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XXV

JOVIANS REGIERUNG UND TOD · WAHL DES VALENTINIAN, DES MITREGENTEN SEINES BRUDERS VALENS UND VOLLENDERS DER REICHSTEILUNG · REVOLTE DES PROCOPIUS · ZIVIL- UND MILITÄRVERWALTUNG · GERMANIEN · BRITANNIEN · AFRIKA · DER OSTEN · DAS DONAUGEBIET · VALENTINIANS ENDE · SEINE SÖHNE VALENTINIAN II UND GRATIAN REGIEREN DEN WESTEN · HERRSCHER DES OSTREICHES OHNE BEDEUTUNG

 

LAGE NACH JULIANS TOD ZUSTAND DER KIRCHE 363 373 A.D.

Der Tod Julians ließ das Gemeinwesen in einer äußerst heiklen und gefährlichen Lage zurück. Die römische Armee war durch einen erbärmlichen, aber vermutlich unumgänglichen Friedensschluss gerettet worden; Die Medaillen Jovians zeigen ihn als lorbeerbekränzten Sieger und dazu Gefangene, die im Staub liegen. Du Cange, Familiae Byzantinae, p. 52. Schmeichelei ist eine törichte Art des Selbstmords: sie zerstört sich mit eigenen Händen. und in der ersten Phase des Friedens widmete sich der fromme Jovian der Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in Kirche und Staat. Sein Vorgänger hatte durch seine Unbedachtsamkeit den religiösen Hader nachgerade gefördert; der Ausgleich, den er zwischen den verfeindeten Faktionen herbeizuführen bemüht war, diente lediglich dazu, die Feindseligkeiten zu vertiefen, weil Hoffnung und Furcht sich abwechselten und Ansprüche auf alte Gerechtsame und gegenwärtige Vorteile geltend gemacht wurden. Den Christen war der Geist des Evangeliums schon längst abhanden gekommen; dafür hatte die Heiden der Geist der Kirche berührt. Im Familienkreis musste die Stimme der Natur zurücktreten vor Rachegelüsten und blinder Glaubenswut; die Majestät des Rechtes wurde beleidigt oder missbraucht; die Städte des Ostens lagen blutbesudelt; die bösartigsten Feinde Roms fanden sich im Schoße des eigenen Landes.

Jovian war erzogen, das Christentum zu bekennen; und auf dem Marsch von Nisibis nach Antiochia wurde das Kreuzesbanner, das labrum Constantins, entrollt, dem Volke des neuen Herrschers Konfession anzuzeigen. Unmittelbar nach seiner Inthronisierung ging ein Rundschreiben an alle Provinzstatthalter: in welchem er die göttliche Wahrheit der christlichen Religion bekannte und sie in ihrer verfassungsgemäßen Stellung als Staatsreligion bestätigte. Julians perfide Erlasse wurden aufgehoben; die Immunität des Klerus wurde erneuert und sogar noch ausgedehnt; und Jovian beweinte die widrigen Zeitläufte, die ihn nötigten, den Umfang wohltätiger Zuwendungen zu vermindern. Jovian schenkte der Kirche (Ü.a.d.Griech.: ihre althergebrachte Ordnung) zurück; ein gewaltiger und allumfassender Ausdruck. (Philostorgios, 8,5, nebst Gothofreds Kommentaren, p. 329. Sozomenos, 6,3). Das neue Gesetz,welches die Entführung und anschließende Heirat von Nonnen streng verbot (Codes Theodosianus 9,25,2) wird von Sozomenos überschätzt, denn er unterstellt, dass ein verliebter Blick oder ein Ehebruch des Herzens von den evangelischen Gesetzesgeber mit dem Tode bestraft worden sei.

Einmütig war der geräuschvolle und aufrichtige Beifall der Christenheit für den frommen Nachfolger Julians. Aber noch war ihnen unbekannt, welches Glaubensbekenntnis denn nun oder welche Synode ihm das Banner der Rechtgläubigkeit abgeben würde; und der Friedenszustand der Kirche belebte im Handumdrehen die verbissenen Streitigkeiten, welche in den Jahren der Verfolgung hatten zurückstehen müssen. Die Kirchenoberen der verschiedenen Sekten waren davon überzeugt, und alle Erfahrung sprach dafür, dass die zukünftige Bedeutung ihres Glaubens wesentlich von dem ersten Eindruck abhängen werde, den er auf das schlichte und ungewappnete Soldatengemüt machen werde und eilten an den Hof von Edessa und Antiochia. Die Reichsstraßen des Ostens waren verstopft mit Bischöfen homousianischen, arianischen, semi-arianischen und eunomianischen Bekenntnisses, welche sich bei diesem heiligen Wettlauf gegenseitig zu überholen trachteten. Die Zimmer des Palastes waren von ihrem Lärmen erfüllt; und die Ohren des Herrschers wurden angegriffen und vielleicht sogar beleidigt durch diese einmalige Kakophonie aus Metaphysik und Grobianismus. Sokrates, 3,25; Philostorgios 8,6 nebst Gothofreds Kommentaren, p. 330. Jovians moderierendes Eingreifen, das den Streithähnen Eintracht nahe legte und sie auf die Beschlüsse eines künftigen Konzils vertrösten wollte, wurde ihm als Lauheit in Glaubensdingen ausgelegt; aber schließlich offenbarte und bekräftigte er doch seine Neigung zum nicäischen Bekenntnis, indem er seine Verehrung für die himmlischen Das Wort himmlisch bringt in abgeschwächter Form eine unfromme und törichte Schmeichelei des Kaisers gegenüber dem Erzbischof [Ü.a.d.Griech.: von der Gleichheit aller vor Gott] zum Ausdruck. Siehe den Originalbrief des Athanasios, Opera, Band 2, p. 33. Gregor von Nazianz (Orationes 21) begrüßt diese Freundschaft zwischen Jovian und Athanasios. Die Reise war dem Primas von ägyptischen Mönchen empfohlen worden. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 8, p. 221. Tugenden des großen Athanasios bekannte.

Dieser unerschütterliche Glaubensveteran, immerhin schon siebzig Jahre alt, hatte bei der ersten Nachricht vom Tode Julians seine Wüsteneinsamkeit aufgegeben. Der Beifall des Volkes verhalf ihm neuerlich auf den Sitz des Erzbischofs; und voll Weisheit nahm er die Einladung Jovians an, oder genauer: er nahm sie vorweg. Die respektable Erscheinung des Athanasios, sein besonnener Mut, seine überzeugende Beredsamkeit trug viel zu Mehrung der Reputation bei, die er vorher am Hofe von vier aufeinander folgenden Herrschern aufgebaut hatte. Athanasios am Hofe von Antiochia wird von La Bléterie angemessen dargestellt (Histoire de Jovien, Band 1, p. 21-48). Er übersetzt den Verlauf der einzigartigen Konferenz zwischen dem Kaiser, dem Primas und den arianischen Deputierten. Der Herr Abbé ist durchaus nicht einverstanden mit Jovians grobgekörnter Fröhlichkeit; aber dessen Parteinahme für Athanasios hat, jedenfalls nach seiner Auffassung, durchaus das Gepräge von Objektivität. Sobald er das Vertrauen des christlichen Herrschers erworben hatte und auch seinen Glauben gefestigt hatte, kehrte er im Triumph in seine Diözese zurück und führte zehn weitere Jahre Die genaue Festlegung des Todeszeitpunktes wirft verschieden Probleme auf (Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 8, p. 719 – 723). Aber das Datum (2. Mai 373), das noch am besten mit Geschichte und Vernunftgründen harmoniert, wird durch seine authentische Biographie bekräftigt. Maffei, Osservazioni letterarie, Band 3, p. 81. mit ausgereifter Urteils- und ungeminderter Tatkraft das Kirchenregiment in Alexandria und über die katholische Kirche. Vor seiner Abfahrt versicherte er Jovian noch, dass sein Bekenntnis zur Rechtgläubigkeit ihm eine lange Regierungszeit bescheren werde. Athanasios hoffte nicht zu Unrecht, dass er sich entweder das Verdienst einer erfüllten Voraussage erwerben werde oder doch wenigstens sein inniges, wenngleich wirkungsloses Gebet für sich als Rechtfertigungsgrund anführen könne. Siehe die Anmerkungen von Valesius und Jortin (Remarks on ecclesiastical history, Band 4, p. 38) sowie den Originalbrief von Athanasios, der bei Theodoretos (4,3) überliefert ist. In einigen mss. ist dieses unüberlegte Versprechen weggelassen; vermutlich von den Katholiken, denen der prophetische Ruf ihres Anführers am Herzen lag.

 

ALLGEMEINE RELIGIÖSE TOLERANZ

Der leichteste Anstoß, der den naturgewollten Abstieg einer Sache beschleunigt, entwickelt unwiderstehliche Wirkung; und Jovian war geschickt genug, sich den religiösen Meinungen anzuschließen, welche den Geist der Zeit auf ihrer Seite hatten und zu denen sich die eifernden Massen der mächtigsten Sekten bekannten. Athanasios (bei Theodoretos 4,3) vermehrt die Zahl der Rechtgläubigen, welche- [Ü.a.d.Griech.: außer ein paar Wenigen mit arianischen Auffassungen]- die ganze Welt ausmachten. Diese Gewissheit wurde allerdings erst 30_40 Jahre später zu Wahrheit.. Unter seiner Herrschaft errangen die Christen einen leichten und dauerhaften Sieg; und sobald ihm die kaiserliche Gnadensonne nicht mehr lächelte, sank der Genius des Heidentums, den Julian so kunstfertig gefördert und gestärkt hatte, endgültig in den Staub. In zahlreichen Städten wurden die Tempel geschlossen oder aufgegeben: die Philosophen, die die vorübergehende Gunst der Stunde genutzt hatten, nannten es klug, sich den Bart zu scheren und ihr Gewerbe zu verheimlichen; und die Christen genossen es, dass es nunmehr an ihnen sei, für das Unrecht, das sie unter der vergangenen Regierung erlitten hatten, Rache oder Vergebung zu üben. Socrates, 3,24; Gregor von Nazianz (Orationes 4) und Libanius (Oratio Parentalis,148) drücken die wahre Gesinnung ihrer jeweiligen Parteien aus.

Die Besorgnisse der heidnischen Welt wurden zunächst noch zerstreut durch ein weises und großherziges Toleranzedikt; in welchem Jovian ausdrücklich betonte, dass seine Untertanen, auch wenn er die gotteslästerlichen Praktiken der Magie strengstens bestrafen müsse, dennoch frei und sorglos die Zeremonien ihrer früheren Gottesdienste ausüben mögen. Die Erinnerung an dieses Gesetz hat der Redner Themistios bewahrt, welchen der Senat von Konstantinopel delegiert hatte, den neuen Herrscher der alleruntertänigsten Loyalität zu versichern. Themistios verbreitet sich ausführlich über die göttliche Milde, die Möglichkeit des Menschen zum Irrtum, das Recht auf ein Gewissen und die Unabhängigkeit des Denkens; mit viel Beredsamkeit schärft er die Grundsätze philosophischer Toleranz ein; auf deren Hilfe zurückzugreifen selbst der Aberglaube in der Stunde seiner Not keine Bedenken trage. Ganz zu Recht merkt er an, dass während der jüngstvergangenen Wechselfälle beide Religionen sich keinen Ruhm erworben hätten durch billige Proselytenmacherei und durch solche Kaisertreue, die ohne nachzudenken oder zu erröten von der Kirche zum Tempel und dann wieder von Jupiters Altar an die heilige Tische der Christen überwechseln konnte. Themistios, Orationes 5. Der Abbé de la Bléterie bemerkt treffend (Histoire de Jovien, Band 1, p.199), dass Sozomenos die allgemeine Toleranz und Themistios die Einführung der katholischen Religion vergessen hätten. Beide schlossen sie die Augen vor dem Gegenstand ihrer Abneigung und wünschten den Teil des Ediktes, der nach ihrer Auffassung für Jovian am wenigsten ehrenhaft war, zu unterdrücken.

 

ABMARSCH AUS ANTIOCHIA OKTOBER 363 JOVIANS TOD

Innerhalb von sieben Monaten hatten die römischen Legionen, welche nunmehr nach Antiochia zurückgekehrt waren, eine Strecke von fünfzehnhundert Meilen zurückgelegt; auf welcher sie alle Härten des Krieges, des Hungers und des Klimas durchlitten hatten. Trotz ihrer Leistungen, ihrer Erschöpfung und des bevorstehenden Winters gönnte der bängliche und ungeduldige Jovian Mann und Ross nur eine sechswöchige Erholungspause. Der Kaiser konnte die anzüglichen und bösartigen Sticheleien der Bevölkerung von Antiochia nicht länger verkraften. [Ü.a.d.Griech.: Die Antiochier standen nicht wohlwollend zu ihm, sondern verhöhnten ihn mit Gesängen und Parodien und den so genannten ›famosen Büchern‹], Ionnes Malalas von Antiochia, Excerpta Valesiana, p. 845. Diese Büchlein von Antiochia besitzen allerdings nur sehr wenig Beweiskraft. Es verlangte ihn nach dem Palast von Konstantinopel; auch wollte er dem Ehrgeiz eines etwaigen Mitbewerbers zuvorkommen, welcher die orientierungslose Untertanenpflicht Europas für sich beanspruchen mochte.

Aber schon bald erhielt Jovian die freudevolle Nachricht, dass seine Autorität vom thrakischen Bosporus bis zum Atlantik anerkannt sei. In den ersten Briefen, welche er von seinem Lager in Mesopotamien abschickte, hatte er das militärische Oberkommando in Gallien und Illyrien dem Malarich übertragen, einem tapferen und ergebenen Offizier der fränkischen Nation, sowie seinem, Jovians, Schwiegervater, dem comes Lucillianus, welcher früher bei der Verteidigung von Nisibis Mut und Umsicht bewiesen hatte. Malarich hatte das Amt, dem er sich nicht gewachsen fühlte, abgelehnt; Lucillianus wurde in Reims umgebracht, im Verlauf einer unbedeutenden Militärmeuterei. Vergleiche dazu Ammianus 25,10, der den Namen der Bataver ganz auslässt und Zosimos 3,35, der den Schauplatz des Geschehens von Reims nach Sirmium verlegt. Aber die Besonnenheit des magister equitum Jovinus machte dem Tumult bald ein Ende und gewann die schwankenden Gemüter der Soldaten zurück. Der Treueeid wurde geleistet, und die Abgesandten der westlichen Armeen ›Quos capita scholarum ordo castrensis appellat‹, [welche in der Sprache des Lagers ›Offiziere der Haustruppe‹ heißen]. Ammianus 25,10 und Valesianus ad locum. konnten ihren neuen Herrn begrüßen, als er in Kappadokien vom Taurusgebirge in die Stadt Tyana herniederstieg.

 

1. JANUAR 364 JOVIANS TOD AM 17. FEBRUAR 364

Von Tyana zog er in großen Tagesmärschen nach Ancyra, der Hauptstadt der Provinz Galata; wo sich Jovianus zusammen mit seinem unmündigen Sohn die Titulatur und die Insignien des Konsulates ›Cuius vagitus, pertinaciter reluctantis, ne in curuli sella veherentur ex more, id quod mox accidit protendebat.‹, [...dessen Geschrei und heftige Weigerung, sich nach dem Brauch auf dem Kurulischen Sessel tragen zu lassen, auf das hindeuteten, was bald darauf eintreten sollte]. Ammianus 25, 10, 11. Augustus und seine Nachfolger erbaten für die Söhne und Neffen, die sie zu Konsuln machten, Dispens von den Altersbestimmungen. Aber der curulische Sessel des ersten Brutus war noch nie durch ein Kleinkind entehrt worden. zulegte. Dadastana, Das Itinerarium (Reisetagebuch) des Antoninus verlegt Dadastana 125 Meilen von Nikäa; 117 von Ancyra. (Wesseling, Itineraria, p. 142.) Der Pilger von Bordeaux, der einige Stationen auslässt, verkürzt die Strecke von 242 auf 181 Meilen. Wesseling, p. 574. eine obskure Kleinstadt auf halber Strecke zwischen Ancyra und Nikäa, sollte seine Reise und sein Leben vorzeitig beenden. Nachdem er sich ein üppiges, vielleicht sogar unmäßiges Abendessen gegönnt hatte, zog er sich zur Ruhe zurück; am nächsten Morgen fand man den Kaiser Jovian tot in seinem Bett. Über die Ursache seines Todes kursierten verschiedene Gerüchte. Einige schoben es einer Verdauungsschwäche zu, die die Unmengen Wein oder die Qualität der Pilze verursacht hatten, die er am Abend zuvor in sich hinein geschlungen hatte. Nach anderen starb er im Schlaf durch giftige Gase eines Kohlefeuers, welches aus den frischverputzten Zimmerwänden Siehe Ammianus (25,10), Eutropius (10,18), der vermutlich ebenfalls anwesend war; Hieronymos, ad Heliodorum 60; Orosius (7,21), Sozomenos (6,6), Zosimos (3,25) und Zonaras (13,14).Vollständige Übereinstimmung dürfen wir nicht erwarten, und geringe Abweichungen sollten wir auf sich beruhen lassen. die ungesunde Feuchtigkeit herausziehen sollte. Aber möglicherweise war das Fehlen einer offiziellen Untersuchung zum Tode eines Herrschers, dessen Regierung und Person man schon bald vergaß, der einzige Grund dafür, dass bösartiges Geflüster über Gift und häusliche Unzulänglichkeiten aufkommen konnte. Ammianus, der sonst immer sehr abwägend ist und seinen gesunden Menschenverstand bewahrt, vergleicht den Tod des unbedeutenden Jovian mit dem von Scipio Africanus d.J., welcher Furcht und Hass der Popularenpartei erregt hatte.

Der Leichnam Jovians wurde nach Konstantinopel überführt, damit er neben seinen Vorgängern beerdigt werde; und dem Trauerzug kam sein Weib Charito entgegen, die Tochter des comes Lucillianus, welche immer noch den Tod ihres Vaters beweinte und gekommen war, ihre Tränen in den Umarmungen ihres Gatten zu trocknen. Ihre Enttäuschung und ihr Kummer wurden noch zusätzlich durch mütterliche Sorgen verbittert. Sechs Wochen vor Jovians Tod hatte sein unmündiger Sohn auf dem curulischen Sessel Platz genommen, angetan mit dem Titel Nobilissimus und den müßigen Insignien seines Konsulates. Der junge Prinz, der von seinem Großvater den Namen Varronianus angenommen hatte und von seinem Schicksal nichts ahnte, wurde lediglich durch regierungsamtlichen Neid daran erinnert, dass er von königlichem Blut war. Nach sechzehn Jahren war er zwar immer noch am Leben, aber er hatte bereits ein Auge verloren; und seine Mutter besorgte zu jeder Stunde, dass das unschuldige Opfer ihren Armen entrissen werde, um mit seinem Blute den Argwohn des regierenden Herrschers zu beschwichtigen. Der christliche Redner Chrysostomos (Opera, Band 1, p. 336 und 344.) versucht die Witwe durch Beispiel berühmter Schicksale zu trösten; und er merkt an, dass von neun Herrschern (Caesar Gallus eingeschlossen), die zu seinen Lebzeiten regiert hätten, nur zwei, Constantin und Constantius, eines natürlichen Todes gestorben seien. Leere Phraseologie hat noch nie eine Träne getrocknet.

 

THRONVAKANZ 17. 26. FEBRUAR DIE WAHL VALENTINIANS

Nach dem Tode Jovians stand der römische Thron zehn Tage verwaist. Zehn Tage scheinen für den Marsch und die Wahl kaum ausreichend. Es sei jedoch angemerkt, 1: dass die Generäle ohne Verzug für sich, ihre Mitarbeiter und ihre Boten auf die schnellen Beförderungsmöglichkeiten der Staatspost zurückgreifen konnten; 2. dass die Truppen zur Minderung der Belastungen für die einzelnen Städte in zahlreichen Unterabteilungen marschierten; und dass 3. die Vorhut einer Marschkolonne in Nikäa ankommen konnte, während die Nachhut noch in Ancyra stand. Minister und Generäle trafen sich weiterhin zu ihren Sitzungen, um ihres jeweiligen Amtes zu walten; die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten; und mit der Armee nach Nikäa zu ziehen, welchen Ort man zur Stätte der Kaiserwahl bestimmt hatte. Ammianus 26,1; Zosimos 3,36; Philostorgius 8,8; und Gothofred, Dissertationes p. 334. Philostorgios, der offenbar über einige authentische Informationen zu verfügen schien, schreibt die Wahl Valentinians einmal dem Präfekten Sallust zu, dem General Arintheus, dem comes domesticus Dagalaiphus und dem Patrizier Datianus, dessen nachdrückliche Empfehlung aus Ancyra die Wahl nachhaltig beeinflusste. In einer feierlich disponierten Versammlung aus zivilen und militärischen Würdenträger bot man, wiederum einmütig, dem Sallust das Diadem an. Er erwarb den Ruhm, sich ein zweites Mal verweigert zu haben; und als man dann die Tugenden des Vaters zu Gunsten seines Sohnes anführte, erklärte der Präfekt mit dem Nachdruck des selbstlosen Patrioten, dass das schwächliche Alter des Einen und die unerfahrene Jugend des Anderen mit gleichem Nachdruck der Übernahme der schweren Regierungspflichten entgegenständen.

 

WAHL UND PERSÖNLICHKEIT VALENTINIANS

Nun wurden einige andere Kandidaten vorgeschlagen und nach Abwägung ihrer Charaktere und gegenwärtigen Stellung einer nach dem anderen wieder verworfen; als dann aber der Name Valentinian fiel, erhielten die Verdienste dieses Offiziers die Stimmen aller wahlberechtigten Versammlungsteilnehmer und den aufrichtigen Beifall von Sallust selber. Valentinian Ammianus 30,7 und 9 und der jüngere Victor haben das Portrait des Valentinian gemalt, welches naturgemäß der Darstellung seiner Regentschaft vorausgeht und sie ausschmückt. war der Sohn des comes Gratianus, aus Cibalis in Pannonien gebürtig, der sich aus unbedeutender Stellung durch unvergleichliche Zähigkeit und Tüchtigkeit emporgearbeitet hatte bis in die Befehlhaberstellen von Afrika und Britannien; aus denen er sich mit beträchtlichem Vermögen und fast unbeschädigtem Ruf zurückzog. Stellung und Verdienste des Gratian waren jedoch nützlich, seinem Sohne Valentinian seine ersten Karrierepfade zu ebnen; auch erlaubten sie ihm schon früh, jene nützlichen Qualifikationen zu entfalten, welche ihn vor seinen gewöhnlichen Mitsoldaten auszeichneten. Valentinian war groß gewachsen, von angenehmem und majestätischem Äußeren. Seine mannhafte Gemütsruhe, die unverkennbar den Stempel von Geist trug, erfüllte seine Freunde mit Bewunderung und seine Feinde mit Furcht: und damit gleichsam die Wirkung seines unerschütterten Mutes noch gesteigert werde, hatte der Sohn Gratians eine sehr robuste Gesundheit geerbt.

Die Anforderungen seines militärischen Berufes hatten ihn schon früh von der Beschäftigung mit schöner Literatur abgehalten; er sprach kein Wort Griechisch und verstand von der Kunst der Rhetorik nichts; aber er ließ sich durchaus nicht verblüffen, sondern es standen ihm, wann immer die Situation es erforderte, die Worte zu Gebote, seine durchdachte Meinung mit Nachdruck und Verve vorzutragen. Von den Gesetzen hatte er ausschließlich die Gesetze des Krieges studiert; und schon bald war er bekannt für den Nachdruck und die unerbittliche Strenge, mit denen er den Pflichten des Militärlagers nachkam. Unter Julian stand er aus eigenem Verschulden in der Gefahr, sich die allerhöchste Ungnade zuzuziehen, da er in aller Öffentlichkeit seine Verachtung gegenüber der herrschenden Religion zu erkennen gab; Als er in Antiochia pflichtgemäß den Kaiser zum Tempel begleitete, schlug er einen Priester zu Boden, der sich anschickte, ihn mit geweihtem Wasser zu reinigen (Sozomenos 6,6; Theodoretos 3,12). Solcherlei öffentliche Trotzgebärde mochte eine Eigenart von Valentinian sein; aber der Philosoph Maximus ging mit seiner Behauptung entschieden zu weit, als er einen privaten Hintergrund vermutete (Zosimos 4,2). aber aus dem später gezeigten Verhalten sollte man unschwer ablesen, dass Valentinians unüberlegte und unpassende Aufführung ein Erzeugnis seines militärisch-kriegerischen Gemütes war und nicht eines christlichen Glaubenseifers.

Der Kaiser jedenfalls, der seine Verdienste hochschätzte, gab ihm Pardon Sokrates 4. Sozomenos (6,6) und Philostorgios (7,7 und Gothofreds Erläuterungen p. 293) schieben hier noch ein Exil in Melitene oder Thebais (ersteres ist wahrscheinlicher) ein. und beschäftigte ihn weiter; und während des Perserfeldzuges stellte er verschiedentlich seine Tüchtigkeit unter Beweis, die er schon an den Rheinufern bewährt hatte. Ein ihm übertragenes, wichtiges Kommandounternehmen erledigte er prompt und erfolgreich und empfahl sich dadurch dem Jovian und für die Befehlhaberstelle über die zweite Schule oder Kompanie der Peltasten (Leichtbewaffneten) der Palastgarde. Er hatte auf dem Marsch nach Antiochia sein Quartier in Ancyra erreicht, als ihm ganz unerwartet in seinem dreiundvierzigsten Lebensjahr – ohne sein Zutun und ohne vorangegangene Intrige – die absolute Herrschaft über das Römische Reich angetragen wurde.

 

ZUSTIMMUNG DER ARMEE 26. FEBRUAR 364

Die Stimmen der Minister und Generäle hatten nur wenig Gewicht, solange nicht die Stimme der Armee ihnen beitrat. Der betagte Sallust, welchem die unberechenbaren Stimmungsschwankungen von Volksversammlungen schon lange bekannt waren, schlug vor, dass – bei Androhung der Todesstrafe – am Tage der Inthronisation niemand, dessen militärischer Rang Parteigänger zu seinen Gunsten mobilisieren könne, sich in der Öffentlichkeit blicken lassen dürfe. Aber so bestimmend war der Aberglaube bei den Alten, dass man noch einen ganzen Tag freiwillig an diesen heiklen Zeitraum anhängte, da es sich zufällig traf, dass ein Schalttag ( bissextile) eintrat. Ammianus unterstellt in einer langen und hier unpassenden Abschweifung (26,1), dass er von einer astronomischen Frage etwas verstehe, von der seine Leser nichts wüssten. Bei Censorinus (De die natali 20) und Macrobius (Saturnalia 1,12-16) wird die Frage mit mehr Urteilskraft und Schicklichkeit behandelt. Der Begriff bissextile, der ein Unglücksjahr kennzeichnet (Augustinus, Epistulae 119, Ad inquisitiones Ianuarii), ist abzuleiten aus Verdoppelung (bis) des sechsten Tages der Kalenden des März. Als dann endlich die Stunde geeignet schien, ließ sich Valentinian auf einem hohen Schaugerüst blicken; man stimmte seiner Wahl zu; und der neue Herrscher ward mit Diadem und Purpur angetan, unter dem Beifall der Truppen, die in militärischer Ordnung um die Holztribüne angetreten waren. Als er dann aber seine Hand erhob, um die bewaffneten Massen zu grüßen, erhob sich in den Rängen geschäftiges Flüstern, welches schon bald zu lautem und forderndem Lärmen anwuchs, er möge ohne Verzug den Namen seiner Mitkaiser angeben. Valentinian gebot unerschüttert Schweigen und Respekt und sprach zu der Versammlung also:

›Ein paar Minuten vorher, Kameraden, lag es noch in eurer Gewalt, mich in einer unbedeutenden privaten Stellung zu belassen. Nun war es eure Meinung, dass ich aufgrund meiner Vergangenheit den Kaiserrang verdient habe, und ihr habt mich auf den Thron platziert. Meine Pflicht ist es nunmehr, mich um die Sicherheit und die Interessen des Staates zu bekümmern. Das Gewicht des Universums ist zweifellos zu schwer für die schwache Hand eines einzelnen Sterblichen. Auch ich bin mir der Grenzen meiner Möglichkeiten und der Unwägbarkeiten des menschlichen Lebens bewusst; und weit davon entfernt, sie abzulehnen, bin ich vielmehr ängstlich um die Hilfe eines geeigneten Kollegen bemüht. Aber da, wo Zwietracht verhängnisvoll wäre, erheischt die Wahl eines treuen und zuverlässigen Freundes reifliche Überlegung. Dies soll nun meine Sorge sein; ihr hingegen sollt euch pflichtbewusst und schicklich aufführen. So geht nun in eure Quartiere zurück; stärkt euch an Körper und Seele; und erwartet das gewohnte Donativ, das die Erhebung noch jeden Kaisers begleitet hat.‹ Valentinians erste Rede ist bei Ammianus (26,2) in ganzer Länge überliefert; kurz und sentenziös bei Philostorgios (8,8).

