Johann Wolfgang von Goethe
Naturwissenschaftliche Schriften 1792 - 1797
Johann Wolfgang von Goethe

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Wirkung des Lichts auf organische Körper
im Sommer 1796

Versuche über die Einwirkung des Lichts auf das Wachstum der Pflanzen

Am 16ten Junius 1796 brachte ich Kressensamen und Bohnen in 5 Äsche, bedeckte

No. 1. mit einem Topfe,

No. 2. mit einem weißen Glase,

No. 3. mit einem gelben,

No. 4. mit einem blauen,

No. 5. mit einem violetten.

Nicht weniger säete ich einige Tage darauf Kressensamen auf einem Fries, halb bedeckt halb offen. No. 7.

Der Kressensamen No. 1. entwickelte sich meist über der Erde, indem er nur mit einer kleinen Spitze in die Erde 197 drang, an der Wurzel oberhalb sah man die feinsten Härchen sich entwickeln, die völlig wie Schimmel aussahen aber zur Wurzel gehörten, dieses Phänomen konnte man noch schöner an denen unter dem Topf No. 7 sehen.

Die Wurzeln von No. 1. drangen sehr wenig in die Erde, sie waren am 27ten Juni einen halben höchstens 3 Quart französischen Zoll lang, dagegen war das Stielchen, vom Wurzelpunkte bis an die Kotyledonen, bis dritthalb französische Zoll, ja bei einigen drüber. Dieses Stielchen war ganz weiß, die Kotyledonen gelb und kaum bis zu ihrer dreifachen Teilung entwickelt, die bedeckten von No. 7. verhielten sich eben so.

Die offnen Pflanzen von No. 7, die ihre Wurzeln durch den Fries ins Wasser getrieben hatten, hatten diese Wurzeln drei Zoll lang die Länge des Stielchens bis an die Kotyledonen waren 9 bis 10 Linien, das Stielchen grünlich, die Kotyledonen entwickelt und etwa vier Linien lang.

Ich hatte zu gleicher Zeit in die freie Erde Kressensamen gesäet den ich hier mit No. 8 zeichnen will. Die Würzelchen waren ohngefähr 9 Linien, das Stielchen nicht gar ein Zoll, die größere Hälfte war unter der Erde gewesen und weiß die andere Hälfte violettlich, die Kotyledonen waren vollkommen entwickelt und der zweite Keim schon im Anzuge.

Da auf diese Weise die Erfahrungen zu notieren zu beschwerlich geworden, so ist solches auf nachstehende tabellarische Art geschehen. Tab. I und II.

Ferner Montags den 20ten Juni wurden unter einem Kasten in freiem Lande gesäet.

1. Teltower Rübchen.

2. Mangold

3. Radisen

4. Bohnen

5. Kressen

Auch fanden sich zweiblättrige Gurken deren zweites Blatt noch nicht recht entwickelt war, auf demselben Beete.

Die Beobachtungen siehe Tab. III. 198

 

Tabelle I


Bohnen gelegt den 16ten Junius 1796. Beobachtet den 27ten Juni 1796. Franz. Maßstab Wurzeln Stielchen bis an die Kotyledonen Kotyledonen selbst waren am 27. Junius Allgemeine Bemerkungen

No. 1 Topf Eine regelmäßig in die Erde getrieben. Lang 1 Zoll die Seitenwurzeln, fast etwas länger, sehr regelmäßig nach 4 Seiten zu. 2½ Zoll ganz weiß Vom Herzchen aus verschimmelt. Vorstehendes gilt nur von einer, die übrigen hatten sich kaum entwickelt.
No. 2. farblos Glas. 1¼ Zoll. Die Seitenwurzeln länger, die regelmäßige Richtung nach den 4 Seiten nicht so deutlich. bis 2 Zoll ziemlich grün. die Kotyledonen u. die zwei folgenden Blätter entwickelt, der dritte Keim im Aufzuge. Die Feuchtigkeit in diesem Asch verdunstet am geschwindesten. Es war keine Bohne zurückgeblieben.
No. 3. gelbes Wie No. 2. 1½ Zoll ziemlich grün. Das Corculum kaum entwickelt. Gilt auch nur von einer die übrigen waren noch zurück.
No. 4. blaues Fast in allem wie No. 3.
No. 5. violettes wie die vorigen 3 Zoll gebogen wegen Druck des Glases. Schön grün, im abtrocknen. Die 2 folgenden Blätter besser als No. 2 entwickelt. Diese Nummer war sehr stark und mächtig gewachsen, 5 Bohnen gleich, sie hatten das Glas in die Höhe gehoben. Die Stiele waren stark und überhaupt die Vegetation vortrefflich
No. 8. in freier Luft und Land. wie alle. 2½ Zoll grade. noch schöner grün. in der Entwicke lung der folgenden Blätter kein merklicher Unterschied gegen No. 5. Sie sahen fast noch schöner grün aus.

