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Titelblatt

XXII. Heft.
1844 im Berliner Guckkasten

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Leipzig, 1845.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

.

»Hür meine Herrschaften, erblicken Sie den Jejendbesuch von Seiner Majeschteet der Franzosen-König Ludwig Philipp bei de Könjin Vicdoria auf Windsor Soap, weil die Könjin Vicdoria Philippen in vorjen Jahre uf Ei besucht hatte.«

 

 

Dem
Allerpudelnärrischsten, Geistmächtigsten
Verein der Carnevalsfreunde

zu

Düsseldorf

 

 

 

 

in tiefster Narrheit zugeeignet

von

 

Adolph Brennglas,

Mitglied der schlechten Presse, Doktor der Weltnarrheit, Präsident der Künstler-Narren-Gesellschaft Duslebimbam zu Berlin, Ritter des Mühlstein-Ordens der Pietisten, Ehrenmitglied und Ritter des tollen Jubels zweiter Klasse des Vereins der Carnevalsfreunde zu Düsseldorf, ausgestoßenes Mitglied des Mäßigkeits-Vereines zu Berlin und Mensch.

 

 


Unter den Linden, Abends.

Guckkästner (mit lauter Stimme). Immer ran, meine Herrschaften! Immer ran, meine Herrschaften, wer eunen Silbersechser vor de Weltjeschichte übrig hat! (mit Pathos) In düsen Kukasten stellt sich Ihnen das Jahr 1844 da, wie es jewesen is, und wie es sich in seinen historischen Abwechslungen und jeschichtlichen Bejebenheiten durch der Kunst der Malerei abspiejelt! Es sind keune Kosten und keune Umstände jespart, dieses Jahr so intressant wie möglich zu machen, damit es in dem Laufe der Ewigkeiten einen anständijen Platz einnimmt. Der Preis des Rinsehens durch ein Jlas ist ein sehr jeringer, wobei auf der arbeitenden Klasse Rücksicht jenommen is, damit auch ihr die Weltjeschichte Intressen einflößt. Wer nich reinsieht, verliert dadurch die Bemerkung! Die Jeschichte zeugt sich Ihnen hier als Beispiel, coltivirt das Jemüth, belöhrt den Verstand und deutet uns an, was mit uns passirt is und was wir hätten dhun können. Die höchsten Fürschten und die fürchterlichsten Ereijnisse jehen hier vor einen Silbersechser an Ihrem innern Auge vorüber und entwickeln eine Mannigfaltigkeit, welche dem janzen menschlichen Jeschlechte und besonders das deutsche Volk – Doretheee, stech' de Lampe an! – einen hellen Blick in die Hoffnungen der Verhältnisse jestattet. Eunen Silbersechser, meine Herrschaften!

Erster Junge. Wir sind schon zwei Jungens hier.

Guckkästner. Schön, denn haben Sie noch jefälligst zu warten. Früher fing' ick mein Jeschäft an, un wenn mir man zwee Stück Menschen in meinen Kukasten sahen; seitdem sich aber die Unterstützungs-Vereine jebildet haben, fang' ick nich eher an, als bis Drei Personen da sind, un wenn ick verhungern sollte.

Erster Junge. Sind Sie villeicht Mitjlied von des Jeschäft?

Guckkästner. Ach, Sie sind woll deutsch! Wie soll ick'n dazu kommen, Mitjlied von den Unterstützungs-Verein zu werden? Ick bin zwar nich jrade ufn Kopp jefallen, un kann bei Dage sehr jut en Stück Commißbrot von 'n Miethssteuer-Einnehmer unterscheiden, aber um Mitjlied von den Verein zu werden, der die alljemeine Noth unterstützt, dazu bin ick doch zu dumm. Dazu jehören schon sehr kluge Menschen, die dadurch helfen können.

Erster Junge. Neulich war mein Vater, wie wir jrade nicht zu essen hatten, bei Einen von die Mitjlieder un bat ihm um Unterstützung. Da sagte ihn Der: ne, juter Mann, ick bin blos Redner in den Verein. Wenn ick selbst helfen wollte, det hätt' ick schon früher jekonnt, da braucht' ick jar nich Mitjlied von den Verein zu werden.

Guckkästner. Na sehn Se, wie klug die Leute sind! Det sag' ick ja, da reicht mein bisken Verstand nich aus, wie jeholfen werden soll, wo keene Freiheit is, wo sich des Volk nich selbst Jesetze jeben kann und wo man nich öffentlich alle Uebelstände besprechen derf wie man will. Det is en wahres Jlück, deß wir jejenwärtig so kluge Leute haben, die des Allens so in der Stille abmachen können.

Zweiter Junge. Ick bete immer vor de Armen.

Guckkästner. So? Ja, des is ooch en jutes Mittel; des is beinah so jut wie der Unterstützungs- Verein. (mit lauter Stimme) Immer ran, meine Herrschaften! Immer ran, wer eunen Silbersechser vor de Weltjeschichte übrig hat! In düsen Kukasten stellt sich Ihnen das Jahr 1844 da, wie es jewesen is, un wie es sich in seinen historischen Abwechslungen und jeschichtlichen Bejebenheiten durch der Kunst der Malerei abspiejelt. Wer nich reinsieht, verliert dadurch die Bemerkung!

Erster Junge. Sagen Se mal, sind denn die Bilder von des verjangne Jahr wirklich intressant?

Guckkästner. Haben Sie schon bezahlt?

Dorothea. Ja, sie haben Beede ihren Sechser bezahlt.

Guckkästner. Na denn kann ick Ihnen sagen, deß es so 'n langweilijes Jahr noch jar nich jejeben hat wie des alleweile. Allens, wat passirt is, is nich der Rede werth. Die Weltjeschichte scheint uf 'n Sorjenstuhl zu sitzen un sich de Zähne zu stochern. Wahrscheinlich is se von die vielen Petitionen so müde jeworden.

Erster Junge. Was sind 'n det, Petitionen?

Guckkästner. Petit is Französch und heeßt uf Deutsch Kleene. Petitionen, des is also, wenn kleene Kinder, dumme Jungens, wie Ihr, wat zu bitten haben. Denn Männer wissen, wat se fordern können.

Erster Junge. Wer sagt 'n Ihnen des, deß wir dumme Jungens sind?

Guckkästner. Des is janz einjal; ich weeß, wo Sie jeboren sind un ich weeß, was ich sage. Wenn Sie ooch jetzt noch klug sind, so werden Sie doch älter werden, un denn werden Sie dumme Jungens, daruf können Sie sich verlassen.