Die Truppen bekannten sich zu den Ausführungen ihres Herren mit einer Mischung aus Stolz, Zufriedenheit und Schrecken. Ihr ärgerliches Lärmen legte sich und ging in stillschweigende Verehrung über; und Valentinian, umgeben von Legionsadlern und den diversen Infanterie- und Kavallerie-Fahnen, wurde im kriegerischen Pomp bis in den Palast von Nikäa geleitet. Da er sich aber durchaus der Notwendigkeit bewusst war, irgendwelchen vorschnellen Beschlüssen der Truppe zuvor zu kommen, befragte er eine Versammlung der Truppenkommandanten: ihre wahren Empfindungen brachte Dagalaiphos freimütig auf den Punkt: ›Hochmögender Herrscher,‹, sprach der General, ›wenn du nur deine eigene Familie in Erwägung ziehst, dann gibt es nur einen Bruder; wenn du aber die Republik liebst, dann halte nach dem Römer Ausschau, den du einsetzen möchtest.‹ ›Si tuos amas, Imperator optime, habes fratrem; si Rempublicam, quaere quem vestias.‹, Ammianus 26, 4. Bei der Reichsteilung behielt Valentinian diesen wackeren Ratgeberan seiner Seite (26,6).

 

ERHEBT SEINEN BRUDER VALENS ZUM AUGUSTUS 28. MÄRZ 364

Der Kaiser, der sein Missvergnügen herunterschluckte, ohne zugleich seine Absichten zu ändern, zog in Ruhe von Nikäa nach Nikomedia und Konstantinopel. In einem der Vororte der Stadt ›In suburbano‹, Ammianus 26,4. Das berühmte ›Hebdomon‹, entweder sieben Stadien oder sieben Meilen von Konstantinopel entfernt gelegen. Siehe zu dieser Stelle Valesius und seinen Bruder sowie Du Cange, Constantinopolis, Buch 2, p. 140f. und 172f. verlieh er, dreißig Tage nach seiner eigenen Ernennung, seinem Bruder Valens den Augustustitel; und da selbst die kühnsten Patrioten überzeugt waren, dass ihre Gegenmeinung übel aufgenommen werde, wenn sie nicht zugleich dem Lande dienlich sei, wurde diese Erklärung des absoluten Willens mit schweigender Subordination aufgenommen. Valens war sechsunddreißig Jahre alt; seine Fähigkeiten wurden bis dahin jedoch bei keiner Aufgabe, militärisch oder zivil, gefordert; und sein Charakter hatte die Welt nicht mit fieberhaften Vorfreude erfüllt. Eine Begabung allerdings war ihm zu eigen, welche ihn bei Valentinian nachdrücklich empfahl und zugleich den inneren Frieden des Reiches sicherstellte: eine treue und dankbare Anhänglichkeit an seinen Wohltäter, dessen überlegenen Geist und Autorität Valens frohgemut und ergeben bei allen seinen künftigen Unternehmungen anerkannte. ›Participem quidem legitimum potestatis; sed in modum apparitoris morigerum, ut progrediens aperiet textus.‹, [...einen legitimen Teilhaber an der Macht, aber nach Art eines diensteifrigen Aufwärters, wie sich bald zeigen wird]. Ammianus 24,4.

 

ENDGÜLTIGE TEILUNG IN EIN OST- UND WESTREICH JUNI 364

Noch vor der Teilung der Provinzen machte sich Valentinian an die Neuordnung der Reichsverwaltung. Jedweder Untertan, welchem unter Julian ein Leids geschehen war, wurde aufgefordert, öffentlich Klage zu führen. Das allgemeine Schweigen der Menschheit legte für die makellose Integrität des Sallust Zeugnis ab; Ungeachtet der deutlichen Aussagen bei Zonaras, der Suidas und des Chronicon paschale will Herr de Tillemont diese für einen Heiden so günstigen Berichte nicht glauben (›si avantageuses à un payen‹). seine eigenen drängenden Bitten um Entlassung aus dem Staatsdienst wurden von Valentinian mit den liebenswürdigsten Wertschätzungs- und Freundschaftsbekundungen verweigert. Indessen waren unter den Günstlingen des verstorbenen Imperators viele gewesen, welche seine Arglosigkeit oder seinen Aberglauben missbraucht hatten und deshalb nicht länger auf gesetzlichen Schutz oder andere hohe Protektion hoffen konnten. Eunapios überzeichnet das Leiden des Maximus (Vita sophistarum, p. 82 f.), aber er lässt zu, dass dieser schuldbeladene Sophist oder Magier, Julians Favorit und Valentinians persönlicher Feind, gegen eine geringe Bußzahlung entlassen wurde. Der größte Teil der Palastminister und Provinzstatthalter wurde von seinen jeweiligen Posten abgelöst; anderseits zeichneten sich einige Offizielle durch überragende Verdienste vor dieser anrüchigen Mehrheit aus; und obwohl christlicher Glaubenseifer viele geräuschvolle Gegenrede veranstaltete, scheint man bei dieser heiklen Angelegenheit doch mit einer erfreulichen Mischung aus Besonnenheit und Zurückhaltung vorgegangen zu sein. Verstreute Behauptungen einer allgemeinen Ungnade (Zosimos 4,2) werden von Tillemont (Histoire des empereurs, Band 5, p. 21) aufgedeckt und widerlegt. Die Inthronisationsfeierlichkeiten wurden wegen der plötzlichen und verdächtigen Erkrankung der beiden Herrscher kurzfristig unterbrochen; sobald aber ihre Gesundheit wieder hergestellt war, verließen sie mit Frühjahrsbeginn Konstantinopel. Im Palast von Mediana, nur drei Meilen von Naissus entfernt, vollendeten sie feierlich und endgültig die Teilung des Römischen Reiches Ammianus, 26,5.

Valentinian übertrug seinem Bruder die reiche Präfektur des Ostens, von der unteren Donau bis an die persische Grenze, während er für seine Regierungstätigkeit sich die kriegerischen Präfekturen Illyrien, Italien und Gallien vorbehielt, von Griechenland bis zum kaledonischen Wall; und von dort bis zum Atlasgebirge. Die Provinzverwaltung bleib weitgehend unverändert; aber zugleich wurde für die zwei Ratsversammlungen und Höfe die doppelte Anzahl von Generälen und Magistraten erforderlich: die Verteilung geschah nach Verdienst und Stellung, und sieben Heermeister waren bald aus der Kavallerie oder Infanterie rekrutiert. Nachdem dies alles schiedlich-friedlich vollendet war, umarmten Valentinian und Valens sich zum letzten Male. Der Kaiser des Westens nahm vorübergehend Residenz in Mailand, während der Herrscher des Ostens nach Konstantinopel zurückkehrte, um die Herrschaft über fünfzig Provinzen anzutreten, von deren Sprache er nicht ein Wort verstand. Ammianus sagt in allgemeinen Wendungen, ›subagrestis ingenii, nec bellicis nec liberalibus studiis eruditus‹ [ziemlich bäurisch von Gemüt, war er weder in den Kriegs- noch in den freien Künsten ausgebildet], Ammianus, 31,14. Der Redner Themistios wünscht mit der genuinen Impertinenz der Griechen zum ersten Male Latein, die Sprache seines Herren, [Ü.a.d.Griech: den vorherrschenden Dialekt], sprechen zu können Orationes 6, p. 71.

 

REVOLTE DES PROKOPIOS 28. SEPTEMBER 365

Doch schon bald wurde der Frieden des Ostens durch Rebellion aufgestört; und der Thron des Valens wurde angegriffen durch die waghalsigen Attacken eines Rivalen, dessen Verwandtschaft mit Kaiser Julian Die unbestimmte Art dieser Beziehung oder Blutsverwandtschaft kommt in den Wörtern cognatus, consobrinus‹, [Neffe/Vetter, Blutsverwandter, Geschwisterkind] zum Ausdruck. Die Mutter des Prokopios war wohl eine Schwester der Basilina und des comes Julian, der Mutter bzw. des Onkels des Apostaten. Du Cange, Familiae Byzantines, p. 49. sein einziges Verdienst gewesen war und nun zu seinem einzigen Vergehen wurde. Prokopios hatte einen raschen Aufstieg vom einfachen Militärtribun und Protokollführer bis hin zum Generalstäbler in der mesopotamischen Armee hinter sich; die öffentliche Meinung sah in ihm bereits den Nachfolger des Herrschers, welcher keine natürlichen Erben besaß; und seine Freunde brachten das alberne Gerücht in Umlauf, dass Julian in Karrhae vor dem Altar der Mondgöttin Prokopios in aller Stille den Kaiserpurpur angelegt habe. Ammianus (23,3 und 26,6) berichtet hiervon nur mit großem Vorbehalten: ›susurravit obscurior fama; nemo enim dicti auctor exstitit‹ [...es schwirrte ein unbestimmtes Gerücht; ein tatsächlicher Urheber für das Gesagte fand sich nie]. Immerhin kann man soviel erkennen, dass Prokopios ein Heide war. Aber seine Religion scheint ihn bei seinem Bestreben weder hinderlich noch förderlich gewesen zu sein. Er war bemüht, durch pflichteifrige und submisseste Aufführungen Jovians Misstrauen zu zerstreuen; trat ohne vorangegangenen Konflikt von seinen militärischen Kommandos zurück; und zog sich mit Weib und Kind zurück, um seine weitläufigen Ländereien in Kappadokien zu kultivieren.

Dieses nützlich-unschuldsvolle Tun wurde dann jählings durch das Erscheinen eines Offiziers und einer Handvoll Soldaten unterbrochen, die im Auftrage der neuen Herrscher Valentinian und Valens gekommen waren, den unglücklichen Prokopios entweder zu lebenslänglicher Haft oder einem schmachvollen Tode abzuführen. Seine Geistesgegenwart verhalf ihm indessen zu einer Gnadenfrist und einem glänzenderen Schicksal. Ohne das kaiserliche Mandat anzuzweifeln oder zu diskutieren, erbat er nur die Gnade, seine weinende Familie noch einmal umarmen zu dürfen; und während die Aufmerksamkeit seiner Wachen infolge üppiger Bewirtung ein wenig eingeschläfert war, entkam er glücklich an den Strand des Schwarzen Meeres, von wo er in die Landschaft des Bosporus übersetzte.

In diesem entlegenen Landstrich verbrachte er viele Monate und durchlitt alle Härten des Exils, der Einsamkeit und der Armut: Melancholisch durchgrübelte er sein widriges Geschick, und zugleich besorgte er zu Recht, dass, wenn durch irgendeinen Zufall sein Name entdeckt würde, die treulosen Barbaren ohne Bedenken die Gesetze der Gastfreundschaft verletzen würden. In einem Augenblick des Aufbäumens und der Verzweiflung ging Prokopios an Bord eines Kauffahrteischiffes, welches nach Konstantinopel ablegte; und entschloss sich kühn zu dem Amt des Herrschers, da ihm die Ruhe des Untertanen nicht gegönnt war. Zunächst hielt er sich in Bythinia verborgen, wobei er beständig seinen Aufenthalt und seine Verkleidung wechselte. Eines seiner Verstecke war das Landhaus des Häretikers Eunomios. Der Hausherr war abwesend, unschuldig, wusste von nichts und entging doch nur knapp der Todesstrafe, wurde aber in das entlegenste Mauretanien verbannt. Philostorgios 9,5 und 8 und Gothofreds Erläuterungen p. 369 – 378. Schritt für Schritt traute er sich in die Hauptstadt vor, vertraute sein Leben und sein Geld der Treue zweier Freunde an, eines Senators und eines Eunuchen und begann sogar Hoffnung aus den Nachrichten zu schöpfen, die er über die aktuellen Staatsangelegenheiten erhielt. Das Volk war mit dem Geist der Unzufriedenheit durchsetzt: man vermisste die gerechte und kompetente Amtsführung des Sallust, den man töricht genug von seiner Präfektur im Osten abgelöst hatte. Valens konnte man nur verachten, da er roh war ohne Energie und kleinmütig ohne Güte. Zugleich fürchteten sie die Machenschaften seines Schwiegervaters, des Patriziers Petronius, eines grausamen und habgierigen Ministers, welcher sämtliche Steuerrückstände, die seit der Zeit des Kaisers Aurelian mochten angelaufen sein, rücksichtslos eintrieb.

Dies waren Umstände, günstig für Thronräuber. Feindliche Umtriebe der Perser forderten die Anwesenheit des Valens in Syrien; von der Donau bis zum Euphrat gab es Truppenbewegungen; und die Hauptstadt war schubweise überlaufen mit Soldaten, die den thrakischen Bosporus in eine der beiden Richtungen überquerten. Zwei gallische Kohorten ließen sich bereden, sich die geheimen Vorschläge der Verschwörer anzuhören; welche sich durch das Versprechen üppigster Donative von selbst empfahlen; und da sie das Andenken Julians immer noch ehrten, fanden sie sich leicht darein, die Ansprüche seines Erben zu unterstützen, welcher gegenwärtig vogelfrei war. In der Morgendämmerung zogen sie beim Anastasiabad auf; und Prokopios, der sich einen Purpurmantel umgeworfen hatte – hierin einem Schauspieler ähnlicher als einem wahren Kaiser – erschien, als sei er von den Toten auferstanden, mitten in Konstantinopel. Die Soldaten, die auf seinen Empfang vorbereitet waren, begrüßten ihren bebenden Herren mit Freudenrufen und Treueversprechen. Ihre Zahl vergrößerte sich rasch durch Haufen aus grimmigentschlossenen Bauern aus der Umgebung; und Prokopios, durch die Waffen seiner Anhänger geschirmt, suchte nacheinander das Tribunal, den Senat und den Palast auf.

Zunächst erstaunte und beklomm ihn das gespenstische Schweigen der Massen, welche entweder von der Sache nichts wusste oder vor dem Ausgang bangte. Aber seine militärische Stärke war größer als jeder etwaige Widerstand: Die Unzufriedenen scharten sich um die Fahne der Rebellion; die Armen wurden durch die Aussicht auf allgemeine Plünderung angelockt, die Reichen eben dadurch geängstigt; und die unbelehrbare Leichtgläubigkeit des Volkes wurde einmal mehr durch die versprochenen Segnungen einer Revolution gefoppt. Die Magistrate wurde abgesetzt; die Gefängnisse und die Arsenale gewaltsam geöffnet; Stadttore und Hafeneinfahrt sorgfältig blockiert; und nach wenigen Stunden war Prokopios der unumschränkte, wenn auch nur vorläufige Herrscher der Kaiserstadt.

Mit ein paar kühnen und glücklichen Maßnahmen festigte der Thronräuber seinen unerwarteten Erfolg. Geschickt setzte er Gerüchte in Umlauf, die seiner Sache am dienlichsten waren; die Stadtbevölkerung täuschte er, indem er nicht vorhandenen Gesandtschaften aus fernen Ländern Audienzen gab. Die gewaltigen Truppenkörper in den Städten Thrakiens und in den Festungen an der unteren Donau wurden Schritt für Schritt in die Rebellion hinein verwickelt; und die Gotenkönige waren gerne bereit, den Herrscher von Konstantinopel mit der fürchterlichen Schlagkraft von tausenden von Hilfsvölkern beizustehen. Generäle überquerten den Bosporus und unterwarfen ohne sonderliche Mühe die unbewaffneten, aber wohlhabenden Provinzen von Bithynien und Kleinasien. Nach ehrenvollem Widerstand ergaben sich Insel und Stadt Kyzikos seinen Waffen; die Elitelegionen der Jovianer und Herculaner schlossen sich der Sache des Usurpators an, den sie eigentlich hätten zermalmen sollen; und da sich den Veteranen beständig neue Rekruten anschlossen, stand Pokpüios schon bald an der Spitze einer Streitmacht, deren Stärke und Zahl der Bedeutung der Sache durchaus angemessen war. Der Sohn ›Hormisdae maturo iuveni Hormisdae regalis illius filio, potestatem Proconsulis detulit; et civilia, more veterum, et bella, recturo.‹, [Dem Hormisdas, des königlichen Prinzen Hormisdas jungem und gereiftem Sohn übertrug er das Prokonsulat von Bythinien, damit er nach altem Brauch zivile und militärische Aufgaben übernehme]. Ammianus, 26,8. Der persische Prinz entkam ehrenhaft und unbeschädigt und wurde danach (A.D. 380) in das ebenso außerordenliche Amt des Prokonsuls von Bithynien eingesetzt (Tillemont, Histoire des empereurs, Band. 5, p. 204). Ich weiß nicht, ob das Geschlecht des Sassan noch weiterlebte. Ich finde einen Papst Hormisdas (A.D. 514), aber der stammte aus dem italischen Frusino. Pagi, Breviarium pontificum, Band 1, p. 247. des Hormisdas, ein feuriger und befähigter junger Mann, erhob sein Schwert ebenfalls gegen den gesetzmäßigen Herrscher des Ostens; und unverzüglich erhielt der persische Prinz die althergebrachten und außerordentlichen Befugnisse eines römischen Prokonsuls.

Faustina, die Witwe des Kaisers Constantius, vertraute sich und ihre Tochter ebenfalls der Sache des Rebellen an und verlieh seiner Sache dadurch Würde und Ansehen. Die Prinzessin Constantia, damals fünf Jahre alt, begleitete den Marsch der Armee in einer Sänfte. Sie wurde der Menge im Arm ihres Adoptivvaters gezeigt; und immer wenn es durch die Reihen ging, wurde aus der zärtlichen Hingabe der Soldaten kriegerische Entschlossenheit: Das Rebellen-Kind wurde später die Frau des Kaisers Gratian; aber sie starb jung und kinderlos. Du Cange, Familiae Byzantinae p. 48 und 49.; sie beschworen die Größe des Hauses Constantin und versprachen, noch ihren letzten Blutstropfen vergießen zu wollen, um das königliche Kleinkind zu schützen. ›Sequimini culminis summi prosapiam‹ [ihr folgt einem Geschlechte höchsten Ranges] sprach Prokopios, der die obskure Abkunft und zufällige Wahl des Pannonischen Emporkömmlings gerne bloßstellte.

 

PROKOPIOS WIRD VERRATEN UND HINGERICHTET 28. MAI 366

Mittlerweile hatten Valentinian die unbestimmten Nachrichten von einer Revolte im Osten aufgeschreckt und beunruhigt. Da er in einen Krieg mit den Germanen verwickelt war, sah er sich gezwungen, sich zunächst um seinen eigenen Herrschaftsbereich zu sorgen; und da sämtliche Nachrichtenverbindungen unterbrochen oder gestört waren, bekam er nur besorgniserregende Gerüchte zu hören, dass Valens besiegt und tot und Prokopios der alleinige Herrscher des Ostens sei. Valens aber war nicht tot; doch auf die Meldung von der Rebellion, die er in Caesarea empfing, gab er sein Leben verloren; erwog Verhandlungen mit dem Usurpator und entdeckte plötzlich eine verborgene Neigung in sich, des kaiserlichen Purpurs zu entsagen. Nur das entschiedene Auftreten seiner Minister rettete den angsterfüllten Monarchen vor Schmach und Untergang, und nur ihre Tüchtigkeit entschied den Ausgang des Bürgerkrieges rasch zu seinen Gunsten.

In einer Phase des Friedens hatte sich Sallust ohne Widerstreben zurückgezogen; sobald aber die öffentliche Sicherheit gefährdet war, nahm er wieder Gefahren und Mühe auf sich; und die Wiedereinsetzung dieses befähigten Ministers in die Präfektur des Ostens war der erste Schritt, welcher die Umkehr des Valens erkennen ließ und das Volk zufrieden stellte.Die Herrschaft des Prokopios war ersichtlich auf starke Armeekräfte und gehorsame Provinzen gestützt. Aber viele führende Befehlshaber, militärische so gut wie zivile, fühlten sich aus Pflichtgefühl oder Eigennutz gedrängt, sich von der Stätte ihrer Schuld zu entfernen; oder doch den rechten Moment abzuwarten, die Sache des Usurpators zu verraten und zu verlassen. Lupicinus nahte in Eilmärschen, dem Valens die Legionen Syriens zu Hilfe zu bringen. Arintheus, der an Körperkraft, Schönheit und Mut alle Helden seines Zeitalters überragte, ›Et dedignatus hominem superare certamine despicabilem, auctoritatis et celsi fiducia corporis, ipsis hostibus jussit, suum vincire rectorem: atque ita turmarum antesignanus umbratilis comprensus suorum manibus‹ [...hielt er es für unter seiner Würde, einen so Elenden im Kampfe zu besiegen, so dass er im Vertrauen auf seine körperliche Erscheinung und sein Ansehen den Feinden Weisung gab, ihren Anführer in Bande zu schlagen: und so ward der Vorkämpfer der Rotte in aller Ruhe von seiner eigenen Leute Hand gefangen gesetzt]. Stärke und Schönheit des Arintheus, des neuen Herkules, werden von St. Basil gerühmt, welcher mutmaßt, Gott habe ihn der menschlichen Rasse zum unerreichbaren Vorbild erschaffen. Maler und Bildhauer konnten seinen Körper nicht wiedergeben: die Historiker werden zu Fabeldichtern, wenn sie seine Heldentaten künden. Ammianus, 26,8,5 und dazu Valesius. griff mit einer kleinen Einheit einen zahlenmäßig überlegenen Trupp der Rebellen an. Als er dann den Soldaten in die Augen blickte, die früher unter seinem Kommando gestanden hatten, befahl er ihnen mit lauter Stimme, aufzugeben und ihren angemaßten Anführer auszuliefern; und so stark war die Wirkung seiner Persönlichkeit, dass sein ungewöhnlicher Befehl unverzüglich ausgeführt ward.

Arbetio, ein hochangesehener Veteran Constantin des Großen, den man sogar mit dem Konsulat geehrt hatte, ließ sich bereden, seinem Ruhestand den Rücken zu kehren und noch einmal eine Armee ins Feld zu führen. Mitten in der Hitze des Kampfes nahm er mit bewunderungswürdiger Ruhe seinen Helm ab, dass man seine weißen Haare sehen konnte, grüßte die Soldaten des Prokopios, nannte sie zärtlich Kinder und Kameraden und mahnte sie, nicht länger die verlorene Sache eines verächtlichen Tyrannen zu unterstützen; sondern ihrem alten Kommandeur zu folgen, der sie sooft zu Sieg und Ehre geführt habe. In den zwei Gefechten von Thyatira Ammianus verlegt das Schlachtfeld nach Lycien, Zosimos an die Thyatira, beide immerhin 150 Meilen von einander getrennt. Aber ›Thyatira alluitur Lyco‹, [Thyatira wird von Lykos bespült] (Plinius, Naturalis historia 5,31; Cellarius, Geographia antiqua Band 2, p. 79): und die Abschreiber könnten leicht einen unbekannten Fluss in eine allgemein bekannte Provinz verwandelt haben. und Nacolina ließen seine Truppen den unglückseligen Prokopios im Stich, welche die Einflüsterungen und das Vorbild ihrer treulosen Offiziere angestiftet hatten. Nachdem er eine Zeitlang in den Wäldern und Bergen Phrygiens umhergeirrt war, wurde er von seinen verzagenden Gefährten verraten, in das kaiserliche Lager gebracht und augenblicklich hingerichtet. So erlitt er das übliche Schicksal des erfolglosen Usurpators; aber die formaljuristisch korrekten Grausamkeiten, die der Sieger anschließend verübte, riefen das Mitleid und die Empörung der Menschheit wach. Die Abenteuer, der Thronraub und der Untergang des Prokopios werden von Ammianus (26,6-10) und Zosimos (4,4-8) in gehöriger Ordnung erzählt. Oft ergänzen und selten widersprechen sich die Texte. Themistios (Orationes 7, p.91-95) fügt noch ein paar erheuchelte Lobesworte hinzu und Eunapios (Vitae sophistarum, p. 83f.) ein paar bösartige Spötteleien.

 

ZAUBEREREI IN ROM UND ANTIOCHIA A.D. 373

Dies sind naturnotwendig die Früchte von Despotismus und Revolution. Für ein bedenkliches Zeichen des himmlischen Zorns oder der allgemeinen Gottlosigkeit der Menschen Libanios de ulciscendi Juliani nece 9, p. 158, 159. Der Sophist beklagt den allgemeinen Schwachsinn, aber er stellt die Gerechtigkeit der beiden Herrscher (selbst nach ihrem Tode) nicht in Frage. fasste man es hingegen auf, dass unter der Herrschaft der beiden Brüder in Rom und Antiochia das Unwesen der Zauberei mit Nachdruck verfolgt wurde. Wir dürfen zu Recht Stolz darüber empfinden, dass in den aufgeklärten Teilen Europas der Gegenwart ein grausames und verächtliches Vorurteil geächtet ist, Englische und französische Rechtsgelehrten der Gegenwart geben zu, dass Zauberei theoretisch denkbar ist, bestreiten aber die Möglichkeit ihrer praktische Ausübung. (Denisart, Recueil de décisions de jurisprudence, Lemma »Sorciers«, Band 4, p.552; Blackstone, Commentaries, Band 4, p.60). Da die individuelle Vernunft der allgemeinen stets vorangehe oder sie sogar übertreffe, verwirft president Montesquieu (Esprit des lois 12,5 f.) die ›Existenz‹ der Magie. welches in allen Weltgegenden vorgeherrscht und zu jedem religiösen System Vergleiche hierzu Bayle, Oeuvres Band 3, p. 567-589. Der Skeptiker von Rotterdam legt hier, wie bei ihm auch sonst üblich, eine merkwürdige Mischung an weitgestreuten Kenntnissen und sprühendem Witz an den Tag. gehört hat. Die Völker und religiösen Sekten der Römischen Welt waren mit gleicher Naivität und ähnlichem Grauen von der Existenz dieses höllischen Blendwerks Die Heiden sahen einen Gegensatz zwischen guter und böser Magie, zwischen Theurgie und Schwarzkunst (Histoire de l'Academie, Band 27, p.25). Gegen die messerscharfe Logik von Bayle hätten sie diese Unterscheidung wohl nicht aufrecht erhalten können. Im jüdischen und christlichen System sind alle Dämonen Mächte der Finsternus, und jede Art von Verkehr mit ihnen ist Abgötterei, Apostasie &c, welche unterschiedslos Tod und Verdammnis verdienen. überzeugt, welches die ewige Ordnung der Planeten ebenso unter Kontrolle hat wie den freien Willen des Menschen. Sie entsetzten sich vor der geheimen Macht der Zauberformeln und Anrufungen, der Zauberkräuter und der schauderhaften Rituale; welche die Macht besäßen, Leben auszulöschen oder zu erwecken, die Leidenschaften der Seele zu entzünden, die Werke der Schöpfung zu verderben und den Dämonen auch gegen deren Willen die Geheimnisse der Zukunft abzutrotzen. Sie glaubten, - und wenn es auch noch so widersinnig war - dass diese übernatürliche Herrschaft über Luft, Erde und Hölle Die Canidia des Horaz (Carmina 5,5 nebst Daciers und Sanadons Kommentaren) ist eine gewöhnliche Hexe. Lucans Erichtho (Pharsalia 6,430-830) ist langweilig, widrig, aber zuweilen auch großartig. Sie tadelt die saumseligen Furien und droht damit, ihre wahren Namen auszusprechen, das wirkliche dämonische Aussehen der Hekate zu enthüllen und die geheimen Mächte zu beschwören, welche noch unter der Hölle wohnen usw. aus den nichtswürdigsten Gründen, aus Bösartigkeit oder Gewinnsucht, von ein paar verschrumpelten Hexen oder wandernden Zauberern ausgeübt werde, welche ihr Leben spärlich und verachtet dahinfristeten. Die öffentliche Meinung und die Gesetze Roms verurteilten die Kunst der Zauberei; aber da sie eine der mächtigsten Leidenschaften der menschlichen Seele bediente, wurde sie beständig verboten und ebenso beständig ausgeübt. Genus hominum potentibus infidum, sperantibus fallax, quod in civitate nostra et vetabitur semper et retinebitur. [Die Sorte Mensch, für die Mächtigen unzuverlässig, für die Hoffenden trüglich, welche man in unserem Staate immer wieder ausweisen und dann doch dabehalten wird]. Tacitus, Historiae 1,22. Siehe Augustinus, Gottesstaat 8,19 und den Codex Theodosianus 9,16 mit Gothofreds Kommentar.