 

Tabelle II


Kressensamen gesäet den 16ten Junius 1796. beobachtet den 27ten Juni 1796. Franz. Maßstab Wurzeln Stielchen bis an die Kotyledonen Kotyledonen selbst waren am 27ten Junius

No. 1.
Mit einem Topf bedeckt.
Höchstens ¾ Zoll lang, anfangs entwickelt über der Erde feine Härchen wie Schimmel gestaltet. 2½ Zoll ganz weiß. Kaum bis zu seiner dreifachen Teilung entwickelt. Gelb. Zwar noch ganz frisch, doch zeigte sich an den Wurzeln etwas Schimmel
No. 2
Mit einem weißen Glase.
¾ Zoll ¾ Zoll weißlich ½ Zoll Verdorrt wegen unterlassenem Gießen, hatte überhaupt am meisten ausgedünstet.
No. 3.
Mit einem gelben
Gelb, 1 Zoll 1¼ Zoll ¾ Zoll Verwelkt, wahrscheinlich wegen der drückenden Sonne und eingeschlossenen Feuchtigkeit.
No. 4.
Mit einem blauen
1 Zoll 1 Linie 1 Zoll. ⅓ Zoll Wie das vorhergehende.
No. 5.
Mit einem violetten
1 Zoll bis 2 Zoll 10 Linien
NB. Das Stielchen der Kotyledonen bis an die dreifache Teilung das längste.
eben so frisch und schön als lang. Dieser Asch hatte etwas Luft.
No. 6.
Auf Fries mit einem Topf bedeckt.
1 Zoll und 2 bis 3 Linien die feinen Wurzelhärchen hatten den Flanell stark angefaßt. wie No. 1. Wie No. 1 nur etwas grüner Frisch.
No. 7.
Gleichfalls unbedeckt.
Durch den Fries ins Wasser getrieben 3 Zoll. 9 bis 10 Linien, grünlich. gut entwickelt
4 Linien.
No. 8.
In freier Luft und Land.
9 Linien nicht gar ein Zoll die größte Hälfte unter der Erde weiß die andere violettlich. Vollkommen entwickelt, der zweite Keim schon im Anzuge.

 

Tabelle III


Gesäet den 20. Juni und mit einem Kasten bedeckt. Beobachtet den 5ten Juli. NB. im Lande Wurzeln Stielchen bis an die Kotyledonen Kotyledonen selbst Erstes Blätterpaar Allgemeine Bemerkungen

No. 1. Teltower Rübchen. ½ Zoll 3½ Zoll bis 4 Herzförmig, kaum entwickelt eins größer als das andere.
No. 2. Mangold. eigentlich Runkelrüben. 1 Zoll und etwas drüber. 3 Zoll, purpurfarbig. Zungenförmig, einer kürzer als der andere, kaum entwickelt.
No. 3. Radisen. Waren gar nicht aufgegangen.
No. 4. Bohnen. Wie immer Über 7 Zoll; ganz weiß. In gutem Zustande, mäßig ausgetrocknet. Der Stiel bis ans erste Blätterpaar 1 Zoll die Blätter selbst schön entwickelt mit ihrem Stielchen bis zu einem Zoll lang, grünlich gelb
No. 5. Kressen. Über 1 Zoll. 3 Zoll und drüber. Kaum entwickelt. Einer kürzer als der andere.
NB. Diese letzte Bemerkung ist wahrscheinlich eine allgemeine Folge des Aneinanderrückens zweier Keime um den doppelten Kotyledon zu formieren.

NB. An den Blättern der Bohnen hielten sich wohl einige Kellerläuse auf, ohne daß man jedoch einigen Schaden bemerkte. Aber Gurken, deren zweites Blatt schon entwickelt war ehe man den Kasten drüber deckte, waren von den Insekten völlig aufgefressen. 204

 


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