.)

Sie geben dem Bilde, das ich dadurch betrachte, das, was die Maler Ton nennen; so wird ein gelbes Glas dem Bilde ein warmes, als wenn die Sonne lebhaft schiene, ein blaues ein kaltes winterhaftes Ansehen geben. Die gelbe oder blaue Farbe wird also über das ganze Bild gleich verteilt sein, eben als ob man es mit einer durchsichtigen Farbe angestrichen hätte, allein die Farbe wird nicht an allen Teilen des Bildes gleich lebhaft sein.

(Wie auf Licht und Schatten? Wie auf andren Farben?) 350

 
Wirkung der farbigen Gläser
auf Licht und Auge

Walters Versuch über die Sehnerven mit farbigen Gläsern angestellt.

Wenn man ein farbiges Glas vors Auge nimmt, erscheinen

1. die Gegenstände alle dunkler, als man sie vorher gesehen, insofern sie schwarz oder weiß sind.

2. Tingiert von der Farbe des Glases
(Helle Kreise enger)

und

3. insofern die Gegenstände farbig sind, werden die Farben nach Art und Weise der Farbe des Glases modifiziert.

Zu diesen Versuchen brauche man den farbigen Kreis, der schon mehr empfohlen ist.

Man kann auch das prismatische Farbenbild durch diese Gläser ansehen.

Es wird vollkommen zurückgeworfen.

Einzeln zu erzählen, wie es durchgeht.

 
Ein gelbes Glas

macht die Gegenstände warm, lebhaft, munter aussehen und macht einen angenehmen Eindruck aufs Auge. Eine weiße Fläche sieht gelb aus.

Das Gelbe gelber

Das Gelbrote höher

Das Blaue grünlich

Das Violette verschwindet

(Verschwindet besser, wird unfarbig schmutzig)

Das Grüne gelbgrüner

Das Purpur verschwindet?

 
Ein gelbrotes Glas

 
Ein blaues Glas

macht die Gegenstände kalt, traurig, tot, macht einen widrigen Eindruck aufs Auge.

Eine weiße Fläche sieht blau aus. 351

Das Blaue blauer

Das Violette blaulicher

Das Gelbe grünlich

Das Gelbrote?

Das Grüne blaulicher

Der Purpur violetter.

 
Ein violettes Glas

 
Ein grünes Glas

 
Ein purpurfarbenes Glas

Man lasse nun den farblosen Sonnenstrahl in der Camera obscura durch farbige Gläser fallen, das auf einer weißen Fläche aufgefangene Bild wird dunkler und tingiert sein.

(Undurchsichtigkeit der farbigen Liquore und Gläser.) (Delaval.)

Man lasse das prismatische Bild durch farbige Gläser fallen, und ähnliche Resultate wie oben werden sich zeigen.

Die Resultate sind gleich, man mag das Prisma aus farbigen Gläsern zusammensetzen oder den Liquor färben oder durch ein farbiges Glas das Bild durchgehen lassen.

NB. Gewöhnlich sind die farbigen Gläser unrein, haben zweierlei Seiten.

(Alle Glastafeln, die nicht geschliffen sind, haben zweierlei Seiten.)

 
Licht

hat die größte Affinität zu den Farben der Körper?

vom Bleichen.

Wirkung des Lichts auf Bretter hinter Kupferstichen.

(Senebier)

? Gibt zum Beispiel bei der Refraktion diese Bedingung dem Licht eine verschiedene Richtung oder nehmen die Teile des Lichts eine verschiedene Richtung an und für sich in diesem Falle an.

(Werden zusammengedrängt und halb verfinstert, ausgedehnt halb verfinstert.) 352

 

Newtonische Lehre Maratische Lehre
1. Das Licht ist zusammengesetzt: heterogen. Gleichfalls.
2. Das Licht ist aus farbigen Lichtern zusammengesetzt. Gleichfalls.
3. Das Licht wird durch Refraktion, Reflexion und Inflexion dekomponiert. Das Licht wird nur durch Inflexion dekomponiert. Refraktion und Reflexion zeigen nur deutlicher, was schon durch Inflexion getan ist.
4. Es wird in sieben, vielmehr in unzählige dekomponiert. Es wird nur in drei dekomponiert, deren Mischungen sehr mannigfaltig sind.
5. Wie es dekomponiert worden, kann es wieder zusammengesetzt werden. Gleichfalls.
6. Die apparenten Farben entstehen nicht durch eine Determination des Lichts von außen, nicht durch eine Modifikation durch Umstände.

 

Resultate meiner Erfahrungen

1. Das Licht ist das einfachste, unzerlegteste, homogenste Wesen, das wir kennen. Es ist nicht zusammengesetzt.

2. Am allerwenigsten aus farbigen Lichtern. Jedes Licht, das eine Farbe angenommen hat, ist dunkler als das farblose Licht. Das Helle kann nicht aus Dunkelheit zusammengesetzt sein.

3. Inflexion, Refraktion, Reflexion sind drei Bedingungen, unter denen wir oft apparente Farben erblicken, aber alle drei sind mehr Gelegenheit zur Erscheinung, als Ursache derselben. Denn alle drei Bedingungen können ohne Farbenerscheinung existieren. Es gibt auch noch andere Bedingungen, die sogar bedeutender sind, als zum Beispiel die Mäßigung des Lichts, die Wechselwirkung des Lichts auf die Schatten.

4. Es gibt nur zwei reine Farben, Blau und Gelb, eine Farbeigenschaft, die beiden zukommt, Rot und zwei Mischungen Grün und Purpur; das übrige sind Stufen dieser Farben oder unreine.

5. Weder aus apparenten Farben kann farbloses Licht, noch aus farbigen Pigmenten ein weißes zusammengesetzt werden. Alle aufgestellten Experimente sind falsch oder falsch angewendet.

6. Die apparenten Farben entstehen durch Modifikation des Lichts durch äußere Umstände. Die Farben werden an dem Lichte erregt, nicht aus dem Lichte entwickelt. Hören die Bedingungen auf, so ist das Licht farblos wie vorher, nicht weil die Farben wieder in dasselbe zurückkehren, sondern weil sie zessieren. Wie der Schatten farblos wird, wenn man die Wirkung des zweiten Lichtes hinwegnimmt.

Lager bei Marienborn, den 15. Juli 1793.

Goethe

 

Neuton Wünsch Marat
Das Licht ist teilbar,
und zwar in verschiedenfarbige Lichtteile
Durch Refraktion,
Reflexion und
Inflexion
Durch
Reflexion
nicht durch Refraktion
noch durch Reflexion,
sondern bloß durch
Inflexion
in sieben oder vielmehr unzählige, die sich auf sieben reduzieren in drei in drei
violett
blau
grün
gelb
rot
violett
grün
rot
blau
gelb
rot

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