Erster Junge. Na det hab' ick aberscht noch nich jehört, det man immer dummer werden sollte, je älter man wird.

Guckkästner. Ich will Ihnen sagen: es kommt uf des Clima an. In manchen Clima is es so, des kann ich Ihnen versichern. Sehn Se mal zum Beispiel bei uns. So wie des kleene Kind jeboren is, so schreit es über die Zustände un weent jottsjämmerlich un drückt dadurch sein Verständniß aus. Nachher schmeißt des Wurm Allens, wat nich haltbar is, an de Erde, wat et in de Hände kriegt, oder zerbricht et. Un keen Kind läßt sich lange uf Hungern in, sondern dhut jrade so, als ob ihm müßte zu essen jejeben werden. Nachher is ihm des Lernen immer zu viel; nachher verhöhnt es die ernsten, stockjelehrten Lehrer, als ob es den janzen Krebsschaden kennte; sagt ooch als Kind immer Jeden de Wahrheit, wie alle Kinder, Narren auch, drum lieb' ich die Narrheit. Des Kind bekümmert sich ferner den Deibel um's Alterthum un unjewisse Zukunft un lebt für sich, un endlich is es am liebsten von de stickije Haus-Vettermichelei fort uf de öffentliche Straße, oder überhaupt im Freien, wo es sehr de Bewejung liebt un ohne Aufsicht is. Nu sagen Se mal, können Se sich was Klüjeres denken? Blos, so wie es Mann wird, des deutsche Kind, denn wird es dumm.

Erster Junge. Na also nachher bin ick klug un Sie sind dumm?

Guckkästner. Ne, Sie sind en Schafskopp; des is wieder was Andres, des is en apartes Jeschlecht vor sich alleene; des is 'ne Art Adel, der einen anjeboren is. Un von mir kann jar keene Rede als dumm sind, denn ich will de Freiheit, un wer de Freiheit will, der is nich dumm. Wer aber de Freiheit nich will, des is en Brummochse.

Erster Junge. Entschuldjen Se: war des eben 'ne ernste, jelehrte Abhandlung, wie es in de Poletik vorjeschrieben is?

Guckkästner. So ville unnütze Zeit hab' ick nich, um mir immer mit Pelle zu beschäftjen un des Fleesch liejen zu lassen. Wat man ooch allens vor politische Pelle zusammenschreiben mag, des Fleisch davon is: wer de Freiheit nich will, des is ohne Unterschied des Standes en Brummochse.

Schneidergeselle Fietsch. (hinzutretend) Na da bin ich wieder! Ju'n Abend!

Guckkästner. Ju'n Abend! Eben haben wir von Ihnen jesprochen.

Fietsch. So? Wie so' den?

Guckkästner (während die Jungen kichern). I der eene von die Jungens hier meente, er hätte Ihnen lange nich uf de Straße jesehen, Sie wären wahrscheinlich nach Spanien jereist, um zu sehen, ob Sie die facante Stelle als Isabellens Jemahl kriejen könnten.

Fietsch. Ja, ick war da. Wie ick aber meinen Antrag machte, sagte Isabelle: ne, Liebster, Sie können nich Fietsch der Erste von Spanien werden. Aber ick wer' Ihnen über't Innere in mein Cabinet setzen, weil Sie Schneider sind, un der zerrissene Zustand meines Reiches dringende Hülfe erfordert.

Guckkästner. Aha, richtig! Drum las man noch immer von Maaßnahmen der Rejierung. Na wie sind Sie denn nu aber wieder jermanischer Schneidergeselle jeworden, spanische Exlenz?

Fietsch. Det will ick Ihnen sagen. Kaum hat ick zwee Dage in't Cabinet nach besten Kräften für's Land jesorgt, so kriegt ick en Billet-Du, wo uf Spansch drinstand: Excusatos, Don Fietschos, morjos abknirpsates, ninam abkutscho! welches uf Deutsch heeßt: »Entschuldjen Sie, Herr Fietsch, wenn Se nich bis morjen des Land verlassen haben, so werden Se jemeuchelmordt.« Da dacht' ick: Ne! Vor Dein Vaterland un vor de Freiheit willste jerne Dein Leben lassen, aber vor Spanien jo nich! un da ick jrade durch de Madridter Klosterstraße jing, un uf eenen Wagen hinten mit Kreide anjeschrieben fand »Jelejenheit nach Berlin«, so reist ick am andern Dage ab un verließ die bierneegische Halbinsel, indem ick noch als innrer Minister selbst meinen Paß als Schneiderjeselle Fietsch ausfertigte.

Guckkästner. Schade, det Sie nich Pfaffe jeworden sind!

Fietsch. Wo so?

Guckkästner. Sie können herrlich – Sie haben ein herrliches Jedächtniß!

Erster Junge (ungeduldig). Nanu Kukasten, oder meinen Sechser wieder raus! Wir haben hier nich Lust, in die Kälte alle Ihre Quatschereien mitanzuhören!

Guckkästner. I nu seh' Eener an, nu fängt de deutsche Jugend jar schon an zu fordern! (heftig) Halten Sie's Maul, verstehen Sie mir!? Wat ick' Ihnen bewillije, kriejen Se, mehr nich, denn Ick bin Ick un Sie sind meine Hunde!

Erster Junge (lacht). I man nich! (höhnisch zu seinem Kameraden) Du, Baubau, wat meensten dazu?

Guckkäster. Der meent jar nischt, der wagt keene Bemerkung, det is mein Landsmann. (schlägt die Arme übereinander.) Ueberjens, Recht haben Se, kalt is et schändlich. Der Monat muß sich 'ne janze Weile in Sibirien ufjehalten haben.

Fletsch. Ja, et is villeicht en Nord- oder Süd-Pole.

Guckkästner. Un is villeicht mal aus Unvorsichtigkeit an en Sonnenstrahl verbeijekommen, worauf ihm natürlich jleich det Donnerwetter holt. Nanu Weltjeschichte! Doretheee, is unten unter de Weltjeschichte Allens in Ordnung? Oben is Allens in Ordnung.

Fietsch. Ach herrje!

Dorothea. Allens in Ordnung; mach' man!

Guckkästner. Jib mir erscht noch Eenen, denn die ernste Erklärung jreift mir an. (Nachdem er getrunken) Aeh! (sich schüttelnd) Wat muß der Mensch Alles d'hun, um seine Nation zu unterrichten!

