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XXII

JULIAN WIRD VON GALLISCHEN TRUPPEN ZUM KAISER AUSGERUFEN · ER MARSCHIERT UND SIEGT · TOD DES CONSTANTIUS · JULIANS REGIERUNG · SEIN EDLER CHARAKTER

[Julianus Apostata]

 

JULIAN

Während die Römer unter der Willkürherrschaft von Verschnittenen und Bischöfen dahinsiechten, wurde das Lob des Julian in allen Teilen des Imperiums gesungen, der Palast des Constantius ausgenommen. Die germanischen Barbaren hatten die Waffen des jugendlichen Caesar gespürt und fürchteten sie noch; seine Soldaten waren die Teilhaber seiner Erfolge; die dankbaren Provinzbewohner genossen die Segnungen seiner Siege; aber die Hofschranzen, die sich seiner Ernennung zum Caesar widersetzt hatten, ärgerten sich an seinem Emporkommen; und nicht ohne Grund sahen sie in dem Freund des Volkes ihren und des Hofes Feind. Solange der Ruhm Julians noch nicht gefestigt war, erprobten die offiziellen Possenreißer des Hofs, erfahren in der Sprache der Satire, die Wirksamkeit dieser Kunstform, wie sie es schon des öfteren mit Erfolg getan hatten. So fanden sie heraus, dass seine volkstümliche Schlichtheit nicht frei war von Verstellung: die höhnische Bezeichnung eines behaarten Wilden, eines Affen in Purpur wurden der Person und dem Äußeren dieses philosophierenden Kriegers angehängt; und noch seine bescheidensten Depeschen wurden verunglimpft als die eitlen und aufgeblasenen Erfindungen eines geschwätzigen Griechen, eines spintisierenden Soldaten, welcher die Kriegskunst im Hain der Akademie studiert hatte. ›Omnes qui plus poterant in palatio, adulandi professores jam docti, recte consulta, prospereque completa vertebant in deridiculum: talia sine modo strepentes insulse: ›in odium venit cum victoriis suis; capella, non homo;‹ ut hirsutum Julianum carpentes, appellantesque ›loquacem talpam‹ et ›purpuratam simiam‹ et ›litterionem Graecum,‹ et his congruentia plurima. Atque ut tintinabula principi resonantes, audire haec taliaque gestienti, virtutes eius obruere verbis impudentibus conabantur, ut segnem incessentes et timidum et umbratilem, gestaque secus verbis comptioribus exornantem.‹ [Jedermann von Einfluss im Palast, ausgewiesene Lehrmeister des Kriechens, wendeten durchdachte Entscheidungen und erfolgreiche Unternehmungen ins Lächerliche und summten endlose alberne Bemerkungen: ›Seine Siege ekeln uns; dieser Ziegenbock, aber kein Mensch.‹ –in Anspielung auf seinen struppigen Bart. Sie nannten ihn einen ›geschwätzigen Maulwurf‹ und ›Purpuraffen,‹ ein ›griechisches Schulmeisterlein‹ und anderes von der Art. Und durch diese Geklingel vor den Ohren des Herrschers Constantius, der dies und ähnliches nur zu gerne hörte, versuchten sie seine Verdienste mit unverschämten Redensarten zu verringern, indem sie ihn träge, ängstlich und unbeholfen nannten und jemanden, der seine Taten mit gefälligen Zierworten ausschmücke]. Ammianus, 17,11.

Erst seine Siege brachten diese Stimmen der neidvollen Bosheit zum Schweigen; der Sieger über die Franken und Alamannen war nicht länger ein Objekt der Verachtung; und der Monarch selbst war in schäbiger Weise darauf bedacht, seinem Feldherren die Früchte seines Sieges zu stehlen. In den lorbeergeschmückten Briefen, welche den Gepflogenheiten entsprechend an die Provinzstatthalter adressiert waren, wurde Julians Name unterschlagen. ›Constantius hat seine Dispositionen persönlich getroffen; er hat in der ersten Schlachtreihe seine Kühnheit aufblitzen lassen; und ihm wurde noch auf dem Schlachtfeld der gefangene Barbarenkönig vorgeführt,‹ von welchem er etwa vierzig Tagesreisen entfernt war. Ammianus 16,12. Der Redner Themistius (Orationes) glaubt unbesehen alles, was in den kaiserlichen Briefen an die Adresse des Senates von Konstantinopel enthalten war. Aurelius Victor, der im letzten Regierungsjahr des Constantius seine kurzgefasste Geschichte schrieb, schreibt die Siege über die Germanen der Weisheit und der Fortuna des Kaisers zu. Doch schon kurz danach war unser Historiker der Wertschätzung des Kaisers verpflichtet, der ihm eine Bronzestatue gewährte und das wichtige konsularische Amt in Pannonien und das Amt des Stadtpräfekten übertrug. Ammianus 21,10. Mit derart abwegigen Märchen ließ sich indessen selbst die leichtgläubige Öffentlichkeit nicht täuschen, und auch den Kaiser machten sie nicht stolz. Insgeheim war er sich bewusst, dass der Beifall und die Dankbarkeit der Römer Julians aufsteigenden Stern begleiteten, und deshalb war er auch empfänglich für das schleichende Gift jener ränkefrohen Sykophanten, welche ihren heillosen Entwürfen allemal den lieblichsten Anschein von Lauterkeit und Rechtlichkeit zu geben verstehen. Callido nocendi artificio, accusatoriam diritatem laudum titulis peragebant.... Hae voces fuerunt ad inflammanda odia probris omnibus potentiores. [Um die Verleumdung zu verstärken, griffen sie zu einem raffinierten Trick und verstärkten die Anklage durch scheinbares Lob; ...zum Schüren von Hass waren solche Worte besser als jede Beleidigung]. Siehe Mamertinus, Gratiarum Actio, Panegyrici, 11,4 und 5. Anstelle also die Verdienste Julians zu verkleinern, anerkannten, ja übertrieben sie sogar seine Reputation, seine überlegene Begabung, seine wichtigen Erfolge. Aber schon bald, so ihre finsteren Einflüsterungen, könnten die Tugenden des Caesar ganz unvermittelt zu höchst gefährlichen Verbrechen werden, wenn nämlich die schwanke Volksmasse mehr ihren Neigungen als ihren Pflichten folgen wollte; oder wenn etwa der General einer siegreichen Armee durch die Hoffnung auf Rache und Unabhängigkeit der Treupflicht gegenüber seinem Oberherren sich entfremde. Die persönlichen Ängste des Constantius wurden von seinen Ratgebern umgedeutet zu löblicher Sorge für das gemeine Wohl; während er tief im Herzen seinen Hass und seinen Neid verhehlte, den er für die Größe des Julian schon lange empfand und sie nur deshalb Sorge nannte, weil dies weniger anstößig war.

 

GALLISCHE LEGIONEN NACH OSTEN ABBERUFEN A.D. 360

Die offenkundige Ruhe in Gallien und die drohende Gefahr im Osten boten einen willkommenen Vorwand zu dem Plan, den die Minister des Kaisers mit schlauer Berechnung ersonnen hatten. Sie hatten beschlossen, den Caesar zu entwaffnen; die gehorsamen Truppen abzuberufen, welche seine Person und seine Stellung bewachten; und die kampferprobten Veteranen in einem weit abgelegenen Kriegsschauplatz gegen den persischen Monarchen einzusetzen, Truppen mithin, welche an den Ufern des Rheins die mächtigsten Stämme Germaniens gedämpft hatten. Während also Julian in den Winterquartieren zu Paris seine Regierungstätigkeit ausübte, was sich in seinen Händen sehr segensreich auswirkte, wurde er durch die eilige Ankunft eines Militärtribunen und eines Protokollführers überrascht, die ihm verbindliche Befehle des Kaisers überbrachten, die zu exekutieren sie Weisung hatten und denen zu widersprechen ihm untersagt war. Constantius hatte seinen Willen kundgetan, dass vier komplette Legionen, die keltische, die petulantische, die herulische und die batavische Julians Befehl sollten entzogen werden, unter dem sie Schlagkraft und Ruhm erworben hatten; dass ferner aus den übrigen Legionen jeweils dreihundert der kriegstüchtigsten Jünglinge sollten ausgewählt werden; und dass endlich dieses mächtige Detachement, der Kern der gallischen Armee, unverzüglich in Marsch gesetzt werden und sich unter allen Umständen noch vor der Eröffnung der Campagne an der Grenze zu Persien einfinden solle. Die winzige Zeitspanne, die zwischen dem hyeme adultâ und primo vere (Spätwinter und zeitiges Frühjahr) des Ammianus (21,1 und 4) liegt - anstelle einen ausreichenden Zeitraum für einen Marsch von mehr als dreitausend Meilen anzusetzen,- würde den Befehl des Constantius unsinnig und ungerecht machen. Die gallische Armee hätte Syrien nicht vor Ende Herbst erreichen können. Entweder täuscht Ammianus sein Gedächtnis, oder er drückt sich ungenau aus.

Der Caesar Julian überblickte sofort die Folgen dieser verhängnisvollen Anordnung und beklagte sie. Die meisten Auxiliartruppen, deren Dienst freiwillig war, hatten sich ausbedungen, niemals die Alpen überqueren zu müssen. Roms Glaubwürdigkeit und die persönliche Ehre Julians hafteten für die Einhaltung dieser Klausel. Ein solcher Akt von Verrat und Vertragsbruch hätte das Vertrauen der unabhängigen germanischen Krieger erschüttert und ihren Zorn aufgestachelt, zählten sie doch Wahrheitsliebe zu ihren vornehmsten Tugenden und Freiheit zu ihrem wertvollsten Besitz. Die Legionäre, die den Titel und die Vorrechte von Römern besaßen, wurden nun allerdings besoldet, das Reich insgesamt zu verteidigen; aber diese Miettruppen hörten auf solche antiquierten Worte wie Republik und Rom nur mit kaltem Gleichmut. Von Geburt an oder durch lange Gewöhnung waren sie mit dem Klima Galliens und seiner Lebensweise vertraut, und Julian liebten und bewunderten sie; den Kaiser verachteten sie; vermutlich hassten sie ihn sogar; auch fürchteten sie den mühseligen Marsch, die persischen Pfeile und Asiens glühenden Wüsten. Das Land, in welchem sie gedient hatten, sahen sie als ihr eigenes an; und sie entschuldigten ihren Mangel an Kampfesfreude mit der heiligen und näherliegenden Pflicht, ihre eigenen Familien und Freunde zu beschützen.