Eine eingebildete Ursache kann ja durchaus reale und unangenehme Folgen hervorrufen: Eine dunkle Andeutung vom Tod eines Herrschers oder von einer erfolgreichen Verschwörung waren nur dazu angetan, hochfahrenden Ehrgeiz zum Leben zu erwecken und die Bande der Treue zu lockern; und die realen Verbrechen von Verrat und Frevel, die sich dann ereignen mochten, verschlimmerten noch die der Zauberei innewohnende Schuld. Die Verfolgung in Antiochia wurde durch eine strafbare Anfrage verursacht. Die vierundzwanzig Buchstaben des Alphabetes wurden um einen Zauber-Dreifuß angeordnet; und ein Kreisel, den man in der Mitte montiert hatte, wies auf die ersten vier Buchstaben des Namens des künftigen Kaisers, T.E.O.D. Theodoros (und vielleicht noch viele andere, die einen dieser fatalen Buchstaben im Namen hatten) wurde hingerichtet, aber Theodosios folgte ihm auf den Thron. Lardner (Heathen testimonies, Band 4, p. 353-372) hat diese düstere Vorkommnis aus der Regierungszeit des Valens vorurteilsfrei untersucht. Solcherlei eingebildete Schrecknisse störten den Frieden der Gesellschaft und das Glück des Einzelnen; und eine unschuldige Flamme, welche ein Gesicht aus Wachs zerschmolz, konnte nach den Vorstellungen in der Person, die es in bösartiger Absicht darstellen sollte, wirkmächtige und verderbliche Kräfte freisetzen. Limus ut hic durescit, et haec ut cera liquescit Uno eodemque igni... [Wie sich der Schlamm aushärtet und wie sich dieses Wachs verflüssigt, durch einerlei Feuer]. Vergil, Bucolica 8,80. Devovet absentes, simulacraque cerea figit. [Er verflucht Abwesende und macht Wachsbildnisse von ihnen]. Ovid, Heroides 6, Hypsipyle ad Iason 91. Derlei hohle Beschwörungen konnten jedoch Germanius' Gemüt in Unruhe bringen und seine Krankheit verschlimmern. Tacitus, Annalen 2,69. Vom Sud jener Kräuter, denen man übernatürliche Wirkungen zuschrieb, war es nur ein kleiner Schritt zu handfesteren Giften; und so diente die Torheit der Menschen bisweilen als das Werkzeug und die Tarnung für die grässlichsten Verbrechen.

Sobald nun der Eifer der Zuträger sich von den Ministern des Valens und Valentinian ermutigt fühlte, konnte es nicht ausbleiben, dass sie noch andere Anklagen vernahmen, die im Zusammenhang mit privaten Verfehlungen allzu oft auftauchen; und diese Vergehen von sanfterer und weniger bösartiger Natur hatte Constantins fromme, aber übergroße Strenge jüngst unter Todesstrafe gestellt. Siehe Heineccius, Antiquitatum Romanorum iurisprudentia Band 2, p. 353ff.; Codex Theodosianus, 9,7 mit den Kommentaren von Gothofred. Diese tödliche und wüste Mischung aus Denuntiation und Zauberei, aus Gift und Unzucht hätte unendlich feine Abstufungen von Schuld und Unschuld, von Verteidigung und Anklage ermöglichen können, was jedoch bei den anhängigen Prozessen aufgebrachte oder bestochene Richter offenbar vereitelt haben. Rasch hatten sie nämlich herausgefunden, dass der kaiserliche Hof ihren Fleiß und ihren Scharfsinn nach der Zahl der Todesurteile maß, die von ihren jeweiligen Gerichtshöfen ausgesprochen wurden. Auf Freispruch erkannten sie nur mit dem allergrößten Widerstreben; aber freudig griffen sie auf Beweise zurück, welche auf Meineid oder Folter beruhten, um noch die abwegigsten Anklagen gegen die honorigsten Personen zuzulassen. Im Laufe der Prozesse eröffneten sich immer neue Felder der Strafverfolgung; der eifrige Denunziant, der erwiesenermaßen gelogen hatte, ging straffrei aus; aber das gequälte Opfer, welches seine tatsächlichen oder angeblichen Genossen verriet, konnte nur selten den Preis für seine Niedertracht einbehalten.

Von Italien bis Asien wurden Jung und Alt in Ketten vor die Gerichtshöfe von Rom und Antiochia geschleppt. Senatoren, Matronen, Philosophen starben in Schanden unter der Folter. Die Soldaten, die die Gefängnisse zu bewachen hatten, erklärten mit verhaltenem Bedauern und Empörung, dass ihre Zahl nicht ausreiche, der Flucht und dem Widerstand der Gefangenen etwas entgegen zu setzen. Die reichsten Familien wurden infolge der Geldbußen und Beschlagnahmungen wirtschaftlich ruiniert; noch die Unschuldigsten mussten um ihre Sicherheit beben; und einen Eindruck von der Größe dieses Übels erhalten wir durch die – vermutlich übertriebene – Versicherung eines antiken Schriftstellers, dass in einigen dieser verruchten Provinzen Gefangene, Exilierte und Flüchtlinge den größten Teil der Bevölkerung ausmachten. Die grausamen Verfolgungen in Rom und Antiochia werden von Ammianus (28,1 und 29,1) und Zosimos (4,13) – höchstwahrscheinlich überzeichnet – dargestellt. Der Philosoph Maximus war mit einigem Recht in eine Anklage wegen Zauberei verwickelt; und der junge Chrysostomos, der zufällig eines der verbotenen Bücher gefunden hatte, gab sich für verloren. Tillemont, Histoire des empereurs, Band 5, p. 340.

 

GRAUSAMKEIT VON VALENS UND VALENTINIANUS A.D. 364 - 375

Wenn Tacitus das Sterben unschuldiger und berühmter Römer beschreibt, welche der Grausamkeit der ersten Caesaren zum Opfer fielen, dann rufen die Darstellungskunst der Historikers oder das Ansehen der Opfer in unserer Brust die lebhaftesten Gefühle des Schreckens, der Bewunderung oder des Mitleids hervor. Ammianus' stumpfer und achtloser Griffel hat diese blutigen Ereignisse mit abstoßender Genauigkeit abgebildet. Da unser Augenmerk aber nicht mehr dem Gegensatz von Freiheit und Sklaverei gilt oder dem Vergleich vergangener Größe mit dem Elend der Gegenwart, sollten wir uns mit Schaudern von diesen massenhaften Hinrichtungen in Rom und in Antiochia abwenden, die die Regierung der beiden Brüder verdunkelten. Man ziehe die letzten sechs Bücher des Ammianus heran und ganz besonders die Portraits der beiden Kaiserbrüder (30,8 und 31,14). Tillemont (Histoire des empereurs, Band 5, p. 12 – 18 und p. 127 – 133) hat aus allen antiken Autoren Nachrichten zu ihren Vorzügen und Schwächen gesammelt. Valens war von Natur aus feige, Der jünger Victor versichert, dass er valde timidus [äußerst furchtsam] war: immerhin aber führte er sich, was wohl jeder tun würde, an der Spitze einer Armee leidlich entschieden auf. Derselbe Historiker versucht auch zu erweisen, dass sein Zorn harmloser Natur war. Ammianus (31,14,5) bemerkt mit mehr Urteilskraft, incidentia crimina ad contemptam vel laesam principis amplitudinem trahens, in sanguinem saeviebat. [...wurden Straftaten als Verletzung oder Missachtung der kaiserlichen Größe gefunden, dann tobte er bis zur Blutrünstigkeit]. Valentinian cholerisch. Cum esset in acerbitatem naturae calore propensior ... poenas per ignes augebat et gladios. [Da er wegen seines hitzigen Naturells zur Härte neigte,...verschärfte er Strafen noch durch Feuer und Eisen]. Ammianus 30,8. Siehe auch 37,7.

Die Angst um seine persönliche Sicherheit war das bestimmende Element von Valens' Regierungstätigkeit. Als Untertan hatte er einst unter Beben die Hand seines Herren geküsst; als er dann selbst den Thron bestiegen hatte, erwartete er mit gutem Grund, dass die gleiche Angst, die einst ihn zu Boden gedrückt hatte, jetzt die gehorsame Unterwerfung seines Volkes gewährleisten werde. Die Favoriten des Valens kamen infolge ihres Vorrechtes auf Raub und Beschlagnahme zu dem Reichtum, den ihnen die kaiserliche Sparsamkeit wohl nicht ermöglicht hätte. Ich habe den Vorwurf der Habgier von Valens auf seine Kreaturen übertragen. Habgier ist eher eine Eigenschaft von Dienern als von Königen; bei Herrschern ist diese Leidenschaft infolge ihres uneingeschränkten Besitzanspruchs erloschen. Sie bewiesen mit bemerkenswerter Eloquenz, dass in allen Fällen von Verrat ein Verdacht gleichbedeutend mit Beweis sei; dass der Besitz von Macht deren Missbrauch nahe lege; dass eine Absicht um nichts weniger verbrecherisch sei als die eigentliche Tat; und dass ein Untertan sein Recht auf Leben verwirkt habe, wenn dieses Leben für die Sicherheit seines Souveräns eine Gefährdung oder für seien Ruhe eine Störung bedeute.

Die Urteilskraft von Valentinian hingegen wurde zuweilen getäuscht und sein Vertrauen missbraucht; aber gleichwohl hätte er Angeber mit einem verächtlichen Lächeln zum Schweigen gebracht, wenn sie seine Seelenruhe durch Alarmbotschaften aufzuschrecken sich unterfangen hätten. Man rühmte allgemein seine unerschütterte Gerechtigkeitsliebe; in der Ausübung der Gerechtigkeit allerdings war der Kaiser nur allzu leicht versucht, Milde für Schwäche und Brutalität für Stärke zu halten. Solange er noch mit seinesgleichen gerungen hatte, in den Konflikten eines aktiven und ambitionierten Lebens, erduldete Valentinian selten ungestraft ein Unrecht und niemals Beleidigungen: wenn seine Klugheit gefordert war, ging er mit Beifall aus der Sache hervor; und die stolzesten und mächtigsten Generäle hüteten sich, den Zorn dieses furchtlosen Kämpfers zu provozieren.

Nachdem er aber zum Herren dieser Welt geworden war, vergaß er leider, dass dort, wo Widerstand unmöglich ist, auch der Mut abdankt; und anstelle sich nun dem Diktat von Vernunft und Großmut zu beugen, kultivierte er seine üblen Launen, als es für ihn selbst nur nachteilig und für die schutzlosen Objekte seiner Ungnade tödlich war. Bei der Verwaltung seiner eigenen oder der Reichsangelegenheiten hatten geringfügige oder auch nur eingebildete Vergehen, ein vorschnelles Wort etwa, eine zufällige Unterlassung oder Verspätung die unverzügliche Todesstrafe zur Folge. Die Ausdrücke, die dem Herren des Westens am geläufigsten von den Lippen gingen, waren: ›Schlag ihm den Kopf ab!‹, ›Lebendig verbrennen‹ oder ›Prügelt ihn mit Knüppeln zu Tode!‹; Zuweilen sprach er Todesurteile aus und gab sich dabei launig: ›Abi, Comes, et muta ei caput, qui sibi mutari provinciam cupit.‹ [Gehe, mein Comes, und tausche ihm, der eine Provinz tauschen wollte, den Kopf aus]. Ein Jagdhelfer, der einen spartanischen Spürhund zu früh losgelassen hatte; ein Waffenschmied, der einen Brustpanzer gemacht hatte, dem ein paar Gramm am vorgeschriebenen Gewicht fehlten: sie alle wurden Opfer seiner Tobsucht.; und selbst die Minister, die noch am höchsten in seiner Gnade standen, begriffen rasch, dass der tollkühne Versuch, die Ausführung seiner Mordbefehle zu diskutieren oder verzögern, sie selbst in den tödlichen Kreislauf von Ungehorsam und Todesstrafe verwickelt hätte. Da seiner Terrorjustiz immer wieder entsprochen wurde, verhärtete sich Valentinian gegen Mitleid und Reue immer mehr; und seine Aufwallungen von Zorn wurden durch gewohnheitsmäßige Grausamkeit nur noch verstärkt. Die Unschuldigen von Mailand waren ein Geschäftsträger und drei Amtsdiener, die Valentinian hinrichten ließ, weil sie eine legale gerichtliche Vorladung unterzeichnet hatten. Ammianus (27,7) hegt die merkwürdige Vermutung, dass alle, die zu Unrecht getötet worden waren, von den Christen als Märtyrer verehrt wurden. Sein unparteiisches Schweigen gestattet uns allerdings nicht die Annahme, dass der Kammerdiener Rhodanus für einen Akt der Erpressung lebendig verbrannt wurde. Chronicon paschale p. 302. Er konnte sogar mit sadistischer Genugtuung dem Todeskampf von Folteropfern zusehen: Seine Freundschaft sparte er sich für die Wenigen seiner Komplizen auf, die seiner Gemütsverfassung am nächsten kamen.

Die Verdienste von Maximinus, der die angesehensten Familien Rom geschlachtet hatte, wurden mit königlichem Wohlwollen und der Präfektur von Gallien belohnt. Zwei wilde, riesige Bärenweibchen, die man die Unschuld (›Innoxia‹) und Goldklümpchen (›Mica Aurea‹) genannt hatte, hatten es allein verdient, sich in der Gunst des Maximinus zu sonnen. Die Käfige dieser beiden treuen Wachen wurden stets in der Nähe von Valentinians Schlafzimmer aufgestellt, der sich oft ein Vergnügen gönnte und zuschaute, wie sie die Gliedmaßen von Bösewichten zerrissen und verschlangen, die man ihren Raubinstinkten vorgeworfen hatte. Der römische Kaiser überwachte persönliche ihren Speiseplan und ihr körperliches Befinden; und nachdem Innoxia sich durch langen und treuen Dienst ihre Entlassung verdient hatte, wurde das brave Tier wieder in die freie Wildnis ihrer heimatlichen Wälder ausgesetzt. Ut bene meritam in silvas iussit abire ›Innoxiam‹ [Ihrer großen Verdienste halber entließ er Innoxia wieder in die Wälder]. Ammianus 29,3,9 und Valesius ad locum.

 

MÄSSIGUNG IM PRIVATLEBEN REGIERUNGSTÄTIGKEIT

Aber in Zeiten ruhigeren Nachdenkens, als Valens nicht von Angst- und Valentinian nicht von Zornesaufwallungen umgetrieben wurden, fand der Tyrann zu dem Pflichtgefühl, oder doch wenigstens dem für einen Landesvater angemessenen Verhalten zurück. Die gelassene Urteilskraft des West-Herrschers hatte für sein eigenes und das öffentliche Interesse einen scharfen Blick und verfolgte es auch; und der Herrscher des Ostens, der mit gleicher Gelehrigkeit den verschiedenen Beispielen nacheiferte, die sein älterer Bruder ihm gab, ließ sich gelegentlich von der Weisheit und Tugend des Präfekten Sallust lenken. So blieben beide Herrscher auch im Purpur unverändert keusch und gemäßigt auf die gleiche Weise, die auch vorher ihr Privatleben ausgezeichnet hatte; und wenigstens unter ihrer Herrschaft musste das Volk wegen der Vergnügungen am Hof weder seufzen noch erröten. Viele Missbräuche aus den Zeiten des Constantius wurden nach und nach abgestellt; umsichtig griffen sie die Pläne Julians und seines Nachfolger auf und verbesserten sie; und legten bei ihrer gesetzgeberischen Tätigkeit Geist und Format an den Tag, dass die Nachwelt hinsichtlich ihres persönlichen Charakters und ihres Regierungsstils zu einem äußerst günstigen Urteil hätte gelangen müssen. Zumindest ist es nicht der Besitzer der Innoxia, von dem wir die zärtelnde Sorge für das Wohl seiner Untertanen erwartet hätten, welche Valentinian vermochte, die Aussetzung von Neugeborenen zu verbieten Siehe Codex Iustinianus 8,51,2. ›Unusquisque sobolem suam nutriat. Quod si exponendam putaverit animadversioni quae constituta est subiacebit‹ [Ein jeder ernähre seine Nachkommenschaft. Wenn er meint, sie aussetzen zu müssen, soll er die festgesetzte Bestrafung erleiden]. Für den Augenblick will ich mich nicht auf die Debatte zwischen Noodt und Binkershoek einlassen, ob oder für wie lange diese naturwidrige Praxis durch Gesetze, Philosophie oder den Zustand der Gesellschaft geächtet oder aufgehoben wurde. und in den vierzehn Stadtteilen Roms vierzehn tüchtige, ausgebildete Ärzte in Lohn und Brot zu setzen. Der gesunde Menschenverstand dieses ungebildeten Kriegsmannes stiftete eine fruchtbringende, üppig ausgestattete Einrichtung zur Erziehung der Jugend und zur Pflege der Wissenschaften, mit denen es im Argen lag. Diese segensreichen Einrichtungen werden erklärt im Codex Theodosianus 13,3: De professoribus et medicis und 14,9: De stuiis liberalis urbis Romae. Neben unserem bewährten Gothofredus sollten wir auch noch Giannone (Istoria di Napoli, Band 1, p. 105-111) studieren, der diesen interessanten Gegenstand mit dem Eifer und der Neugierde eines Gelehrten untersucht hat, der sich mit der Geschichte seiner Heimat befasst.

Er verfolgte die Absicht, dass Rhetorik und Grammatik in lateinischer und griechischer Sprache in den Hauptstädten jeder Provinz sollte gelehrt werden; und da Größe und Ansehen der Schule im allgemeinen der Bedeutung der jeweiligen Stadt entsprachen, beanspruchten die Akademien von Rom und Konstantinopel naturgemäß den Vorrang vor allen anderen. Die Fragmente der Erlasse des Valentinian lassen von der Schule in Konstantinopel nur ein unvollkommenes Bild entstehen, die übrigens durch spätere Erlasse noch weiter ausgebaut wurde. In dieser Schule waren einunddreißig Lehrer für die unterschiedlichsten Wissenszweige angestellt; ein Philosoph, ein Rechtskundiger; fünf Sophisten und zehn Grammatiker für die griechische sowie drei Redner und zehn Grammatiker für die lateinische Sprache; daneben sieben Schreiber, deren fleißige Federn die öffentliche Bücherei mit ansehnlichen und zuverlässigen Abschriften der Klassiker versorgten. Die Studienordnung, nach denen sich die Studenten zu richten hatten, ist umso interessanter für uns, als sie einen ersten Vorläufer für vergleichbare Curricula moderner Universitäten darstellen. So wurde verlangt, dass sie geeignete Zertifikate, ausgestellt von den Magistraten ihrer Heimatprovinz, vorwiesen. Name, Beruf und auswärtiger Wohnsitz wurden in öffentlichen Registern eingetragen. Den Studenten war es streng untersagt, ihre Zeit auf Festen oder im Theater zu vergeuden; und mit zwanzig Jahren galt ihre Ausbildung als abgeschlossen. Der Stadtpräfekt war befugt, Faule und Aufsässige zu verprügeln oder zu entlassen; und jährlich hatte er einen Bericht an den magister officium abzugeben, dass Kenntnisse und Fertigkeiten der Studenten für den Staatsdienst verwertbar seien.

Valentinians Maßnahmen trugen dazu bei, dass Frieden und Wohlfahrt ihre Segnungen entfalten konnten; für Rechtssicherheit in den Städten sorgte das Institut des Defensors, Siehe Codex Theodosianus 1,11 mit Gothofreds ›Paratitlon‹, welcher aus dem übrigen Codex sorgfältig Nachlese hält. der vom Volk durch freie Wahl bestimmt wurde, damit er vor den Gerichtshöfen der Stadt und noch vor dem Kaiserthron für ihre Rechte eintreten oder ihren Klagen Nachdruck verleihen möge.

Die Finanzverwaltung wurde von den beiden Herrschern mit großer Genauigkeit betrieben, die schließlich selbst lange Zeit in kargen privaten Umständen gelebt hatten; allerdings hätten sich bei genauerem Hinsehen einige Unterschiede hinsichtlich der Steuereinnahme und -verteilung zwischen der Regierung des Ostens und des Westens erschlossen. Valens war davon überzeugt, dass sich königliche Freigebigkeit nur aus der Belastung der Öffentlichkeit tragen kann, und sein Ehrgeiz war niemals darauf gerichtet, durch gegenwärtige Entbehrung die künftige Wohlfahrt seines Volkes sicherzustellen. Anstelle also die Steuerlasten weiter zu erhöhen, welche sich innerhalb von vierzig Jahren allmählich verdoppelt hatte, reduzierte er die Abgaben im Osten in seinen ersten Regierungsjahren um fast ein Viertel. Drei Zeilen von Ammianus (31,14) stützen eine ganze Rede von Themistiss (8), welche von Schmeichelei, Silbenstecherei und Allgemeinplätzen schier überquillt. Die Beredsamkeit des M. Thomas (Oevres, Band 1, p. 366-396) hat sich damit begnügt, die Tugenden und den Geist des Themistios zu rühmen, die dem Zeitalter, in welchem er lebte, in der Tat angemessen waren. Valentinian scheint der Minderung der Steuerlasten seines Volkes weniger Beachtung geschenkt zu haben. Er beseitigte durchaus die Missbräuche der Finanzverwaltung; aber er kassierte ohne Bedenken einen gewaltigen Teil der Privatvermögen, da er dafür hielt, dass Gelder, die den Luxus des Einzelnen bedienten, weit besser zu Verteidigungszwecken und zur Verbesserung staatlicher Einrichtungen eingesetzt seien. Die Untertanen des Ostreiches zogen aus den gegenwärtigen Segnungen Vorteil und rühmten ihres Herrschers Großzügigkeit. Das gediegene, aber weniger auffällige Verdienst des Valentinian anerkannten erst die dankbaren späteren Generationen. Zosimos 4,3 und Ammianus 30,9. Die Abschaffung kostspieliger Torheiten hat ihm viel Lob eingebracht: ›In Provinciales admodum parcus, tributorum ubique molliens sarcinas‹ [Schonung übte er gegen die Provinzler, indem er allenthalben die Abgaben senkte]. Einige allerdings nennen seine Sparsamkeit nur noch schlichten Geiz. Hieronymos, Chronicum Eusebii p. 186..

 

VALENTINIAN PRAKTIZIERT RELIGIÖSE TOLERANZ A.D. 364 - 375

Aber der ehrbarste Einzelzug an Valentinians Charakter war die beständige Unparteilichkeit, die er in diesem Zeitalter religiöser Auseinandersetzungen unverdrossen beobachtete. Seine ausgeprägte praktische Vernunft, die durch irgendwelche Studien zwar nicht erhellt, aber eben auch nicht eingetrübt war, hielt sich mit wohlwollendem Desinteresse aus allen theologischen Debatten heraus. Die Herrschaft über die Erde beanspruchte ihn völlig und befriedigte seinen Ehrgeiz; es war ihm durchaus bewusst, dass er ein Kind der Kirche war, aber er vergaß darüber niemals, dass er zugleich der Souverän des Klerus war. Unter der Herrschaft des Apostaten Julian hatte er seinen Eifer für die Sache des Christentums zu erkennen gegeben: Und so gestand er seinen Untertanen dasselbe Vorrecht zu, welches er vordem für sich beansprucht hatte; und diese nahmen mit Dankbarkeit und Zutrauen das Geschenk von einem Herrscher entgegen, der zwar zu unkontrollierbaren Wutausbrüchen fähig war, dem aber Furcht und Verstellung fremd waren. ›Testes sunt leges a me in exordio Imperii mei datae; quibus unicuique quod animo imbibisset colendi libera facultas tributa est‹ [Als Beweis dienen die von mir zu Beginn meiner Regierung erlassenen Gesetze, durch die jedem die Freiheit gegeben wurde, das zu verehren, was er in sich aufgenommen hat]. Codex Theodosianus, 9,16,9. Dieser Erklärung Valerians fügen wir noch die unterschiedlichen Belegstellen bei Ammian (30,9), Zosimos (4,3) und Sozomenos (4,7 und 21) hinzu. Baronius musste naturgemäß diese vernunftbestimmte Toleranz rügen. (Annales ecclesiastici, A.D. 370, Nr 129-132 und A.D. 376, Nr. 3f.).

Heiden, Juden und die Vielzahl der christlichen Sekten waren gesetzlich vor Willkür oder Ausbrüchen des gesunden Volksempfindens geschützt. Valentinian untersagte keine Form der Anbetung außer jenen geheimen und kriminellen Praktiken, welche den Namen der Religion für dunkle und umstürzlerische Zwecke missbrauchten. Insbesondere war Zauberei mit Nachdruck verboten und wurde demgemäß besonders grausam bestraft; aber der Kaiser machte dennoch eine formale Unterscheidung, um die althergebrachten Künste der Weissagung zu schützen, welche der Senat gebilligt hatte und die die etruskischen Eingeweidebeschauer ausübten. Er hatte in Übereinstimmung mit dem aufgeklärtem Heidentum die Ausschweifungen nächtlicher Opferrituale untersagt; aber er hatte ein offenes Ohr für die Vorstellungen des Praetextatus, des Prokonsuls von Achaia, welcher darlegte, dass das Leben den Griechen sinn- und trostlos vorkommen müsse, wenn man ihnen die unschätzbaren Segnungen der eleusinischen Mysterien vorenthalte wollte. Allein die Philosophie kann sich rühmen (und vielleicht ist es wirklich nicht mehr als nur eine Prahlerei der Philosophie), dass sie mit sanfter Hand aus dem menschlichen Gemüt die verborgene und tödliche Neigung zum Fanatismus herausreißen kann. Aber der zwölfjährige Waffenstillstand, den Valentinian mit Nachdruck durchgesetzt hatte, indem er alle Fehden untersagte, trug viel dazu bei, dass das Gebaren der religiösen Parteiungen gemäßigter wurde und ihre Vorurteile schwanden.

 

VALENS BEKENNT SICH ZUM ARIANISMUS UND VERFOLGT KATHOLIKEN A.D. 367 - 378

Unglücklicherweise befand sich dieser Freund der Liberalität in einiger Entfernung vom Ort der wildesten Kämpfe. Sobald sich nämlich die Christenheit des Westens aus den Fallstricken des Glaubensbekenntnisses von Rimini befreit hatte, pflegten sie auch schon des süßen Schlummers der Orthodoxie; die unbedeutenden Überreste der arianischen Partei, die zu Sirmium oder Mailand dahinsiechten, gaben mehr zu Verachtung als zu Besorgnis Anlass. In den östlichen Provinzen jedoch, vom Euxeinos bis zum äußersten Thebais, waren die Stärke und Zahl der feindlichen Faktionen ausbalancierter; und genau diese Gleichheit der Kräfte fachte die Schrecknisse des Religionskrieges weiter an, anstelle dass man sich schiedlich geeinigt hätte. Mönche und Bischöfe verliehen ihren Argumenten durch Schmähungen verbalen Nachdruck; und Schmähungen gingen oft genug in Handgreiflichkeiten über. Athanasios regierte nach wie vor in Alexandria; die Bischofssitze von Konstantinopel und Antiochia waren von arianischen Prälaten besetzt, und jedes Mal, wenn ein Bischofsthron verwaist war, gab dies neuen Anlass für Krawall. Die Homoousier hatten sich durch neunundfünfzig makedonische oder semi-arianische Bischöfe verstärkt; da sie aber immer noch heimlich abgeneigt waren, die Göttlichkeit des Heiligen Geistes anzuerkennen, fiel ein Schatten auf ihres Triumphes Glanz: und die Erklärung des Valens, der in seinen ersten Regierungsjahren der Unparteilichkeit seines Bruders nacheiferte, war für die Seite des Arianismus ein wichtiger Sieg.

Beide Brüder hatten im Privatleben den Status eines Katechumen innegehabt; aber die Frömmigkeit des Valens bestimmte ihn, für sich das Sakrament der Taufe zu erbitten, bevor er sich den Gefahren des Gotenkrieges aussetzte. Er wandte sich naturgemäß an Eudoxios, Eudoxios war von milder, ja ängstlicher Gemütsverfassung. Als er Valens taufte (A.D.367), muss er bereits sehr alt gewesen sein; denn er hatte fünfundfünfzig Jahre zuvor unter dem gelehrten und frommen Märtyrer Lukian Theologie studiert. Philostorgos 2,14-l6 und 4,4 sowie dazu Gothofredus, p. 82, 206; Tillemont, Mémoires ecclésiastique Band 5, p. 474-480. den Bischof der Kaiserstadt; und wenn der unwissende Herrscher von diesem arianischen Seelenhirten in die Grundlagen der heterodoxen Theologie eingeführt worden war, dann war sein Unglück – denn von Schuld kann man hier nicht gut reden – die unausbleibliche Folge dieser verfehlten Wahl. Wie immer der Kaiser sich entschieden hätte, er hätte eine nicht unbeträchtliche Zahl christlicher Untertanen vor den Kopf gestoßen, weil die Anführer sowohl der Homousianer wie der Arianer meinten, dass ihnen durch ihren Ausschluss von der Regierungsteilnahme übelste Unterdrückung und bitterstes Unrecht widerfahren sei.

Nachdem er nun den entscheidenden Schritt getan hatte, war es ihm nachgerade unmöglich, weiterhin die Tugend der Überparteilichkeit zu üben. Er strebte im Gegensatz zu Constantin niemals nach dem Ruf eines hervorragenden Theologen; als er sich aber mit selbstgenügsamer Einfalt die Lehrsätze des Eudoxios zu eigen gemacht hatte, folgte das Gewissen des Valens den Vorgaben seines kirchlichen Lehrmeisters und betrieb unter dessen Einfluss die Wiedereingliederung der athanasischen Häretiker in den Schoß der katholischen Kirche. Zunächst empfand er für ihre Blindheit Mitleiden; zusehends ärgerte er sich auch an ihrer Halsstarrigkeit; und unmerklich empfand er nur noch Hass für diese Sektierer, denen er ebenfalls ein Objekt der Abneigung war. Gregor von Nazianz (Orationes 33) nennt die Verfolgungswut der Arianer ein zuverlässiges Kennzeichen von Irrtum und Häresie. Valens' kraftloses Gemüt ließ sich stets durch Personen seiner näheren Umgebung beeinflussen; und Exil oder Gefängnis für einen Privatmann ist eine Gunst, die von einem despotischen Hof noch am billigsten zu erhalten sind. Diese Strafen wurden auch häufig gegen die Anführer der Homousier ausgesprochen; und die Tragödie von achtzig Klerikern, die, vermutlich infolge eines Unglücksfalles, bei einem Schiffsbrand ums Leben kamen, wurde der grausamen und wohlberechneten Bösartigkeit des Kaisers und seiner arianischen Minister zugeschrieben.