Fietsch. Ja, Sie müssen woll Viel verschlucken?

Guckkästner (heftig). Stille!! (beschäftigt sich am Kasten) Sämmtliche nachfoljende Jeemälde sind aus de berühmte Düsseldorffer Schule!

Fietsch. Ja, det heeßt: Mittwochs un Sonnabends Nachmittag!

Guckkästner. Maul halten! Rrrrr! (mit Pathos) Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen die schineesche Halbinsel-Provinz Canton mit ihren orjinellen Bau-Eijenthümlichkeiten, wie se eben mit den Engländer Pottfinger den ersten europeeschen Handel abschließt und dieses weltberühmte Ereijniß durch die Flagjen aller Länder, welche zu Schiffe jekommen sind, verhörrlicht wird. Diejenigen Menschen mit de langen natürlichen Haare, welche Sie auf die rechte Seite bemerken, sind die Engländer und die andern Nationen; Diejenigen, welche sich einen Zopp haben machen lassen, sind die Schinesen. Um diese überseesche, einflußreiche Bejebenheit durch en Symbol auszudrücken, überreicht vorne im Vordergrunde der schineesche jeheime Bambusrath Fui den Engländer Pottfinger vor'n Sechser Nanking, worauf ihm dieser unter dem Jubel der beiderseitjen Blaseinstrumenter eine Tiete engelsch Jewürze überreicht. Hierauf tauscht der östreichsche Consul mit den jeheimen Bambusrath einije freundliche Worte über Rejierungsanjelejenheiten und läßt ihm dabei an eine Putellje ungerschen Tokayer riechen; der rußsche Consul stoppt ihm einen Theelöffel jroßkernigen Kaviar in den Mund, un der französche steht rechts, lehnt sich an einen Brodbaum un denkt drüber nach, wat die Linke zu des Ereijniß sagen wird. Der preußsche Consul als Zollverein is noch nich da; aber janz im Hinterjrunde, wo das Meer beinah ufhört und Wolken die Sonne bedecken, kommt so eben en preußsches Seeschiff mit kleene Piepvöjel, Teltower Rüben un Spandower Zimmtprätzeln an.

Erster Junge. Det schickt woll die Seehandlung?

Guckkästner. Ja, mit Captän Risch.

Fietsch. Ne, Sie irren sich, des Schiff heeßt »Trau, schau, wem?« un is in Westphalen jebaut. Die Ladung is blos dazu bestimmt, um die Insertionsjebühren vor de Berliner Zeitungen wieder rauszukriejen.

Zweiter Junge. Herr Kukasten, sagen Se mal: der Brodboom, an den sich der Franzose lehnt, drägt der janze Brodte?

Guckkästner. I warum nich jar jeschmiert un belegt! Schafskopp! Wenn ooch de Natur vor de Süder viele Arbeit alleene besorgt, bei die wir Norder schwitzen müssen, um't Jleichjewicht wiederherzustellen: so läßt se doch ooch nich jrade de Schafe mit fertje Leibröcke rumloofen, un de Jänse mit poet'sche Werke. Allens kost seine Arbeet, un des Land, wo einen die jebratnen Dauben in't Maul fliejen un der Adel janz von selbst ufhört, des liegt entweder uf'n sechsten Welttheil oder in'n Mond. – Rrrrr, ein anderes Bild! – Hür, meine Herrschaften, erblicken Sie Friedrich Jrafen von Nassau'n, früher König der Niederlände, welches er im späten Alter aufjejeben hat, im Dezember 43 auf das Sterbebette in's holländsche Palais da drüben neben Hotel du Nordt bei Rothen. Er war ein conseqnenzer Charakter, so deß keine Bitte jejen seinem Willen was vermochte, hinterließ flämsch viel Jeld und is nanu dodt.

Zweiter Junge. Weiter nischt?

Guckkästner. Ne! Wat soll'n noch sind?

Zweiter Junge. Na ick dachte wenigstens, deß man uf des Bild seine Unterthanen weenen sähe.

Guckkästner. Ick' wer' woll jrade so lange mit des Malen warten lassen, bis Ihnen mal jefällig is, Unterthanen weenen zu sehen?

Erster Junge. Na, det wird ihm woll jrade nich so neu sind, deß er danach so sehr verlangen sollte.

Guckkästner (sieht ihn lange an). Aha, Sie meenen Freudenthränen? (leise) Doretheee, einen Droppen! (laut) Nanu ferner! Rrrrr, ein anderes Bild!

Fietsch. Also flämsch viel Jeld hat er hinterlassen. Wie is es 'n, habe ick nischt jeerbt?

Guckkästner. Ne, Sie standen nich in't Testament, selbst Holland nich, was kurz nach seinen Dode sehr in Noth war, sich aber durch eine jeschickte Finanz-Operation jeholfen hat.

Fietsch. Durch Dieffenbachen?

Guckkästner. Ne, nach die Dieffenbachschen Operationen werden die Patienten jesund, bei de Finanz-Operationen aber is des manchmal janz anders: da wird an det Volk die schmerzvolle Operation jemacht, un Rothschild oder en Andrer wird dadurch sehr jesund. In Holland war det nu aber anders, indem jeder Unterthan seine Rejierung wat schenkte, weil se da eijentlich sich selbst wat schenkten. Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen der unjeheure Sieg, welchen die ruß'sche Milletheerkraft über de Tscherkesseln hätte erringen können, wenn dieses nich ein so schändlich eijensinnijes Volk wäre un seinen Kopp vor sich hätte. Sie können sich keinen Bejriff machen von düsen asiatschen Eijensinn, der seine unpassende Freiheit nich mit den milden Zepter Rußlands vertauschen will.

Zweiter Junge. Au!

Guckkästner. Wat is Ihnen?

Zweiter Junge (auf seinen Kameraden deutend). Der Junge hat mir jekniffen!

Guckkästner. Kneifen Sie ihm wieder, denn dhut et nich weh. (fortfahrend). Die Scherkesseln sind solche Theekesseln, deß se lieber siegen, als sich besiejen lassen, wodurch dieser Krieg eine eekliche Verzöjerung erduldet. Man hat bereits vorjeschlagen, sämmtliche Scherkesseln wejen ihrer vaterländschen Obsternatschheit nach Sibirien zu schicken, alleine sie jöhen nich hin! Wie Sie jehorsamst bemerken werden, is des janze Jemälde mit Dampf umhüllt, und im Vorderjrunde liegt en unjeheurer Haufen von Dodten, von deren Verschwiejenheit man überzeugt is. Links erhebt sich eben en verwunderter Scherkessel auf, wie er zu die Ehre jekommen is, undt rechts erblicken Sie eine janze Knute, an die blos der Kosacke fehlt. Des Janze macht eunen erhabenen Eindruck!