Die Besorgnisse der Gallier entsprangen ihrer Kenntnis der bevorstehenden, unausweichlichen Gefahr. Denn sobald die Provinzen ihrer militärischen Stärke beraubt wären, würden die Germanen den Vertrag brechen, den sie gezwungenermaßen abgeschlossen hatten; und ungeachtet der Fähigkeiten und des Mutes von Julian: Der General einer regulären Armee, dem man die entstehenden Niederlagen ankreiden würde, müsste sich nach vergeblichem Widerstand entweder als Gefangener im Lager der Barbaren oder als Angeklagter im Palast des Constantius wieder finden. Hätte sich Julian also den ihm erteilten Befehlen gefügt, dann so hätte er sein eigenes Todesurteil unterschrieben und das aller anderen, die seine Zuneigung verdienten. Eine offene Befehlsverweigerung andererseits wäre ein Akt der Rebellion und eine Kriegserklärung gewesen. Die krankhafte Eifersucht des Kaisers, die bedingungslose und vermutlich sogar heimtückische Art seiner Befehle ließ keinen Raum für Ehrenerklärungen oder Auslegungen; und da der Caesar in einer weisungsgebundenen Stellung war, waren ihm Zögern oder Ausflüchte kaum möglich. Da Julian auf sich gestellt war, war seine Ratlosigkeit noch größer; denn er konnte nun nicht einmal auf die loyalen Ratschläge des Sallust zurückgreifen, den die berechnete Bosheit der Eunuchen von seinem Amt abberufen hatte: noch konnte er seinen Gegenvorstellungen in einer Versammlung seiner Minister Nachdruck verleihen, die sicherlich gezögert oder sich geschämt hätten, in den Untergang Galliens einzuwilligen: Der Augenblick war gekommen, dass der Kavalleriegeneral Lupicinus Ammianus 20,1. Der Mut des Lupicinus und sein militärisches Können wird von diesem Historiker anerkannt, welcher in affektierten Sprache den General beschuldigt, die Hörner seines Stolzes zu erheben, in einem trüben Tone zu heulen und es offen zu lassen, ob seine Grausamkeit oder seine Habgier größer sei. Die Gefahr durch die Picten und Scoten war indessen so groß, dass Julian selbst darüber nachgedacht hatte, auf die Insel hinüber zu fahren. nach Britannien abmarschierte, die Invasion der Picten und Scoten zurück zu werfen; Florentinus war vor Wien mit der Steuerschätzung beschäftigt; dieser, ein umtriebiger und korrupter Politiker, war nicht geneigt, bei diesem riskanten Spiel eine verantwortliche Rolle zu spielen und wich den wiederholten und dringlichen Aufforderungen Julians aus, welcher ihm vorstellte, dass bei allen wichtigen Maßnahmen die Anwesenheit des praefectus im Rate des Prinzen unabdingbar sei. In der Zwischenzeit bedrängten die kaiserlichen Abgesandten den Julian auf rüpelhafte und zudringliche Weise, da sie sogar die Frechheit besaßen ihm vorzuschlagen, ihnen, wenn er denn weiterhin die Rückkehr seiner Ratgeber abwarte und sich so der vorsätzlichen Verzögerung schuldig mache, das Vorrecht seiner Hinrichtung zu gewähren. Zum Widerstand unfähig und zum Nachgeben nicht gewillt, äußerte Julian nachdrücklich seinen Wunsch, ja sogar seine Absicht, des Purpurs zu entsagen, den er in Ehren nicht tragen, aber ohne Gefahr nicht ablegen konnte.

 

UNZUFRIEDENHEIT DER TRUPPEN WÄCHST

Nach schmerzlichen inneren Kämpfen rang sich Julian zu der Einsicht durch, dass zu den Pflichten des vornehmsten Untertanen der Gehorsam gehöre und allein der Kaiser berechtigt sei, über die öffentliche Wohlfahrt zu entscheiden. So traf er denn die erforderlichen Maßnahmen, um die Befehle des Constantius umzusetzen; ein Teil der Truppen marschierte in Richtung Alpen; und die aus den einzelnen Garnisonen abgeteilten Soldaten gingen zu ihren jeweiligen Treffpunkten. Ihr Fortkommen wurde durch die verängstigten und bebenden Provinzbewohner erschwert, versuchten sie doch, durch gespenstisches Schweigen oder durch lautes Klagen ihr Mitleid zu erregen; während die Frauen der Soldaten, die Kinder auf dem Arm, mit einer Mischung aus Kummer, Zärtlichkeit und Zorn die Abreise ihrer Männer beklagten. Dieses allgemeine Kummer-Szenario ging auch dem Caesar zu Herzen; er bewilligte eine ausreichende Anzahl von Transportwagen Er bewilligte den cursus clavularis oder clabularis. Dieser Postwagen wird des Öfteren im Gesetzbuch erwähnt und soll angeblich 1500 Pfund transportiert haben. Siehe Valesius zu Ammianus 20,4. für die Frauen und Familien der Soldaten, bemühte sich nach Kräften, die Härten, die er nun einmal zuzufügen gezwungen war, zu erleichtern und vermehrte durch diese löblichen Maßnahmen seine eigene Popularität und das Missvergnügen der aus dem Lande verbannten Truppen. Der Verdruss einer bewaffneten Masse schlägt rasch in offene Wut um; ihr verhaltenes Murren, die stündlich mit wachsender Kühnheit und vermehrter Wirkung von Zelt zu Zelt weitergegeben wurde, machte ihre Gemüter für die kühnste Form des Abfallens bereit; und mit dem stillen Einverständnis ihrer Tribunen wurde heimlich ein Flugblatt verteilt, welches in lebhaften Farben die fatale Situation ihres Caesar und der gallischen Armee darstellte, sowie die Erbärmlichkeit der Tyrannen im fernen Asien. Die Beauftragten des Constantius erstaunten und entsetzten sich darüber, wie sich der Geist der Unbotmäßigkeit so rasch ausbreiten konnte. So drängten sie den Caesar, den Abmarsch der Truppen beschleunigt zu veranlassen; aber unklug genug wiesen sie den ehrenhaften und wohlerwogenen Rat Julians zurück, welcher vorgeschlagen hatte, nicht durch Paris zu ziehen und ihnen auch die Risiken und die Versuchung einer letzten Zusammenkunft mit den Truppen dargestellt hatte.

 

JULIAN ZUM KAISER AUSGERUFEN

Sobald ihm der Anmarsch der Truppen gemeldet war, trat der Caesar heraus, ihnen zu begegnen, und bestieg die Rednertribüne, welche vor den Toren der Stadt aufgeschlagen stand. Er begrüßte zunächst persönlich die Offiziere und Soldaten, deren Rang und Verdienste besondere Aufmerksamkeit verdienten, und anschließend wandte sich Julian in einer vorbereiteten Rede an die umherstehende Menge: mit Dankbarkeit rühmte er ihre Heldentaten; ermutigte sie, bereitwillig die Ehre anzunehmen, unter den Augen eines mächtigen und freidenkenden Monarchen Dienst zu tun; und mahnend erinnerte er sie daran, dass die Befehle eines Augustus unverzüglichen und freudigen Gehorsam erwarteten. Die Soldaten, die ihren General durch ungehörigen Lärm zu kränken oder durch erheuchelten Beifall ihre wahren Gefühle zu verbergen denn doch Bedenken trugen, schwiegen verstockt und wurden nach kurzer Zeit in ihre Quartiere entlassen. Die Stabsoffiziere wurden von dem Caesar zu einer Zusammenkunft geladen, wo er in den wärmsten und freundschaftlichsten Worten sein Verlangen und zugleich die Unmöglichkeit bekannte, sie ihren Verdiensten entsprechend zu belohnen, sie, die wackeren Gefährten seiner Siege. Sie verließen Julians Raum, traurig und verwirrt; und beweinten ihr Schicksal, welches sie von ihrem geliebten Befehlshaber und aus ihrer Heimat fortreiße. Das einzig Angemessene, das ihren Fortgang noch aufhalten könne, wurde mit kühnem Mut beredet und gebilligt: aus allgemeiner Unzufriedenheit war nunmehr eine regelgerechte Verschwörung geworden. Ihre berechtigte Klage hatte durch Zorn an Schärfe gewonnen, ihr Zorn ward durch Wein zusätzlich erhitzt, denn am Vorabend ihrer Abreise gab man sich nach gern geübtem Brauch üppigen Gelagen hin.

Um Mitternacht eilten die Soldaten, Schwerter, Trinkschalen und Fackeln in den Händen, in die Vororte; umstellten den Palast; Höchstwahrscheinlich das Gebäude des Bades ( Thermarum), von dem sich in der Rue de la Harpe noch ansehnliche Reste befinden. Die Gebäude nahmen einen beträchtlichen Teil des Geländes der heutigen Universität ein; und die Gartenanlagen verbanden es in der Zeit der Merowingerkönige mit der Abtei St. Germain des Prez. Durch den Zahn der Zeit und die Normannen wurde der Palast im XII. Jhdt zu einer Ruinenlandschaft; und diese zum Schauplatz freier Liebe: Explicat aula sinus montemque amplectitur alis/Multiplici latebra scelerum tersura ruborem/ ...pereuntis saepe pudoris Celatura nefas, Venerisque accommoda 'furtis'. (Der Palast steht ausgebreitet und umfasst mit seinen Flügeln den ganzen Berg/vielfältige Verstecke verbergen Taten der Schande;/er versteckt die Merkmale der besiegten Keuschheit/ist geeignet für Liebesränke.) Diese Verse stammen aus dem ›Architrenius‹ 4,8, einer Dichtung des Mönches Johannes de Hauvilla von St. Albans um 1190. Siehe Warburton, History of the English Poetry, Band 1, Abhandlung 2. Indessen sind solcherlei ›Diebereien‹ für die Menschheit wohl weniger verhängnisvoll als der Theologenzank an der Sorbonne, der seitdem auf gleichem Boden ausgefochten ward. Bonamy, Memoires de l'Academie, Band 15, p. 678-682. und riefen, unbekümmert um künftige Gefahren, die verhängnisvollen Worte: JULIAN AUGUSTUS! Der Prinz, aus seiner ängstlichen Spannung durch ihr regelloses Lärmen aufgestört, ließ die Türen gegen Eindringlinge absichern; und soweit es in seiner Macht stand, hielt er sich aus diesem nächtlichen Tumult heraus. In der Morgendämmerung drangen die Soldaten, die durch den Widerstand nur noch mehr aufgereizt waren, gewaltsam in den Palast, packten respektvoll-gewaltsam das Objekt ihrer Wahl, eskortierten Julian mit gezogenem Schwert durch die Straßen von Paris, stellten ihn auf die Tribüne und begrüßten ihn durch anhaltendes Rufen als ihren Kaiser.