 

TOD DES ATHANASIOS 2. MAI 373

Bei jedem Streitfall mussten die Katholiken (wenn wir denn diese Bezeichnung hier schon vorwegnehmen dürfen) die Bußen für ihre Vergehen und die ihrer Gegner bezahlen. Bei jeder Wahl wurde den arianischen Kandidaten der Vorzug gegeben; und wenn die Mehrheit des Volkes dagegen murrte, dann wurde er für gewöhnlich durch die zivilen Magistrate oder sogar durch nackte militärische Gewalt unterstützt. Die Feinde des Athanasios schickten sich nun an, die letzten Jahre des ehrwürdigen Greises zu vergällen; so wurde seine kurze Wallfahrt zum Grabe seines Vaters als sein fünftes Exil gefeiert. Aber die treue Anhänglichkeit einer großen Volksmenge, die ohne Verzug zu den Waffen eilte, erschreckte den Präfekten; und so durfte der Erzbischof nach einer Herrschaftsdauer von siebenundvierzig Jahren sein Leben in Frieden und Ansehen beenden. Der Tod des Athanasios aber gab das Signal für Verfolgungen in Ägypten; und Valens' heidnischer Minister, der den unfähigen Lucius gewaltsam auf den Bischofsstuhl platziert hatte, erwarb sich die Gunst der regierenden Partei durch das Leid und das Blut ihrer christlichen Brüder. Bitterlich beklagten sie die Duldung heidnischer und jüdischer Gottesdienste, welcher Umstand das Elend der Katholiken und die Schuld des gottlosen Tyrannen des Morgenlandes vermehrte. Diese Skizze von Valens' Kirchenregiment ist ein Auszug aus Sokrates (4), Sozomenos (6), Theodorethos (4) und den gigantischen Materialsammlungen des Tillemont, insbesondere den Bänden 6, 8 und 9.

 

DIE ANGEMESSENE BEURTEILUNG VON VALENS' VERFOLGUNGEN

Der spätere Sieg der Orthodoxie hatte an Valens' Andenken den Vorwurf der Verfolgung geheftet; und der Charakter eines Herrschers, dessen Tugenden ebenso wie seine Laster auf Kleinmut und Oberflächlichkeit wachsen, verdient kaum die Mühe einer eingehenderen Verteidigung. Rechtlichkeit wird gewiss einigen Anhalt dafür finden, dass die kirchlichen Mitarbeiter des Valens die Befehle oder sogar nur die Absichten ihres Herren vorauseilend umsetzten; und dass die Leichtgläubigkeit und Prahlsucht seiner Feinde das wahre Ausmaß des Geschehenen gründlich übertrieben hätten. Schon Dr. Jortin (Remarks, Band 4, p. 78) hegt den gleichen Verdacht und gibt ihn auch zu verstehen.

1. Das Schweigen des Valentinian könnte ein einleuchtendes Argument dafür liefern, dass die gelegentlichen Übergriffe, die im Namen seines Kollegen und in seinen Provinzen verübt wurden, lediglich auf ein paar unbedeutende und vernachlässigbare Abweichungen vom allgemein üblichen System der religiösen Toleranz hinausliefen: und dass der gewissenhafte Historiker, der das ausgeglichene Temperament des älteren Bruders hervorhob, es unterlassen hat, die Ruhe im Westreich der angeblichen grausamen Verfolgung im Ostreich gegenüber zu stellen. Diese Überlegung ist derart einleuchtend und zwingend, dass Orosius (7,32f.) die Verfolgung sogar auf die Zeit nach Valentinians Tod verschiebt. Sokrates andererseits (4,32) vermutet, dass sie durch eine philosophische Rede beigelegt werden konnte, welche Themistios im Jahre 374 hielt (Orationes 12, p. 154, nur auf Lateinisch). Solche Widersprüche schmälern die Beweismittel und verkleinern den Umfang der Verfolgungen des Valens.

2. Welchen Glauben man sonst dubiosen und verstreuten Nachrichten schenken mag, der Charakter oder doch wenigstens das Auftreten des Valens lässt sich besonders deutlich aus seinem persönlichen Verhalten gegenüber dem beredten Basileios, Erzbischof von Caesarea, ablesen, welcher zum Nachfolger des Athanasios in der Führung der trinitarischen Faktion wurde. Tillemont, dem ich hier folge und den ich verkürze (Mémoires ecclésiastique Band 8, p. 153-167), hat die glaubwürdigsten Umstände aus den Panegyriken der beiden Gregore ausgezogen. Die Briefe des Basileios Dupin, Bibliothèque ecclésiastique Band 2, p. 155-180) selbst entwerfen nicht das Bild einer besonders drückenden Verfolgung. Freunde und Bewunderer des Basileios haben einen ausführlichen Bericht hinterlassen; und sobald wir die dicke Schicht aus Rhetorik und Wunderfabel abgeräumt haben, erstaunen wir über die unerwartete Milde des arianischen Tyrannen, der Valens' Charakterfestigkeit bewunderte oder allgemeine Unruhen in der Provinz Kappadokien besorgte, sollte der Kaiser auf gewaltsame Lösungen verfallen. Der Erzbischof, der mit ungebeugtem Stolz die Wahrheit seiner Meinung und die Würde seiner hohen Stellung behauptete, ›Basilius Caesariensis episcopus Cappadociae clarus habetur ... qui multa continentiae et ingenii bona uno superbiae malo perdidit‹ [Basilios von Caesarea, Bischof von Kappadokien, hat bei seinem hohen Ansehen viele gute Eigenschaften der Mäßigung und Verstandes durch das Übel des Hochmuts verdorben]. durfte auch fernerhin über sein Gewissen und seinen Thron frei verfügen. Der Kaiser assistierte demütig bei dem ernsten Dienst in der Kathedrale; und anstelle eines Verbannungsurteils unterschrieb er eine Schenkungsurkunde für ein wertvolles Grundstück in der Nähe von Caesarea, auf welchem Basileios ein Hospiz gegründet hatte. Diese achtbare und wohltätige Stiftung (fast schon eine neue Stadt) übertraf an Verdienst, wenn auch nicht an Großartigkeit die Pyramiden oder die Mauern von Babylon. Sie diente in erster Linie der Aufnahme von Leprakranken. Gregor von Nazianz, Orationes 43.

3. Ich bin außerstande, auch nur ein Gesetz zu entdecken (solche, wie sie Theodosius später gegen die Arianer erließ), welches Valens gegen die athanasischen Sektierer erlassen haben soll; und der Erlass, über den sich noch der meiste Lärm erhob, will uns so furchtbar tadelnswert nun auch wieder nicht erscheinen. Der Kaiser hatte nämlich feststellen müssen, dass eine Vielzahl seiner Untertanen sich unter dem Vorwand der Religion ein faules Leben gönnte und den ägyptischen Mönchen angeschlossen hatte; es erging nun an den comes des Ostens die Weisung, sie aus ihrer Einsamkeit herauszuholen; und jene, die die Gesellschaft der Menschheit flohen, dringlich vor die lautere Alternative zu stellen, sich entweder ihrer weltlichen Besitztümer ganz zu entschlagen oder sich neuerlich ihren Pflichten als Mensch und Bürger zu zuzuwenden. Codex Theodosianus 12,1,63. Gothofredus (Band 4, p. 409-413) übernimmt hier die Aufgaben eines Kommentators und Advokaten. Tillemont (Mémoires ecclésiastique Band 8, p. 808) vermutet ein zweites Gesetz, um seine rechtgläubigen Freunde zu entschuldigen, welche das Edikt des Valens falsch wiedergegeben und die Freiheit der Wahl unterschlagen hatten. Die Bediensteten des Valens scheinen den Sinn dieser Verordnung überdehnt zu haben, denn sie leiteten aus ihr das Recht ab, jugendliche und kräftig gebaute Mönche zum Armeedienst einzuziehen. Ein Kavallerie- und Infanteriedetachement von dreitausend Mann brach von Alexandria in die benachbarte Nitria-Wüste Siehe d'Anville, Description de l'Egypte, p. 74. Auf die monastischen Einrichtungen werde ich später noch eingehen. auf, die mit fünftausend Mönchen bevölkert war. Angeführt wurden die Soldaten von arianischen Priestern; und es wird berichtet, dass in solchen Klöstern beträchtliches Gemetzel stattfand, da man sich gegenüber dem Befehl ihrer Kaisers entschieden unbotmäßig erzeigte. Socrates 4,24 und 25; Orosius 7,33; Hieronymos, Chronicum Eusebii, p. 189 und Opera, Band 2, p. 212. Die Mönche Ägyptens taten mancherlei Wunder, welche die Wahrheit ihres Glaubens bewiesen. Dies ganz gewiss, sagt Jortin (Remarks, Band 4, p. 79), aber wodurch wird die Wahrheit jener Wunder bewiesen?

 

VALENTINIAN DÄMPFT DIE KLERISEI A.D. 370

Die strengen Vorschriften, die die Weisheit der modernen Gesetzgeber gezimmert hat, um Reichtum und Habgier des Klerus zu kanalisieren, lassen sich in ihren Anfängen bis auf das Vorbild des Kaisers Valentinian zurückverfolgen. Sein an den Bischof von Rom, Damasus, adressiertes Edikt wurde in allen Kirchen der Stadt öffentlich verlesen. Codex Theodosianus 16,2,20. Gothofredus (Band 6, p. 49) hat nach dem Vorbild des Baronius alles zusammengetragen, was die Kirchenväter zu diesem wichtigen Gesetz zu äußern hatten; welche dem Geiste nach noch lange Zeit danach wiederbelebt wurde, etwa durch Kaiser Friedrich II, König Edward I von England und andere christliche Herrscher, welche nach dem XII Jahrhundert regierten. Er ermahnt Prediger und Mönche, nicht die Häuser von Witwen und Jungfrauen aufzusuchen; und er bedroht ihren Ungehorsam mit den Maßregeln der irdischen Gerechtigkeit. Auch der Beichtvater durfte fürderhin aus der Hand seiner geistlichen Tochter keine Geschenke mehr entgegennehmen, kein Legat und keine Erbschaft; jedes dieser Bestimmung zuwiderlaufende Testament wurde für null und nichtig erklärt; und die ungesetzliche Schenkung fiel an den Staatsschatz zu weiteren Verwendung. In einer nachfolgende Bestimmung wurde dieses Verbot offenbar auch auf Nonnen und Bischöfe ausgedehnt und dazu alle Personen geistlichen Standes außerstande gesetzt, irgendwelche testamentarischen Hinterlassenschaften anzunehmen; ausdrücklich blieben sie auf die naturgegebenen und gesetzlichen Möglichkeiten des Erbrechtes beschränkt. Als Wächter über Tugend und Wohlfahrt im Inneren musste Valentinian gegen solche Übel zu dieser bitteren Arznei greifen.

In der Reichshauptstadt besaß der weibliche Teil adliger und vermögender Familien oft beträchtlichen Anteil von nicht gebundenem Vermögen: und viele dieser frommen Jungfern hatten sich die Lehrsätze des Christentums angeeignet, nicht nur mit kaltem Verstande, sondern mit warmer Hingebung und wohl auch aus modischer Neigung. Die Freude an Aufputz und Luxus gaben sie dahin; und sie verzichteten, um des Ruhmes der Keuschheit willen, auf die zärtliche Gesellschaft des Gatten. Einige Kleriker von tatsächlicher oder auch nur scheinbarer Heiligkeit wurden ausgesucht, ihr ängstliches Gewissen in die rechte Bahn zu leiten und der verwaisten Zartheit des Herzens ein Ziel zu setzen: und das unbegrenzte Vertrauen, welches sie dann vorschnell verschenkten, wurde von Spitzbuben oder Schwärmern oft genug missbraucht; welche aus dem entlegensten Gebieten des Ostens kamen, um auf besserer Bühne die Vorrechte des Mönchsstandes zu genießen. Sie verachteten die Welt, aber nach und nach kamen sie gerade dadurch in den Genuss ihrer süßesten Vorteile: der lebhafte Anhänglichkeit – wer will es sagen? – einer jungen und schönen Frau, der raffinierten Fülle eines üppigen Haushaltes und des schmeichelhaften Respektes der Sklaven, Freigelassenen und Klienten einer senatorischen Familie.

Der ungeheure Reichtum der römischen Damen wurde so nach und nach aufgezehrt von großzügigen Almosen und kostspieligen Pilgerreisen; und der ränkekundige Mönch, der sich den ersten und möglicherweise sogar einzigen Platz im Testament seiner Tochter im Geiste gesichert hatte, unterstand sich auch jetzt noch, mit dem öligen Gesicht des Heuchlers zu versichern, dass er doch nur das Werkzeug der Mildtätigkeit und der Freund der Armen sei. Dieser einträgliche, wenn auch ekelhafte Handel, Die von mir verwendeten Ausdrücke sind schwach und gemäßigt, verglichen mit den Schmähungen des Hieronymos (Opera, Band 1, p. 13, 45, 144 etc). Er seinerseits wurde des Vergehens beschuldigt, das er seinen Mitmönchen vorwarf: der Sceleratus (Frevler), der Versipellis (Unzuverlässige) wurde öffentlich als der Liebhaber der Witwa Paula denunziert. Unbestritten besaß er die Zuneigung von Mutter und Tochter; aber er versichert uns, dass er seinen Einfluss niemals zu persönlichen oder fleischlichen Zwecken missbraucht habe. den der Klerus betrieb, um die Erwartungen der natürlichen Erben zu betrügen, hat die Empörung eines abergläubischen Zeitalters aufgewühlt: aber zwei der angesehensten Kirchenväter des Westens bekennen frank und frei, dass der beschämende Erlass des Valentinian berechtigt und notwendig war; und dass den christlichen Priester zu Recht ein Privileg verloren ging, auf das nur noch Komödianten, Wagenlenker und Götzenpriester Anspruch erheben mochten. Aber Weisheit und Autorität des Gesetzgebers ziehen im Wettstreit mit wacher privater Durchtriebenheit oftmals den Kürzeren: Und Hieronymos und Ambrosius konnten sich mit der Gerechtigkeit eines wirkungslosen oder heilsamen Gesetzes beruhigen. Wenn der Klerus daran gehindert wurde, seine persönlichen Zwecke zu verfolgen, dann mochte er eben löblicheren Fleiß entwickeln, den Reichtum der Kirche zu mehren und seine Habgier mit den achtbareren Namen der Frömmigkeit und des Patriotismus zu zieren. Pudet dicere, sacerdotes idolorum, mimi et aurigae, et scorta, haereditates capiunt: solis ›clericis‹ ac ›monachis‹ hac [hoc] lege prohibetur. Et non prohibetur a persecutoribus, sed a principibus Christianis. Nec de lege queror; sed doleo cur meruerimus hanc legem. [Man mag es ja gar nicht sagen: Götzenpriester, Schauspieler, Wagenlenker und sogar Huren dürfen Erbschaften antreten, alleine Klerikern ist es von Gesetzes wegen verboten. Und dies nicht etwa durch ihre Verfolger, sondern durch christliche Herrscher. Aber ich beweine gar nicht dieses Gesetz, sondern frage mich nur, mit Schmerz erfüllt, womit wir nur dieses Gesetz verdient haben?] Hieronymos, Band 1, p. 13 und gibt einen unauffälligen Hinweis auf die Politik seines Patrons Damasus.

 

DAMASUS, BISCHOF VON ROM A.D. 366-384

Roms Bischof Damasus, der sich ebenfalls genötigt fand, die Habgier seines Klerus durch Verlesen des valentinianischen Gesetzes zu geißeln, hatte genug gesunden Menschenverstand oder auch nur Glück gehabt, den Glaubenseifer und die hohe Begabung des gelehrten Hieronymos in seine Dienste zu nehmen; und der dankbare Heilige hat seinerseits die Verdienstlichkeit und Lauterkeit dieses zweideutigen Charakters gerühmt. Nur drei Worte von Hieronymos, sanctae memoriae Damasus (Opera, Band 2, p. 109) waschen alle dunklen Flecken hinweg und trüben den sonst so scharfen Blick des Tillemont. (Mémoires ecclésiastique Band 8, p. 386-424). Aber die berühmten Laster der Kirche Roms unter Damasus und Valentinian hat der Historiker Ammianus sehr aufmerksam registriert, welcher seinen unparteiischen Sinn in diesen eindrucksvollen Worten bewährt: ›Die Präfektur des Juventius verlief in Ruhe und Wohlstand: aber der Frieden seiner Regierung war alsbald durch blutige Unruhen verwirrter Volksmengen gestört. Die Begierde von Damasus und Ursinus, den bischöflichen Sitz zu erobern, überstieg alles gewöhnliche Maß menschlichen Ehrgeizes. Sie gingen mit der Wut zweier Bürgerkriegsparteien gegeneinander vor; der Streit setzte sich fort, obwohl ihre Anhänger verletzt wurden oder zu Tode kamen; und der Präfekt, der den Tumult weder dämpfen noch beschwichtigen konnte, zog sich infolge höherer Gewalt in die Vororte zurück. Damasus obsiegte: der teuer erkaufte Sieg blieb bei seiner Faktion; einhundertunddreiundsiebzig Tote Hieronymos sieht sich selbst zu dem Zugeständnis genötigt, ›crudelissimae interfectiones diversi sexus perpetrate‹, (grauenvolle Morde seien an Mann und Frau begangen worden.) Aber ein originales libellus oder Bittschrift zweier Presbyter der anderen Partei hat seltsamerweise die Zeiten überdauert. Sie behaupten, dass das Dach der Basilika abgedeckt und die Tore niedergebrannt waren; dass Damasus an der Spitze seines eigenen Klerus marschiert sei, zusammen mit Totengräbern, Wagenlenkern und angemieteten Gladiatoren; dass von seinen Leuten niemand ums Leben gekommen sei und man dennoch einhundertundsechzig Erschlagene gefunden habe. Diese Eingabe ist von Sirmond im 1. Band seiner Werke veröffentlicht. fand man in der Basilica von Sicininus, Die Basilika des Sicininus oder Liberius ist wohl identisch mit der Kirche Sancta Maria Maggiore auf dem Esquilin. Baronius, Annales ecclesiastici A.D. 367, Nr. 3 und Donati, Roma vetus ac recens, p. 462. wo die Christen ihre religiösen Versammlungen abhielten; und dies lange bevor die verärgerte Bevölkerung wieder zu ihrer angestammten Ruhe zurückfand.

Betrachte ich mir den Glanz dieser Stadt, verwundert es mich nicht, dass ein so wertvoller Preis das Gelüste eines ehrgeizigen Mannes entzünden und die wildeste und verbissenste Fehde provozieren sollte. Der erfolgreiche Bewerber kann sicher sein, dass er an den Opfergaben der Matronen schier reich wird; Die Feinde des Damasus nannten ihn ›Auriscalpius Matronarum‹, den Ohrenkratzer der Damen. dass er in der Kutsche durch Roms Straßen fahren wird, sobald sein Gewand mit zukömmlicher Sorgfalt und Eleganz gefertigt ist; Gregor von Nazianz (Orationes 42) beschreibt Hoffart und Luxus der Prälaten von Kaiserstädten; ihre vergoldeten Wagen, ihre feurigen Schlachtrosse &c. Die Volksmassen wichen vor ihnen aus wie vor einem wilden Tier. und dass selbst die kaiserliche Tafel nicht an den überreichen und extravaganten Aufwand heranreichen wird, den der Pontifex sich infolge seines Reichtums und Geschmackes schuldig zu sein glaubt. Mit wie viel mehr Grund (so fährt der ehrliche Heide fort) würden jene Oberpriester ihr wahres Glück verfolgen, wenn sie nicht die Größe der Stadt als Ausrede für ihren Luxus vorschieben, sondern dem vorbildlichen Leben einiger Provinzialbischöfe nacheifern würden, ihrer Mäßigung und Nüchternheit, ihrer Schlichtheit im Auftreten und ihrem demutsvollem Blick, was alles sie der Gottheit und den wahren Verehrern der Gottheit empfehlen würde.‹ Ammianus 27,3. Perpetuo Numini, ›verisque‹ eius cultoribus. Unvergleichbare Schmiegsamkeit des Polytheisten!

Das Schisma zwischen Damasus und Ursinus erlosch infolge der Verbannung des Letztgenannten; und der Präfekt Ammianus, der einen positiven Bericht von seiner Präfektur bietet, nennt ihn ›praeclarae indolis gravitatisque senator‹ [...ein Senator von ausgezeichnetem Charakter und Würde]. Eine merkwürdige Inschrift verzeichnet in zwei Spalten seine religiösen und zivilen Ehrungen (Gruter MCII, Nr 2). So war er (erste Spalte) Pontifex des Sonnengottes und der Vesta, Augur, Quindecemvir, Hierophant &c &c. In der anderen Spalte war er 1. Quaestor candidus, vielleicht Titular, 2. Praetor; 3. Corrector von Etrurien und Umbrien; 4. Konsular Lusitaniens; 5. Proconsul von Achaia; 6. Praefekt von Rom; 7. Prätorianerpräfekt von Italien und von 8. Illyrien. 9. Gewählter Konsul. Er starb zu Beginn des Jahres 385. Siehe Tillemont, Histoire des empereurs Band 5, p. 241 und 736. Praetextus stellte umsichtig die Ruhe in der Stadt wieder her. Praetextus war ein philosophisch veranlagter Heide, gebildet, kultiviert, höflich und von erlesenem Geschmack; welcher Tadel mit einem Scherzwort zu verkleiden verstand, als er Damasus versicherte, wenn er das Bischofsamt über Rom erhalten würde, werde er für seine Person unverzüglich zum christlichen Glauben übertreten. ›Facite me Romanae urbis episcopum, et ero protinus Christianus‹ [Macht mich zum Bischof von Rom, und ich werde unverzüglich ein Christ]. Hieronymus, Opera Band 2, p. 165. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Damasus die Bekehrung des Mannes zu diesem Preis wohl nicht erkauft haben würde. Dieses lebhafte Bild vom Reichtum und Luxus der Päpste im IV. Jahrhundert wird umso merkwürdiger für uns, da es den Abstand zwischen der demütigen Armut des apostolischen Fischers und den königlichen Verhältnissen eines weltlichen Herrschers darstellt, dessen Herrschaftsgebiet sich von Neapel bis zu den Ufern des Po erstreckte.

 

FÜNF KRIEGSSCHAUPLÄTZE A.D. 364-375

Als die Wahlentscheidung der Generäle und der Armee das Szepter des Reiches Valentinian in die Hände legte, waren die wichtigsten Motive ihres Beschlusses sein persönlicher Mut, seine militärische Begabung und Erfahrung und sein getreuliches Festhalten an Form und Geist der althergebrachten Disziplin. Der Nachdruck, mit dem ihn die Truppen zur Wahl eines Kollegen drängten, war infolge der gefährdeten öffentlichen Lage durchaus gerechtfertigt; und Valentinian selbst war sich ebenfalls bewusst, dass die Fähigkeiten selbst des kühnsten Geistes außerstande sein würden, die riesigen Grenzen der Monarchie im Falle einer Invasion zu verteidigen. Sobald mit dem Tode Julians bei den Barbaren auch das Entsetzen vor seinem Namen erloschen war, wurden die Nationen des Ostens, Nordens und Südens bei der Aussicht auf Beute und Eroberung wieder lebendig. Ihre Einfälle waren oft genug lästig und zuweilen auch bedrohlich; aber während seiner zwölf Regierungsjahre schützte Valentinian seinen Herrschaftsbereich mit Wachsamkeit und Nachdruck; und auch sein ängstlicher Bruder schien von seinem überragenden Mut gleichsam angesteckt zu werden. Vielleicht würde ja die annalistische Erzählweise die großen Anstrengungen der beiden Herrscher eindrucksvoller erkennen lassen; aber zugleich könnte die Aufmerksamkeit des Lesers durch eine ermüdende und ungeordnete Darstellung eingeschläfert werden. Eine gesonderte Betrachtung der fünf großen Kriegsschauplätze: I. Germanien; II. Britannien; III. Afrika; IV. Der Osten; V. Das Donaugebiet; werden ein genaueres Bild vom militärischen Zustand des Reiches unter Valentinian und Valens entwerfen.

 

I. GERMANIEN ALAMANNEN FALLEN IN GALLIEN EIN A.D. 365

Die Abgesandten der Alamannen waren durch das arrogante und hochfahrende Auftreten von Ursacius, des magister officium, beleidigt worden; Ammianus 26,5. Valesius fügt hier eine lange und lobende Anmerkung über den magister officium ein. hatte er doch infolge eines Aktes von Knauserigkeit zur falschen Zeit den Wert und die Größe des Geschenkes gemindert, welches ihnen gewohnheits- oder vertragsrechtlich bei der Thronbesteigung eines neuen Herrschers zustand. Von dieser nationalen Schande ließen sie ihre Landsleute wissen. Das jähzornige Gemüt der Kriegerkönige war rasch entflammt, denn sie witterten Hohn; und die kriegsfreudige Jugend sammelte sich unter ihren Fahnen. Bevor Valentinian die Alpen überqueren konnte, standen die Dörfer Galliens in Flammen; bevor sein General Dagalaiphus die Alamannen abfangen konnte, hatten sie sich mit ihren Gefangenen und der Beute in die Wälder Germaniens zurückgezogen.

 

JANUAR 366

Am Anfang des nächsten Jahres, während eines schweren nördlichen Winters, überwand die militärische Macht der ganzen Nation in dichten und massiven Marschsäulen den Rhein. Zwei römisches comes wurden besiegt und fielen; und auch die Standarten der Heruler und Bataver fielen an die Sieger, welche unter empörendem Gejohle und Drohen ihre Siegesbeute zur Schau stellten. Die Standarte wurde zurückerobert; aber die Bataver hatten dadurch noch nicht die Schande abgewaschen, welche sie durch ihre Flucht in den Augen ihres strengen Richters auf sich geladen hatten. Die Truppen wurden zu ernster Versammlung herbeigerufen; und die bebenden Bataver standen inmitten eines Kreises der kaiserlichen Armee. Valentinian bestieg das Tribunal; und indem er vorgab, dass diese Feigheit nicht mit dem Tode zu bestrafen sei, heftete er einen unauslöschlichen Makel auf die Offiziere, deren Fehlverhalten und Verzagtheit nachweislich die Niederlage ausgelöst hatten. Die Bataver wurden degradiert, entwaffnet und sollten dem Meistbietenden als Sklaven verkauft werden. Als dieses Grässliche ausgesprochen war, warfen sie sich zu Boden, suchten den Grimm ihres Herrschers mit Bitten besänftigen und versicherten, dass sie sich, würde er ihnen die Gnade eines zweiten Versuches gewähren, des römischen Namens und seiner Soldaten würdig erweisen wollten. Schließlich gab Valentinian mit erheucheltem Widerstreben ihrem Drängen nach: die Bataver erhielten ihre Waffen zurück und waren nunmehr finster entschlossen, ihre Schmach mit dem Blute der Alamannen abzuwaschen. Ammianus 27,1; Zosimos 4,9. Die Schmach der Bataver wird von dem zeitgenössischen Soldaten aus Gründen schonender Rücksichtnahme auf die militärische Ehre verschwiegen, was jedoch einen griechischen Redner des nächsten Jahrhunderts nicht mehr beeindruckt hat. Das Oberkommando erhielt Dagalaiphus; und jener vielbewährte Soldat, welcher mit möglicherweise zu großer Genauigkeit die extremen Schwierigkeiten jenes Unternehmens dargelegt hatte, durfte noch vor dem Ende des Feldzuges zu seinem Verdruss mit ansehen, wie sein Rivale Jovinus diese Schwierigkeiten zu einem entscheidenden Vorteil über die verstreuten Kräfte der Barbaren ummünzte.

 

IHRE NIEDERLAGE

An der Spitze einer schlagkräftigen Armee aus Kavallerie, Infanterie und leichten Truppen gelangte Jovinus auf umsichtigen und raschen Märschen an die Scarponna Siehe d'Anville, Notice de l'ancienne Gaule, p.587. Den Name der Mosel, welcher von Ammianus zwar nicht ausdrücklich genannt wird, weist Mascov (History of the old Germans, Buch 7, c. 2) korrekt nach. bei Metz, wo er eine große Abteilung der Alamannen überraschte, bevor sie zu den Waffen eilen konnten: und beschämte seine Soldaten mit seinem Zutrauen auf einen leichten und unblutigen Sieg. Eine andere Abteilung – fast schon eine Armee – der Feinde hatte sich nach grausamer Plünderung der umliegenden Landschaft an die schattigen Moselufer zurückgezogen. Jovinus, der sich das Gelände mit den Augen eines Generals angesehen hatte, nähert sich geräuschlos durch ein tiefes, bewaldetes Tal, bis er schließlich die Germanen in empörender Sorglosigkeit ausmachen konnte. Einige badeten ihre riesigen Körper im Fluss; andere wieder kämmten ihr langes, flachsblondes Haar; wieder andere schluckten gewaltige Mengen von starkem und wohlschmeckenden Wein herunter. Plötzlich hörten sie die römische Kriegsposaune und erblickten den Feind im Lager. Verblüffung verursachte Unordnung; auf die Unordnung kamen Flucht und Panik; und die aufgelöste Schar der tapfersten Krieger wurde von Schwert und Spieß der Legionäre und Hilfstruppen abgestochen. Die Flüchtlinge entkamen bis zum dritten und größten Lager in den Katalaunischen Feldern nahe bei Châlon in der Champagne: die verstreuten Detachements wurden in Eile zu ihren Fahnen zurückbeordert; und die Häuptlinge der Barbaren, aufgeschreckt und belehrt durch das Schicksal ihrer Gefährten, bereiteten sich vor, den siegreichen Kräften von Valentinian General in einer Entscheidungsschlacht zu begegnen. Der verlustreiche und hartnäckige Kampf dauerte einen ganzen Sommertag und wurde mit ausgeglichenen Kräften und schwankendem Erfolg geführt.