Erster Junge. Ne, det wüßt' ick nich.

Guckkästner. Schafskopp.

Erster Junge. Ach, ick bin en Deutscher un frage den Deibel nach ....

Guckkästner. Des sind naturjeschichtliche Bemerkungen, die hier nich herjehören. – Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen ein Jemälde, welches ich im vorijen Jahre verjessen habe, nämlich: die Enthüllung der Friedenssaule zu Berlin auf den Bellfayence-Platz oder Rondeel, wo villeicht Mancher von Ihnen Knippkieler oder Murmel jespielt hat. Seiner Majestät unser vieljeliebter König sprengt mit Alexander von Humboldten heran, sieht sich Allens jnau an, und die hörrliche Friedensfeier is beendet. Die Säule besteht aus Einen Jranatstück, auf den sich eine Vicdoria befindet, die einen Lorbeerkranz in de Hand hält, unter den noch kein Kopp is. Die Friedenssäule soll an den Völkerkampf um deutsche Freiheit, deutsche Jleichheit un deutsche Einigkeit erinnern, un im Hinterjrunde an's Hallsche Dhor stören ein Paar Jungens die Festlichkeit, indem sie murmeln. Ihre Pflicht als Unterthanen is es also, sich fortwährend an deutsche Freiheit, deutsche Jleichheit un deutsche Einigkeit zu erinnern.

Zweiter Junge (schreit). Naa!!

Guckkästner. Wat is denn schon wieder los?

Zweiter Junge. I der Junge hier hat mir schon wieder jekniffen!

Guckkästner. Kotz Donnerwetter, wat ...

Zweiter Junge (gibt seinem Kameraden einen Schlag). Da! Det is davor!

Guckkästner (heftig). Auseinander, dumme Jungens! (mit dem Fuße stampfend) Kreuz-Bomben-Element, det soll nu der Eindruck von de Friedenssäule sind, det sich die verdammten Rackers hier vor meinen Kukasten katzenköppen! (wüthend) Is Des deutsche Einigkeit?

Fietsch. I warum sollen se'n einig sind? Sie sind ja noch nich frei un nich jleich.

Guckkästner. Na warum haben Sie sich denn nu eijentlich vor de Friedenssäule jekeilt, meine Herren?

Fietsch. Det weeß ick nich.

Zweiter Junge. Der hat mir jekniffen!

Guckkästner. Ach wat: jekniffen, Schafskopp! Warum läßt Ihr Euch kneifen, Dämelsäcke? Haste keene Hände, um wieder zu kneifen, Esel? Wenn Du jerechten Jrund hast, Ochse, det Dir wat vorenthalten oder wat zu ville jejeben is, denn mußte wissen, wozu Dir de Natur so viele Katzenköppe in de Hande jelegt hat, Schwabbjochen! Denn wat in eine sonne kleene menschliche Hand vor mögliche Katzenköppe un Maulschellen liejen, des is unbejreiflich! Des is so, wie man die Jröße der Natur jar nich fassen kann, wenn man in 'n Sternenhimmel sieht un bedenkt, deß des Allens Welten sind, un der funkelnde Jupieter Abends zum Beispiel 133 Millionen Meilen von de Erde un beinah eben so weit von de Sonne entfernt is. Wenn man sich des Allens orndtlich überlegt, denn bejreift man jar nich, wie man sich hier uf diesen Stoobkriemel von Erde Allens jefallen lassen kann. – Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen der pumpöse Einzug von Mutter Christinen mit Pauken un Trompeten in Madrid, wodurch des Land wieder in jesejenten Zustand kommen soll. Vorne vor Mutter Christinen sitzt ihr Allerhöchster Stallmeister Munnoz zu Pferde. Später wurde er zum Herzog ernannt, weil Er es war, der ihr her zog.

Fietsch. Sie wollte sich ja woll schon früher mit ihm trauen lassen?

Guckkästner. Ja, damals traute ihr aber Keener. Munnozen zur Seite erblicken Sie zwölf Stück Jungfrauen in schneeweiße Kleider, welches eine intressante Abwechslung darbietet. Sechse von die fraglichen Jungfrauen streuen Blumen, welche sich die spansche Natur abplücken ließ, die sechs Andern brennen Weihrauch, den die spansche Kirche lieferte. Neben Muttern Christine sitzt Euer Majestät ihre Dochter Isabelle sekunde, die jetzje Könjin von Spanjen.

Guckkästner. Halten Sie's Maul! Mit hohe spansche Jeburten is des was Anders! Bei uns jewöhnliche Menschen muß Eine in des Alter jehorchen, was ihr vernünftije Männer sagen, da hinjejen is des umjekehrt: und dieses nennt man Zustand. (wieder mit Pathos). Neben die junge Könijin reit't der – Nawarthe, un wirft einen zufriednen Jeschäftsblick auf die Nation. Im Hinterjrunde schlägt ein Priester de Hände zum Himmel un ruft uf Spansch: Jötter, ich danke Dir!

Zweiter Junge. Wer is Schlächter?

Guckkästner (ihn mißverstehend). Wer schlechter is? Fragen Se nich so quatsch: wie soll ick'n des wissen, wer schlechter is? In des unjeheure Jedrängle kann ick mir damit nich zurechtfinden.

Erster Junge. Sagen Se mal: da in de rechte Ecke is noch en Bisken wat jemalt, wat is'n des?

Fietsch. Des sind en Paar spansche Fliejen, die uf't Pflaster liejen un sich freuen, weil et nu bald böses Blut setzen wird.

Guckkästner. Ick verbitte mir jede Einmischung! Halten Sie det hier vor einen jriechischen Kukasten, det Sie so dummdreist sind?

Fietsch. Sagen Se mal, is die Hülfe an Ihren Kukasten von Juchtenleder?

Guckkästner. Na ja, von bayersche Dampfnudeln kann se nich sind! Wo so?

Fietsch. Na ick meente man.

Guckkästner. Ach so, als wie so, Sie meenten blos? Hören Se mal, Sie sollten Landstand werden.

Fietsch. Ne, det jeht nich; ick habe ja keenen Besitz. Blos wer wat besitzt, der is klug.