Besonnenheit und Loyalität empfahlen es Julian, ihren verräterischen Plänen zu widerstehen und Gewaltanwendung als Entschuldigung für seine gebrochene Treue bereit zu halten. Abwechselnd wandte er sich an Einzelne und an die Menge, appellierte zuweilen an ihre Gnade, ließ aber ebenso Zorn erkennen; beschwor sie, nicht den Ruhm ihrer unsterblichen Siege zu verdunkeln; und gab ihnen sogar noch das kühne Versprechen, dass er, wenn sie denn unverzüglich zu ihrer Pflicht zurück kehren würden, vom Kaiser nicht nur einen vollständigen Pardon erwirken wolle, sondern auch die Aufhebung des Befehles, welcher diesen Aufruhr erregt hatte.

Die Soldaten indessen zogen es im Bewusstsein ihrer Schuld vor, auf die Dankbarkeit eines Julians und nicht auf die Gnade des Kaisers zu bauen. Allmählich wurde aus ihrem Eifer Ungeduld und aus der Ungeduld Zorn. Unerschüttert widerstand Caesar bis in die dritte Stunde des Tages ihren Bitten, ihren Vorwürfen und ihrem Toben; er gab nicht einmal nach, als es hieß, wenn er leben wolle, müsse er regieren. Er wurde in Gegenwart und unter einhelligem Beifall der Truppen auf den Schild gehoben; eine prächtige Halsberge, die zufällig zur Hand war, musste für das fehlende Diadem aufkommen; Selbst in dieser höchst prekären Situation achtete Julian auf die Gebote des Aberglaubens und weigerte sich, ein unglückbringendes Frauen- oder ein geschmücktes Pferdehalsband zu benutzen, welches ihm die ungeduldigen Soldaten anstelle des Diadems andienen wollten.; den Abschluss der Zeremonie bildete das Versprechen eines maßvollen Donativs Gold und Silber zu gleichen Anteilen, fünf Stücke vom Erstgenannten, ein Pfund vom Letzteren; was etwa fünf Pfund und zehn Schilling in unserem Geld entspricht.; und der neue Imperator zog sich in ehrlicher oder vielleicht auch nur erheuchelter Erschütterung in die innersten Gemächer seiner Unterkunft zurück. Wir können für einen vollständigen Bericht dieser Empörung auf echte und ursprüngliche Quellen zurückgreifen; Julian selbst (Ad S.P.Q. Atheniensem, p. 282-284), Libanios (Oratio parentalis 44-48), Ammianus 20,4 und Zosimos (3,9) der sich unter Julians Regierung der höheren Autorität des Eunapios anschloss. Bei solcher Führung dürfen wir wohl die Epitomisten und Kirchenhistoriker beiseite lassen.

 

UNSCHULDIG AN DER VERSCHWÖRUNG

Der Kummer des Julian rührte von seiner Unschuld her; aber seine Unschuld muss demjenigen äußerst zweifelhaft erscheinen, welcher den Motiven und Bekenntnissen von Herrschern zu misstrauen gelernt hat. Der zuverlässige Eutropios verwendet einen zweideutigen Ausdruck, nämlich ›consensu militum‹ (unter Zustimmung der Soldaten) 10,5. Gregor von Nazianz, dessen Unkenntnis seinen Fanatismus entschuldigen möge, beschuldigt den Apostaten geradezu der [Ü.a.d.Griech.: Vermessenheit, des Wahnsinns und der Gottlosigkeit]. Orationes 3. Sein Gemüt war lebhaft und aktiv, und deshalb war es durchaus empfänglich für die unterschiedliche Wirkung von Hoffnung und Sorge, Dankbarkeit und Rache, Pflicht und Ehrgeiz, Liebe zum Ruhm und Angst vor Kritik. Indessen ist es uns nicht möglich, das jeweilige Ausmaß dieser Gemütsempfindungen zu bestimmen; oder die Prinzipien seines Handelns zu benennen, die sich nun einmal der Wahrnehmung entziehen, während sie die Schritte von Julian selbst leiteten oder sogar vorwärts trieben. Die Unzufriedenheit der Truppe wurde durch die boshaften Ränke seiner Feinde provoziert; der Aufruhr war das Kind ihrer Interessen und Leidenschaften. Und falls Julian versucht hätte, dunkle Pläne bis zum Auftreten einer Gelegenheit verborgen zu halten, dann hätte er ohne Not und wohl auch ohne Aussicht auf Erfolg sich der äußersten Geschicklichkeit bedienen müssen.

Er selbst jedenfalls versicherte bei Jupiter, beim Sonnengott, bei Mars, Minerva und allen anderen Gottheiten, dass er bis zu dem Abend, der seiner Erhebung voranging, von den Plänen der Soldaten nicht die geringste Kenntnis besessen hatte; Julian Ad S.P.Q. Atheniensem, p. 284. Der fromme Abbé de Bléterie (Vie de Julien, p.159) neigt dazu, die frommen Beteuerungen des Heiden zu glauben.; und es scheint doch ein wenig schimpflich, von der Ehre eines Helden und der Wahrheitsliebe eines Philosophen derart gering zu denken. Allerdings könnte ihn die abergläubische Gewissheit, dass Constantius der eigentliche Feind und er selbst der Freund der Götter sei, dazu angestiftet haben, den glückverheißenden Beginn seiner Regierung herbei zu wünschen, ja herbei zu führen, welche bestimmt war, die alte Religion der Menschheit zu erneuern. Als Julian Nachricht von der Verschwörung erhielt, legte er sich zum Schlummer nieder; und anschließend berichtete er seinen Freunden, dass er den Genius des Reiches erblickt habe, welcher schon ungeduldig vor seiner Tür stand, Einlass begehrte und seinen Mangel an Feuer und Ehrgeiz rügte. Ammianus 20,5 nebst Lindenbrogius' Anmerkung zum Reichs-Genius. Julian selbst erwähnt in einem vertraulichen Brief an seinen Freund und Arzt Obrosius (Epistulae 17, p. 384) einen anderen Traum, dem er vor Eintritt des Ereignisses Glauben schenkte: von einem stattlichen Baum, der ungestürzt lag und einem kleinen Baum, der eine Wurzel tief ins Erdreich senkte. Selbst im Schlaf müssen den Caesar Hoffnungen und Sorgen über sein Schicksal umgetrieben haben. Zosimos (3,9) erzählt noch einen späteren Traum. Erstaunt, überrascht habe er seine Gebete an den großen Jupiter gerichtet; welcher ihm durch ein deutliches und handgreifliches Omen angezeigt habe, er solle sich dem Willen des Himmels und der Armee nicht weiterhin verschließen. Diese Erzählung, welche den Grundregeln der Vernunft widerspricht, macht uns skeptisch und zugleich aufmerksam. Wenn sich der Geist des Fanatismus in ein edles Gemüt eingeschlichen hat, dann ruiniert er dort allgemach die lebendigen Prinzipien der Tugend und Wahrhaftigkeit.

 

JULIANS GESANDTSCHAFT AN CONSTANTIUS

Die ersten Tage der Regierung des neuen Kaisers waren damit angefüllt, den Eifer seiner eigenen Partei zu zügeln, Leib und Leben seiner Feinde zu schützen und die heimlichen Anschläge gegen ihn und sein Leben abzuwehren und nicht weiter zu beachten. Die heikle Stellung eines Herrschers an der Spitze einer rebellischen Armee wird von Tacitus sehr gut beschrieben (Historien 1,80-85). Aber Otho hatte weit mehr Schuld und deutlich weniger Fähigkeiten als Julian. Obgleich er fest entschlossen war, auf seinem Posten auszuharren, verlangte ihn trotzdem danach, seinem Land die Katastrophen eines Bürgerkrieges zu ersparen, eine Begegnung mit den überlegenen Streitkräften des Constantius zu vermeiden und sich selbst nicht dem Vorwurf der Treulosigkeit und der Undankbarkeit auszusetzen. Angetan mit den Abzeichen seiner militärischen und kaiserlichen Macht, zeigte sich Julian auf dem Marsfeld seinen Soldaten, welche mit heller Begeisterung die Sache ihres Pflegekindes, Anführers und Freundes betrieben. Er rief ihnen noch einmal ihre Siege ins Gedächtnis, seufzte über ihre Entbehrungen, lobte ihre Entschlossenheit und suchte ihrem Ungestüm zu steuern. Er löste die Versammlung allerdings nicht auf, bevor er nicht von ihnen das feierliche Versprechen erhalten hatte, dass sie, wenn der Herrscher des Ostens einen gerechten Vertrag unterschreiben würde, von allen Eroberungsplänen abstehen und sich mit dem stillen Besitz von Gallien bescheiden würden.