 

JULI 366

Schließlich obsiegten die Römer mit zwölfhundert Mann Verlust: Sechstausend Alamannen waren gefallen, viertausend verwundet; und der tapfere Jovinus, der noch die flüchtigen Reste bis an das Rheinufer gejagt hatte, kehrte nach Paris zurück, das Lob seines Kaisers und die Konsulatsinsignien für das nächste Jahr zu empfangen. Die Schlacht wird von Ammianus (27,7) und Zosimos (4,9) beschrieben, der übrigens annimmt, dass Valentinian anwesend war. Allerdings wurde der Sieg der Römer verdunkelt durch die Art, wie sie den gefangenen König behandelten, den sie ohne ihren empörten General zu informieren an einem Galgen aufgehängt hatten. Auf diesen schändlichen Akt der Grausamkeit, den man noch der Unbesonnenheit der Truppe zuschreiben mochte, folgte der vorsätzliche Mord an Withicab, dem Sohn des Vadomar, einem Germanenhäupling zwar von schwächlicher und kränklicher Konstitution, aber von kühnem und furchterregendem Gemüte. Dieser Mord wurde von den Römern angestiftet und gedeckt8 ›Studio solicitante nostrorum occubuit.‹, [Der Mord an ihm geschah auf Anstiftung der Unsrigen]. Ammianus 27,10. und diese Verletzung des allgemeinen Rechtsempfindens und der Gesetze der Humanität verriet, dass sie um die inneren Schwächen des niedergehenden Reiches wussten. In öffentlichen Angelegenheiten verzichtet man im Allgemeinen auf den Gebrauch eines Dolches, solange man noch Vertrauen auf den Gebrauch des Schwertes setzt.

 

VALENTINIAN ÜBERQUERT DEN RHEIN A.D. 368

Während die Alamannen infolge ihrer gegenwärtigen Notlage ersichtlich gedemütigt waren, empfing der Siegesstolz des Valentinian einen Dämpfer durch die unerwartete Überrumpelung von Moguntiacum oder Mainz, der Hauptstadt von Obergermanien. Während des Sorglosigkeit eines christlichen Festes hatte Rando, ein kühner und listenreicher Häuptling, der seinen Plan lange geheckt hatte, unerwartet den Rhein überquert, die schutzlose Stadt überrannt und ungezählte Gefangenen beiderlei Geschlechtes gemacht. Valentinian gelobte bittere Rache an der ganzen Nation. Der comes Sebastian erhielt Anweisung, mit italischen und illyrischen Truppenteilen in ihrem Lande einzufallen, vermutlich von der rhaetischen Seite. Der Kaiser persönlich, begleitet von seinem Sohn Gratian, überquerte den Rhein an der Spitze einer gewaltigen Armee, die Flanken geschützt von Jovinus und Severus, den beiden Heermeistern der Kavallerie und der Infanterie des Westens. Die Alamannen, welche die Verwüstung ihrer Dörfer nicht verhindern konnten, errichteten ihr Lager auf einem steilen, nahezu unbesteigbaren Berg in dem heutigen Herzogtum Württemberg und erwarteten zu allem entschlossen das Herannahen der Römer.

Dadurch, dass Valentinian mit furchtloser Neugierde einige geheime und unbewachte Pfade zu rekognoszieren unternahm, brachte er sich in unmittelbare Lebensgefahr: ein Trupp Barbaren brach unvermittelt aus dem Hinterhalt hervor: Und der Kaiser, der sein Pferd einen steilen und schlüpfrigen Abstieg hinunterspornte, musste seinen Waffenträger im Stich lassen und seinen Helm verloren geben, der mit vielem Gold und Edelgestein ausgeschmückt war. Auf das Signal zum Sturm umschlossen dann die Römer den mons Solicinium von drei Seiten und bestürmten ihn. Jeder Schritt, den sie sich erkämpften, erhöhte ihren Kampfeseifer und ließ den feindlichen Widerstand sinken: Und nachdem sie mit vereinten Kräften den Gipfel bezwungen hatten, drängten sie die Barbaren den Nordabhang hinunter, wo der comes Sebastian stand, ihren Rückzug abzufangen. Nach diesem entscheidenden Sieg zog sich Valentinian ins Winterquartier nach Trier zurück, wo er zur Freude des Publikums prachtvolle Spiele aus Anlass seines Sieges veranstaltete. Der Feldzug des Valentinian wird von Ammianus (27,10) geschildert; und von Ausonius (Mosella 421 ff) abgefeiert, welcher törichterweise annimmt, dass die Römer die Donauquellen nicht kannten.

Aber anstelle nun auf die Eroberung von ganz Germanien zu sinnen, beschränkte der umsichtige Monarch seine Aufmerksamkeit auf die wichtige und mühselige Verteidigung der gallischen Grenze gegen einen Feind, dessen Stärke sich durch einen Zustrom von kühnen Freiwilligen erneuerte, Immanis enim natio, iam inde ab incunabulis primis varietate casuum imminuta; ita saepius adolescit, ut fuisse longis saeculis aestimetur intacta. [Dieses entsetzliche Volk, von Anfang an durch verschieden Schicksalsschläge gedämpft, erholt ebenso häufig, so dass sich die Meinung bildet, sie seien durch lange Jahrhundert unverändert geblieben]. Ammianus 28,5. Der Count de Buat (Histoire des Peuples de l'Europe, Band 6, p. 370) schreibt die Fruchtbarkeit der Alamannen ihrer bereitwilligen Aufnahme von Fremden zu. die ununterbrochen von den entlegensten Stämmen des Nordens zusammenkamen. Die Rheinufer waren von ihrer Quelle bis zum Meer mit massiven Festungsanlagen und Städten gepflastert der Erfindungsgeist eines Herrschers, der in den mechanischen Künsten durchaus bewandert war, ersann neue Verteidigungsanlagen und neuartige Zurüstungen; und die zahlreichen Rekruten der römischen und barbarischen Jugend erhielt eine gründliche Ausbildung in allen Kriegs- und Kampftechniken. Die Fortschritte dieser Arbeit, die nur gelegentlich durch schüchterne Einwände und feindliche Angriffe ins Stocken gerieten, gewährleisteten während der folgenden neun Jahre der Herrschaft Valentinians Ruhe in Gallien. Ammianus 28,5; Zosimos 4,16. Der jüngere Victor weist auf Valentinians Begabung in der Mechanik hin: ›nova arma meditari; fingere terra seu limo simulacra.‹, [Neue Waffen ersinnen; aus Erde oder Schlamm Modelle formen]. Epitome 45.

 

DIE BURGUNDER, EIN KRIEGERISCHES VOLK A.D.371

Dieser umsichtige Herrscher, der Diocletians weise Herrscherregeln pünktlich befolgte, war eifrig bestrebt, die inneren Zwistigkeiten unter den Germanenstämmen zu schüren und zu unterhalten. Etwa in der Mitte des vierten Jahrhunderts wurden Länder beiderseits der Elbe, vermutlich die Lausitz und Thüringen, von den Burgundern beherrscht; ein kriegsgeübter, zahlenstarker Vandalenstamm, ›Bellicosos et pubes immensae viribus affluentes; et ideo metuendos finitimis universis.‹, [Kriegerisch und überreich an waffenfähiger Jugend; daher sämtlichen Nachbarn furchtbar]. Ammianus 28, 5. dessen geringe Reputation unmerklich zu der eines mächtigen Königreiches aufblühte und schließlich einer blühenden Provinz den Namen gab. Die merkwürdigste Einzelheit unter den Gebräuchen der alten Burgunder scheint die Trennung von weltlicher und religiöser Verfassung gewesen zu sein. Die Bezeichnung Hendinos gab man dem König oder General, während Sinistus für den Hohepriester der Nation vorbehalten bleib. Die Person des Priesters war geheiligt, seine Würde immerwährend; das weltliche Regiment jedoch war ein Amt auf Widerruf. Wenn die Ergebnisse eines Krieges auf den Mut oder das Verhalten eines Königs einen Schatten warfen, wurde er unverzüglich abgesetzt; die Ungerechtigkeit seiner Untertanen machte ihn auch verantwortlich für die Fruchtbarkeit des Bodens und die Pünktlichkeit der Jahreszeiten, was doch eigentlich eher in die priesterliche Zuständigkeit fällt. Ich bin eigentlich immer geneigt zu besorgen, dass Historiker und Reisende außergewöhnliche Tatsachen zu allgemeinen Gesetzen erheben. Ammianus schreibt den Ägyptern ähnliches Brauchtum zu: und die Chinesen haben es wiederum dem Tat-Sin, oder Römischen Imperium zugeschrieben. (De Guignes, Histoire des Huns, Band 2, Teil 1, p. 79.)

Der Streit um den Besitz einiger Salzquellen ›Salinarum finiumque causa Alemannis saepe iurgabant‹ [Wegen der Salzquellen und des Grenzverlaufes gab es häufig Streit mit den Alamannen]. Ammianus 28,5. Vermutlich ging es um den Besitz der Sala, welcher Fluss Salz lieferte und seit alters Streitobjekt war. Tacitus, Annales 13,57 und dazu Lipsius. hatte Alamannen und Burgunder des Öfteren gegeneinander aufgebracht: Leicht ließen sich die Letztgenannten durch heimliche Versprechen und großzügige Geschenke des Kaisers anstiften; und ihre sagenhafte Abstammung von den römischen Soldaten, welche dereinst in den Festungen des Drusus Garnisonsdienst getan hatten, wurde auf beiden Seiten gern geglaubt, da sie beiderlei Interessen förderlich war. ›Iam inde temporibus priscis sobolem se esse Romanam Burgundii sciunt:‹, [Seit alters wissen die Burgunden, dass sie von den Römern abstammen]. Ammianus 28,5. Diese ungesicherte Tradition nahm allmählich festere Formen an (Orosius 7, 32) Sie wird indessen zerstört durch die entscheidende Autorität des jüngeren Plinius, der die Geschichte von Drusus abgefasst hat und in Germanien gedient hat (Plinius d.J., Epistulae 3,5), mithin sechzig Jahre nach dem Tod dieses Helden. ›Germanorum genera quinque; Vindili, quorum pars Burgundiones,‹, etc. [Fünf Germanenvölker: Vandalen, von denen die Burgunden ein Teil sind]. Plinius d.Ä., Naturalis Historia 4,28.

Schon bald erschien eine Armee von achtzigtausend Mann am Rheinufer; und ungeduldig verlangten sie Unterstützung und Subsidien, welche Valentinian in Aussicht gestellt hatte; aber sie wurden nur mit Ausflüchten und Verspätungen hingehalten, bis sie sich schließlich nach vergeblichen Zuwarten zurückziehen mussten. Die Bewaffnung und die Befestigung der gallischen Grenze hielt ihren berechtigten Zorn auf; und die Ermordung der Gefangenen vertiefte die erbliche Feindschaft zwischen Alamannen und Burgundern nur noch. Die Unbeständigkeit des besonnenen Kaisers mag sich auch aus der Änderung einiger Umstände erklären lassen; und vermutlich war es Valentinians ursprüngliche Absicht gewesen, einzuschüchtern und nicht auszulöschen, da das Gleichgewicht der Kräfte durch den Untergang einer dieser beiden germanischen Nationen aus den Fugen hätte geraten können. Unter den Alamannenprinzen war es Macrianus, der – im Besitz eines römischen Eigennamens – die Kenntnisse eines Soldaten und das Talent zum Staatsmann besaß, welcher sich Valentinians Hass und Wertschätzung verdient hatte. Der Kaiser persönlich hatte mit einer leichten Schwadron den Rhein überquert, war fünfzig Meilen ins Landesinnere vorgedrungen und hätte unfehlbar das Objekt seiner Nachstellungen erreicht, wenn nicht die Ungeduld der Truppen diese seine wohlüberlegten Maßnahmen durchkreuzt hätte. Macrianus wurde später die Ehre einer persönlichen Unterredung mit dem Kaiser zuteil; und die Gunst, die er hierbei empfing, machte ihn bis an sein Lebensende zu einem zuverlässigen und aufrichtigen Freund der Republik. Der Krieg und die Friedenverhandlungen mit Alamannen und Burgundern werden bei Ammianus (28,5; 29,4 und 30,3) ausführlich behandelt. Orosius (7,32) und die Chroniken des Hieronymos und Cassiodor präzisieren einige Daten und bieten weitere Einzelheiten..

 

DIE SACHSEN AUF DER KIMBRISCHEN HALBINSEL KAPITULATION IN GALLIEN

Das Land hatte Valentinian mit Festungsanlagen übersäht; aber die gallische und britannische Meeresküste stand den Raubzügen der Sachsen offen. Jener berühmte Name, an welchem wir ein herzliches und ganz persönliches Interesse haben, ist der Aufmerksamkeit des Tacitus entgangen; und in den Landkarten des Ptolemäus bezeichnet der Name andeutungsweise nur den dünnen Hals der kimbrischen Halbinsel und drei kleine Inseln in Richtung Elbmündung. [Ü.a.d.Griech.: Zur Landenge der kimbrischen Halbinsel hin die Sachsen]. Im Norden der Halbinsel (des kimbrischen Vorgebirges bei Plinius 4,27) lässt Plinius die Kimbern wohnen. Den Raum zwischen Sachsen und Kimbern füllt er mit sechs unbekannten Stämmen, die im VI. Jh. unter dem Völkernamen Dänen geeint wurden. Siehe Cluver, Germania antiqua, Buch 3, c.21-23. Dieses kleine Land, das gegenwärtige Herzogtum von Schleswig, gegebenfalles auch noch von Holstein, konnte unmöglich die riesigen Massen von Sachsen hervorbringen, welche den Ozean beherrschten, die britischen Inseln überschwemmten und ihnen ihre Sprache und Gesetze gaben; und die so lange Zeit den Norden gegen die Macht Karls des Großen verteidigten. Herr d'Anville (Etats formés en Europe, p. 19-25) hat die ausgreifenden Grenzen Sachsens unter Karl dem Großen beschrieben. Des Rätsels Lösung findet man leicht in den ähnlichen Gebräuchen und den lockeren Stammesverbänden der Germanen; welche sich infolge der unbedeutendsten kriegerischen oder freundschaftlichen Wechselfälle untereinander vermischten. Die Sachsen waren aufgrund ihrer Lebensumstände zu dem risikoreichen Geschäft der Fischerei oder der Piraterie genötigt; der Erfolg dieser unternehmenden Pioniere spornte ihre wagemutigen Landleute zur Nachahmung, welche der trübseligen Einsamkeit ihrer Wälder und Berge müde waren. Mit jeder Ebbe mochten ganze Bootsflotten die Elbe flussabwärts treiben, bemannt mit harten und furchtlosen Verbündeten, die begierig waren, die Unendlichkeit der Meere zu schauen und vom Reichtum und Luxus unbekannter Länder zu kosten. Es scheint jedoch, dass die nach der Zahl stärksten Verbündeten der Sachsen aus den Anliegerstaaten der Ostsee stammten. Sie besaßen Waffen und Schiffe, waren kundig der Seefahrt und der Seekriegsführung; aber die Probleme bei der Passage der nördlichen Säulen des Herkules (welche einige Monate im Jahr zugefroren waren) gestattete ihnen die Entfaltung ihrer Talente nur in den Grenzen eines großen Binnenmeeres. Der Flotte des Drusus war es nicht gelungen, sich dem Sund anzunähern geschweige denn ihn zu passieren (Die Bezeichnung Sund ist aufgrund einer entfernten Ähnlichkeit zu den ›Säulen des Herkules‹, gebildet); und die Schiffsexpedition wurde nicht noch einmal wiederholt (Tacitus, Germania 34). Die Kenntnisse, welche die Römer von der Seestreitmacht der Ostseestaaten (a.a.O. 44f) besaßen, erwarben sie sich auf ihren Expeditionen zu Lande auf der Suche nach Bernstein.

Die Gerüchte von einer erfolgreichen Kriegsmacht, die die Elbmündung verließ, veranlasste sie, die Landenge bei Schleswig zu überqueren und ihre Schiffe in der Nordsee zu Wasser zu lassen. Diese verschiedenen Piraten- und Abenteurerhaufen, welche unter einer Fahne kämpften, schlossen sich allgemach zu einer dauerhaften Raub- und anschließend zu einer Staatsgemeinschaft zusammen. Durch die sanften Mittel von Heirat und Blutsverwandtschaft wurde so eine militärische Konföderation zu einer nationalen Einheit umgeschmolzen; und die Nachbarstämme, die die Allianz der Sachsen wünschten, nahmen denn auch deren Gesetze und Namen an.

Es hieße die Gutgläubigkeit unserer Leser zu strapazieren, wenn wir jetzt die Schiffe beschreiben wollten, mit denen sich die Sachsen in die Nordsee, den britischen Kanal und den Golf von Biskaya gewagt hatten, wenn die Tatsachen nicht durch die unstrittigsten Beweise erhärtet wären. Der Kiel ihrer langen Flachboote war dünn beplankt, die Seiten und Aufbauten bestanden nur aus Weidenflechtwerk und einer kräftigen Abdeckung aus Tierhäuten. Quin et Aremoricus piratem Saxona tractus/Sperabat; cui pelle salum sulcare Britannum/Ludus; et assuto glaucum mare findere lembo [Aber auch das armorikanische Seegebiet erwartete den sächsischen Piraten, der pelzverhüllt das britannische Salzmeer zum Spaße durchfuhr, in zusammengestückten Barken das graue Meer durchpflügend]. Sidonius Apollinaris, Panegyricus ad Avitum. 3,69-71. Caesars Genie ließ zu einem besonderen Zweck die rohen, aber leichten Fahrzeuge nachbauen, welche ebenfalls von den Eingeborenen Britanniens genutzt wurden (Bello civilis 1,54 und Guischardt, Nouveaux mémoires militaires, Band 2, p. 41f.) Heutzutage würden auch die britischen Schiffe das Genie Caesars erstaunen.

Im Verlaufe ihrer langsamen und weiten Fahrten waren sie oft genug der Gefahr und dem Verhängnis eines Schiffbruchs ausgesetzt; und die Seefahrtsannalen der Sachsen waren zweifellos angefüllt mit der Aufzählung von Totalverlusten, die sie an der britischen und gallischen Küste erlitten hatten. Aber der kühne Mut der Piraten setzte sich über die Gefahren der offenen See und der Küste hinweg, durch ihre Unternehmungen wurde ihr seefahrerisches Können gehoben, und noch der geringste ihrer Seekrieger vermochte gleich gut das Ruder zu führen, die Segel zu heißen oder ein Fahrzeug zu steuern; und die Sachsen freuten sich geradezu, wenn ein Sturm aufzog, der ihre Pläne verschleierte und feindliche Flotten zerstreute. Die beste Nachricht über die die sächsischen Piraten kann man die Sidonius Apollinaris finden (8, Epistulae 6) und die besten Erläuterungen bei Abbé Dubois, Histoire critique de la monarchie francoise, Band 1, p. 148-155, siehe auch p. 77f. Nachdem sie sich genaue Kenntnisse der westlichen Seegebiete angeeignet hatten, erweiterten sie ihr Jagdgebiet, und selbst die abgelegensten Landschaften konnten sich durchaus nicht in Sicherheit wiegen. Die Schiffe der Sachsen hatten so wenig Tiefgang, dass sie auf den großen Strömen achtzig bis hundert Meilen laneinwärts gelangen konnten; ihr Gewicht war so gering, dass man sie ohne Probleme auf Wagen von einem Fluss über Land zum anderen transportieren konnte; und die Piraten, welche in die Rhein- oder Seinemündung vorgedrungen waren, gelangten über die schnellfließende Rhone wohl auch in das Mittelmeer.

 

A.D. 371

Unter der Herrschaft Valentinians jedenfalls waren die gallischen Seeprovinzen ein Angriffsziel der Sachsen: ein comes militaris wurde mit der Verteidigung der Küste oder armorikanischen Grenze betraut; und dieser General, der fand, dass seine Kräfte und Fähigkeiten durch dieses Unternehmen überfordert seien, suchte bei Severus, dem Heermeister der Infanterie, um Hilfe nach. Die Sachsen, die sich plötzlich von einer Überzahl eingekreist sahen, mussten ihre Beute herausrücken und viele aus ihrer blühenden, kräftigen Jugend für den Dienst in der kaiserlichen Armee zurücklassen. Für sich bedangen sie sich lediglich einen sicheren und ehrenhaften Abzug aus, worauf der römische General auch bereitwillig einging; welcher indessen auf Verrat sann, Ammianus (28,5) verteidigt diesen Treuebruch gegenüber Räubern und Piraten; und Orosius (7,32) weist sogar noch deutlicher auf ihre eigenene Schuld hin: ›virtute atque agilitate terribiles‹ [In ihrer Tugend und Behendigkeit schrecklich]. der ebenso unklug wie unmenschlich war, solange noch ein Sachse am Leben und in Waffen war, um das Schicksal seiner Landleute zu rächen. Die Ungeduld der Infanterie, welche in einem tiefen Tal verborgen lag, verriet den Hinterhalt; und vermutlich wären sie das Opfer ihrer eigenen Trickerei geworden, wenn nicht eine starke Abteilung von Panzerreitern, aufgeschreckt durch das Kampfgelärme, in Eile hinzu gekommen wäre, ihre Kameraden heraus zu hauen und die unverzagten Sachsen zu überwältigen. Einige Gefangene wurden zunächst geschont, um später im Amphitheater ihr Blut zu vergießen; und der Redner Symmachus beschwert sich darüber, dass neunundzwanzig jener Wilden sich mit eigenen Händen umbrachten und so das Publikum um sein Vergnügen betrogen. Aber den gebildete und nachdenkliche Teil Roms durchschauderte es doch, als er vernehmen musste, dass die Sachsen den zehnten Teil ihrer menschlichen Beute ihren Göttern opferte; und dass sie die Opfer dieser barbarischen Riten mit dem Los bestimmten. Symmachus (2, epistula 46) wagt es immer noch, die heiligen Namen des Sokrates und der Philosophie zu erwähnen. Der Bischof von Clermont, Sidonius, konnte die Menschenopfer der Sachsen (8, epistula 6) mit weniger Widerspruch verurteilen.

 

II. BRITANNIEN DIE SCOTEN UND DIE PICTEN

II Die sagengeschmückten Kolonien der Ägypter und Trojaner, Skandinavier und Spanier, die den Stolz unserer ungebildeten Altvordern kitzelten und sie in ihrer Naivität erfreuten, haben vor dem Licht der Philosophie und der Wissenschaft keinen Bestand mehr. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts sah sich der gelehrte Cambden genötigt, mit respektvoller Skepsis die Romanze des Trojaners Brutus zu zerstören, welcher nunmehr zusammen mit Scota, der Tochter des Pharao und ihrer zahlreichen Nachkommenschaft begraben und vergessen ist. Aber wie ich höre, sind immer noch einige Verfechter der milesischen Kolonie unter den Ureinwohnern von Irland zu finden. Ein Volk, das mit seinen gegenwärtigen Bewandnissen unzufrieden ist, greift nach jedem Strohalm vergangenen oder künftigen Ruhmes. Das gegenwärtige Zeitalter begnügt sich mit der schlichten und sachlichen Feststellung, dass die britischen Inseln und Irland vom benachbarten Gallien aus besiedelt worden sind. Von Kent bis Caithness und Ulster haben sich die Erinnerungen an die keltischen Ursprünge dauerhaft in den Ähnlichkeiten der Sprache, der Religion und des Brauchtums bewahrt: und die einzelnen Besonderheiten der britischen Stämme kann man ungezwungen den Einflüssen zufälliger oder lokaler Besonderheiten zuschreiben. Tacitus, oder vielmehr sein Schwiegervater Agricola, mag wohl vom spanischen und germanischen Aussehen einiger britischer Stämme berichten. Aber dies war ihre wohlerwogenen Meinung: ›In universum tamen aestimanti Gallos vicinum solum occupasse credibile est. Eorum sacra deprehendas...sermo haud multum diversus‹ [Insgesamt aber kann man vermuten, dass Gallier die Nachbargebiete besetzt haben. Ihre heiligen Bräuche... Sprache nicht sehr verschieden]. Agricola 11. Caesar war ihre gemeinsame Religion aufgefallen (Bellum Gallicum 6,13); und zu seiner Zeit war die Auswanderung der belgischen Gallier ein jüngst zurückliegendes oder zumindest doch geschichtliches Ereignis (5,10). Cambden, der britische Strabo, hat unsere Altertümer auf einen bescheideneren Sockel gestellt. (Britannia, Band 1, Einleitung, p. II-XXXI).

Die römische Provinz lebte von da an in zivilisierter und friedvoller Sklaverei: das Recht auf ungezügelte, wilde Freiheit war nur in den engen Grenzen von Kaledonien gegeben. Die Bewohner jener Gebiete des Nordens waren seit der Herrschaft des Constantin in Picten und Scoten unterteilt, die seitdem eine sehr unterschiedliche Geschichte durchlebten. Als Führer durch die unsicheren kaledonischen Altertümer habe ich mir zwei gelehrte Hochländer erwählt, die ihre Geburt und Ausbildung für dieses Amt vorzüglich qualifizierten: Ursprung, Geschichte &c der Kaledonier, von Dr. John Macperson, London 1768 und Einführung in die Geschichte von Großbritannien und Irland, von James Macperson, Esq, London, 1773. Dr. Macperson war Amtmann auf der Insel Skye: Es zeichnet unsere Gegenwart aus, dass ein so grundgelehrtes Werk auf einer der entlegensten Hebrideninseln entstehen konnte. Die Herrschaft, beinahe sogar die Erinnerung an die Picten ist durch ihre erfolgreicheren Rivalen nahezu ausgelöscht worden; und die Scoten, die seit Menschengedenken den Status eines selbstständigen Königreiches innehatten, haben durch gleichberechtigten und freiwilligen Zusammenschluss die Ehre des englischen Namens gemehrt. Die Natur hat seit alters zwischen Scoten und Picten unterschieden: Die Erstgenannten waren Leute des Hügellandes, die Letzteren des Flachlandes. Die Ostküste von Kaledonien kann man als ebenes und fruchtbares Gebiet ansehen, das selbst bei wenig entwickeltem Feldbau hinreichende Mengen an Getreide lieferte; und das Epitheton criutnich oder Weizen-Esser drückte nur die Verachtung oder den Neid der Fleisch-Esser aus dem Hochland aus. Die Urbarmachung des Bodens mag ja zu einer gerechteren Eigentumsverteilung und zu sesshafter Lebensweise führen; aber die Liebe zu Waffen und Raub blieb die sinnstiftende Leidenschaft der Picten; und ihre Krieger, die sich am Tage einer Schlacht auszogen, waren in den Augen der Römer durch die befremdliche Sitte auffällig, ihre nackten Leiber mit geschmacklosen Farben und fantastischen Figuren zu bemalen.

Der westliche Teil von Kaledonien geht unvermittelt in wildes und schwerzugängliches Hügelland über, welches dem Landmann seine Mühe nicht vergilt und noch am besten als Viehweide geeignet ist. Die Hochlandbewohner sind deshalb zu einer Existenz als Hirten und Jäger verurteilt; und da sie nur selten dauerhaften Wohnsitz nahmen, erhielten sie den bezeichnenden Namen der Scoten, was in keltischer Zunge Wanderer oder Vaganten bedeuten soll. Die Einwohner eines derart abgeschnittenen Landes suchten ihre Nahrung auch notgedrungen im Wasser. Die tiefen Seen und Buchten, die ihr Land zerschneiden, sind reich an Fisch; und irgendwann wagten sie auch, ihre Netze auf dem offenen Meer auszuwerfen. Die Nähe der Hebriden, die sich so weitläufig an der schottischen Westküste verteilen, erweckten ihre Neugier und vermehrte ihre Kenntnisse: allmählich erwarben sie sich die Fertigkeit, oder besser: die Gewohnheit, ihre Boote in ruppiger See zu steuern und des Nachts mit Hilfe bekannter Sterne ihren Kurs zu finden.