Guckkästner. Det is wunderbar; ick kenne einen Ochsen, der besitzt Hörner.

Fietsch. Kennen Sie den Ochsen persönlich?

Guckkästner. Ja, so wie ick Ihnen kenne. Nanu weiter! – Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, erblicken Sie das ausgezeichente Jemälde, den Jejendbesuch Seiner Majeschteet den Franzosen-König Ludwig Philipp bei de Könjin Vicdoria auf Windsor-Soap, weil die Könjin Vicdoria Philippen im vorjen Jahre uf Ei besucht hatte. Sie bemerken dabei eine Friedenspalme, die Ludwig Philippen beinah uf'n Kopp kommt. Es is der schöne Mojement ufjefaßt, wo de engelsche Könjin ihrem hohen Jast vor de Dhüre empfängt und ihn auf Französch zuruft: »Ludwig Philippken, Windsor-Soap fühlt sich jeehrt, treten Se näher!« worauf ihr der französche König uf Engelsch antwortet: »ich bin stolz, diesen jroßen Boden zu betreten, machen Se keene Umstände!« Rechts sehen Sie den auswäartsen engelschen Minister Aberdem, wie et zu Juizotten von Frankreich mit stolzer Miene äußert: »nich wahr, mein Lieber, England is ein jroßes Reich?« worauf ihm Juizott erwidert: »Frankreich is auch kein Hund, Schönster!« Bei diesen Worten faßt sich Juizott hinten an de Rocktasche un kriegt einen engelschen Jeschäftsmenschen zu packen, der ihm Etwas abnehmen wollte, ohne ihm davon vorher zu benachrichtijen. Wie Juizott darüber ein sehr böses Jesicht macht, so sagt der engelsche Jeschäftsmensch, indem er sich einen Ciejaro anbrennt: »Haben Sie keine Sorge, des stört die Jastfreundschaft nich, des nennt man blos Durchsuchungsrecht.« Im Hinterjrunde, von den joldnen Strahlen der scheudenden Abendsonne beschienen, steht ein Trompeterchor und bläst auf seine, von der Feierlichkeit des Augenblicks wehmüthig jestimmten Instrumenter das schöne Lied: Bei Männern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein treues Herze nich. Hünten hünter den Hünterjrund wird ein erhabenes Feuerwerk abjebrennt, welches aber noch nich anjestochen is, weil die Könijin noch erst mal rausjehen muß, um sich von den Anstrenjungen düses jeschichtlichen Augenblicks zu erholen. Rrrrr .....

Erster Junge. Hörn Se mal! rejieren denn alle Könje von England uf Windsor-Soap?

Guckkästner. Det versteht sich; darum singen ja ooch alle Engländer: Jott seeft det Kind!

Fietsch. Na denn hat er jetzt viel zu seefen. Diese Besuche haben woll einen wichtijen Zweck?

Guckkästner. Einen unjeheuern, aber de Mittel sind ooch nich von Stroh. Sie können mir jlooben, det der Ei-Besuch von Vicdorian un der Jejendbesuch von Philippen uf Windsor-Soap über 7 Silberjroschen kost't.

Fietsch. Ick habe von Achte munkeln hören.

Guckkästner. So? Ja, ick bin mit 'n engelschen un französchen Finanzminister nich so intim, um die jnaue Summe zu wissen.

Fietsch. Leid't denn England un Frankreich daran ooch?

Guckkästner. Obb! Ueberhaupt sind alle Länder in Europa krank. Warten Se mal, ick habe da so'nen Zettel in de Tasche, den mir jestern mein Chamberjardiste, ein Vielesophie-Student, jejeben hat, wie wir uns über Medezin unterhielten, weil meine Doretheee jrade wieder ihre Nerven hatte, wovon se früher jar nischt wußte. (Er entfaltet das Papier.) So, hier is et. (Er liest.) » Ganz Europa leibet zum Theil an Fettsucht, zum Theil an Knochenfraß; viele kleine Staaten leiden an Schwerhörigkeit, am Faulfieber, freiwilligen Hinken, am Mitesser, am Wasserkopf und an Nachwehen.« Wat sagen Sie dazu?

Fietsch. Det müßte sehr hübsch sein, wenn ick et verstünde.

Guckkästner. Sie sind woll jefälligst dumm?

Fietsch. Ja, en Bisken leid' ick daran.

Guckkästner. Na ick will Ihnen sagen, beneidenswerther Deutscher: wenn Sie dumm sind, denn koofen Sie sich Alberti's Complimentirbuch un Knigge's Umjang mit Menschern, un denn lejen Se sich jetrost zu Bette. Der Himmel wird Ihnen beistehen.

Fietsch. I man nich! Ne, ick will Ihnen sagen, ick bin nich so dumm wie Sie – jlooben: meine Schwester näht vor eine Dame, die neben det Unterrichts-Misterium wohnt.

Guckkästner. Ach, det is wat anders! Nanu man weiter! Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, erblicken Sie die hörrliche Enthüllung der Jeethe-Statü von Schwandhaler zu Frankfurt am Main, wo Jeethe jefälligst jeboren wurde. Die Feierlichkeit fand Morjens 11 Uhr an einem trüben Tage statt. Die majestesche Statü is noch mal so jroß wie Jeethe selbst, damit die Frankfurter sich eunen Bejriff von der Jröße dieses Dichters machen können. In den Pirdestall unten bemerken Sie erhabene Bilder aus de Jeeth'sche Poesie, welche man Relljeffs nennt und die ebenfalls von Stein sind. Lünks erblicken Sie auf diesen Pirdestall drei bejeisterte Frauenzimmer, welche aus der Familie Musen herstammen, un wovon die Eine darüber nachdenkt, was Jeethe vor sein deutsches Vaterland jedhan hat.

Zweiter Junge. Man kann jar nischt orndtlich sehen!

Guckkästner. Doretheee, mach' mal mehr Licht!

Dorothea. Wie?

