Johann Wolfgang von Goethe
Naturwissenschaftliche Schriften 1792 - 1797
Johann Wolfgang von Goethe

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Wirkung des Lichts

Wirkung des Lichts auf organische Körper.

Es kann betrachtet werden als ein Reizmittel, das auf die Körper wirkt, und verschiedene Wirkungen innerhalb derselben hervorbringt das etwas aus ihnen entbindet und sie disponiert, etwas anderes von außen anzunehmen, oder es kann auch als Stoff betrachtet werden, der in die Körper eindringt und nachher einen Teil von ihnen ausmacht.

 

Zu betrachten sind:
1. Lichtscheue Pflanzen.
2. Lichtscheue Tiere.
3. Lichtscheue Insekten.
Finsternis und Feuchtigkeit. Licht und Trockne
Lichtscheue Insekten. Verzeichnis zu machen.

Zum Teil.
Wegen eines Organes, etwa des Auges
Oniscus
Scolopendra
Julus
Lumbricus

Im Ganzen.
Vielleicht weil der Körper die Trockenheit flieht, vielleicht weil der Reiz zu groß ist und gewisse ihrer animalischen Flüssigkeiten zu schnell entbindet

NB. Es phosphoreszieren verschiedene derselben.

Zu gewissen Zwecken und unter äußern Umständen wie es scheint.

Die Bienen verkleben die Gläser daß es dunkel werde.

Erfahrungen mit Ameisen.

Sie belegen eine Glasglocke erst rings herum mit Erde und bauen an, wenn das Glas schwitzt, indem sie mit ihrer übrigen Arbeit zurücken, immer höher herauf.

Sie tragen nach meiner Erfahrung ihre Puppen, nackte oder umsponnene, immer aus dem Lichte.

(Die wunderbarsten Phänomene der Ökonomie der Insekten besonders bei dem Bau ihrer Wohnungen lassen sich vielleicht auf das unmittelbare Gefühl des Bedürfnisses, des Materials und Lokals am besten reduzieren). 222

 

Wurzeln.

Die Wurzelpunkte, sowohl der Samen als der Knoten, werden durch Feuchtigkeit entwickelt, die Wurzel sucht die Nässe und liebt die Finsternis, jene ist nötig zu ihrer Nahrung und in dieser entwickeln sich ihre Teile mit einiger Freiheit, anstatt daß sie das Licht zu fliehen scheinen.

Im Finstern suchen die Wurzeln nicht so gewaltsam den Boden als im Lichte, Kressensamen heftete sich anfangs nur mit einem Spitzchen ein, indes der obere Teil der Wurzel sich ringsum mit feinen Fäserchen bedeckte. So brachten auch einige Bohnen und Wicken ihre Wurzeln und Wurzelfasern über der Erde hervor. Kressensamen, im Lichte auf Fries gesäet schlug Wurzeln von großer Länge an welchen sich starke Seitenfasern entwickelten, in das Wasser unter dem Friese. Ein horizontalliegender Samen des Sedum arborescens brachte viele feine Wurzeln am Tage hervor, und es schien mir als ob sie sich alle von dem Fenster ab und nach dem Zimmer zu neigten.

In einem feuchten Jahre trieben aus dem zweiten und dritten Knoten über der Erde, an Haferhalmen, rings umher Wurzeln hervor.

 

Stielchen vom Wurzelpunkt bis an die Kotyledonen. Kotyledonen und Federchen (Plumulae)

Das Verhalten des Stielchens ist bei Pflanzen, die im Finstern aufgehen, äußerst merkwürdig, es verlängert sich dasselbe über alle Maße hinaus und bleibt weiß, eben so verlängern sich die Stielchen der Kotyledonen im Fall diese nicht unmittelbar ansitzen.

Die Kotyledonen erscheinen in ihrer determinierten Gestalt.

Unterschied derselben gegen die im Freien erwachsenen genau zu erwägen.

Sie sind gelblich.

Bei Gewächsen bei welchen das Federchen schon im Samenkorn gegenwärtig ist, wie bei den Bohnen, entwickeln sich auch die zwei ersten Blätter. Beim Lathyrus odoratus zeigten sich an dem langen weißen Stielchen, drei bis vier Stipulae. Die schnelle Entwickelung der Knotenpunkte ist auch im Freien an den Wicken merkwürdig. 223

 

Allgemeine Betrachtungen über die im Dunkeln gesäeten, gepflanzten und aufbewahrten Pflanzen, bezüglich auf Metamorphose.

Der Hauptbegriff der Metamorphose ist, daß die sich aus einander entwickelnden, der innern Naturmöglichkeit nach gleichen Teile, sich nach verschiedenen Umständen einander koordinieren, subordinieren und, wenn man so sagen darf, superordinieren müssen. Die Metamorphose findet vorwärts wie rückwärts statt, wobei ein wichtiger Umstand zu beobachten ist.

So wenig man leugnen kann, daß eine Pflanze von ihrer Wurzel bis zur Blume und Frucht zusammenhängt und von unten auf den tätigsten Einfluß empfindet, so scheint es doch, daß jedes Organ, an jedem Knoten selbst tätig sei und sich dadurch gleichsam selbst hervorbringen und gestalten und den folgenden zu einer neuen Hervorbringung und Gestaltung Gelegenheit und Anlaß vorbereiten müsse. Ich nehme das Beispiel von den vorstehenden Bemerkungen.

Warum entwickelt sich der Stiel zwischen dem Wurzelpunkte und den Kotyledonen zu einer solchen Länge? man kann antworten: weil sich die plumula als das erste eigentliche Blätterpaar nicht, oder nicht wie es sollte entwickelt. Der Raum zwischen der Wurzel und den Kotyledonen dehnt sich nun aufs möglichste aus, ihm wird aller Saft aus der Wurzel zugeführt, der nun durch keine weitere Ausdünstung und Bearbeitung an sich selbst anders determiniert die gehörig bereiteten Säfte dem folgenden Knoten nicht wieder zubringen kann noch auch durch die Verarbeitung und Entwickelung des folgenden Knoten und seiner Blätter gehörig ausgesogen und in seinen Grenzen gehalten wird.

Man darf sich also nicht denken daß in der Pflanze irgendwo ein Vorrat sei, aus welchem alle die Teile nach und nach hervorgebracht werden, sondern jedes Organ bringt auf seiner Stufe durch seine besondere Determinationen und was es sich sowohl von innen als von außen zueignet seine Bildung und seine Eigenschaften zu Wege.

Dieses ist ein Hauptpunkt der bei meiner Abhandlung von der Metamorphose der Pflanzen nachzuholen ist, 224 indem ich dort, um nur erst den Hauptbegriff festzustellen, nur eine Verfeinerung der Materie, an den verschiedenen Knotenpunkten angenommen, nunmehr aber die Verschiedenheit der Stoffe, welche die Pflanze ausarbeitet und sich zueignet, besonders bei einer seit der Zeit so sehr vermehrten chemischen Kenntnis, in Betracht gezogen werden muß.

 


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