Die beiden kühnen Vorgebirge von Kaledonien berühren fast die Küsten einer umfänglichen Insel, welche wegen ihrer üppigen Vegetation den Beinamen Die Grüne erhalten hat; und die mit leichten Abänderungen die Namen Erin oder Ierne oder Ireland führt. Es ist wahrscheinlich, dass in grauer Vorzeit die fruchtbaren Ebenen Ulsters von einer Kolonie hungriger Scoten aufgesucht wurde; und dass die Fremdlinge aus dem Norden, die es wagen konnten, sich mit den römischen Legionen zu messen, die wilden und unkriegerischen Bewohner der einsamen Insel bezwungen hatten. Es ist gewiss, dass zu den Zeiten des untergehenden Roms Kaledonien, Irland und die Insel Man von Scoten besiedelt war und dass die verwandten Stämme, die sich oft zu militärischen Unternehmungen zusammenschlossen, durch das gemeinsame Schicksal zutiefst berührt waren. So pflegten sie noch lange die lebendige Tradition eines gemeinsamen Namens und einer gemeinsamen Herkunft. Und die Missionare der Insel der Heiligen, welche das Licht des Christentums auch nach Nordengland trugen, gaben sich der eitlen Hoffnung hin, dass ihre irischen Landsleute die natürlichen und geistlichen Väter der schottischen Rasse seien. Diese irrige und vergessene Tradition wurde durch Beda venerabilis bewahrt, welcher aber immerhin einiges Licht auf das Dunkel des achten Jahrhunderts warf. Auf dieser unscheinbaren Basis haben nun Barden und Mönche allmählich einen gigantischen Überbau von Fabeln aufgetürmt; zwei Stände, welche gleichermaßen das Vorrecht zum Erdichten missbrauchten. Die schottische Nation hat aus falsch verstandenem Stolz ihre irische Genealogie übernommen: Und die Annalen einer langen Folge von Märchenkönigen wurden durch die Phantasie des Boethius und die klassische Eleganz des Buchanan ausgeschmückt. Die irische Abstammung der Schotten wurde, als man sie eigentlich schon aufgegeben hatte, noch einmal von dem Hochwürden Whitaker aufgegriffen (History of Manchester, Band 1, p. 431f. und Genuine History of the Britons, p. 154-293). Er erkennt allerdings an, dass 1. Die Scoten des Ammianus Marcellinus (A.D. 340) bereits in Kaledonien siedelten; und dass die römischen Autoren nicht einen einzigen Hinweis für eine Auswanderung aus einem anderen Land geben. Dass 2. sämtliche Beweise für eine solche Auswanderung, welche irische Barden, schottische Historiker oder englische Gelehrte (etwa Buchanan, Cambden, Usher, Stillingfleet & al) zusammenhgetragen haben, in den Bereich der Fabel gehören. Dass 3. drei irische Stämme, welche Ptolemäus erwähnt (A.D. 150), kaledonischer Herkunft waren. Dass 4. eine jüngere Linie kaledonischer Herrscher aus dem Hause Fingal die Königsherrschaft über Irland innehatte. Nach allen diesen Eingeständnissen verbleiben zwischen Herrn Whitaker und seinen Gegnern nur noch vernachlässigbar kleine Differenzen. Die wirkliche Geschichte, die er über einen Fergus, den Vetter Ossians erzählt und die man von Irland nach Schottland verlegt hat, beruht auf einer unsicheren Ergänzung zur gälischsprachigen Dichtung und den schwachen Beweisen des Richard von Cichester, eines Mönchs des XIV Jahrhunderts. Die lebhafte Phantasie des belesenen und erfindungsreichen Gelehrten hat ihn dazu gebracht, die wahre Natur der Frage zu vergessen, die er so leidenschaftlich diskutiert und so endgültig entscheidet.

 

EINFALL DER PICTEN UND SCOTEN IN ENGLAND

Sechs Jahre nach dem Tode des Constantin machten die verheerenden Einfälle der Picten und Scoten die Anwesenheit seines jüngsten Sohnes, des Herrschers über das Westreich, erforderlich. Constans stattete seinen britischen Kolonien seinen Besuch ab; wir können allerdings aus der Sprache der Lobreden ein ungefähres Bild über die Größe seines Erfolges gewinnen, wird doch wesentlich nur sein Sieg über die Elemente gefeiert; oder, anders gesagt, das Glück, dass er bei seiner ruhigen und sicheren Überfahrt von Boulogne nach Sandwich hatte ›Hieme tumentes ac saevientes undas calcastis Oceani sub remis vestris; ...insperatum imperatoris faciem Britannus expavit.‹, [Die winterlich tobenden, aufbrausenden Wellen habt ihr unter eure Riemen genötigt...der Brite bebt bei dem unerwarteten Erscheinen des Kaiser]. Julius Firmicus Maternus de Errore Profanarum Religionum, p. 464. Siehe auch Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 4, p. 336). Die Notlage, die die bedrängten Provinzbewohner ausstehen mussten infolge äußerer Kriegseinwirkung und der Tyrannen im eigenen Lande, wurde durch die schwache und korrupte Administration der Eunuchen des Constantius zusätzlich erschwert; und die vorübergehende Erleichterung, die ihnen Julians rechtlicher Sinn gebracht haben mochte, war durch die Abwesenheit und den frühen Tod ihres Wohltäters schon bald hinfällig geworden. Die Gold- und Silberbeträge zur Besoldung der Truppen, die man mit Mühe zusammengetragen oder großzügig zugeteilt hatte, wurden durch habgierige Kommandeure unterschlagen; Entlassungen oder Freistellungen vom Militärdienst standen öffentlich zum Verkauf; die Soldaten, denen man auf betrügerische Weise ihre gesetzliche und karg bemessene Verpflegung vorenthielt, verfielen in ihrer Not auf das Auskunftsmittel der Desertation; die Disziplin war verkommen und die Wege waren mit Straßenräubern verseucht. Libanios, Oratio parentalis 39. Diese bemerkenswerte Stelle ist der Aufmerksamkeit unserer britischen Forscher entgangen.

Die Unterdrückung des Guten und die Straflosigkeit des Verbrechens bewirkten in gleicher Weise, dass der Geist der Unzufriedenheit und Erhebung sich auf der Insel ausbreitete; jeder halbwegs ehrgeizige Untertan, jeder entschlossene Exilant mochte die begründete Hoffnung nähren, die schwache und unfähige Regierung Britanniens zu stürzen. Die einander feindlichen Stämme des Nordens, die die stolze Allmacht des Königs der Welt verachteten, ließen ihre internen Konflikte ruhen; und die Barbaren zu Lande und zu Wasser, die Sachsen, Picten und Scoten ergossen sich mit unwiderstehlicher Wucht vom Antoniuswall bis zur Küste von Kent. Alles, was Natur oder Kunst hervorbringen konnten, jeder Gegenstand, der der Bequemlichkeit oder dem Luxus diente und die sie selbst nicht herstellen oder durch Handel erwerben konnten, fanden sich in der reichen und fruchtbringenden Provinz Britannien angehäuft. Die Kaledonier rühmten und begehrten das Gold, die Schlachtrosse &c der › Fremden.‹, Siehe Dr. Blair, Dissertation on Ossian, Band 2, p. 343 und Mr. Mcphersons Introduction, p. 242-286. Ein Philosoph mag die immerwährenden Zwistigkeiten der menschlichen Rasse beweinen, aber er wird zugestehen, dass die Beutegier einen einsichtigeren Anlass abgibt als eitles Eroberungsstreben. Vom Zeitalter des Constantin bis zu den Plantagenets stachelte beutelüsterner Sinn die armen und kühnen Kaledonier: dasselbe Volk, deren freundliche Menschlichkeit die Gesänge eines Ossian angeregt zu haben scheint, war anderseits wegen seiner mangelnden Friedensliebe und der Unkenntnisse der Kriegsgesetze schandbar. Ihre südlichen Nachbarn haben die grausamen Beutezüge der Scoten und Picten zu spüren bekommen und möglicherweise etwas übertrieben: Lord Littleton hat umständlich davon erzählt (History of Henry II, Band 1, p. 182) und Sir David Dalrymple zumindest angedeutet (Annals of Scotland, Band 1, p. 69)., dass ein barbarischer Einfall der Schotten noch zu einer Zeit stattgefunden habe (A.D. 1137), als Gesetz, Religion und gesellschaftliche Verhältnisse ihre archaischen Verhaltensweisen eigentlichen geglättet haben sollten. und ein jugendkühner kaledonischer Stamm, die Attacotti, ›Attacotti bellicosa hominum natio.‹, [Das kriegslüsterne Volk der Attacotti]. Ammiam 27,8. Cambden (Introduction p. CLII) hat ihren wirklichen Namen in dem Text von Hieronymos rekonstruiert. Die Horden der Attacotti, welche Hieronymos in Gallien gesehen hatte, wurden bald darauf in Italien und Illyrien stationiert. Notitia dignitatum, p. 8, 39 und 40. Feinde und später Verbündete des Valentinian, werden von Augenzeugen des Genusses von Menschenfleisch bezichtigt. Wenn sie im Wald auf Jagd gingen, dann, so heißt es, griffen sie viel lieber den Schäfer als seine Herde an; und sie sollen mit besonderer Kennerschaft die schmackhaftesten und muskulösesten Teile von männlichen und weiblichen Körpern ausgesucht haben, die sie dann für ihre entsetzlichen Mahlzeiten zubereiteten. ›Cum ipse adolescentulus in Gallia viderim Attacottos (or Scotos) gentem Brittannicam humanis vesci carnibus; et cum per silvas porcorum greges, et armentorum pecudumque reperiant, pastorum ›nates‹ et feminarum ›papillas‹ solere ab scindere; et has solas ciborum delicias arbitrari‹ [Da ich als junger Mann den britischen Volksstamm der Attacotten (oder ›Scotos‹,) in Gallien Menschenfleisch essen gesehen habe; und da sie – obwohl man in ihren Wäldern Wildschweine und Herden von Groß- und Kleinvieh antrifft – die Gesäßbacken von Hirten und die Brüste von Frauen abzuschneiden pflegen; und nur dieses als Delikatesse ansehen...]. So das Zeugnis des Hieronymos (Opera, Band 2, p. 75), dessen Glaubwürdigkeit anzuzweifeln ich keine Ursache finde. Wenn in der Nachbarschaft des gewerbefleißigen und kunstbeflissenen Glasgow tatsächlich Kannibalen gelebt haben sollten, dann können wir mit Hilfe der Geschichte Schottlands über die äußersten Gegensätze barbarischen und kultivierten Lebens nachdenken. Solche Überlegungen helfen uns, den Kreis unserer Vorstellungen zu erweitern: und zugleich die erfreuliche Hoffnung zu unterhalten, dass in einer fernen Zukunft Neuseeland einen David Hume der Südhalbkugel hervorbringen wird.

 

THEODOSIUS UND BRITANNIEN A.D. 367-370

Jeder Bote, dem über den Kanal zu entkommen vergönnt war, brachte höchst betrübliche und aufschreckende Zeitung vor Valentinians Ohren; und so erfuhr der Kaiser schon bald, dass die beiden militärischen Befehlshaber der Provinz von den Barbaren überrumpelt und niedergemacht worden seien. Der comes Severus wurde eilig vom Hof in Trier abgeschickt und ebenso schnell wieder zurückberufen. Auch die Schilderung des Jovinus diente nur dazu, den Umfang der Kalamität zu verdeutlichen, und so wurde nach langer und ernsthafter Beratung die Verteidigung, oder genauer: die Wiedereroberung Britanniens den militärischen Fähigkeiten des wackeren Theododius anvertraut. Die Heldentaten jenes Generals, des Vaters einer ganze Reihe von Kaisern, sind von den Autoren der Zeit mit besonderem Wohlbehagen dargestellt worden: aber seine eigentliche Leistung hatte ihren Beifall verdient gehabt; und seine Ernennung wurde von der Armee und der Provinz als zuverlässige Ankündigung eines bevorstehenden Sieges angesehen.

Er segelte genau zum richtigen Zeitpunkt ab und landete sicher und wohlbehalten mit seinen zahlreichen Truppen von herulischen, batavischen und jovianischen Veteranen. Auf dem Wege von Sandwich nach London rieb Theodosius zahlreiche Detachements der Barbaren auf, befreite ungezählte Gefangene und begründete darüber hinaus seinen Ruf der selbstlosen Gerechtigkeit, weil er nach der Verteilung eines kleinen Teils der Beute an seine Soldaten den beträchtlichen Rest an die ursprünglichen Eigentümer zurückgab. Die Einwohner Londons, die schon an ihrer Rettung verzweifelt hatten, öffneten ihm bereitwillig die Tore; und sobald Theodosius vom Hof zu Trier einen General und einen Zivilgouverneur zur Unterstützung erhalten hatte, machte er sich mit Umsicht und Nachdruck an die endgültige Befreiung Britanniens. Die vagabundierenden Soldaten wurden zu ihren Einheiten zurückgerufen; eine allgemeine Amnestie beruhigte die Gemüter; und mit seinem fröhlichen Vorbild machte er die Belastung durch die Kriegsdisziplin erträglich. Die planlose und zufällige Kriegsführung der Barbaren, die Land und Meer heimsuchten, verwehrten ihm zwar den Ruhm eines entscheidenden Sieges; aber die wohlüberlegte und vollendete Kriegkunst des römischen Generals bewährte sich in zwei Feldzügen, auf welchen er nacheinander jeden Teil der Provinz aus den Händen eines kriegs- und beutelüsternen Feindes befreite.

 

A.D. 368 UND 369

Theodosius väterliche Fürsorge machte, dass die Städte schon bald wieder in ihrem alten Glanz erstrahlten und die Festungsanlagen sich in ihrem früheren Zustand befanden: die bebenden Kaledonier jagte er mit starker Hand in den nördlichsten Winkel der Insel zurück; und mit der Anlage und Besiedlung der neuen Provinz Valentia wurde der Ruhm der Regierung Valentinians verewigt. Ammianus hat den ganzen Verlauf des britannischen Krieges in gestraffter Form dargestellt. (20,1; 26,4; 27,8; 28,3.) Die Stimme der Dichtung und Ruhmrede mag mit einigem Anspruch auf Wahrheit noch hinzufügen, dass selbst in dem unbekannten Gebiet um Thule die Picten ihr Blut vergossen; dass die Ruder des Theodosius sogar noch die Wellen des Hyperboräischen Ozeans aufwühlten; und dass die fernen Orkneyinseln Zeuge seines Sieges über die sächsischen Piraten waren. Horrescit ... ratibus ... impervia Thule. /Ille ... nec falso nomine Pictos/Edomuit. Scotumque vago mucrone secutus/Fregit Hyperboreas remis audacibus undas. [Jener, der Thule, von...Schiffen unerreichbar, ...erschreckte; /der das wahre Volk der Picten unterwarf;/ der den Scoten mit streifender Macht verfolgte/der die Wogen des Norden mit trotzigen Rudern zerbrach). Claudian, De III. consulatu Honorii, 53-55. Hell strahlte sein Ruhm, als er die Insel verließ: und unverzüglich beförderte ihn sein Herrscher in den Rang eines Heermeisters, der offenbar in der Lage war, die Verdienste eines Untergebenen auch ohne Neidgefühle anzuerkennen. In der wichtigen Garnison an der oberen Donau hielt der Eroberer Britanniens die Armee der Alamannen auf und besiegte sie, bevor ihm die Unterdrückung der Revolte in Afrika aufgetragen wurde.

 

III. AFRIKA DIKTATUR DES ROMANUS A.D. 366

III. Der Herrscher, der sich weigert, über seine Minister auch das Richteramt auszuüben, macht sich in den Augen des Volkes zu ihren Komplizen. Das militärische Oberkommando in Afrika hatte seit langem der comes Romanus inne, und entschieden war er den Anforderungen seines Amtes gewachsen. Aber da er in seiner Stellung ausschließlich niedere Interessen verfolgte, verhielt er sich bei fast allen Gelegenheiten so, als sei er der Feind der Provinz und der Freund der Wüstenbarbaren. Die drei blühenden Städte Oea, Leptis und Sabrata, die unter dem Namen Tripoli seit langem eine Föderation Ammianus erwähnt mehrfach ihr consilium annuum, legitimum &c. Leptis und Sabrata sind schon längst untergegangen; aber die Stadt Oea, die Heimat des Apuleius, blüht noch heute unter dem Namen Tripoli. Siehe Cellarius (Geographia Antiqua, Band 2, Teil 2, p. 81), D'Anville (Geographie Ancienne, Band 3, p. 71, 72), und Marmol (Afrique, Bd.2, p. 562). bildeten, waren zum ersten Male in ihrer Geschichte gezwungen, ihre Tore gegen eine feindliche Invasion zu schließen; mehrere ihrer angesehensten Bürger wurden entführt und getötet; Dörfer und sogar die Vorstadt wurden geplündert; und die Wein- und Obstpflanzungen wurden durch die bösartigen Wilden von Gaetulia verwüstet. Die unglücklichen Bewohner erbaten sich von Romanus Hilfe; aber schon bald fanden sie, dass ihr Militärgouverneur nicht weniger grausam und kriminell veranlagt war als die Barbaren. Da sie außerstande waren, die viertausend Kamele und das exorbitant teure Geschenk zu stellen, welches er einforderte, bevor er Tripolis zu Hilfe komme könne, war seine Forderung gleichbedeutend mit einer Weigerung, und zu Recht durfte man in ihm den Verursacher der öffentlichen Notlage schelten.

In der Jahresversammlung der drei Städte ernannten sie daher zwei Bevollmächtigte, die Valentinian die übliche goldenen Victoriastatue zu Füßen legen sollten; und die mit diesem Geschenk, das wohl eher die Pflicht als die Neigung anempfohlen hatte, ihre submisseste Klage verbinden sollten, dass sie von ihren Feinden vernichtet und von ihren Gouverneur verraten würden. Hätte Valentinian seinen Zorn in die richtige Richtung gelenkt, wäre der auf das Haupt des schuldigen Romanus niedergefahren. Aber dieser comes, in der Kunst der Bestechung hochqualifiziert, hatte einen vertraulichen Eilboten abgefertigt, um sich die käufliche Freundschaft des magister officium Remigius zu ersteigern. Die Weisheit des kaiserlichen Kronrates ward so durch Schliche in die Irre geführt; und ihre ehrliche Entrüstung kühlte im Laufe der Zeit immer weiter ab. Als aber die wiederholten Klagen durch die offenkundigen Notstände gerechtfertigt schienen, wurde der Notar Palladius vom Hof zu Trier nach Afrika entsandt, die dortigen Zustände und das Verhalten des Romanus persönlich in Augenschein zu nehmen. Die strenge Überparteilichkeit des Palladius war rasch entwaffnet: er geriet in Versuchung, einen Teil des Staatsschatzes, den er zur Besoldung der Truppen mitgeführt hatte, für sich zu behalten; und von dem Moment an, als er sich seines eigenen Vergehens bewusst war, war er auch imstande, die Unschuld und verdienstvolle Amtsführung des comes zu beurkunden. Die Anklage der Bewohner von Tripolis wurde als unberechtigt und leichtfertig verworfen; und Palladius höchstselbst wurde von Trier nach Afrika mit dem Sonderauftrag zurückgeschickt, die Urheber jener gottlosen Verschwörung gegen die Repräsentanten des Herrschers zu entdecken und zu bestrafen. Seine Nachforschungen wurden mit soviel Geschick und Erfolg geführt, dass er sogar die Bürger von Leptis, die doch immerhin eine Belagerung von acht Tagen überstanden hatten, zwang, die Berechtigung ihrer eigenen Beschlüsse zu widerrufen und die Maßnahmen ihrer eigenen Beauftragten zu bestrafen. Ohne Verzug erließ die vorschnelle und hitzige Grausamkeit des Valentinian ein Bluturteil. Der oberste Repräsentant von Tripolis, den die Notlage der Provinz nicht kalt gelassen hatte, wurde in Utica öffentlich hingerichtet; vier Bürger von Rang wurden als Komplizen dieses angeblichen Betruges zum Tode verurteilt; und zwei anderen wurde auf ausdrücklichen kaiserlichen Befehl die Zunge herausgerissen. Romanus, durch Straffreiheit neuerlich in gehobener Stimmung und durch Widerstand gereizt, blieb weiterhin militärischer Befehlshaber; bis die Afrikaner infolge seiner Raubgier zu den aufständischen Fahnen von Firmus, dem Mauren, getrieben wurden. Ammianus 28,6. Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 5, p. 25, 676) hat die Probleme der Chronologie im Zusammenhang mit dem comes Romanus diskutiert.

 

DER AUFSTAND DES FIRMUS A.D. 372

Sein Vater Nubel (Nabal) war einer der reichsten und mächtigsten maurischen Herrscher, welcher die Oberherrschaft Roms anerkannte. Da er aber seinen Frauen und seinen Beischläferinnen eine beträchtliche Nachkommenschaft hinterlassen hatte, hub um die üppige Erbschaft ein heftiges Hadern an; und Zamma, einer seiner Söhne, wurde bei einem häuslichen Zank von seinem Bruder Firmus erschlagen. Der fanatische Eifer, mit dem Romanus diesen Mord gerichtlich verfolgen ließ, geht entweder auf Rechnung seiner Habgier oder einer persönlichen Feindschaft: Bei dieser Gelegenheit indessen waren sein Klagen berechtigt; sein Einfluss hatte Gewicht; und Firmus erkannte mit Deutlichkeit, dass er dem Nachrichter seinen Hals würde beugen müssen, wenn er gegen das kaiserliche Urteil nicht bei seinem Volk und mit seinem Schwert in Berufung gehen würde. Die Chronologie bei Ammianus ist hier wirr und rätselhaft: Orosius (7,33) scheint die Revolte des Firmus nach dem Tod des Valentinian und Valens stattfinden zu lassen. Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 5, 691) beschreitet seinen eigenen Weg. Auf das milde und trittsichere Maultier der Alpen kann man sich noch auf den schlüpfrigsten Pfaden verlassen. Er wurde wie der Befreier seines Landes begrüßt; und sobald erkennbar war, dass Romanus nur einer unterwürfigen Provinz fürchterlich war, fiel der Tyrann von Afrika der allgemeinen Verachtung anheim. Der Untergang von Caesarea, das die marodierenden Barbaren plünderten und niederbrannten, überzeugte die unentschlossenen Städte von der Gefährlichkeit des Widerstandes. Firmus' Macht war zumindest in Mauretanien und Numidien gefestigt; und einzig darüber war er sich noch nicht sicher, ob er das Diadem eines maurischen Königs oder den römischen Kaiserpurpur annehmen sollte. Aber die unbedachten und glückverlassenen Afrikaner mussten schon bald entdecken, dass sie bei dieser spontanen Erhebung weder ihre eigenen Kräfte noch die Fähigkeiten ihres Anführers richtig eingeschätzt hatten. Bevor er sich auch nur zuverlässige Nachrichten darüber besorgt hatte, welchen General der Herrscher des Westens bestimmt hatte oder ob sich eine Transportflotte an der Rhonemündung versammelt hatte, musste er erfahren, dass der große Theodosius mit einer kleinen Truppe bewährter Veteranen in der Nähe von Igilgilis oder Gigeri an der afrikanischen Küste gelandet sei; und angsterfüllt sank der Usuropator unter dem Übergewicht von Disziplin und militärischen Genius nieder.

 

AFRIKA DURCH THEODOSIUS ZURÜCKEROBERT A.D. 373

Obwohl Firmus eine Kriegskasse und Waffen zur Genüge besaß, glaubte er schon nicht mehr an seinen Sieg und griff zu den Auskunftsmitteln, derer sich im selben Lande und in vergleichbarer Lage einst der fintenreiche Jugurtha bedient hatte. Er versuchte durch offenkundiges Nachgeben die Wachsamkeit des römischen Generals einzuschläfern; die Treue seiner Männer zu verführen; und den Krieg in die Länge zu ziehen, indem er entweder versuchte, Afrikas wilde Stämme für seine Sache zu gewinnen oder sie bestimmte, seine Flucht zu decken. Theodosius eiferte hier dem Vorbild des Metellus nach und hatte Erfolg damit. Als Firmus in der Maske des Bittflehenden sich seine eigene Gedankenlosigkeit vorwarf und an die Milde des Kaisers appellierte, empfing und entließ ihn Valentinians General mit freundlicher Umarmung; aber zugleich bestand er auf einem greifbaren Zeichen aufrichtiger Reue; auch konnte er sich nicht dazu verstehen, nur aufgrund von Friedensversprechungen von weiteren Kriegshandlungen abzustehen. Theodosius' Scharfsinn entdeckte eine finstere Verschwörung; und ohne viel Federlesens brachte er der öffentlichen Empörung, die er insgeheim verursacht hatte, ihr Opfer. Mehrere schuldige Komplizen des Firmus wurden nach altem Brauchtum dem Tumult einer militärischen Hinrichtung ausgeliefert; noch erheblich mehr dienten sie dadurch, dass man ihnen die Hände abschlug, als lebendes abschreckendes Beispiel. In den Hass der Rebellen mischte sich nun die Furcht; und in die Furcht vor den römischen Soldaten mischte sich auch so etwas wie widerstrebende Realitätsanerkennung. Auf der grenzenlose Ebene von Getulia oder in den zahllosen Tälern des Atlasgebirges konnte man die Flucht des Firmus unmöglich verhindern; und hätte der Usurpator die Geduld seines Gegners erschöpfen können, dann hätte er sich in irgendeine abgelegene Einsamkeit zurückgezogen und seine Hoffnungen auf künftige Revolutionen gesetzt.

Aber er scheiterte an der Hartnäckigkeit des Theodosius, welcher fest entschlossen war, den Krieg erst mit dem Tode des Aufständischen zu beenden und jede Nation Afrikas, die seine Sache zu unterstützen sich unterfangen hatte, in seinen Untergang mit einzubeziehen. An der Spitze einer kleinen Truppe, die selten mehr als dreitausendfünfhundert Mann betrug, drang der römische General klugbesonnen, ohne Hast oder Furcht in das Herz eines Landes, in welchem ihn bisweilen Armeen von zwanzigtausend Mauren angriffen. Die Kühnheit, mit der er seine Angriffe vortrug, entmutigte die Barbaren; seine Rückzugsmanöver, die immer zum rechten Zeitpunkt und in guter Ordnung stattfanden, brachte sie aus der Fassung; seine vielen taktischen Winkelzüge waren nachgerade ein Hohn für sie; und so erfuhren und gestanden sie die Überlegenheit ein, die dem Feldherren der zivilisierten Nation zu Gebote stand. Als nun Theodosius in das riesige Gebiet von Igmazen, des Königs von Isaflenses eindrang, begehrte der hochfahrende Wilde in Worten trotziger Häme zu erfahren, wer er sei und zu welchem Ende er seinen Feldzug veranstalte. ›Ich bin,‹, so die strenge und geringschätzige Antwort des comes, ›ich bin der General des Valentinian, des Königs der Welt; der mich hierher geschickt hat, einen Räuber zu ergreifen und zu bestrafen, der keinen Anteil mehr an der Menschheit hat. Liefere ihn mir unverzüglich aus; und des magst du gewiss sein: solltest du murmeln wider meines unbesiegbaren Herren Beschluss und Befinden, so sollen du und das Volk, über das du gebietest, ausgetilgt sein.‹

Sobald Igmazen innewurde, dass sein Feind die Möglichkeiten und den Willen besaß, diese fatale Drohung auszuführen, willigte er in den Frieden ein, der durch das Opfer eines schuldigen Flüchtlings günstig zu bekommen war. Die Posten, die zur Bewachung der Person des Firmus abgeteilt waren, nahmen ihm jeden Gedanken an Flucht; und so betäubte der maurische Alleinherrscher mit Hilfe von Wein das Gefühl für die Gefahr, betrog die Römer um ihren billigen Triumph und erhängte sich in der Nacht. Sein Leichnam – das einzige Geschenk, welches Igmazen dem Sieger andienen konnte – wurde achtlos auf ein Kamel geworfen; und Theodosius, der seine siegreichen Truppen nach Sitifi zurückführte, wurde überall freudig, loyal und mit dem wärmsten Beifall begrüßt. Ammianus 29,5. Der Text diesen langen Kapitels (fünfzehn Quartseiten) ist fragmentarisch und verderbt, und der Darstellung fehlt jeder chronoligische oder geographische Anhaltspunkt.

 

THEODOSIUS IN KARTHAGO HINGERICHTET A.D. 376

Afrika hatten die Römer durch ihre eigenen Verbrechen eingebüßt; die Tugenden des Theodosius gaben es ihnen wieder: und es mag lehrreich sein, der Frage nachzugehen, wie denn nun der kaiserliche Hof mit den beiden hierfür verantwortlichen Generälen verfuhr. Der comes Romanus ward durch den Heermeister der Reiterei seines Amtes entsetzt und blieb bis zum Ende des Krieges bei ihm in sicherem und ehrenhaftem Verwahr. Für seine Verbrechen nun allerdings gab es die zuverlässigsten Beweise; und mit einiger Ungeduld wartete das Publikum auf ein strenges Urteil. Aber der parteiliche und mächtige Einfluss des Mellobaudes ermutigte ihn, seine Richter abzulehnen, sich immer wieder Aufschub gewähren zu lassen, um in großen Massen Entlastungszeugen aufzutreiben und so am Ende seine schuldbeladene Amtsführung hinter der zusätzlichen Schuld des Betrugs und Meineids zu verbergen. Zur gleichen Zeit wurde der Retter Britanniens und Afrikas auf Grund der diffusen Vermutung, dass seine Stellung und seine Verdienste ihn über die für einen Untertanen zulässige Stellung erhöben, in Karthago auf niederträchtige Weise hingerichtet. Valentinian war inzwischen nicht mehr an der Regierung; und der Tod des Theodosius kann ebenso wie die Straflosigkeit des Romanus den Ränken der Minister zugerechnet werden, welche das Zutrauen seiner Söhne missbraucht und ihre jugendliche Arglosigkeit betrogen hatten. Ammianus, 28,4. Orosius, 7,33. Hieronymos Chronicum Eusebii, p. 187.