Guckkästner. Mehr Licht! (fortfahrend, mit Pathos) Uf des Amphibientheater ringsrum sitzen die Ersten der Stadt, und unten uf de Jallerie die Zweeten. Der eine Frankfurter frägt während der Musike seine Nachbarin, ob Jeethe ein berühmter Banquier war, worauf ihm diese zur Antwort jibt: ne, Minister im Weimarschen. Im Janzen sind nich mehr als 500 Personen zujejen, weil man in Frankfurt am Main, wo der deutsche Bundesdag is, keune Zeit hat. Auch hat es eijentlich Niemand aus diese Stadt nöthig, nach des Monement zu jehen un seine Jeschäfte währenddessen liejen zu lassen, weil Keiner von die Jetzijen dafür kann, deß Jeethe da jeboren is. Dajejen findt Abends eine sehr jut besetzte Tafel von 300 Couvertse statt, wo Anerkennung jejessen, Wildbraten ufgedragen wird un zahme Reden jehalten werden. Der Platz, uf den Jeethe als Stein in Frankfurt steht, heeßt Roßmarkt, un soll deshalb umjedooft werden, weil man daselbst keine Pejasusse verkooft. Sie wollen ihn Gedanken-Freiheit nennen, welches aber nich anjeht, weil dieses Wort von Schillern is.

Erster Junge. Wer sind 'n die Beeden da vorne?

Guckkästner. Dieses sind zwee jüdische Koofleute, wovon der Eene eben ausruft: Jeethe? Wie heießt Jeethe!? Spaaß! Können Se mer nich sagen, wie de Köln-Mindner stehen?«

Fietsch. Sagen Se mal, is nich Börne ooch aus Frankfurt an'n Main?

Guckkästner. Ja, dieser edle Mensch is ooch von da: Frankfurt hat Jlück. Den werden Sie jetzt ooch ufstellen, aber nich bei Jeethen, sondern wo anders, wie er ohne Rejenschirm noch immer vor de Dhüre wart't.

Erster Junge. So 'nn Monement is doch hübsch.

Guckkästner. Wollen Sie sich ooch een setzen lassen?

Erster Junge. Ne! da muß man ja erscht dodt sind.

Guckkästner. Nu des is des Wenigste, des is bald zu haben. Ueberjens macht villeicht Deutschland mit Ihnen 'ne Ausnahme, un läßt Sie schon bei Lebzeiten aushauen. Wenn Sie ein Herz für Menschenwohl un en Bischen Witz haben, kann Ihnen det passiren. An Platz zum Ufstellen für Ihr Monument fehlt et nich: Raum für künftije Jröße is da.

Erster Junge. Sind Sie schon ausjehauen?

Guckkästner (heftig). Halt's Maul, naseweise Kreete! Pappstoffel! Jloobst Du, Riepel, det ick mir werde in en Jefängniß ufstellen lassen? Dazu bin ick zu stolz! Wenn ick mal meinen Dodt kommen fühle, denn schick' ick nach't Sicherheit-Pollezei-Bureau uf'n Molkenmarcht, löse mir en Paß nach de Unterwelt un lasse mir einen Leichenstein setzen, wo druf steht: »Der merkwürdije Mann, welcher hier von seiner Unterthanspflicht ausruht, is nich verhungert. Er war ein Deutscher, un is jedenfalls in ein besseres Leben hinüberjejangen.«

Erster Junge. Hör'n Se mal, et schlägt schon drei Viertel uf Zehne; machen Se, det Se mit Ihre Kunstwerke fertig werden, denn nach Zehne kommt ein Jensd'armerie un denn is 't Essig mit 'n Kukasten.

Guckkästner. Sie haben Recht, obschon Sie als Jugend das Maul halten sollten, (sich umwendend) Doretheee, schlaf' nich bei de Weltjeschichte! Du bild'st Dir woll in, Du bist 'ne hohe Perschon, deß De de Oogen bei Allens zudrückst, wat jeschieht?

Fietsch. Ach, immer drücken de hohen Personen keen Ooge zu! Jrade da, wo sie 's sollten, reißen se se weit uf.

Zweiter Junge. Wat is denn det eijentlich, 'ne hohe Person? Mein Vater sagt immer: Wir Menschen sind ja alle Brüder; ein Jeder is dem Andern janz einjal. Und in de Bibel steht ja ooch, deß wir Alle jleich sind.

Guckkästner. Wat 'ne hohe Perschon is? (sinnt nach) Ja – det weeß ick wirklich nich.

Fietsch. Ich ooch nich.

Erster Junge. Ick erscht recht nich.

Guckkästner. Nu weeß ick 't doch. 'Ne hohe Perschon is, die Jott durch Jeist ausjezeichent hat.

Fietsch. Ja, so is et. Zum Beispiel: Sie sind 'ne hohe Person!

Guckkästner. Ick danke Ihnen; wenn Se mal wieder was brauchen, dann besuchen Se mir während der Sonntagsfeier uf 'ne Knackwurscht. Nanu ferner! Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herren Schafe, wollt' ick sagen, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen die öwig denkwürdije Bejebenheit, wie der heilije Rock zu Trier aufgestellt is, um de jesunde Zeit krank, wollt' ick sagen, die kranke Zeit jesund zu machen. Von vorne sehen Sie die Prozession, die aber nich janz und jar malade is, sondern worunter sich en Paar sehr jesunde Jungens befinden. Von hinten sehen Sie den heiligen Rock, den der Bischof Arnoldick ufjehängt hat. Die pechschwarzen Jestalten, welche Sie da um de Ecke blicken sehen, des sind en Paar Jesuiten aus de freie Schweiz von de Jesellschaft Jesu.

Fietsch. Zu welche Jesellschaft jehören denn nu die Jesuiten?

Guckkästner. Det weeß ick nich, stören Se mir nich. (mit Pathos) Das janze hörrliche Jemälde is darum so merkwürdig, weil es im Jahre 1844 nach Christi Jeburt, mitten in der Zeit der Wissenschaften, des jroßartigsten Jeistes durch Einen Pinsel ausjeführt ist.

Fietsch. Na, hören Se, ick jloobe, in den Pinsel sind einije Fuchshaare jewesen. Denn schön is Ihr Bild nich, so viel versteh' ick von de Malerkunst; man kann vom höchsten Standpunkte aus ufjefaßt, des Janze nur wie Luther nennen.

Guckkästner (seine Explikation mit Pathos schließend). Hünten scheint de Sonne!

Erster Junge. Wo denn?

Guckkästner (sieht nach). Scheint se nich? Aha, es is en Irrthum mit de Lampe vorjejangen. Ick will Ihnen sagen, meine Herren, die Sonne is tücksch.

Erster Junge. Nu sagen Se mal, wie heilt denn nu der Rock?

Guckkästner. Det will ick Ihnen sagen. Wenn Sie zum Beispiel an en hohlen Zahn leiden, denn ziehen Sie den Rock an, un lassen 'n nach 'ne Weile ausziehen, denn haben Se keene Zahnschmerzen mehr. Ueberjens, wenn Se noch mehr darüber wissen wollen, denn müssen Se »Herrn Buffey's Wallfahrt nach den heilijen Rock« lesen. Der hat ooch dran jejloobt, un is ooch davon kurirt jeworden.