Mit dieser Versicherung schrieb er im eigenen und der Armee Namen einen sehr gemäßigten Brief Diesem für die Öffentlichkeit bestimmten Brief fügte er, wie Ammianus sagt, obiurgatorias et mordaces (vorwurfsvolle und bittere) Privatbriefe hinzu, welche aber der Historiker nicht selbst gesehen hatte und dann noch nicht einmal hätte publizieren wollen. Vielleicht gab es überhaupt keine. an Pentadius, seinen magister officium und seinen Kammerherrn Eutherius; diesen beiden Abgesandten trug er auf, die Antwort des Constantius abzuwarten und seine Verfügungen entgegen zu nehmen. Der Brief beginnt mit dem bescheidenen und angemessenen Titel Caesar; aber Julian beansprucht für sich in weitläufiger, wenngleich respektvoller Weise den Augustustitel. Er stellt die Ungesetzlichkeit seiner eigenen Erhebung nicht in Abrede, während er in gewissem Umfang den Verdruss und die Gewalttätigkeiten der Truppen rechtfertigt, die ihm sein widerstrebendes Einverständnis abgetrotzt hätten. Er anerkennt den Supremat seines Bruders Constantius; er bietet ihm an, ihm ein jährliches Geschenk an spanischen Pferden zu überlassen, seine Armee mit ausgewählten Barbarenjünglingen zu bestücken und ferner noch einen Prätorianerpräfekten seiner Wahl zu akzeptieren. Für sich selbst beansprucht er die Ernennung der anderen zivilen und militärischen Amtsinhaber und die Truppen, die Steuern und die Oberherrschaft über die Provinzen jenseits der Alpen. Er appelliert an den Herrscher, die Gebote der Gerechtigkeit zu befragen; den Ränken jener umtriebigen Schranzen zu misstrauen, die nur lebten, wenn die Herrscher uneins seien; und die Gelegenheit zu einem ehrlichen und ehrenhaften Frieden zu ergreifen, der beiden Vorteil bringe, dem Reich und dem Hause Constantins. Julian beanspruchte also nur das, was er ohnedies schon besaß. Die geliehene Macht, die er seit langem über Gallien, Spanien und Britannien ausübte, wurde lediglich, wenn auch unter einem souveräneren und erhabenerem Namen, weiterhin ausgeübt. Soldaten und Volk freuten sich über eine Revolution, in der noch kein Blut geflossen war, nicht einmal das der Schuldigen. Florentius war auf der Flucht, Lupicinus eingesperrt. Wer mit der neuen Regierung unzufrieden war, wurde entwaffnet und in Gewahrsam verbracht; und die vakanten Stellen wurden nach Verdienst verteilt von einem Herrscher, dem die Intrigen des Palastes und das Geschrei der Soldaten höchlich zuwider waren. Siehe die ersten Regierungstätigkeiten bei Julian, Ad S.P.Q. Atheniensem, p. 285; Ammianus 20,5 und 8; Libanios, Oratio parentalis 49f.

 

ZÜGE NACH GERMANIEN

Zeitgleich mit den Friedensbemühungen fanden fieberhafte Kriegsvorbereitungen statt. Die Armee, die Julian für sofortige Unternehmungen in Bereitschaft hielt, erhielt Zulauf aus den Wirren der Zeit. Die brutalen Verfolgungen des Magnentius hatten Gallien zahlreiche Gesetzlose und Räuberbanden beschert. Freudig stimmten sie in das Angebot einer allgemeinen Amnestie, ausgesprochen von einem Herrscher, dem sie trauen konnten, unterwarfen sich militärischer Disziplin und bewahrten sich nur ihren unauslöschlichen Hass gegen die Person und die Regierung des Constantius. Libanios, Oratio parentalis 50f. Eine bemerkenswerte Unordnung, die sich da über sieben Jahre hinzog. In den griechischen Städtebünden betrug die Zahl der Exilierten 20.000; und Isokrates versichert Philipp, es sei leichter, eine Armee aus Vagabunden aufzustellen als aus Städtern. Siehe Hume, Essays, Band 1, p. 426.

Sobald die Jahreszeit es Julian erlaubte, den Feldzug zu beginnen, erschien er an der Spitze seiner Legionen; ließ in der Nähe von Cleve eine Brücke über den Rhein schlagen; und schickte sich an, die Treulosigkeit der Attuarier zu züchtigen, eines fränkischen Stammes, welche gemeint hatten, straflos an den Grenzen des gespaltenen Reiches plündern zu können. Die eigentlichen Schwierigkeiten und der ganze Ruhm des Unternehmens bestanden in einem Gewaltmarsch; sobald er in das Land eingedrungen war, hatte Julian es auch schon erobert, während frühere Herrscher es als unpassierbar angesehen hatten. Nachdem er hier den Frieden hergestellt hatte, inspizierte der Herrscher die Festungsanlagen entlang des Rheins von Cleve bis hinauf nach Basel; besichtigte mit besonderem Interesse die Gebiete, die er erst kürzlich den Alamannen entrissen hatte, fuhr durch Besançon, Julian gibt uns eine kurze Beschreibung von Vesontio oder Besançon (Epistulae 38, p. 414); eine felsige Halbinsel, durch den Fluss Doubs fast vollständig umschlossen; einst eine mächtige, tempelreiche Stadt, jetzt nur noch eine Kleinstadt, die aber erneut aus ihren Ruinen emporwächst. das unter ihnen besonders zu leiden gehabt hatte und schlug schließlich in Wien das Lager für den nächsten Winter auf. Der Übergang nach Gallien war mit zusätzlichen Befestigungsanlagen gesichert und verstärkt; und Julian hegte darüber hinaus die Hoffnung, dass die Germanen, die er so oft geschlagen hatte, schon vor dem Klang seines Namens zurückbeben würden. Vadomar Vadomar trat in römische Dienste und wurde von seinem Rang als Barbaren-König zum militärischen Rang eines dux von Phönizien befördert. Er hatte immer noch denselben verschlagenen Charakter (Ammianus 21,4): aber unter Valens ließ er doch im armenischen Krieg Talent erkennen. war der einzige Alamannenherrscher, den er respektierte oder sogar fürchtete; und während der arglistige Barbar vorgab, die Unversehrtheit der Verträge zu beobachten, bedrohte der Vormarsch seiner Truppen den Staat mit einem ungelegenen und gefährlichen Krieg. Die Politik Julians ging nun dahin, den Alamannenfürsten mit seinen eigenen Kunstgriffen zu überraschen; und Vadomar, der unter der Maske der Freundschaft eine Einladung der römischen Gouverneure anzunehmen leichtsinnig genug gewesen war, wurde während der Lustbarkeit festgesetzt und als Gefangener ins Herz von Spanien verbracht. Bevor sich die Barbaren von ihrer Überraschung erholt hatten, erschien der Herrscher am Rhein unter Waffen, überquerte ihn ein weiteres Mal und erneuerte den Eindruck von Schrecken und Respekt, den er schon bei früherer Gelegenheit erzeugt hatte. Ammianus 20,10 und 21,3; Zosimos 3,10.

 

KRIEGSERKLÄRUNG 361 A.D.

Die Abgesandten Julians hatten Anweisung erhalten, ihre wichtige Mission mit der äußersten Delikatesse zu erfüllen. Aber schon bei ihrer Reise durch Italien und Illyrien wurden sie durch die schleppende Abfertigung der Provinzialgouverneure behindert; auf ihrem Weg von Konstantinopel nach Caesarea in Kappadokien kamen sie nur langsam voran; und als sie endlich vor Constantius gelassen wurden, mussten sie feststellen, dass er sich aus den Depeschen seiner eigenen Offiziere bereits eine höchst ungünstige Meinung über Julian und die gallische Armee gebildet hatte. So hörte er denn den Brief in übler Laune an; die zitternden Boten wurden entlassen, ungnädig und mit Verachtung; und die Blicke, die Gesten und die zornige Sprache des Monarchen verrieten den Aufruhr seiner Seele. Die familiären Beziehungen, welche allenfalls den Bruder und den Gatten der Helena hätten versöhnen können, waren infolge des Todes jener Prinzessin zerstört, welche mehrfach Fehlgeburten gehabt hatte und schließlich an den Folgen gestorben war. Ihre sterblichen Reste wurden nach Rom überführt, und in der Nähe ihrer Schwester Constantia im Stadtteil Via Nomentanis beigesetzt (Ammianus 21,1). Libanios hat eine äußerst dürftige Verteidigungsschrift verfasst, die seinen Helden von einem völlig abwegigen Vorwurf freisprechen sollte, nämlich seine Frau vergiftet und ihren Arzt mit den Juwelen seiner Mutter belohnt zu haben. (Siehe die 7. von 17. neuen Reden, Venedig 1754, aus einer Handschrift der Bibliothek von St. Marcus, p. 117-127.). Elpidius, der Prätorianerpräfekt des Ostens, an den sich der Ankläger des Julian wendet, wird von Libanius als weibisch und undankbar hingestellt; allerdings wird die Frömmigkeit des Elpidius von Hieronymos (Opera, Band 1, p. 243) und seine Menschenfreundlichkeit von Ammianus gerühmt (21,6). Die Kaiserin Eusebia hatte bis an ihr Ende die innige, fast schon eifersüchtige Zuneigung zu Julian bewahrt, die sie für ihn von jeher empfand; ihr heilsamer Einfluss hätte möglicherweise auf die Gefühle des Herrschers moderierend einwirken können, welcher nach ihrem Tode sich nur noch seinen Leidenschaften und den Ränken der Eunuchen überließ.

Dann aber nötigte ihn eine ausländische Invasion, seine Privatkrieg ruhen zu lassen; so brach er neuerlich an die persische Grenze auf und hielt es für hinreichend, vorher noch die Bedingungen zu unterzeichnen, deren Erfüllung Julian und seinem schuldigen Anhang einen Anspruch auf die Milde ihres gekränkten Herrschers hätten geben können. Er verlangte, dass der vermessene Caesar von dem Titel und Rang eines Augustus, den er von den Rebellen angenommen hatte, zurücktreten müsse; dass er zu seiner früheren Stellung als nachgeordneter, weisungsgebundener Minister zurückkehren solle; dass er die Befehlsgewalt in Staat und Armee in die Hand der Offiziere legen solle, die ihm der kaiserliche Hof benennen werde; und dass er seine Sicherheit der Gnadensonne des Epictetus anvertrauen möge, welcher Bischof in Gallien und ein arianischer Günstling des Constantius war.