 

ZUSTÄNDE AFRIKAS

Wenn Ammianus seine Genauigkeit in geographischen Fragen auch dem britischen Feldzug des Theodosius gewidmet hätte, dann wären wir sicherlich mit eifriger Neugier seinen Spuren gefolgt. Aber die ermüdende Aufzählung unbekannter und uninteressanter afrikanischer Stämme möchte man zu der allgemeinen Bemerkung zusammenfassen, dass sie samt und sonders der dunkelhäutigen Rasse der Mauren zugehörten; dass sie die entlegenen Landstriche Numidiens und Mauretaniens besiedelten, die seither von den Arabern ›Land der Datteln und Heuschrecken‹ Leo Africanus (in den Viaggi di Ramusio, Band 1, p. 78-83) hat von Land und Leuten ein interessantes Bild entworfen; Marmol, Afrique, Band 3, p. 1-54, beschreibt sie noch exakter. genannt wurde; und dass schließlich, als Roms Macht in Afrika unterging, die Grenzen der Kultur und des bestellten Landes sich unmerklich verkürzten. Jenseits der äußersten Grenzen des maurischen Landes erstreckt sich über tausend Meilen bis zu den Ufern des Niger die gewaltige und feindliche Wüste des Südens. Die Alten, die von Afrika nur eine sehr unbestimmte und unvollständige Kenntnis besaßen, waren bisweilen gemeint zu glauben, dass die Trockengebiete für immer unbesiedelt bleiben müssten; Diese unbewohnbare Zone wurde aufgrund der verbesserten Kenntnisse der antiken Geographen von fünfunddreißig auf vierundzwanzig oder sogar sechzehn Breitengrade verkleinert. Siehe hierzu die gelehrte und scharfsichtige Anmerkung des Dr. Robertson, History of America, Band 1, p. 426 und bisweilen gefielen sie sich darin, den leeren Raum mit Menschen – besser wohl: Monstern ›Intra, si credere libet, vix iam homines et magis semiferi...Blemmyes, Satyri, etc‹ [Im Inneren gibt es, wenn man es denn glauben mag, Lebewesen, kaum noch Menschen, halbe Tiere, Blemyer, Satyrn usw]. Pomponius Mela, 1,4, p. 26. Plinius d.Ä. erklärt die Abweichungen in der Natur (5,8), – er hatte sie leichtgläubig zugelassen – ›philosophisch.‹ ohne Kopf zu besiedeln; mit gehörnten und klauenfüßigen Satyren; Wenn es sich bei dem Satyr um den Orang-Utan handelt, einen großen Menschenaffen (Buffon, Histoire Naturelle, Band 14, p. 43ff), so war in der Zeit des Constantin tatsächlich einer in Alexandria lebendig zu sehen. Es bleiben dann allerdings einige Fragen offen hinsichtlich der Unterhaltung, die der Heilige Antonius mit diesem frommen Wilden aus der Wüste von Thebais geführt hatte. Hieronymos, Vita Pauli eremitae. Opera, Band 1, p. 238. mit sagenhaften Zentauren; Der Heilige Antonius traf auch eines dieser Ungeheuer, dessen Existenz von Kaiser Claudius mit Bestimmtheit angenommen wurde. Das Publikum lachte darob; aber der Präfekt Ägyptens schickte ihm zuvorkommenderweise den einbalsamierten Körper eines Hippocentaur, welche noch fast einhundert Jahre im Kaiserpalast aufbewahrt wurde. Siehe Plinius d.Ä. 7,3 und dazu die einsichtige Anmerkung von Frérét in den Mémoires de l'Academie des Inscriptions, Band 7, p. 321ff. und mit menschlichen Pygmäen, die sich auf kühnen und ungewissen Feldzügen gegen die Kraniche befanden. Die Fabel von den Pygmäen ist fast so alt wie Homer (Ilias 3,6). Die Pygmäen Indiens und Äthiopiens waren siebenundzwanzig Zoll (›trispithami‹) groß. In jedem Frühjahr zog ihre Kavallerie (man ritt auf Ziegen oder Böcken) in Schlachtordnung, um die Gelege der Kraniche zu zerstören, ›aliter‹, so Plinius, ›futuris gregibus non resisti.‹, [auf andere Weise konnten sie sich künftiger Schare nicht erwehren]. Ihre Häuser erbauten sie aus Schlamm, Federn und Eierschalen. Siehe Plinius d.Ä., 6,35 und 7,2 sowie Strabon, 1,9.

Karthago hätte gebebt ob der merkwürdigen Zeitung, dass die Länder beiderseits des Äquators von ungezählten Nationen besiedelt seien, die sich nur in der Hautfarbe von der übrigen Menschheit unterschieden; und die Untertanen des Römischen Reiches mochten dann angstvoll darauf warten, dass die Barbarenschwärme, die aus dem Norden vordrangen, schon bald mit neuen Barbarenhorden aus dem Süden zusammentreffen würden, ebenso wilden, ebenso grässlichen. Bei genauerer Bekanntschaft mit dem Wesen ihrer afrikanischen Feinde hätten sich diese finsteren Besorgnisse allerdings rasch zerstreut. Die Tatenlosigkeit der Neger scheint weder eine besondere Hervorbringung ihrer Tugenden noch ihres Kleinmutes zu sein. Sie frönen wie alle anderen Menschen auch, ihren Leidenschaften und ihren Neigungen; und Nachbarstämme befinden sich oft genug im Kriegszustand miteinander. Der 3. und 4. Band der schätzenswerten Histoire des Voyages beschreibt die gegenwärtigen Verhältnisse der Neger. Die Küstenvölker sind durch europäischen Handel erhoben und die des Landesinneren wurden durch maurische Kolonialtätigkeit gefördert.

Aber ihr archaischer Zustand hat sie niemals durchschlagende Verteidigungs- oder Zerstörungswaffen erfinden lassen; und die Völker der gemäßigten Zone haben ihre offenkundige geistige Unterlegenheit entdeckt und missbraucht. Sechzigtausend Schwarze werden jährlich an der Küste von Guinea eingeschifft, um niemals wieder in das Land ihrer Geburt zurück zu kehren; aber sie werden in Ketten eingeschifft. Raynal, Histoire philosophique et politique des deux Indes, Band 4, p. 192. und dieser beständige Exodus, der innerhalb von zwei Jahrhunderten ganze Armeen abgegeben hätte, den Globus zu unterwerfen, ist eine Klage gegen die Schuld Europas und die Schwäche Afrikas.

 

IV DER OSTEN PERSERKRIEG A.D. 365-378

 

IV. Der Schmachfrieden, der aber immerhin die Armee des Jovian gerettet hatte, wurde auf römischer Seite getreulich eingehalten: und sobald sie die Unabhängigkeit Armeniens und Iberias feierlich bestätigt hatten, waren diese tributpflichtigen Königreiche schutzlos den Waffen des persischen Monarchen ausgesetzt. Die Fakten, die Ammianus zum Beweis heranträgt (27,12), sind echt und ausschlaggebend. Moses von Chorene (Historia Armeniaca 3, p. 249 und 269) und Procopius (De bello Persico 1,5) wurden konsultiert; aber diese Historiker, die ganz unterschiedliche Tatsachen miteinander verwechseln, wiederholen sich hier und erfinden merkwürdige Geschichten hinzu; sie sind mit viel Misstrauen und Vorsicht zu lesen. Sapor überfiel Armenien an der Spitze einer schrecklichen Streitmacht von Panzerreitern, Bogenschützen und gemieteter Infanterie; es war indessen Sapors ständig geübte Praxis, Krieg und Verhandlungen nebeneinander zu führen und Wortbruch und Meineid als das tauglichste Handwerkszeug königlicher Politik anzusehen. Er gab vor, das besonnene und maßvolle Vorgehen der armenischen Königs zu schätzen; und unter wiederholten hinterhältigen Freundschaftsversicherungen wurde Tiranus in seiner Arglosigkeit dazu überredet, sich in die Hand eines gottvergessenen und bösartigen Feindes zu begeben. Mitten während einer Festveranstaltung wurden ihm silberne Ketten angelegt, welche Ehre man dem Spross der Arsakiden nun einmal schuldig war, und nach kurzem Aufenthalt zu Ekbatana im Turme des Vergessens wurde er von den Kümmernissen dieses Lebens befreit, sei es durch den Dolch von eigener Hand oder durch einen gedungenen Mörder.

Das Königreich Armenien wurde zu einer persischen Provinz; die Verwaltung teilten sich ein zuverlässiger Satrap und ein Lieblings-Eunuch; und Sapor marschierte ohne Verzug weiter, nunmehr den kriegerischen Geist der Iberianer zu dämpfen. Sauromaces, der in jenem Land mit Einwilligung der beiden römischen Kaiser regierte, wurde von einer überlegenen Streitmacht hinfortgejagt; und um die Römer zusätzlich zu ärgern, setzte der König der Könige das Diadem seinem erbärmlichen Vasallen Aspacuras aufs Haupt.

Die Stadt Artogerassa Vielleicht Artagera oder Ardis; vor ihren Mauern wurde Gaius, der Enkel des Augustus, verwundet. Diese Festung lag oberhalb von Amida in der Nähe einer der Tigrisquellen. (Siehe d'Anville, Geographie ancienne, Band 2, p. 106.) war der einzige Ort in Armenien, welche seinen Waffen Widerstand zu leisten wagte. Der in dieser mächtigen Festung gelagerte Schatz weckte Sapors Begehrlichkeiten; aber die Lebensgefahr, in der Olympias, die Frau, genauer: die Witwe des armenischen Königs schwebte, rief das öffentliche Mitleid auf und setzte in ihren Untertanen die Kräfte der Verzweiflung frei. Die Belagerten überrumpelten die Perser durch einen wohlorganisierten und kühnen Ausfall und schlugen sie vor den Mauern ihrer Stadt zurück. Aber die Streitkräfte Sapors wurden laufend ergänzt und verstärkt; der Mut der Garnison erschöpfte sich allmählich; die mächtigen Mauern gaben den Angriffen nach; und nachdem der hochfahrende Sieger die aufsässige Stadt durch Feuer und Schwert verwüstet hatte, führte er die unglückselige Königin gefangen davon, welche in besseren Zeiten als Braut von Constantins Sohn vorgesehen war. Anhand der Chronologie weist Tillemont nach, dass Olympia die Mutter von Para gewesen sein muss.

Indessen, wenn Sapor sich auch wegen der leichten Eroberung zweier abhängiger Königreiche im Triumph erheben mochte, so bekam er doch schon bald zu spüren, dass ein Volk nicht unterworfen ist, solange es in Feindseligkeit und Trotz verharrt. Die Satrapen, denen er vertrauen musste, nahmen die erste Gelegenheit war, die Zuneigung ihrer Landsleute wieder zu gewinnen und ihren unverwelklichen Hass gegen alles Persische erkennen zu geben. Seit ihrer Bekehrung sahen die armenische und iberische Nationen die Christen als die Freunde und die Magier als die Feinde des Höchsten Wesens an; der Einfluss des Klerus über das abergläubische Volk wirkte einhellig zu Roms Gunsten; und solange die Nachfolger Constantins mit denen des Artaxerxes um die Herrschaft über die beiderseitigen Grenzprovinzen stritten, gab am Ende die Religionszugehörigkeit den Ausschlag zugunsten des Römischen Reiches.

Eine zahlreiche und aktive Anhängerschaft anerkannte Para, den Sohn des Tiranus, als rechtmäßigen Herrscher von Armenien; und sein Herrschaftsanspruch war auf immerhin fünfhundert Jahren ununterbrochener erblicher Thronfolge gegründet. In Übereinstimmung mit der einhelligen Meinung der Iberianer wurde das Land unter den beiden rivalisierenden Herrschern aufgeteilt; und Aspacuras, der sein Diadem nur von Sapors Gnaden trug, sah sich zu der Erklärung genötigt, dass allein die Rücksicht auf seine Kinder, die der Tyrann widerrechtlich als Geiseln genommen habe, ihn davon abhalte, das Bündnis mit den Persern offen aufzukündigen.

Der Kaiser Valens, dem die Bestimmungen des Vertrages noch etwas galten und der ferner Bedenken trug, den Osten des Reiches in einen Krieg zu verwickeln, unternahm es schließlich doch, mit langsamen und vorsichtigen Maßnahmen die Sache Roms in den beiden Königreichen Iberia und Armenien zu fördern. Zwölf Legionen stellten am Ufer des Cyrus die Macht des Sauromaces wieder her. Den Euphrat deckte Arintheus. Eine mächtige Armee unter dem Kommando des comes Trajan und von Vadomar, dem Alamannenkönig, bezog an der Grenze zu Armenien Stellung. Aber sie hatten strengste Weisung, auf keinen Fall die Feindseligkeiten zu eröffnen, da dies sofort als Vertragsbruch ausgelegt werden könnte: und so sehr gehorsamte der römische General, dass seine Truppen zunächst mit vorbildlicher Langmut vor einem Hagel persischer Pfeile zurückwichen und sich so einen unbestrittenen Rechtstitel auf einen ehrenhaften und gerechtfertigten Sieg erwarben.

Aber dieser offene Krieg ging unmerklich in sinnlose und zähflüssige Verhandlungen über. Die streitenden Parteien bekräftigten ihre Ansprüche, indem sie sich wechselseitig Arglist und Treulosigkeit vorwarfen; und es scheint, dass der ursprüngliche Friedensvertrag in nahezu unverständlicher Sprache abgefasst war, Ammianus (27,12; 29,1; 30,1) hat die Vorgänge des persischen Krieges ohne Angabe von Daten beschrieben. Moses von Chorene (Historia Armeniaca, Buch 3, p. 261, 266 und 271.) bemüht noch einige zusätzliche Fakten; aber die Unterscheidung von Wahrheit und Fabel ist hier äußerst schwierig. da sie sich vor die Notwendigkeit gestellt sahen, die Entscheidung über nicht beweisbare Forderungen mit Hilfe der parteiischen Zeugnisse der Generäle beider Völker herbei zu führen, welche bei den Verhandlungen zugegen waren.

Der Einfall der Goten und Hunnen, welche bald darauf das Reich bis in die Fundamente erschütterte, lieferte die armenischen Provinzen den Waffen Sapors aus. Aber seine sich neigenden Jahre und vielleicht auch die Alterskrankheiten des Monarchen legten ihm neue Regierungsgrundsätze, nämlich Ruhe und Besonnenheit, nahe. Sein Tod trat ein, als siebzig Regierungsjahre zur vollen Reife gediehen waren, und augenblicklich änderten sich der persische Hof und der Kronrat; ihre Aufmerksamkeit war höchst wahrscheinlich durch interne Schwierigkeiten und die Belastungen infolge des fernen karmanischen Krieges abgelenkt. Artaxerxes war Nachfolger und Bruder (leiblicher Vetter) des großen Sapor und Vormund seines Sohnes Sapor III (Agathias 4,26). Siehe die Universal History, Band 11, p. 86 und 161. Die Verfasser dieses ungleichen Werkes haben die Geschichte der Sassaniden-Dynastie gelehrt und gründlich zusammen getragen: aber es ist ungeschickt, die Berichte über die Römer und den Orient auf zwei getrennte Abschnitte zu verteilen.

Die Erinnerung an vergangenes Unrecht verblasste unter dem Eindruck der friedlichen Gegenwart. Die Königreiche Armeniens und Iberiens durften infolge einer gegenseitigen, wenn auch stillschweigenden Übereinkunft beider Herrscher ihre widerrufliche Neutralität bewahren. In den ersten Regierungsjahren des Theodosius kam eine persische Gesandtschaft nach Konstantinopel, um für die durch nichts zu rechtfertigenden Maßnahmen der vorherigen Regierung um Entschuldigung zu bitten; und um zusätzlich als Geste der Freundschaft, ja des Respektes ein wertvolles Geschenk in Form von Edelsteinen, Seide und indischen Elefanten anzubieten. Pacatus, in Panegyrici 12,22 und Orosius 7,34. Ictumque tum foedus est, quo universus Oriens usque ad nunc (A.D. 416) tranquilissime fruitur. [Damals wurde ein Vertrag geschlossen, infolgedessen der Orient bis heute (416) der tiefsten Ruhe genießt].

 

DIE ABENTEUER DES PARA, KÖNIGS VON ARMENIEN SEINE ERMORDUNG A.D. 374

In dieser Darstellung der Ereignisse des Ostens unter der Herrschaft des Valens bilden die Abenteuer des Para einen faszinierenden und einzigartigen Gegenstand. Dieser Jüngling von Adel war auf Zureden seiner Mutter Olympias aus dem persischen Heer entkommen, als es Artoregassa belagerte, und hatte sich unter Schirm und Schutz des Ost-Kaisers begeben. Von diesen zaghaften Ratgebern wurde Para abwechselnd unterstützt, abgesetzt, erneut eingesetzt und verraten. Die Hoffnungen der Armenier wurden zuweilen durch die Anwesenheit ihres eigentlichen Herrschers belebt; und die Minister des Valens waren's zufrieden, dass ihnen das Zutrauen der Öffentlichkeit erhalten blieb, auch wenn sie ihrem Vasallen die Annahme des Diadems und Königtitels untersagen mussten. Aber schon bald reute sie ihre eigene Voreiligkeit. Die Missbilligung und die Drohungen des persischen Monarchen beunruhigten sie. Sie hatten Ursache, dem grausamen und unzuverlässigen Gemüt Paras zu misstrauen, der schon auf den leisesten Verdacht hin das Leben seiner getreuesten Diener aufopferte; und der darüber hinaus noch eine geheime und höchst verfängliche Korrespondenz mit dem Mörder seines eigenen Vaters und Feind seines Landes unterhielt. Unter dem durchsichtigen Vorwand, er müsse mit dem Kaiser über Themen von gemeinsamem Interesse Rats pflegen, wurde Para überredet, von seinen Bergen in Armenien hinab zu steigen, wo seine Truppen unter Waffen standen, und seine Unabhängigkeit und persönliche Sicherheit der Willkür eines ungetreuen Hofes anzuvertrauen.

Der König von Armenien – denn der war er in seinen eigenen Augen und denen seines Volkes immer noch – wurden von den Statthaltern der von ihm aufgesuchten Provinzen mit allem schuldigen Respekt empfangen; als er aber in Tarsus in Kilikien ankam, wurde seine Reise mit den unterschiedlichsten Vorwänden aufgehalten; jede Bewegung wurde mit ehrfurchtsvoller Aufmerksamkeit überwacht; und allmählich ging ihm auf, dass er ein Gefangener in den Händen der Römer war. Para unterdrückte seine Empörung, verhehlte seine Furcht und floh, nachdem er alles sorgfältig vorbereitet hatte, zusammen mit dreihundert Getreuen zu Pferde. Der Offizier, der den Eingang zu seiner Unterkunft bewachte, ließ den Konsular von Kilikien unverzüglich von seiner Flucht wissen, welcher ihn dann in der Vorstadt einholte und versuchte, dies allerdings vergeblich, ihm seine vorschnellen und gefährlichen Pläne auszureden. Nunmehr wurde eine Legion in Marsch gesetzt, dem königlichen Flüchtling nachzusetzen; aber für eine flüchtige Abteilung leichter Kavallerie hat eine Infanterielegion wenig Bedrohliches; und als der erste Schauer von Pfeilen – zunächst noch in die Luft – abgegeben wurde, zog man sich in Hast vor die Tore von Tarsus zurück. Nach einem Gewaltmarsch von zwei Tagen und zwei Nächten langten Para und seine Armenier am Euphrat an; aber die Flussüberquerung kostete, da man schwimmen musste, einige Zeit und einige Verluste. Das Land war in Alarmbereitschaft; und die beiden denkbaren Marschwege, zwischen denen nur fünf Meilen Abstand lagen, waren unter dem Kommando eines Generals und eines Tribunen von tausend berittenen Bogenschützen besetzt.

Dieser überlegenen Streitmacht hätte sich Para ergeben müssen, wenn nicht die zufällige Begegnung mit einem wohlgesinnten Wandersmann ihm die Gefahr entdeckt und die Mittel zur Flucht gewiesen hätte. Ein dunkler und fast unpassierbarer Seitenpfad führte die armenischen Soldaten durch das Dickicht; und Para ließ den General und den Tribunen zurück, die schafsgeduldig darauf warteten, dass er sich auf der öffentlichen Straße blicken lasse. Schließlich kehrten sie zum Kaiserhof zurück, um ihren Mangel an Umsicht und Erfolg zu entschuldigen: und mit treuherzigem Ernst trugen sie vor, dass der König von Armenien, ein kundiger Zauberer, sich und seine Gefolgsleute verwandelt habe und vor ihren Augen unerkannt und in fremder Gestalt vorübergezogen sei. Nach seiner Rückkehr in sein angestammtes Königreich fuhr Para fort, sich einen Freund und Verbündeten der Römer zu nennen; aber die Römer hatten ihn zu tief gekränkt, als dass er dies jemals würde vergeben können, und so wurde in der Ratsversammlung des Valens sein Todesurteil unterzeichnet. Die Exekution dieser Blut-Tat überließ man der bedachtsamen Verschlagenheit des Generals Trajan; und dieser erwarb sich das Verdienst, sich in das Vertrauen des arglosen Herrschers einzuschleichen, um sich so eine Gelegenheit zu schaffen, ihm den Dolch ins Herz zu bohren. Para wurde zu einem römischen Bankett geladen, welches mit allem Pomp und Prunk des Morgenlandes vorbereitet war: die Festeshalle klang wieder von fröhlicher Musik, und die Gesellschaft war bereits vom Weine erhitzt; als sich der General für einen kurzen Augenblick zurückzog, das Schwert zog und so das Zeichen für den Mord gab.

Ein kräftiger und zu allem entschlossener Barbar stürzte sich im Augenblick auf Armeniens König, und obwohl dieser mit der erstbesten Waffe, der er zufällig habhaft wurde, um sein Leben kämpfte, ward die Tafel des kaiserlichen Generals bald vom Blute eines Gastes und Verbündeten gerötet. Dies also waren die erbärmlichen und verbrecherischen Methoden der römischen Staatskunst, dass sie, um ihre fragwürdigen politischen Ziele verfolgen zu können, das Völkerrecht und das heilige Gastrecht vor den Augen der ganzen Welt auf grausame Weise schändete. Siehe bei Ammianus 30,1 über Paras Abenteuer. Moses von Chorene nennt ihn Tiridates und erzählt die lange und nicht unwahrscheinliche Geschichte seines Sohnes Gnelos, der sich später in Armenien populär und so bei dem regierenden König unbeliebt machte (p.235.)

 

V. DIE DONAU ERMANARICH

Während einer Friedenszeit von dreißig Jahren sicherten die Römer ihre Grenzen ab; und dehnten die Goten ihren Herrschaftsbereich aus. Die Siege des großen Ermanarich, Die prägnante Beschreibung der Herrschaft und der Eroberungen des Ermanarich scheint einer der wertvollen Abschnitte zu sein, die Jordanes (28) aus der gotischen Geschichte des Ablavius oder Cassiodor entnommen hat. Königs der Ostgoten und Edelsten aus dem Hause der Amaler haben seine begeisterten Landsleute mit den Taten des großen Alexander verglichen: mit diesem einzigen und fast nicht glaublichen Unterschied, dass der kriegerische Geist des Gotenhelden nicht etwa von jugendlicher Kraft vorangetragen wurde, sondern Ruhm und Erfolg sich erst im äußersten Menschenalter entfaltete: im Alter zwischen achtzig und einhundertzehn Jahren. Die unabhängigen Stämme wurden beredet, oder auch genötigt, den König der Ostgoten als Herrscher der ganzen gotischen Nation anzuerkennen; die Kleinkönige der Westgoten oder Tervingen lehnten den Königstitel für sich ab und gaben sich mit der schlichteren Bezeichnung Richter ( Iudex) zufrieden; unter diesen Richtern waren Athanerich, Fritiger und Alavivus die bekanntesten, einmal wegen ihrer persönlichen Verdienste und dann wegen ihrer Nachbarschaft zu den römischen Provinzen. Diese Erfolge im eigenen Lande ließen Ermanarichs militärische Macht und damit seine ehrgeizigen Pläne anwachsen. Er fiel in die nördlichen Nachbarstaaten ein; und zwölf unverächtliche Nationen, deren Namen und Siedlungsräume nicht mit Bestimmtheit angegeben werden können, ergaben sich nacheinander den überlegenen gotischen Waffen. Herr de Buat (Histoire de peuples de l'Europe, Band 6, p. 311-329) erforscht mit mehr Fleiß als Erfolg die Völker, die sich den Waffen der Ermanarich beugen mussten. Er bestreitet die Existenz der Vasinobroncae wegen der übertriebenen Länge ihres Namens. Aber die französischen Gesandten nach Ratisbon oder Dresden mussten doch auch das Land der Mediomatrici durchreist haben.

Die Heruler, die das Marschenland am Maeotissee besiedelten, waren für ihre Kampfkraft und -lust berühmt; und in allen Kriegen der Barbaren war die Hilfe ihrer leichten Infanterie dringend erwünscht und hochwillkommen. Aber der rasche Kampfesmut der Heruler ging an der langsamen und beständigen Kriegsführung der Goten zuschanden; und nach einem blutigen Gefecht, in welchem ihr König erschlagen ward, wurden die Überlebenden dieses kriegsfrohen Stammes zu einer nützlichen Verstärkung im Lager des Ermanarich. Dann marschierte er gegen die Venedi, die ungeschickt mit den Waffen und furchtbar nur durch ihre Masse waren, mit der sie immerhin die großen Ebenen des heutigen Polens füllten. Die siegreichen Goten, an Zahl nicht geringer, behielten wegen ihrer entschieden besseren Kampftechnik und Disziplin auch hier die Oberhand. Nach der Unterwerfung der Venedi gelangte der Eroberer ohne nennenswerten Widerstand bis zu den Grenzen der Aestii; Die Ausgabe des Grotius (Jordanes, p. 642) schreibt den Namen Aestrii. Aber Vernunftgründe und die ambrosianische Handschrift legen Aestii nahe, deren Gebräuche und Siedlungsraum der Stift des Tacitus dargestellt hat. (Germania 45). ein altes Volk, dessen Name noch heute in der Provinz Esthonia weiterlebt. Diese Bewohner der fernsten Ostseeküsten lebten von Ackerbau, wurden reich durch Bernsteinhandel und verehrten besonders die Mutter der Götter. Aber da das Eisen knapp war, mussten sich die Krieger der Aestii mit Holzkeulen begnügen; und die Unterwerfung dieses reichen Landes wird dann auch nicht so sehr den Waffen als vielmehr der Klugheit des Ermanarich zugeschrieben. Sein Herrschaftsbereich, der von der Donau bis an die Ostsee reichte, begriff die ursprünglichen und die neuerworbenen Wohnsitze der Goten in sich; und so regierte er über den größten Teil Germaniens und Skythiens mit der Machtfülle eines Eroberers und zuweilen auch mit der Grausamkeit eines Tyrannen. Aber er regierte auch über denjenigen Teil der Erde, der außerstande war, den Ruhm seiner Heroen zu veredeln und zu verewigen: Der Name Ermanarich ist fast vergessen; seine Eroberungen kennen wir nur ungefähr; und die Römer selbst schienen sich dieser emporstrebenden Macht überhaupt nicht bewusst gewesen zu sein, welche die Freiheit des Nordens und den Frieden des Imperiums bedrohte. Ammianus (31,3) merkt mit allgemeingehaltenen Wendungen an, Ermenrichi ... bellicosissimi Regis, et per multa variaque fortiter facta, vicinis gentibus formidati, etc. [...Ermanerichs...eines äußerst aggressiven und bei den Nachbarvölkern wegen diverser Großtaten gefürchteten Königs,...].