Fietsch. Mir wundert, deß Sie mit Ihren intressanten Kukasten immer hier in Berlin bleiben. Sie sollten zum Beispiel mal den – rinsehen lassen.

Guckkästner. Ach wat! – Un denn muß er herkommen; nach Rom reis' ick um den seinen römschen Silbersechser nich.

Fietsch. Erlauben Se, da sind andere Münzsorten; er würde Ihnen ein Koppstück jeben lassen, wenn Sie ihm Ihren Kukasten zeigten.

Guckkästner. Nanu ferner! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen ein traurijes Jemälde, wie der Professor Jordan in Hessen-Cassel vile Jahre uf Verdacht sitzt.

Erster Junge. Wo isd et jeschehen, in Europa?

Guckkästner. Ja!

Erster Junge. Na, man weiter, en anderes Bild!

Zweiter Junge. Weiter, weiter!

Fietsch. Weiter, en anderes Bild! (sich schüttelnd) Rrrrr!

Guckkästner. Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften – dumme Jungens, seid nich so unruhig, sonst fällt die janze Prostemahlzeit an de Erde! – präsentirt sich Ihnen die Asche von den berühmten deutschen Componisten Carl Maria von Weber, von den der Jungfernkranz is. Düse Asche kommt aus England zu Schiffe nach Dresden, um daselbst in vaterländischer Erde beijesetzt zu werden, und um mehr Harmonie in Deutschland zu verbreiten. Hünten bemerken Sie des Schiff auf de Elbe, un ringsrum wälzen sich Dausende zu die erhabene Feier. Die Brücke, welche sich da vor Ihrem innern Auge erhebt, is die berühmte Elbbrücke in Dresden, wo alle Leute rechts un links jehen und wo man die schönsten Aussichten hat. Diese Brücke hat über zwanzig Bogen un is doch nich frei. Der Mann welcher da oben per Extrapost anjesprengt kommt, des is ein bekannter deutscher Pollezei. Er stürzt aus den Wagen, rennt uf die Bejebenheit los un fragt mit jlühendem Jesicht: »Wat? Is des wahr? Schon wieder eine Weber-Unruhe?« Hieraus wird ihm von Seiten des Capellmeistcrs Wagner jeantwort't: »Nein!! Hier is von keener Unruhe die Rede, sondern von Ruhe, von keener Disharmonie, sondern von Harmonie, von keenen Aufstand, sondern von Begräbniß, von keener Knechtschaft, sondern von ewiger Freiheit, von keenen lebenden Leichnamen, sondern von einem Häufchen Asche, das nich nach Brod schreit, sondern Himmels-Melodieen von jöttliche Jüte und Jerechtigkeit sang. Dies ist die Asche Carl Maria's von Weber! Des is eine Weber-Unruhe im ewijen Frieden.«

Fietsch. Na 't is recht jut, deß des keene Weber-Unruhe jewesen is, denn sonst würde die Asche woll wo anders beijesetzt werden.

Zweiter Junge. Wat is 'n det, Weber-Unruhen? Kann man Det essen?

Guckkastner. Ach ne, da is von Essen jar nich de Rede, Jierschlunk! Sein Sie froh, wenn Sie nie erfahren, was des is. Es sind schändliche Empörungen, die durch Soldaten und Jefängnisse wieder zur Ruhe jebracht werden. Wenn Sie nachher zu Hause jehen, un kriejen Pellkatoffeln mit Schmalz zu essen, denn danken Sie Jott un bitten Sie ihn.... (heftig) Rrrrr, ein anderes Bild! (wieder in gewöhnlichem Pathos) Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen die kostbare Eröffnung des abjebrennten Opernhauses zu Berlin, wo wir uns jejenwärtig befinden.

Fietsch. Wie befinden Sie 'n sich?

Guckkästner. Ick danke Ihnen; ick bin schon lange nich recht wohl, un et will noch immer nich recht vorwärts mit mir. (fortfahrend) Hür präsentirt sich Ihnen die kostbare Abbrennung des eröffenten Opernhauses zu Berlin durch ein Feldlager in Schlesien.

Fietsch. Ein Feldlager in Schlesien? Ach, die Weber haben woll keene Schlafstellen mehr?

Guckkästner. Ach, Sie sind woll deutsch! Dieses is eine Oper, wo Friedrich der Jroße hinter de Coulissen flöten jeht, so deß er jar nich zu bemerken is. Seine Majestät der alte Fritze würde jerne vorkommen, aber denn würde er in den Text von Rellstapen jerathen, un davor hat selbst der Mann Furcht, der sonst nie welche jehabt hat. Des ist nu jetzt de drttte Oper mit schöne Musik, die der Text von Rellstapen umbringt, weshalb er ooch den Beinamen »Operntödter« jekriegt hat. Die Musik, welche Sie überjens hier uf des Jemälde nich hören können, is von den berühmten Meyerbeer, un is jrade so schön wie der Text quatsch is, wodurch sie «ine sehr hohe Stufe einnimmt. Im Hinterjrunde bemerken Sie jefälligst 500 Menschen und 32 Pferde, welches hünreichend is. Det 33ste Pferd hat kurz vor de Eröffnung Küstnern absagen lassen, weil et heiser jeworden war. Vorne vor's Orköster sitzt ein jlänzendes, un von de Jasflammen erleuchtetes Autorjum un Publikum, welches Sie aber nicht bemerken können, weil der Künstleer die Sperrspecktiefe hat nach hinten zu ufnehmen müssen. Rechts an de erschte Coulisse steht der Conditer von des Opernhaus, un ...

Erster Junge. (erstaunt) Der Condieter?

Guckkästner. Conditer is lateinisch un heeßt uf deutsch: Erbauer. Also rechts an de erschte Coulisse steht der Erbauer von des Opernhaus, Langhals, un umarmt seinen würdijen Collegen Rellstab, weil er in den janzen Text keinen Einfall bemerkt hat.

Fietsch. Ueberjens dhun Sie Rellstapen Unrecht; Tieck hat ihm jeholfen.