Mehrere Monate waren fruchtlos verstrichen, man hatte verhandelt über eine Distanz von dreitausend Meilen zwischen Paris und Antiochia; und als Julian nun erkennen musste, dass sein maßvoller und respektvoller Brief lediglich dazu beigetragen hatte, den Hochmut seines unversöhnlichen Feindes weiter anzustacheln, entschloss er sich kühn, sein Leben und seine Zukunft vom Ausgang eines Bürgerkrieges abhängig zu machen. So erteilte er dem Quaestor Leonas öffentliche Audienz in Anwesenheit der Truppen: Der arrogante Brief des Constantius ward der gespannt lauschenden Menge vorgelesen; und Julian beteuerte mit submissestem Respekt, dass er seines Augustustitels zu entsagen bereit sei, wenn denn das Einverständnis derer einzuholen ihm gelänge, die er als die Urheber eben dieser Erhöhung anerkenne. Dieser kraftlose Vorschlag wurde mit Ungestüm zum Schweigen gebracht; und Zurufe wie ›Julian Augustus, regiere weiter, sei der Herr der Armee, des Volkes, der Republik, die du errettet hast!‹ donnerten an allen Ecken des Platzes los und entsetzten Constantius' bleichen Abgesandten. Danach wurde der Teil des Briefes verlesen, in welchem der Kaiser über Julians Undankbarkeit Klage führte, dem er doch mit dem Purpur geehrt habe; den er mit soviel Sorgfalt und Zärtlichkeit auferzogen habe; den er in seiner Kindheit geschützt habe, als er allein gelassen war, eine hilflose Waise; ›Eine Waise!‹ unterbrach da Julian, der seine Sache zu rechtfertigen trachtete, indem er seinen Zorn steigerte; ›tadelt mich etwa der Mörder meiner Familie dafür, dass ich als Waise zurückblieb? Er drängt mich, das Unrecht zu rächen, das ich so lange zu vergessen versucht habe.‹

Die Versammlung ward entlassen; und Leonas, der nur mit einiger Mühe vor dem allgemeinen Volkszorn geschützt werden konnte, wurde zu seinem Herrn zurückgeschickt mit einem Brief, in welchem Julian mit ausgesucht heftiger Beredsamkeit alle Gefühle der Verachtung, des Hasses und des Zornes zum Ausdruck brachte, welche in zwanzigjährige Verstellung unterdrückt und dadurch erhöht worden waren. Nach dieser Botschaft, die man wohl als Signal für einen unvermeidlichen Krieg ansehen durfte, erklärte Julian öffentlich, nachdem er ein paar Wochen vorher das christliche Epiphaniasfest Feriarum die, quem celebrantes mense Januario, Christiani 'Epiphania' dictitant, progressus, in eorum ecclesiam, solemniter numine orato discessit. [An einem Feiertag im Januer, den die Christen ›Epiphanias‹ nennen, ging er in eine Kirche und verließ sie wieder nach ernstem Gebet]. Ammianus 21,2. Zonaras merkt an, dass dieses am Weihnachtstag stattfand, und diese Versicherung ist in sich stimmig: denn die Kirchen von Ägypten, Asien und vielleicht auch noch Gallien feiern am selben Tag (6. Januar) die Geburt und die Taufe ihres Erlösers. Die Römer, denen sein wahres Geburtsdatum ebenso unbekannt war wie ihren Glaubensbrüdern, verlegten das hohe Fest auf den 25. Dezember, die Brumalia oder Wintersonnenwende, an welcher die Heiden die jährliche Geburt der Sonne festlich begingen. Siehe Bingham, Christian Antiquities, Buch 20, c.4 und Beausobre, Histoire du Manichéisme, Band 2, p. 690-700. begangen hatte, dass er die Sorge um sein Überleben den UNSTERBLICHEN GÖTTERN in die Hand lege; auf welche Weise er sich öffentlich von der Religion und der Freundschaft des Constantius lossagte. Die öffentlichen und geheimen Verhandlungen zwischen Constantius und Julian müssen mit der gebührenden Vorsicht entnommen werden bei: Julian (Oratio ad S.P.Q. Atheniensem, p. 286), Libanios (Oratio parentalis 51), Ammianus (20, 9), Zosimos (3,9) und sogar bei Zonaras (13, 10), der in diesem Fall einige wichtige Quellen besessen und ausgechöpft zu haben scheint.

 

ANGRIFFSVORBEREITUNGEN

Die Lage Julians machte ein hartes und rasches Handeln erforderlich. Er hatte aus abgefangenen Briefen erfahren, dass sein Gegner seine persönlichen Interessen als Monarch über die Belange des Staates stellte und die Barbaren zum Einfall in die westlichen Provinzen ermuntert hatte. Die Lage zweier Vorratsmagazine, eines am Bodensee und das andere am Fuß der cottischen Alpen, ließen den Abmarsch von zwei Armeen erraten; und die Größe dieser Magazine, Dreihundert Myriaden oder drei Millionen Medimni, ein den Athenern geläufiges Kornmaß, welches sechs römischen modii entsprach. Julian erklärt ganz wie ein Soldat und Staatsmann das Gefährliche seiner Situation und die Notwendigkeit und den Vorteil eines Angriffskrieges. Ad S.P.Q. Atheniensem, p.286f. welche jeweils sechshunderttausend Quarter Weizen, oder vielmehr Mehl enthielten, waren ein deutlicher Hinweis auf die Stärke und Anzahl seiner Feinde, die offenbar planten, ihn von allen Seiten anzugreifen.

Aber noch standen die kaiserlichen Truppen in ihren Quartieren im fernen Asien; die Donau war nur schwach geschützt; und konnte Julian durch einen überraschenden Einmarsch die wichtigen illyrischen Provinzen besetzen, dann durfte er auch erwarten, dass sich Soldaten in Mengen zu seinen Fahnen finden und dass die reichen Gold- und Silberminen ihm helfen würden, die Kosten des Bürgerkrieges zu bestreiten. In einer Heeresversammlung trug er diesen kühnen Plan vor; gab seinen Soldaten das rechte Vertrauen in ihren General und in sich selbst; und forderte sie auf, ihrem Ruf treu zu bleiben und ihren Feinden fürchterlich, ihren Mitbürgern freundlich und ihren Vorgesetzten gehorsam zu sein. Seine begeisternde Rede wurde mit dröhnendem Beifall aufgenommen, und dieselben Truppen, die gegen Constantius noch die Waffen erhoben hatten, als er sie zum Verlassen Galliens zwingen wollte, erklärten jetzt mit Feuer, dass sie Julian bis in die entlegensten Landstriche Europas oder Asiens folgen würden. Der Treueeid ward abgenommen; und die Soldaten rasselten mit ihren Schilden, hielten das gezückte Schwert an ihre Kehle, und weihten sich so, unter grässlichen Beschwörungsformeln, dem Dienst an einem Feldherren, der für sie der berühmte Befreier Galliens und der Bezwinger der Germanen war. Zu seiner Rede und dem Verhalten der Truppe siehe Ammianus 21,5.

Dieser unbeirrbaren Kampfbereitschaft, die mehr von Zuneigung als von Pflichtgefühl geleitet schien, widersetzte sich allein der Prätorianerpräfekten Nebridius. Dieser treue Diener stand inmitten einer bewaffneten und aufgeputschten Menge für die Rechte des Constantius ein und hätte ihrem Zorn beinahe ein ebenso ehrbares wie sinnlosen Opfer gebracht. Erst als er durch einen Schwerthieb eine Hand verloren hatte, umfasste er das Knie des Mannes, den er beleidigt hatte. Julian deckte den Praefekten mit seinem Purpurmantel, und gab ihm sicheres Geleit in sein eigenes Haus, möglicherweise mit weniger Respekt, als es ein tapferer Gegner verdient hätte. So verweigerte er dem Bittflehenden die Hand und schickte ihn in die Toskana (Ammianus 21,5). Libanius beleidigt Nebridius mit heftigen Vorwürfen, lobt die Soldaten; und fast tadelt er die Menschlichkeit des Julian. Oratio parentalis 53. Des Nebridius hohes Amt ging an Sallust über; und die gallischen Provinzen, nunmehr von einer drückenden Steuerlast befreit, blühten unter der milden und gerechten Verwaltung dieses Freundes von Julian, welcher nunmehr die Grundsätze bewähren durfte, die er einst dem Gemüt seines Schülers eingeprägt hatte. Ammianus 21,8. Bei dieser Beförderung richtete Julian sich nach dem Gesetz, das er sich selbst öffentlich auferlegt hatte. ›Neque civilis quisquam iudex nec militaris [militiae] rector, alio quodam praeter merita suffragante, ad potiorem veniat gradum.‹ [Kein Zivilrichter und kein Militär soll zu höheren Diensträngen aufsteigen außer aufgrund seiner Verdienste]. (Ammianus 20,5.) Die Abwesenheit minderte seine Achtung vor Sallust durchaus nicht, mit dessen Namen er sogar ein Konsulat (A.D. 363) ehrte.

 

VORMARSCH NACH ILLYRICUM

Julian knüpfte seine Hoffnungen nicht so sehr an die Anzahl seiner Soldaten als vielmehr an das Tempo seiner Truppenbewegungen. Bei der Durchführung eines verwegenen Unternehmens griff er zu allen erdenklichen Vorsichtsmaßregeln, soweit Klugheit sie noch irgend billigen konnte; und wenn mit Klugheit nichts mehr zu bewirken war, vertraute er seine Sache seinem Mut und seinem Glück an. In der Nähe von Basel Ammianus (21,8) schreibt die gleiche Praxis und die gleichen Beweggründe Alexander d.Gr. und anderen wackeren Feldherren zu. sammelte er seine Armee und ließ sie dann getrennt marschieren. Ein Kontingent aus zehntausend Mann erhielt Order, unter Führung des Reitergenerals Nevitta durch Rhaetien und Noricum zu marschieren. Eine ähnliche Teilung der Truppen wurde vorgenommen, damit sie unter dem Kommando von Jovius und Jovinus dem serpentinenreichen Weg der Staatsstraßen durch die Alpen und das nördliche Italien folgten.

Die Anweisungen an die Generäle waren klar und präzise: in Eile und geschlossenen Marschsäulen vorwärts zu rücken, welche sich den jeweiligen Gegebenheiten des Geländes entsprechend rasch in Schlachtordnung umstellen ließen; sich gegen die Fährnisse der Nacht durch starke Bewachung und zahlreiche Posten zu sichern; dem Widerstand durch ihre unerwartete Ankunft vorzubauen; Ausforschungen durch raschen Aufbruch zu erschweren; Gerüchte von ihrer Stärke zu streuen und seinen Namen fürchterlich zu machen; und sich mit ihrem Herrscher vor den Mauern Sirmiums zu vereinigen. Sich selbst hatte Julian eine schwierigere und wichtigere Rolle vorbehalten. Er suchte sich dreitausend tapfere Freiwillige, empfahl ihnen, so wie ihr Anführer zunächst alle Hoffnung auf gesunde Rückkehr fahren zu lassen: an der Spitze dieser ergebenen Mannschaft begab er sich furchtlos in die unwegsame Einsamkeit des Marcianischen Dieser Wald war Teil des riesigen hercyanischen Waldes, welcher sich zu Caesars Zeiten von Basel bis in die unendlichen Weiten des Nordens erstreckte. Siehe Cluver, Germania antiqua, Buch 3, c.47. oder Schwarzwaldes, in welchem die Donauquellen entspringen; und für mehrere Tage war Julian für die Welt verloren. Da sein Marsch geheim war, gut organisiert und energisch, überwand man jedes Hindernis; er erzwang sich seinen Weg über Berge und Sümpfe, ließ Brücken schlagen oder durch Flüsse schwimmen, nahm die kürzeste Strecke, Siehe Libanios, Oratio parentalis 53, und daneben Gregor von Nazianz, Orationes 3. Selbst der Heilige bewundert das Tempo und die Geheimhaltung seines Marsches. Ein Himmlischer der Gegenwart könnte Julians raschem Vorankommen die folgenden Zeilen (Miltons) widmen, welche ursprünglich für einen anderen Apostaten geschrieben waren: So eagerly the fiend/ O'er bog, or steep, through strait, rough, dense, or rare/ With head, hands, wings, or feet, pursues his way/ And swims, or sinks, or wades, or creeps, or flies. [So hastig bahnt der Böse Feind sich seinen Weg über Moor, Hügel, raues Land, dichte oder dünne Luft, mit Kopf, Hand, Flügeln oder Fuß und schwimmt und sinkt und steigt und kriecht und fliegt]. unbekümmert darum, ob es sich um römisches oder feindliches Gebiet handelte und kam schließlich zwischen Regensburg und Wien an die Stelle, an welcher er seine Truppen auf die Donau einschiffen wollte.