 

URSACHEN DES GOTENKRIEGES A.D. 366

Die Goten hatten mit dem Hause Constantins, von dessen Macht und Freigiebigkeit sie manche Probe erfahren hatten, einen unbefristeten Freundschaftsvertrag geschlossen. Sie respektierten die öffentliche Ruhe; und wenn ein Haufe in feindlicher Absicht die römische Grenze zu verletzen sich erkühnte, wurde dieses vorwitzige Gebaren dem sprudelnden Temperament der barbarischen Jugend zugute gehalten. Für die beiden neuen und unbedeutenden Herrscher, die durch die Stimme des Volkes auf den Thron gelangt waren, empfanden die Goten nur Verachtung, zugleich aber keimten in ihnen kühnere Hoffnungen auf; und während sie zunächst noch mit verschiedenen Plänen umgingen, ihre vereinten Streitkräfte unter einer gemeinsamen nationalen Fahne marschieren zu lassen, Valens ... docetur relationibus Ducum, gentem Gothorum, ea tempestate intactam ideoque saevissimam, conspirantem in unum, ad pervadenda parari collimitia Thraciarum. [Valens schien von seinen Generälen davon unterrichtet, dass das Gotenvolk, zu jenem Zeitpunkt noch stark und daher besonders angriffswütig, sich verschwöre und zum Einfall in die thrakischen Grenzgebiete Zurüstungen treffe]. Ammianus 26,6. waren sie leicht dazu gebracht, die Partei des Procopius zu ergreifen und durch diese nicht unbedenkliche Hilfe unter den Römern die Saat der Zwietracht zu streuen. Der Staatsvertrag mochte nicht mehr als zehntausend Mann Hilfstruppen festsetzen; aber die westgotischen Stammeshäuptlinge waren von dem Vorhaben so angetan, dass die Armee, die schließlich die Donau überquerte, mehr als dreißigtausend Mann umfasste. Herr de Buat (Histoire des Peuples de l'Europe, Band 6, 332) hat die wahre Zahl dieser Hilfstruppen mit höchster Sorgfalt bestimmt. Die 3000 des Ammianus und die 10.000 des Zosimos waren nur die ersten Abteilungen des Gotenheeres. Sie marschierten mit der unerschütterlichen Gewissheit, dass ihre unbesiegte Kraft dem Römischen Reich zu Verhängnis werden müsse; und schon stöhnten die thrakischen Provinzen unter dem Druck der Barbaren, die sich anmaßend wie Herren und gesetzlos wie die Sieger aufführten.

Aber ihre Besitzgier hemmte zugleich auch ihren Vormarsch; und bevor die Goten von der Niederlage und dem Tod des Procopius irgendeine verlässliche Kunde hatten, bemerkten sie an der allgemeinen Feindseligkeit ringsum, dass sein erfolgreicher Rivale die zivile und militärische Gewalt wieder fest in den Händen hielt. Eine ganze Kette von Wachposten und Festigungsanlagen, die Valens oder seine Generäle mit viel Geschick postiert hatten, stellten sich ihrem Vormarsch in den Weg, behinderten ihren Rückzug und schnitten sie von ihrem Nachschub ab. Der Hunger wirkte auf das Ungestüm der Barbaren dämpfend und befriedend; voller Empörung warfen sie ihre Waffen dem Sieger vor die Füße, der ihnen Essen und Ketten anbot; die ungezählten Gefangenen wurden in sämtlichen Städten des Ostens angesiedelt; und die Provinzbewohner, die sich an ihr wildes Äußere schon fast gewöhnt hatten, wagten nach und nach sogar, ihre eigenen Kräfte mit diesen schrecklichen Feinden zu messen, deren Name allein ihnen so lange ein Gegenstand des Entsetzens gewesen war.

Der König von Skythien (und nur noch Ermamarich durfte einen so hochmögenden Titel führen) war durch die Katastrophe seines Volkes bis ins Mark getroffen. Lauthals führten seine Botschafter am Hofe des Valens Klage, dass die alte und heilige Allianz, die zwischen Römern und Goten so lange Bestand gehabt habe, nunmehr gebrochen sei. Sie machten geltend, dass sie ihre Verpflichtungen erfüllt hätten, indem sie dem Landsmann und Nachfolger des Julian zu Hilfe gekommen seien; sie begehrten die unverzügliche Freilassung ihrer adligen Gefangenen; und dann machten sie einen äußerst merkwürdigen Anspruch geltend, dass nämlich die gotischen Generäle, welche in Waffen und feindlicher Ordnung marschierten, den geheiligten Status und die Prärogative von Botschaftern besäßen. Die höfliche, aber entschiedene Zurückweisung dieser überzogenen Forderungen wurde den Goten von Victor, dem Heermeister der Kavallerie, übermittelt; welcher mit Würde und Nachdruck die berechtigten Klagen des Ost-Kaisers zu Protokoll nahm. Heerzug und anschließende Verhandlungen werden in den Fragmenten des Eunapios (Excerpta legationum, p. 18) beschrieben. Die Provinzbewohner, die später mit den Barbaren in nähere Bekanntschaft traten, entdeckten, dass deren Stärke mehr auf Einbildung als auf Tatsachen beruhe. Wohl waren sie hochgewachsen; aber ihre Beine waren plump und ihre Schultern schmal. Die Verhandlungen wurden abgebrochen; und die mannhaften Ermahnungen des Valentinian ermutigten auch seinen schüchternen Bruder, der gekränkten Majestät des Reiches zu neuerlichem Ansehen zu verhelfen. Valens enim, ut consulto placuerat fratri, cuius regebatur arbitrio, arma concussit in Gothos ratione iusta permotus. [Denn Valens, von seinem Bruder gut beraten, – er schätzte dessen Urteil – ergriff die Waffen gegen die Goten, durch gute Gründe veranlasst]. Ammianus, 27,4, beschreibt nun nicht etwa das Land der Goten, sondern die friedliche und botmäßie Provinz Thrakien, die mit dem Krieg überhaupt nichts zu tun hatte.

 

FEINDSELIGKEITEN UND FRIEDEN A.D. 367-369

Ein zeitgenössischer Historiker hat die Größe und Bedeutung dieses Gotenkrieges hervorgehoben; Der griechische Sophist Eunapios (in den Excerta legationium p. 18) hat wohl die ganze gotische Geschichte bis hin zum Sieg und Frieden des Theodosius für ein und denselben Krieg gehalten. aber die Ereignisse verdienen die Aufmerksamkeit der Nachwelt eigentlich nicht, außer dass sie gleichzeitig die Präliminarien zu dem einsetzenden Untergang des römischen Imperiums darstellen. Anstelle nun die germanischen und skythischen Nationen an die Donauufer oder sogar bis vor die Tore Konstantinopels zu führen, überließ der hochbetagte Gotenkönig dem wackeren Athanarich die Gefahren und den Ruhm eines Verteidigungskrieges gegen einen Feind, der mit schwacher Hand das Szepter eines mächtigen Staates führte. Über die Donau wurde eine Bootsbrücke geschlagen; die Gegenwart ihres Herrschers Valens beflügelte die Soldaten; seine Unkenntnis in der Kriegskunst machte er durch persönlichen Einsatz wieder wett und außerdem dadurch, dass er kluger Weise auf den Rat seiner Heermeister Victor und Arintheus hörte. Ihr Können und ihre Erfahrung waren die Motoren des Feldzuges; aber auch ihnen war es nicht möglich, die Westgoten von ihren befestigten Stellungen in den Bergen zu vertreiben: und die verbrannten Ebenen nötigten die Römer, zu Beginn des Winters die Donau wieder in anderer Richtung zu überqueren. Der unaufhörliche Regen, der den Fluss anschwellen ließ, führte zu einer stillschweigenden Waffenruhe und hielt den Kaiser Valens während des ganzen folgenden Sommers in seinem Lager bei Marcianopolis fest.

Das dritte Kriegsjahr endlich wurde für die Römer günstig und für die Goten verhängnisvoll. Die Unterbrechung der Handelswege beraubte die Barbaren der Luxusgegenstände, welche sie mittlerweile mit Lebensnotwendigkeiten verwechselten; und die Verwüstung eines riesigen Landstriches bedrohte sie mit den Schrecken einer Hungersnot. Athanarich sah sich genötigt, auf der Ebene eine Schlacht zu wagen, welche er verlor; und das ganze Unternehmen wurde deshalb noch blutiger, weil die siegreichen Generäle in grausamer Voraussicht eine beachtliche Belohnung auf den Kopf jedes Goten ausgesetzt hatten, welcher in das kaiserliche Lager gebracht würde. Die Unterwerfung der Barbaren beschwichtigte den Zorn des Valens und seines Hofrates; mit Befriedigung lauschte der Kaiser der schmeichelhaften und wohlgesetzten Darlegung des Senates zu Konstantinopel, der hier zum ersten Male an öffentlichen Beratungen teilnahm; und dieselben Generäle, Victor und Arintheus, die den Krieg erfolgreich geleitet hatten, erhielten nunmehr Vollmacht, die Friedensbedingungen auszuhandeln.

Die Handelsfreiheit, deren sich die Goten bis dahin erfreut hatten, beschränkte sich nur noch auf zwei Städte an der Donau; die politische Unüberlegtheit ihrer Heerführer wurde streng bestraft durch Kürzung der Geldzahlungen und anderer Subsidien; und die Ausnahme, die exklusiv für Athanarich gemacht wurde, war für den judex der Westgoten mehr vorteil- als ehrenhaft. Athanarich, der bei dieser Gelegenheit seine Privatinteressen verfolgt zu haben scheint, ohne die Anweisungen seines Königs abzuwarten, mehrte seines und seines Volkes Nutzen, als es zu einer Unterredung zwischen ihm und den Ministern des Valens kam. Er bestand bei seiner Erklärung darauf, dass es ihm unmöglich sei, auch nur einen Fuß auf das Gebiet des Reiches zu setzen, ohne sich nicht zugleich mit der Schuld eines Meineides zu beladen; und es ist mehr als wahrscheinlich, dass seine Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Eides durch jüngstvergangene fatale Erfahrungen mit römischer Tücke gefestigt worden war. So wurde also die Donau, die gemeinsame Grenze beider Völker, zum Konferenzort bestimmt. Der Kaiser des Ostens und der judex der Westgoten, beide von einer gleich großen Anzahl bewaffneter Krieger begleitet, fuhren mit ihren jeweiligen Barken bis zur Strommitte. Nach Unterzeichnung des Vertrages und Austausch der Geiseln kehrte Valens im Triumph nach Konstantinopel zurück; und die Goten verhielten sich sechs Jahre lang ruhig; bis sie schließlich gewaltsam gegen das Römische Reich gedrängt wurden durch eine ungezählte Masse von Skythen, welche offenbar aus der gewaltigen Frostregion des Nordens gekommen waren. Der Gotenkrieg wird von Ammianus (27,5), Zosimos (4,10) und Themistios (Orationes 10) beschrieben. Der Senat von Konstantinopel hatte den Redner Themistios geschickt, dem siegreichen Kaiser zu beglückwünschen; und seine knechtsinnige Beredsamkeit vergleicht Valens auf der Donau mit Achilles im Skamander. Jordanes vergisst einen besonderen Krieg der Westgoten zu erwähnen, der dem Namen der Goten keinen Ruhm eintrug. Maskov, History of the Germans, Buch 7, c.3.

 

KRIEG GEGEN DIE QUADEN UND SARMATEN

Der Herrscher des Westens, der seinem Bruder das Kommando über die untere Donau anvertraut hatte, behielt die Verteidigung der rhaetischen und illyrischen Provinzen seiner persönlichen Obsorge vor, die sich über einhundert Meilen entlang Europas größtem Fluss erstreckten. Valentinians Politik bestand wesentlich darin, zur Sicherung der Grenzen weitere Befestigungsanlagen errichten zu lassen; aber der Missbrauch dieser Politik rief den Grimm der Barbaren auf. So beschwerten sich etwa die Quaden, dass auf ihrem Territorium das Gelände für eine geplante Festung abgesteckt worden sei; und ihre Beschwerden trugen sie mit soviel Vernunftgründen und Anstand vor, dass der Heermeister von Illyrien, Equitius, sich mit der Aussetzung der Bauarbeiten einverstanden erklärte, bis er Genaueres über den Willen seines Herrschers in Erfahrung gebracht habe. Mit Freuden nahm Maximinus, der Präfekt oder besser: der Tyrann von Gallien diese günstige Gelegenheit wahr, einen Rivalen ins Unrecht zu setzen und gleichzeitig die Karriere seines Sohnes zu befördern. Valentinians Gemüt war jeder Art von Zwang abhold; und ebenso bereitwillig glaubte er den Versicherungen seines Günstlings, dass der Kaiser, wenn er nur die Statthalterschaft von Valeria und die Aufsicht über die Bauarbeiten dem Diensteifer seines Sohnes Marcellinus anvertraue, nicht noch einmal durch die vorwitzigen Beschwerden der Barbaren solle belästigt werden.

Die Untertanen Roms und die Bewohner Germaniens wurden somit vor den Kopf gestoßen durch die Arroganz eines jugendlichen und untauglichen Ministers, der tatsächlich glaubte, sein rascher Aufstieg sei der Beweis und die Belohnung für seine großen Verdienste. Indessen war er bemüht, sich auf verschiedene Weise bei dem Quadenkönigs Gabinius anzubiedern; aber hinter seinen berechneten Artigkeiten verbarg sich ein schwarzer und blutiger Entwurf; der leichtgläubige Stammeshäuptling ließ sich endlich überreden, die drängenden Einladungen des Marcellinus anzunehmen.

Ich bin in einiger Verlegenheit, wie ich die Schilderung eines identischen Verbrechens variieren soll; oder wie ich davon berichten kann, dass in Laufe eines Jahres an zwei allerdings weit entfernten Orten des Imperiums das Blut zweier königlicher Gäste und Verbündeter die ungastliche Tafel von zwei kaiserlichen Generälen besudelte, die sie in ihrer Gegenwart grausam ermorden ließen. Das Schicksal des Para und Gabinius waren ein und dasselbe: aber die Ermordung ihres Königs nahm das apathische Gemüt der Armenier ganz anders auf als der freie und kühne Sinn der Germanen. Zwar, die Quaden waren schon lange nicht mehr die fürchterliche Macht, die in den Zeiten von Marcus Aurelius Schrecken bis vor die Tore Roms verbreitet hatten; aber an Waffen und Mut gebrach es ihnen durchaus nicht; ihr Mut wurde durch Hoffnungslosigkeit erhöht, auch erhielten sie durch die Kavallerie der sarmatischen Alliierten die übliche Verstärkung. So unbekümmert war der Mörder Marcellinus, dass er ausgerechnet den Augenblick wählte, als seine besten Veteranen zur Unterdrückung der Revolte des Firmus abgezogen waren; so dass die ganze Provinz mit ihrer äußerst schwachen Verteidigung der Wut der aufgebrachten Barbaren ausgesetzt war.

Zur Erntezeit fielen sie in Pannonien ein; gnadenlos zerstörten sie alles, was sich plündern, aber nicht fortschleppen ließ; und die leeren Festungen zerstörten sie entweder oder beachteten sie gar nicht. Die Prinzessin Constantia, die Tochter des Kaisers Constantius und die Enkelin des großen Constantin, entkam nur um Haaresbreite. Die königliche Jungfrau, die ohne Absicht die Revolte des Prokopios unterstützt hatte, war damals dem Erben des Westreiches zur Frau bestimmt. Sie durchquerte die Provinz, als sie noch im Frieden lag, mit glänzendem und waffenlosem Gefolge. Nur das tätige Eingreifen des Provinzgouverneurs Messalla bewahrte sie vor Gefahr und das Reich vor Schmach. Sobald er vernahm, dass das Dorf, in welchem sie zu Mittag aß, durch die Barbaren fast eingekreist war, setzte er sie eilig in seine eigene Kutsche und fuhr in vollem Galopp bis vor die Tore von Sirmium, das sechsundzwanzig Meilen entfernt lag.

Doch selbst Sirmium wäre keine sichere Adresse gewesen, wenn die Quaden und Sarmaten während der allgemeinen Verwirrung des Volkes und der Magistrate zielstrebiger zu Werke gegangen wären. Ihr Zaudern ließ dem Reichspräfekten Probus genügend Zeit, sich zu sammeln und den Bürgern neuen Mut einzuflößen. Er richtete ihre Anstrengungen zunächst darauf, die beschädigten Befestigungsanlagen auszubessern und zu verstärken und sorgte außerdem für die rechtzeitige und wirkungsvolle Unterstützung durch eine Kompanie von Bogenschützen, die die Hauptstadt der illyrischen Provinzen schützen sollte. Nachdem sie vergebens gegen die Mauern von Sirmium angerannt waren, gingen die aufgebrachten Barbaren gegen den Heermeister der Grenztruppen vor, in welchem sie zu Unrecht den Mörder ihres Königs sahen. Mehr als zwei Legionen konnte Equitius nicht aufstellen; aber es war immerhin die Elite der Veteranen von Moesien und Pannonien. Ursache ihres Untergangs war die hartnäckige Diskussion um die müßige Ehre der Vorranges und Vortrittes; und da sie mit getrennten Kräften und nach verschiedenen Plänen vorgingen, wurden sie von den Reitertruppen der Sarmaten nacheinander überrumpelt und niedergemacht. Der Erfolg dieser Invasion ermutigte nun auch die grenznahen Stämme; und die Provinz Mösien wäre unfehlbar verloren gegangen, wenn nicht der junge Theodosius, dux oder miltärischer Befehlshaber der Grenztruppen, durch seinen Sieg über den Feind einen unerschrockenen Geist offenbart hätte, der seines berühmten Vaters und seiner künftigen Größe durchaus würdig war. Ammianus (29,6) und Zosimos (4,16) verfolgen akkurat Ursache und Verlauf des Quadischen und Sarmatischen Krieges.

 

VALENTINIANS FELDZUG A.D. 375

Valentinian, der zu jener Zeit in Trier residierte, war durch die Kalamitäten in Illyrien zutiefst beunruhigt; aber die fortgeschrittene Jahreszeit bestimmte ihn, seine Pläne erst im folgenden Frühjahr zu verfolgen. Dann brach er persönlich mit einem beachtlichen Teil der gallischen Armee von den Moselufern auf: und den verhandlungsbereiten Gesandten der Sarmaten, die ihm unterwegs entgegenkamen, gab er die nebulöse Antwort, er werde, sobald er den Schauplatz des Geschehens erreiche, prüfen und seine Entscheidung treffen. Als er nun Sirmium erreichte, gewährte er den Bevollmächtigten der illyrischen Provinzen Audienz; diese beglückwünschten sich lauthals selbst dazu, wie wohl es ihnen doch ergehe unter dem gesegneten Regiment seines Provinzstatthalters Probus Ammianus (30,5), der die Verdienste des Petronius Probus anerkennt, hat mit zunehmender Schärfe auch seine drückende Verwaltung getadelt. Als Hieronymos die Chronik des Eusebios (A.D. 380) übertrug und fortsetzte (siehe Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 12, p.53 und 626), drückte er mit den folgenden Worten die Wahrheit oder doch wenigstens die allgemeine Ansicht seines Landes aus: ›Probus P.P. Illyrici iniqissimis tributorum exactionibus, ante provincias quas regebat, quam a Barbaris vastarentur, erasit‹ [Der Prätorianerpräfekt Probus hat durch brutalstes Eintreiben von Tributen die von ihm verwalteten Provinzen ausgeplündert, noch bevor die Barbaren dies tun konnten]. Der Heilige pflegte später eine innige und zärtliche Freundschaft zu der Witwe des Probus; und der Name Comes Equitius wurde zwar unberechtigterweise, aber nicht unzutreffend in den Text eingefügt. Valentinian, geschmeichelt denn doch durch diese Kundgebungen von Anhänglichkeit und Dankbarkeit, fragte daraufhin etwas unbedacht den Abgesandten von Epirus, einen kynischen Philosophen von aufrichtigster Rücksichtslosigkeit, Julian (Oratione 6) schildert uns seinen Freund Iphikles als einen verdienst- und tugendreichen Mann, welcher sich selbst unglücklich und lächerlich gemacht habe, als er sich die alberne Zunfttracht und die Verhaltensweisen der Kyniker antat. ob die Provinz ihn wohl gerne hierher geschickt hätte? ›Mit Tränen und Murmeln schickte mich das gepresste Volk‹, antwortete Iphikles.

Der Kaiser schwieg stille dazu: aber die bisherige Straflosigkeit hatte unter seinen Ministern die verderbliche Regel verbreitet, dass sie die Untertanen drangsalieren konnten, ohne ihren Dienst dadurch zu beeinträchtigen. Eine strenge Untersuchung ihres bisherigen Verhaltens hätte die öffentliche Unzufriedenheit abstellen können. Ein gerechtes Urteil über den Mörder des Gabinius war die einzige Maßnahme, die das Vertrauen der Germanen und die Ehre des römischen Namens hätte erneuern können. Aber ferne war diesen hochmütigem Monarchen jene Seelengröße, die einen begangenen Fehler zugesteht. Er übersah das begangene Unrecht, erinnerte sich nur an das erlittene und eilte mit unstillbarem Blut- und Rachegelüste in das Land der Quaden. In den Augen des Kaisers und vermutlich der ganzen Welt waren Verwüstung und wahlloses Massaker wegen der grausamen Gleichheit von Tat und Rache gerechtfertigt; Ammianus, 30,5. Hieronymos, der das Unglück des Valentinian übertrieben darstellt, gönnt ihm nicht einmal diese letzte Genugtuung. ›Genitali vastato solo, et inultam patriam derelinquet‹ [Nachdem das fruchtbare Land verwüstet war, ließ er das Heimatland ungerächt zurück]. und so straff war die Ordnung der Römer und die Verwirrung der Feinde, dass Valentinian die Donau überquerte, ohne auch nur einen einzigen Mann zu verlieren. Da er beschlossen hatte, in einem zweiten Feldzug die Quaden endgültig zu vertilgen, schlug er sein Winterquartier an der Donau bei Bregeto, nahe dem ungarischen Pressburg auf. Während die Kriegshandlungen infolge des strengen Winters zum Erliegen kamen, versuchten die Quaden auf höchst demütige Weise den Zorn ihres Besiegers zu dämpfen; und auf nachdrückliches Zureden von Equitius wurden ihre Gesandten vor den Kronrat gelassen. Sie näherten sich dem Thron mit gebeugten Körpern und niedergeschlagenem Gesichtern; sie wagten es gar nicht erst, über die Ermordung ihres Königs Klage zu führen, sondern versicherten mit heiligen Eiden, dass die letzte Invasion das Verbrechen von ein paar gesetzlosen Räubern gewesen sei, die die Nation insgesamt verurteile und verachte.

 

VALENTINIANS TOD 17. NOVEMBER 375

Die Antwort des Kaisers ließ nur wenig Hoffnung auf Milde oder Mitleid zu. In heftigen Ausdrücken des Tadels schmähte er ihre Niedertracht, ihre Undankbarkeit und ihre Unverschämtheit. An seinen Augen, seiner Stimme, seiner Gesichtsfarbe, seinen Gesten konnte man die Heftigkeit eines unkontrollierten Wutanfalls erkennen; und während sein ganzer Körper von konvulsivischen Zuckungen bebte, zerplatzte in seinem Körper unvermittelt ein großes Blutgefäß; stumm fiel Valentinian in die Arme seiner Adjudanten. In pietätvoller Sorge verbargen sie seinen Zustand vor der Menge; aber nach nur wenigen Minuten verschied der Kaiser des Westens im schmerzhaftem Todeskampf, bis zum Schluss bei vollem Bewusstsein und ohne Erfolg darum bemüht, seinen Generälen und Ministern, die sein Lager umstanden, seine letzten Anweisungen zu geben. Valentinian wurde etwa vierundfünfzig Jahre alt; und nur hundert Tage fehlten bis zur Vollendung seines zwölften Regierungsjahres. Zum Tod des Valentinian vergleiche Ammianus (30,6), Zosimos (4,17), Victor, (Epitome 45), Sokrates (4,31), and Hieronymos (Chronicum, p.187 und Opera Band 1, p. 26, an Heliodor.) In Details weichen sie stark voneinander ab, und Ammianus wird so geschwätzig, dass er Unsinn fabriziert.

 

DIE KAISER GRATIAN UND VALENTINIAN II

Ein Kirchengeschichtsschreiber bekräftigt mit Nachdruck die Polygamie des Valentinian Sokrates (4,31) ist der einzige direkte Zeuge dieser törichten Geschichte, die Sitten und Gesetzen der Römer derart widerspricht, dass es der förmlichen, ausgearbeiteten Widerlegung des Herrn Bonamy (Memoires de l'Academie, Band 30, p. 394-405) wahrlich nicht bedurft hätte. Ich möchte aber die an sich so natürlichen Umstände des Bades beibehalten, statt Zosimos zu folgen, der Justina als eine alte Frau und Witwe des Magnentius schildert.. ›Die Kaiserin Severa (ich zitiere die Fabel hier wörtlich) nahm in ihren Vertrautenkreis die liebreizende Justina auf, die die Tochter eines italischen Statthalters war; ihre Bewunderung für den unverhüllten Liebreiz, der sich ihr oftmals im Bade enthüllt hatte, überschüttete sie so überreichlich und unbedacht mit Lob, dass der Kaiser sich veranlasst sah, eine zweite Frau in sein Bett zu führen; und mit einem öffentlichen Erlass gestatte er allen Untertanen dieses Vorrecht, das er für sich selbst in Anspruch genommen hatte.‹ Aber wir können gewiss sein, aus historischen und aus Vernunftgründen, dass die beiden Eheschließungen Valentinians mit Severa und Justina nacheinander erfolgten; und dass er von der Möglichkeit zur Ehescheidung Gebrauch machte, die die Gesetze immer noch zuließen, auch wenn die Kirche sie entschieden ablehnte.

Severa war die Mutter Gratians, und dieser schien alle Anforderungen zur Sicherung der unbestrittenen Nachfolge auf dem Thron des Westens in sich zu vereinigen. Er war der älteste Sohn eines Kaisers, der mit seiner ruhmreichen Regierung seine freie und ehrenhafte Wahl durch seine Soldaten bestätigt hatte. Noch vor Erreichen seines neunten Lebensjahres erhielt der königliche Knabe aus der Hand seines gütigen Vaters die Purpurrobe und das Diadem, dazu den Augustustitel: die gallische Armee bestätigte diese Wahl mit Nachdruck. Ammianus (27,6) beschreibt die Vorgehensweise bei dieser militärischen Wahl und Investitur zum Augustus. Valentinian scheint den Senat zu Rom nicht befragt, ja nicht einmal informiert zu haben. Bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen ward von nun an den Namen Valentinian und Valens der Name Gratian hinzugefügt. Durch seine Hochzeit mit der Enkeltochter des großen Constantin trat der Sohn des Valentinian in sämtliche Rechte des flavischen Hauses ein; welches nach drei Kaiser-Generationen durch Tradition, Religion und Verehrung durch das Volk geheiligt war.

Als sein Vater verschied, stand der Königsknabe in seinem siebzehnten Lebensjahr; und durch seine Tugenden rechtfertigte er bereits jetzt die günstige Meinung, die Armee und Volk von ihm hatten. Gratian residierte frei von Besorgnissen im Palast zu Trier; während viele hundert Meilen davon entfernt Valentinian im Lager bei Bregetio plötzlich seinen Geist aufgab. Die Gelüste, die in Gegenwart des Herren so lange unterdrückt werden mussten, erwachten am Kaiserhof zu neuem Leben; und die Generäle Mellobaudes und Equitius, die illyrische und italische Abteilungen kommandierten, verfolgten mit allen Finessen ihre Pläne, im Namen des unmündigen Kindes zu regieren. Sie ersannen die schicklichsten Vorwände, volkstümliche Truppenführer und deren Legionen aus Gallien zu entfernen, wenn diese die Ansprüche des eigentlichen Thronfolgers hätten durchsetzen können; sie erachteten es für notwendig, durch eine kühne und einschneidende Maßnahme die inneren und äußeren Feinde aller Hoffnungen zu berauben. Die Kaiserin Justina, die man hundert Meilen von Bregetio entfernt zurückgelassen hatte, wurde höflichst zu einem Besuch in das Lager eingeladen, zusammen mit dem Sohn des verewigten Kaisers.

Sechs Tage nach dem Tode Valentinians wurde der gleichnamige unmündige Prinz – er war erst vier Jahre alt – den Legionen in den Armen seiner Mutter vorgeführt; und unter nachdrücklicher Zustimmung der Truppe mit den Titeln und Insignien des Kaisertums investiert [Valentinian II]. Den drohenden Gefahren eines Bürgerkrieges kam Kaiser Gratian rechtzeitig durch besonnene und maßvolle Amtsführung zuvor. Freudig stimmte er dem Beschluss der Armee zu; erklärte, dass er stets den Sohn der Justina als Bruder, aber niemals als Rivalen betrachten werde; und riet der Kaiserin, zusammen mit ihrem Sohn Valentinian ihre Residenz in Mailand, im schönen, friedlichen Italien zu beziehen; während er sich das weitaus mühseligere Kommando in den Ländern jenseits der Alpen aufbürden werde. Gratian verbarg seinen Zorn, bis er ungefährdet die Urheber der Verschwörung bestrafen oder doch wenigstens in Ungnade fallen lassen konnte; und obwohl er gleichbleibend zärtlich und respektvoll mit seinem unmündigem Kollegen umging, vermischte er bei der Verwaltung des Westens immer mehr das Amt eines Wächters mit dem eines Herrschers. Die Herrschaft über das Römische Reich wurde im Namen des Valens und seiner beiden Neffen ausgeübt; aber der kraftlose Herrscher des Ostens, der im Range seinem älteren Bruder nachfolgte, hatte auf die Entscheidungen des Westens niemals nennenswerten Einfluss ausgeübt. Ammianus 30,10; Zosimos 4,19. Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 5, p. 707-709) hat nachgewiesen, dass Gratian in Italien, Afrika und Illyrien ›regierte‹. Ich habe es unternommen, seinen Einfluss über den Herrschaftsbereich seines Bruders ebenso unbestimmt darzustellen, wie er es selbst zu tun pflegte.


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