Johann Wolfgang von Goethe
Naturwissenschaftliche Schriften 1792 - 1797
Johann Wolfgang von Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Eigenschaften der Monokotyledonen

Eigenschaft der Monokotyledonen daß sie zur Fruktifikation eilen, nicht der Zeit sondern der Form nach

Sie überspringen die Mittelglieder der Bildung, durch 124 welche bei vollkommnern Pflanzen die Gestalt hindurch geht.

Man muß sagen einige Mittelglieder der Bildung, da man von den Akotyledonen sagen kann sie überspringen alle Mittelglieder.

In außerordentlichen Fällen geschieht selbst dieses. So fand sich an einer Serapias etwas den Staubbeuteln Ähnliches an den Stengelblättern entwickelt.

Jene Formel wird uns bei der Betrachtung aufs beste leiten, da das Überspringen der Bildungsglieder auf mehr als Eine Weise geschehen kann. Dagegen wenn ich, wie Jussieu, sage daß ihnen die Krone fehle, so kann ich auf keine allgemeine Einstimmung hoffen weil wir in einzelnen Fällen die Gegenwart der Krone kaum leugnen können.

Daß oft die Krone fehlt gibt man gern zu; es ist aber dieses nur Eine Art wie die Bildungsglieder übersprungen werden und keine Art des Überspringens ist beständig.

Das Eilen kann sogar stufenweise geschehen und unsere Formel bleibt noch immer gültig.

Die Monokotyledonen eilen zur Fruktifikation, nicht der Zeit nach, denn es gibt viel Dikotyledonen, die weit geschwinder zu Blüte und Frucht gelangen als die meisten Monokotyledonen.

(Nachzusehen, was von Monokotyledonen einjährig ist außer den Gräsern.)

Vielmehr findet man bei vielen derselben eine Voranstalt in der Erde, durch Zwiebeln und dergleichen, ehe sie Blüte und Frucht hervorbringen können.

Man hat die Zwiebel mit Recht eine Knospe unter der Erde genannt und eben diese Neigung Knospen unter der Erde, nah an dem ersten Entwicklungspunkte, zu bilden kommt bei den Monokotyledonen oft vor.

Die Gräser entwickeln oft viele Knoten ganz nah an dem ersten Entwicklungspunkte was man bestocken nennt.

Eben diese Vorbereitung unter oder an der Erde macht, daß die Entwicklung nachher gar bald vor sich gehen kann.

Ihre Haupteigenschaft ist daß sie sehr selten ein Auge zum Zweige entwickeln, sondern daß jedes Auge, so bald es hervortreibt sogleich zum Blütenstande hineilt.

Entwickeln sich Augen zu einer Art von Zweigen, so ist 125 sogleich etwas Sonderbares dabei wie beim Hyacinthus monstrosus, welcher eine sprossende Blume darstellt.

Bei den Spargeln, wo die Augen wirklich Zweige treiben, wird man zu weitern Betrachtungen hingewiesen.

Selbst bei den Palmen welche so langsam in die große Höhe wachsen ist der Fall, daß sie nur Stengelblätter treiben das erste Auge, welches treibt ist gleich Blüte und Frucht.

Man könnte also in einem gewissen Sinn der Palme die Eigenschaft eines Baumes absprechen und sie nur eine ungeheure Staude nennen, so wie denn die Monokotyledonen durchaus besonders im Innern eine weichere Natur sind und man ihnen im eigentlichen Sinne kein Holz zuschreiben kann.

Hierauf müßte nun die verschiedene Art wie sie zur Fruktifikation eilen einzeln durchgegangen werden.

Unblättriger Stengel, besonders der Zwiebelgewächse, unmittelbarer Übergang von der Wurzelnähe zur Blume.

Färbung des Kelches dieser vertritt die Stelle der Krone.

Unmittelbare Kreisstellung der Stengelblätter zu einem Quasikelch Paris quadrifolia Trillium.

Annäherung der Kronenblätter zu Pistill und Anthere.

Bei regelmäßiger Gestalt und deutlichen Übergängen Canna. Crocus. Iris.

Bei unregelmäßiger Gestalt und rätselhafterem Übergang Orchis, Satyrdum, Serapias, Ophrys. Fast die ganze Linneische Gynandrie.

Spadix und Spatha

Die Ähren.

Glumae nur verkümmerte Stengelblätter.

Die Früchte stehen unmittelbar am Stengel ohne Stil, umgeben den Stengel gedrängt und diese Stellung wirkt stark auf ihn so daß er zur gemeinsamen Fruchtstütze wird.

Veränderung desselben an Gestalt und Bestandteilen. Zea Mays. Bromelia. Ananas.

Dieser Fall kommt wieder bei den Coniferis vor nur mit dem Unterschied daß bei diesen der Zapfen geschlossen ist und nur selten durchwächst, dort aber der Stengel im gewöhnlichen Zustande durch die Frucht durchgeht und mehr oder weniger oben drüber in seinem natürlichen Zustande erscheint.

 


 << zurück weiter >>