Mit Hilfe einer wohldurchdachten Kriegslist bemächtigte er sich einer ganzen Flotte von leichten Schonern, Die Notitia Sect 58. [Staatshandbücher für den Dienstgebrauch röm. Behörden, A.d.Ü.] lässt in diesen Zwischenraum zwei oder drei Flottillen verlegen, die Lauriacensis, (bei Lauriacum oder Lorch), die Arlapensis und die Maginensis; sie erwähnt ferner fünf Legionen, (oder Kohorten) der Liburnarii, welche eine Art Marine abgaben. die dort vor Anker lag, hielt ausreichenden Proviant von der einfachen Sorte für den nicht eben wählerischen, aber doch beträchtlichen Appetit seiner gallischen Armee bereit; und vertraute sich guten Mutes der Donau an. Die Anstrengungen seiner Marinesoldaten, die ihre Ruder mit viel Umsicht handhabten und ein beständiger Wind aus der richtigen Richtung brachten seine Flotte in elf Tagen siebenhundert Meilen vorwärts; Einzig Zosimos (3,10) hat diesen bemerkenswerten Umstand berichtet. Mamertinus (Panegyrici 11,6-8), der Julian als eine Art ›Staatsschatzmeister‹ begleitete, schildert diese Reise blumenreich und farbenprächtig und bemüht sogar Triptolemos und die griechischen Argonauten. und bevor seine Gegner zuverlässige Kunde davon hatten, dass er die Rheingegend verlassen hatte, war er bereits mit seinen Truppen bei Bononia gelandet, nur neunzehn Meilen von Sirmium entfernt.

Während seiner langen und raschen Flussfahrt hatte sich Julian auf das Objekt seines Unternehmens konzentriert; und wenn er auch die Deputationen einiger Städte empfing, welche sich sputeten, das Verdienst einer früh- und rechtzeitigen Unterwerfung für sich zu reklamieren, so passierte er doch die feindlichen Lager, die am Flussufer aufgereiht standen, ohne dabei der Versuchung zu erliegen, zur Unzeit und ohne Nutzen mit seinen Kräften zu prahlen. An beiden Donauufern drängten sich Zuschauer in Massen, welche den militärischen Aufwand bestaunten, wohl auch die Bedeutung der kommenden Ereignisse ahnten, und dann in den umliegenden Ländereien den Ruhm des jugendlichen Helden verbreiteten, welcher mit einer Geschwindigkeit, die sterbliches Maß überschreite, an der Spitze des westlichen Truppen vorwärts eile.

Lucilian, der im Range eines Reitergenerales die illyrischen Truppen kommandierte, wurde durch die unglaublichen Nachrichten aufgeschreckt und verwirrt, die er weder abtun noch glauben konnte. Er hatte ein paar zögerliche und ohnmächtige Maßnahmen getroffen, um seine Truppen zusammen zu ziehen, als ihn auch schon Dagalaiphus überraschte, ein Frontoffizier, welchen ihm Julian nach seiner Landung in Bononia mit geringen Infanteriekräften entgegen geschickt hatte. Der General ward gefangen genommen, rasch auf ein Pferd gesetzt und Julian vorgeführt; dieser nun half ihm freundlich von Boden auf und zerstreute seine Ängste und seine Bestürzung, welche seine Geisteskräfte sichtlich lähmten. Aber kaum dass Lucilian sein Fassung wieder erlangt hatte, verriet er auch schon Mangel an Besonnenheit, indem er sich nicht entblödete, seinen Besieger zu tadeln, dass er sich mit vorschneller Kühnheit und nur einer Handvoll Leuten mitten unter seine Feinde gewagt habe. ›Spare dir diese bänglichen Ermahnungen für deinen Meister Constantius auf,‹ erwiderte Julian mit dem Lächeln der Verachtung; ›als ich dir meinen Purpur zum Kusse reichte, habe ich mit dir nicht den Ratgeber, sondern den Flehenden empfangen.‹

In dem Bewusstsein, dass nur Erfolg sein Unternehmen rechtfertigen könne und dass Erfolg ein Kind der Kühnheit sei, griff er unverzüglich an der Spitze von dreitausend Mann die stärkste und größte Stadt der illyrischen Provinzen an. Als er in den langgezogenen Vorort von Sirmium einmarschierte, wurde er durch den begeisterten Jubel der Armee und des Volkes begrüßt; welche mit Blumen bekränzt und mit kleinen Wachskerzen in den Händen ihren anerkannten Herrscher in seine kaiserliche Residenz begleiteten. Zwei Tage blieben öffentlichen Lustbarkeiten und Zirkusspielen vorbehalten; am Morgen des dritten Tages rückte Julian aus, um den engen Pass von Succi in Besitz zu nehmen, welcher ziemlich genau auf halbem Wege zwischen Sirmium und Konstantinopel die Provinzen von Thrakien und Dacien trennt, und zwar durch einen Steilhang in Richtung auf die erstgenannte und ein leichtes Gefälle auf Seiten der letztgenannten. Die Beschreibung von Ammianus, die auch durch andere Befunde unterstützt werden kann, bestätigt die genaue Lage der Angustiae Succorum oder der Succi-Pässe. Herr d'Anville hat sie wegen der frappierenden Ähnlichkeit der Namen zwischen Sardica und Naissus verlegt. Nur zu meiner eigenen Rechtfertigung fühle ich mich zu der Mitteilung verpflichtet, dass dies der einzige Fehler ist, welchen ich in den Karten und Schriften dieses großen Geographen entdeckt habe. Die anschließende Verteidigung dieser wichtigen Stellung wurde dem wackeren Nevitta anvertraut; welcher, wie alle Generäle der italischen Abteilung, den Marsch und die Vereinigung erfolgreich durchführte, nachdem ihr Gebieter sie so sorgfältig vorbereitet hatte. Welche Nebenumstände wir auch von sonst woher entnehmen mögen, den eigentlichen Gang unserer Erzählung bestimmt Ammianus (21,8-10).

 

ER RECHTFERTIGT SEIN VORGEHEN

Die Ehrungen, die Julian infolge der Angst oder der Zuneigung der Bevölkerung zuteil wurden, reichten weiter als die unmittelbare Wirkung seiner Waffen. Ammianus, 21,9f; Libanios, Oratio parentalis 54; Zosimos 3,10. Die Präfekturen von Italien und Illyrien wurden von Taurus und Florentinus versehen, welche zusätzlich zu diesem wichtigen Amt noch die leere Würde des Konsulates bekleideten. Und als diese Magistrate sich überhastet an den Hof von Asien zurückgezogen hatten, brandmarkte Julian, der seinem impulsiven Temperament nicht beständig gebieten konnte, ihre Flucht, indem er in allen Jahrbüchern den Zusatz fugitivus hinter die Namen der beiden Konsuln setzen ließ. Die Provinzen, welche von ihren obersten Beamten im Stich gelassen waren, anerkannten nunmehr die Befehlsgewalt eines Kaisers, in dessen Inneren sich die Eigenschaften eines Soldaten mit denen eines Philosophen vertrugen und der in den Militärlagern an der Donau ebenso geachtet war wie in den Städten Griechenlands.

Von seinem Palast, oder besser gesagt, von seinem Hauptquartier in Sirmium und Naissus aus schickte er an die wichtigsten Städte des Reiches eine wohldurchdachte Verteidigungsschrift für sein eigenes Verhalten; veröffentlichte die geheimen Sendschreiben des Constantius; und forderte die Menschheit auf, sich zwischen zwei Bewerbern zu entscheiden, von denen einer die Barbaren verjagt und der andere sie eingeladen habe. Julian (Ad S.P.Q. Atheniensem p. 286) versichert mit Bestimmtheit, dass er die Briefe des Constantius an die Barbaren abgefangen habe; und Libanios versichert ebenso nachdrücklich, dass er sie auf seinen Fahrten zu den Truppen und den Städten gelesen habe. Ammianus indessen sagt kühl und zurückhaltend, ›si famae solius admittenda est fides‹ [Solange man denn einem Gerücht allein Vertrauen schenken darf]. Er zitiert jedoch auch noch einen abgefangenen Brief des Vadomar an Constantius, der auf einen innigen Austausch zwischen den beiden schließen lässt: ›Caesar tuus disciplinam non habet.‹ [Dein Caesar hat's nicht so mit der Disziplin].