Guckkästner. Des jloob' ich, denn alleene hätte Des Eener nich zu Weje jebracht. Düses, meine Herrschaften, war die jlorreiche Eröffnung des abjebrennten Opernhauses, un wenn nu det Schauspielhaus mal wieder abbrennt, denn wird et mit eine humoristische Weihnachtswanderung von Rellstapen eröffent: Jott lasse mir diesen Tag nich erleben! Nanu des letzte Bild, Rrrrr! das letzte Bild, ein hörrliches vaterländsches Jemälde, wodurch ich Ihnen zujleich meine politischen Hoffnungen zu des neue Jahr 1845 versinnliche!

Erster Junge. Ick seh' ja nischt!

Zweiter Junge. Ick ooch nich!

Fietsch. Da steht ja nischt als 'ne kleene Dreierlampe!

Guckkästner. (einpackend) Prost Neujahr!


Druck von Bernh. Tauchnitz jun.

 


Der norddeutsche Poet.

Ein geistvoller Gelehrter sagt über den » norddeutschen Poeten« Folgendes: »Seitdem die politische Poesie wieder zu Ehren gebracht wurde, haben sich viele Dichter und Dichterlinge in dieser Gattung versucht, viele aus edlem Drang, aus dem Bewußtsein des Zeitverständnisses, viele aus Nachtreterei: Keiner steht wohl so eigenthümlich da wie dieser norddeutsche Poet! Kaum möchte man glauben, daß diese Lieder Einem gehören; sie tönen wie aus einem neuen Wunderhorne. Die unbestimmte Sentimentalität einer schattenhaften Subjectivitat, der unklare und unobjectivirte Weltschmerz hat sich determinirt, hat seinen Gegenstand im liberalen Patriotismus, seine Bedeutung in dem Verständniß, nicht der Natur oder der Idealität als solcher, sondern in dem Verständniß des Lebens und der Wirklichkeit gefunden. Das ist der Fortschritt; wir haben eine größere Annäherung vom Leben und vom Ideal, ein Anstreben zur Vereinigung der materiellen Zustände mit der Idee, zur höchsten Einheit der Verkörperung des Himmlischen mit dem Menschlichen, zur Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden. Maltitz, Lenau, Grün, Hoffmann, Herwegh, Prutz u. s. w. haben unser politisches Alltagsleben zu diesen sonntäglichen Zuständen erhoben, in die Wunden der leidenden Menschheit Balsam gegossen, der scheintodten Freiheit neues Leben eingehaucht. Die Einseitigkeiten dieser Poesie: partheiisch-politisches Raisonnement dichterisch einzukleiden, die Tragödie des Völkerlebens (Sturz eines Landes, Polenlieder, Kriegsgesänge, Napoleonshymnen etc.) auszubeuten, zu Balladen und Romanzen zu zerschneiden, diese Einseitigkeiten sind aufgehoben: wir haben die nobelste Freiheitsidee in der Form des tiefsten poetischen Gemüthes. Nur das dritte Element fehlte: der wahrhaft volksthümliche Geist, nicht die scheinbare Popularität durch Lüderlichkeit der Sprache, durch mattes Reimen der Anecdoten und Witzwendungen, oder, um das Lied einer bekannten Melodie unterzulegen, Einzwängung des Gedankens in eine ihm heterogene Form, sondern die Ursprünglichkeit der Empfindung, der Genius der Wahrheit. Ohne ihn gleicht das Gedicht einer vorübereilenden Gestalt, mit ihm wird es Fleisch und Blut. Und diesen wahrhaft volksthümlichen Geist athmen die Lieder des norddeutschen Poeten, das neue Volksbuch der Freiheit. Sie sind von höchster Bedeutung, sie zeigen, wie die Idee, wie das Wort des Dichters, wie der Klang Freiheit eine Macht geworden. Denn was ein Gelehrter ersonnen, was eine Dichterbrust geseufzt und geweint, das Alles kann verloren gehen, hinabstürzen in den Orkus der Vergessenheit; was aber das Volk bewegt, was ein Volk empfunden, was die Menschheit begriffen, erfaßt, gefühlt, was auf Landstraßen und beim Becher gesprochen und gesungen wird, das geht nicht verloren, das ist eine Parole des Himmels zum siegenden Sturmschritt gegen die Festen der Hölle, der Finsterniß und Knechtschaft. Der unbekannte Verfasser der Lieder eines norddeutschen Poeten ist unser deutsche Beranger. Nirgend, so leicht seine Muse sich auch schwingt, ist er bänkelsängerisch, trivial; wo er geißelt, sind seine Pointen, denen immer noch eine tiefere zum Grunde liegt – wodurch sich seine Lieder vor Allem auszeichnen, was bis-* * her in dieser Weise gedichtet wurde – von der schlagendsten, nachhaltigsten Wirkung, so versöhnend sein Humor auch ist, der wie ein seliges Lächeln aus jedem Verse hervorblickt. In den nicht pointirten Gesängen aber waltet die reinste Idee der Freiheit nach dem absolutesten Begriffe, poetischer Schwung in schöner Form, die lebendigste, herzigste Auffassung und ein reicher, immer anmuthiger, immer graziöser Geist. Zeugen die meisterhaften Lieder »Kuckuck«, »Sclaven-Emancipation«, »Wiegenlied«, »Allerhöchste Logik«, »Der Verlust des Adels«, »Zwei Wünsche«, »Elegie auf den Herzog von Orleans«, »Vom kleinen Michel«, »Sternschneuzen«, »Unsere Freiheit«, »Holznoth« u. s. w. u. s. w. vom glänzendsten Humor, so sprechen »Unser Frühling,« »! –«, »Geisterrache«, – »Schillers Lied an die Freiheit«, »Deutsche Sclaven«, »Der Tambour«, »Die Ruinen«, »In der Sternennacht«, »Mein Dichten und Trachten«, »Die neue Volkshymne« und besonders die herrlichen Mährchen »Vom Reichthum und der Noth« und »Das Mährchen vom Geist«, das tiefinnigste Gemüth, den höchsten sittlichen Ernst aus. Einzelnes könnten wir wohl auch rügen, aber diese geniale Ursprünglichkeit des Verfassers besiegt uns immer wieder, und es ist noch die Frage, ob man ihr gegenüber ein Recht zum Tadel hat, ob es nicht närrisch ist, kritisch zu mäkeln an einem Liederbuche, das wie eine duftende, singende Naturschöpfung vor uns liegt. Sie wird Jeden entzücken, der den Blick von den Gräbern zum Himmel, von den Thälern zu den Bergen, von den Blumen zu den lustigen und träumenden Sängern des Waldes aufschlägt.«


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