Julian, dessen Seele durch den Vorwurf der Undankbarkeit zutiefst verletzt war, war bemüht, durch Worte und Waffentaten seine bessere Sache darzulegen; und sich nicht nur in den Künsten des Krieges, sondern auch in denen der Schriftstellerei hervor zu tun. Sein Brief an Senat und Volk von Athen Zosimos erwähnt diese Briefe an die Athener, Korinher und Lakedämonier. Ihr Inhalt war vermutlich jedes Mal gleich, aber die Ansprache wurde geschickt variiert. Der Athenerbrief ist überliefert (p. 268 und 287) und hat viele wertvolle Informationen geliefert. Er verdient das Lob, das der Abt de la Bleterie im Vorwort zur Histoire de Jovien ausspricht (Band 1, p. 24 f.) und zählt überhaupt zu einem der besten Bulletins in irgendeiner Sprache. schien von der Freude an der Eleganz diktiert; so legte er denn seine Taten und deren Motive den heruntergekommenen Athenern seiner Zeit mit der gleichen bescheidenen Ehrerbietung zur Beurteilung vor, als hätte er in den Zeiten des Aristides vor dem Areopag seine Sache vertreten. Sein Ansuchen an den Senat von Rom, der ja immer noch die imperiale Würde zu vergeben befugt war, passte zu den Gebärden der untergehenden Republik. Der Stadtpräfekt Tertullus berief eine Versammlung ein; Julians Brief ward verlesen; und da er nun mal der Herr Italiens war, wurde sein Anspruch ohne Gegenstimme für gut geheißen. Seine versteckte Kritik an Constantins Neuerungen und seine heftigen Ausfälle gegen die Verbrechen des Constantius hörte man mit weniger Genugtuung; und unisono, als ob Julian in Person zugegen gewesen wäre, rief der Senat aus: ›Ehre und achte doch, dringend beschwören wir dich, den Urheber deines eigenen Glückes!‹ ›Auctori tuo reverentiam rogamus‹. Ammianus 21,10. Es bereitet schon einiges Vergnügen, die inneren Konflikte des Senats zwischen Schmeichelei und Angst zu beobachten. Siehe auch Tacitus, Historien 1,85. Eine kunstreiche Formel, welche sich je nach Kriegsausgang verschiedentlich auslegen lässt; als beherzten Tadel für die Undankbarkeit des Thronräubers oder als schmeichelndes Eingeständnis, dass eine einzige derartige Handlung, die so segensreich für den Staat sei, Genugtuung sei für alle Missetaten des Constantius.

 

CONSTANTIUS FEINDSELIG GEGEN JULIAN

Die Nachricht vom Vormarsch und raschen Erfolg Julians wurde seinem Rivalen in Eile überbracht, dem Sapors Rückzug zu einer Atempause im Perserkrieg verhalf. Durch vorgetäuschte Verachtung suchte Constantius die Furcht seiner Seele zu verhehlen und erbot sich, nach Europa zurückzukehren, die Jagd auf Julian zu eröffnen; denn er sprach über militärische Unternehmungen niemals anders als von Jagdausflügen. ›Tanquam venaticiam praedam caperet: hoc enim ad leniendum suorum metum subinde praedicabat.‹ [Um ihn wie eine Jagdbeute zu fangen: dies nämlich sagte er des Öfteren, um die Furcht der Seinen zu mindern]. Ammianus 21,7. Im Lager von Hierapolis zu Syrien erklärte er seiner Armee dieses Vorhaben, erwähnte mit Geringschätzung den Caesar, dessen Vergehen und Voreiligkeit und scheute nicht davor zurück, ihnen zu versichern, dass die gallischen Meuterer, sollten sie denn ihnen im Felde zu begegnen sich erkühnen, bereits dem Feuer ihrer Augen und ihrem Kriegsgeschrei zu widerstehen außerstande sein würden. Die Ansprache des Kaisers wurde mit militärischem Beifall aufgenommen, und Theodotos, der Vorsitzende des Rates von Hieropolis, fragte unter erheuchelten Tränen an, ob nicht seine Stadt sich mit dem Kopf des zermalmten Empörers zieren dürfe. Rede und Zurüstungen sind bei Ammianus 21,13 nachzulesen. Der schäbige Theodotos erflehte hernach und erhielt von dem gnädigen Sieger tatsächlich Pardon, der seinen Wunsch zu erkennen gab, die Zahl seiner Feinde zu vermindern und die seiner Freunde zu vermehren. Danach wurde eine ausgewählte Schar in Postwagen losgeschickt, die Höhen von Succi zu sichern, wenn es denn noch möglich sei; die Ausgehobenen, die Pferde, die Waffen und die Vorräte, die man gegen Sapor einsetzen wollte, mussten nun im Bürgerkrieg ihre Dienste leisten; und die Siege, die Constantius gegen heimische Gegner errungen hatte, erfüllten seine Streiter mit den schönsten Siegeshoffnungen.

Gaudentius hatte in seinem Namen die afrikanischen Provinzen besetzt; eine Getreidelieferung aus Rom ward abgefangen; und Julians Schwierigkeiten wuchsen noch in Folge eines Ereignisses, dass leicht hätte verhängnisvoll werden können. Zwei Legionen und eine Kohorte Bogenschützen aus Sirmium hatten sich Julian unterworfen; aber er zweifelte mit Grund die Zuverlässigkeit dieser Truppen an, welche vorher durch den Kaiser ausgezeichnet worden waren; und so hielt man es denn für ratsam, sie unter dem Hinweis auf die heikle Lage an der gallischen Grenze aus dem Zentrum der Ereignisse abzuziehen. Sie kamen, wenn auch unter Murmeln, bis an die italienische Grenze; da sie aber die Länge des Weges und die Wildheit der Germanen fürchteten, beschlossen sie, angestiftet von einem ihrer Tribunen, bei Aquileia Halt zu machen und auf den Mauern dieser uneinnehmbaren Stadt das Banner des Constantius aufzuziehen. Julians Wachsamkeit bemerkte noch rechtzeitig das Ausmaß des Übelstandes und die Notwendigkeit, unverzüglich Abhilfe zu schaffen. Auf sein Geheiß zog Jovianus mit einem Teil der Armee nach Italien zurück; und die Belagerung von Aquileia wurde mit Umsicht vorbereitet und mit Nachdruck durchgeführt. Aber auch die Legionäre, welche eben noch das Joch der Disziplin abgeschüttelt zu haben schienen, verteidigten den Platz mit Geschick und Verbissenheit; forderten das übrige Italien sogar auf, ihrer vorbildlichen Treue nachzueifern; und stellten für Julians Rückzug, falls er der überlegenen Stärke der östlichen Armee hätte weichen müssen, eine ernste Bedrohung dar. Ammianus 21, 7,11,12. Ammianus scheint auf die Beschreibung der Belagerung Aquileias -das bei dieser Gelegenheit seinen Ruhm neuerlich bewährte- überflüssige Mühe verwandt zu haben. Gregor von Nazianz schreibt diese zufällige Empörung Constantius' Weisheit zu, dessen sicheren Sieg er mit einigem Anschein von Wahrheit verheißt: ›Constantio, quem credebat procul dubio fore victorem: nemo enim omnium tunc ab hac constanti sententia discrepabat.‹ [Constantius, von dessen Sieg er ohne Zweifel überzeugt war: niemand jedenfalls hatte eine anders lautende Auffassung]. Ammianus 21,7.

 

TOD DES CONSTANTIUS A.D. 361 JULIANS EINZUG IN KONSTANTINOPEL

Aber Julians Menschlichkeit blieb die grausame Wahl erspart, die er selbst so innig verabscheute, nämlich entweder vernichten oder selbst untergehen zu müssen: und nur der rechtzeitige Tod des Constantius ersparte dem Römischen Reich die Nöte eines Bürgerkrieges. Der bevorstehende Winter konnte den Monarchen nicht in Antiochia zurückhalten; und seine Günstlinge trugen Bedenken, seinen Rachegelüsten zu widerraten. Ein leichtes Fieber, das er sich vielleicht nur infolge der Gärungen seines Gemütes zugezogen hatte, verschlimmerte sich infolge der Anstrengungen der Reise; und so musste Constantius in der Kleinstadt Mopsucrene Station nehmen, zwölf Meilen hinter Tarsus, wo er nach kurzer Krankheit starb, in seinem fünfundvierzigsten Lebensjahr und dem vierundzwanzigsten Jahr seiner Regierung. Sein Sterben und sein Charakter werden getreulich von Ammianus (21,14-16) geschildert; und wir selbst sind durchaus befugt, das einfältige Gekläffe des Gregor von Nazianz (Orationes 3, p. 68) zu verschmähen und zu verachten, beschuldigt er doch Julian, den Tod seines Wohltäter betrieben zu haben. Eine heimliche Reue des Kaisers, Julian geschont und gefördert zu haben (Orationes 21, p.68ff), ist an sich nicht ausgeschlossen, und es widerspricht auch nicht dem öffentlichen, mündlichen Testament, das ihm klugbedachte Rücksichten in den letzten Augenblicken seines Lebens eingegeben haben mögen. Seinen angeborenen Charakter, in dem sich Stolz und Schwäche, Aberglauben und Grausamkeit die Waage hielten, hatte er im Verlauf der voran gegangenen zivilen und kirchlichen Ereignisse zur Reife entwickelt. Der lange Missbrauch der Macht hatte ihm in den Augen seiner Zeitgenossen zu beträchtlicher Größe verholfen; aber da persönliche Leistung immer nur von der Nachwelt richtig gewürdigt werden kann, so mag denn der letzte Sohn des Constantin von der Bühne entlassen werden mit der Bemerkung, dass er alle Fehler und nicht eine einzige Tugend seines Vaters geerbt hatte. Bevor Constantius starb, soll er Julian zu seinem Nachfolger ernannt haben; auch klingt es glaubwürdig, dass seine ängstliche Sorge um sein junges und zartes Weib, das er mit einem Kind zurückließ, in seinen letzten Stunden seine sauren Hass- und Rachegedanken verdrängte. Eusebius und seine schuldbeladenen Gefährten machten einen schwachen Versuch, einen anderen Kaiser zu wählen und so die Herrschaft der Eunuchen zu verlängern: aber ihre Ränke wurden von der Armee mit Verachtung bedacht, da ihr der Gedanke an einen Bürgerkrieg fürchterlich war; und zwei Offiziere von Rang wurden unverzüglich entsandt, um Julian zu versichern, dass jedes Schwert des Reiches für ihn gezogen sei.

Die militärischen Pläne des Herrschers, in denen drei verschiedene Angriffskolonnen gegen Thrakien vorgesehen waren, wurden durch dieses glückliche Ereignis hinfällig. Ohne einen Tropfen Blut seiner Landsleute zu vergießen, errang er einen gleichsam vollständigen Sieg, und die Fährnisse eines zweifelhaften Unternehmens blieben ihm erspart. Voller Ungeduld, endlich den Ort seiner Geburt und die neue Hauptstadt des Reiches zu sehen, zog er von Naissus durch das Haemus-Gebirge und die Städte Thrakiens. Als er in Heraclea ankam, immerhin sechzig Meilen entfernt, war ganz Konstantinopel auf den Beinen, ihn zu empfangen; und triumphal war sein Einzug unter dem pflichtschuldigen Beifall der Soldaten, des Volkes, des Senates. Ungezählt die Menge, die sich respektvoll um ihn drängte und die vielleicht etwas enttäuscht war über die kleine Statur und das schlichte Auftreten eines Helden, der trotz jugendlicher Unerfahrenheit die Barbaren Germaniens zu Paaren getrieben hatte und ganz Europa in siegreichen Märschen durcheilt hatte, von den Küsten des Atlantik bis zu den Ufern des Bosporus. Bei der Beschreibung von Julians Triumphen greift Ammianus (22, 1 und 2) zum hochfliegenden Ton eines Redners oder Dichters, wohingegen Libanios (Oratio parentalis 56) sich zu der bedachtsamen Strenge eines Historikers findet.

Einige Tage später, als der Leichnam des verstorbenen Kaisers im Hafen an Land gebracht wurde, zollten die Untertanen der ehrlichen oder auch nur gespielten Humanität ihres Herrschers Beifall. Zu Fuß, ohne Diadem und im Morgenhabit begleitete er den Leichenzug bis zur Kirche der Heiligen Apostel, wo der Körper aufgebahrt wurde: und wenn man diese Ehrbezeigungen noch auslegen mochte als selbstischen Tribut vor dem älteren kaiserlichen Verwandten und dessen Würde, so offenbarten die Tränen des Julian der Welt, dass er das Unrecht vergessen hatte und sich nur der Wohltaten erinnerte, die er von Constantius einst empfangen hatte. Constantius' Begräbnis wird beschrieben von Ammianus (21,16), Gregor von Nazianz (Orationes 4), Mamertinus (Panegyrici 11), Libanios (Oraio Parentalis 57) und Philostorgios (6,6, mit Gothofreds Anmerkungen p. 265). Diese Autoren und ihre Nachfolger - Heiden, Katholiken, Arianer - sahen den toten wie den lebenden Kaiser vollkommen unterschiedlich. Sobald die Truppen in Aquileia glaubwürdige Zeitung vom Tode des Kaisers empfangen hatten, öffneten sie die Stadttore, lieferten ihre schuldigen Führer aus und erhielten so leichten Pardon, den ihnen Julians Klugheit oder Milde gewährte; welcher nunmehr, in seinem zweiunddreißigsten Jahr, zum unbestrittenen Herrscher des römischen Reiches geworden war. Tag und Jahr der Geburt Julians sind nicht genau bekannt; der Tag ist vermutlich der 6. November, und das Jahr ist entweder 331 oder 332. Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p.693; Du Cange, Familiae Byzantinae, p. 50. Ich selbst ziehe das frühere Datum vor.

 

BÜRGERLICHES LEBEN JULIANS

Die Philosophie hatte Julian gelehrt, die Vorteile des Handelns und des Nachgebens gegeneinander abzuwägen; aber seine hohe Geburt und die Wechselfälle seines Lebens hatten ihm diese Wahlfreiheit eigentlich niemals eingeräumt. Vermutlich hätte er die Haine der Akademie und die Gesellschaft von Athen allem anderen vorgezogen; aber er fand sich genötigt, zunächst durch Constantius' Willen und danach durch dessen Niedertracht, sich und seinen Ruf den Gefahren einer imperialen Existenz auszusetzen; und vor der Welt und späteren Generationen Rechenschaft zu geben für das Glück von Millionen. Julian hat selber diese philosophischen Ideen mit viel Beredsamkeit und etwas Künstelei in einem wohlformulierten Brief an Themistios (p. 253-267) niedergeschrieben. Der Abbé de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 2, p. 146-193), der uns eine elegante Übersetzung geschenkt hat, neigt zu der Auffassung, dass es der berühmte Themistios war, dessen Reden auf uns gekommen sind. Julian erinnerte sich mit Schrecken an die Bemerkung seines Lehrers Plato, Julian ad Themistios, p. 258. Petavius (Fußnote p. 95) merkt an, dass diese Passage aus ›Nomoi‹, 4. Buch stammt; aber entweder hat Julian aus dem Gedächtnis zitiert, oder seine mss. weichen von den unseren ab. Xenophon beginnt seine Kyrupaideia mit einer vergleichbaren Betrachtung. dass die Herrschaft über Rinder- und Schafsherden immer den Mitgliedern einer höheren Spezies anvertraut sein müsse; und dass die Führung einer Nation folgerichtig das Vermögen einer himmlischen Gottheit oder eines Genius erforderlich und wünschenswert mache. Aus dieser Vorgabe zog er den naheliegenden Schluss, dass ein Mann, der sich anheischig mache zu regieren, die Vollkommenheit der göttlichen Natur anstreben müsse; dass er seine Seele von ihren sterblichen und irdischen Anhängseln befreien solle; dass er seinen Launen gebieten, sein Denken erleuchten, seine Leidenschaften zügeln und besonders die wilde Bestie dämpfen möge, welche nach einer anschaulichen Metapher des Aristoteles selten verfehle, [Ü.a.d.Griech.: Er gebot dem Menschen zu herrschen, fügt aber auch das wilde Tier hinzu.] Aristoteles, bei Julian, ad Themistium p. 261. Das Manuskript von Vossius gibt sich mit einem einzigen Tier nicht zufrieden und bietet die stärkere Lesart ›Tiere‹ an, welche infolge der Erfahrungen mit dem Despotismus durchaus berechtigt ist. mit auf den Thron der Tyrannen zu steigen.

Der Thron Julians, der durch den Tod des Constantius auf unabhängigem Fundament stand, war der Sitz der Vernunft, der Tugend und vielleicht auch der Eitelkeit. Die Ehren, die seine abgehobene Stellung mit sich führte, verachtete er, ihre Freuden lehnte er ab, aber ihre Pflichten erfüllte er, unverdrossen und eifrig; und unter seinen Untertanen fanden sich nur wenige, die ihm die Last des Diadems abgenommen hätten, wenn sie zugleich ihre Zeit und ihr Handeln so strengen Regeln hätten unterwerfen müssen, wie sie ihr philosophischer Herrscher sich selbst auferlegte. Einer seiner engsten Freunde Libanios (Oratio parentalis 84 und 85) hat dieses interessante Detail aus dem Privatleben Julians überliefert. Julian selbst (Misopogon, p. 350) erwähnt seine vegetarische Kost und eifert gegen die Antiochier wegen ihrer vulgär-sinnlichen Esslust., welcher oftmals die frugale Schlichtheit seiner Tafel geteilt hatte, ließ verlauten, dass seine leichte und karge Kost (im Regelfall übrigens vegetarisch) ihm Körper und Geist frei machte für die unterschiedlichsten wichtigen Verpflichtungen, die er als Schriftsteller, Pontifex, Magistrat, General und Herrscher nun einmal hatte.

An ein und demselben Tage erteilte er Gesandtschaften Audienz, schrieb oder diktierte zahllose Briefe an seine Generäle, seine zivilen Magistrate, seine persönlichen Freunde und die verschiedenen Städte des Reiches. Er hörte sich die Denkschriften an, die man ihm geschickt hatte, erwog selbst den fraglichen Gegenstand und skizzierte seine Vorstellungen rascher, als es die Sorgfalt seiner Sekretäre in Kurzschrift festhalten konnte. Er verfügte über einen derartig beweglichen Geist und eine derart konzentrierte Aufmerksamkeit, dass er zur selben Zeit seine Hand zum Schreiben, sein Ohr zum Hören und seine Stimme zum Diktieren einsetzen konnte; und dass er drei verschiedenen Gedankengängen auf einmal nachgehen konnte, ohne dabei zu stocken oder sie durcheinander zu bringen.

Zogen sich seine Minister zur Ruhe zurück, so eilte ihr Herrscher behände von einer Arbeit zur anderen und zog sich nach rascher Mahlzeit in die Bibliothek zurück, bis die öffentlichen Angelegenheiten, die er auf den Abend verlegt hatte, ihn von ferneren Studien abhielten. Das Abendessen des Kaisers fiel noch knapper aus als das vorangegangene Mahl; sein Schlaf blieb von den Beschwernissen der Verdauung ungestört; und, abgesehen von der kurzen Episode einer Ehe, die er mehr aus politischen Gründen als aus Liebe geschlossen hatte, teilte der keusche Julian sein Lager niemals mit einer Bettgenossin. ›Lectulus . . . Vestalium toris purior,‹ [seine Schlafstatt ist reinlicher als die Betten der Vestalinnen], so jedenfalls Mamertinus' direkt an Julian gerichtetes Lob (Panegyrici 11,13). Libanios sichert uns in gesetzten und nüchternen Worten zu, dass Julian weder vor seiner Verheiratung noch nach dem Tode seiner Gemahlin einem Weibe beigewohnt habe (Oratio parentalis 88). Auch das unparteiisches Zeugnis des Ammianus (25,4) und das parteiische Stillschweigen der Christen bestätigen Julians Keuschheit. Julian indessen beharrt ironischerweise auf dem Vorwurf der Antiochier, dass er ›fast immer‹ alleine schlafe (Misopogon, p. 345). Dieser verdächtige Terminus wird vom Abt de la Bléterie mit Freimut und Scharfsinn ausgedeutet. Bald schon wurde er geweckt von ausgeruhten Schreibern, die an Tage vorher im Wechsel mit anderen geschlafen hatten, während ihr unermüdlicher Herr sich kaum eine andere Erfrischung gönnte als den Wechsel in seinen Beschäftigungen.

Julians Vorgänger, sein Onkel, sein Bruder und sein Vetter gönnten sich die Zirkusspiele unter dem durchsichtigen Vorwand, einem Wunsch des Volkes zu willfahren; und oft blieben sie den größten Teil des Tages dort, als müßige Gaffer und zugleich selber als Teil des glänzenden Spektakels, bis alle vierundzwanzig Rennen gelaufen waren. Siehe Salmasius zu Sueton, Claudius 21. Ein fünfundzwanzigstes Rennen oder missus wurde noch ausgetragen, um auf die Zahl von einhundert Rennwagen zu kommen, von denen jeweils vier, entsprechend den vier Farben, pro Rennen starteten. ›Centum quadriiugos agitabo ad flumina currus.‹ [Einhundert vierspännige Wagen werden ich in Bewegung setzen]. Anscheinend fuhren sie siebenmal um die Meta (Säule); dies ergab (nach Messungen im Circus Maximus in Rom, dem Hippodrom in Konstantinopel u.a.) eine Strecke von vier Meilen. Auch wenn er aus seiner tief empfundenen Abneigung gegen derlei Frivolitäten niemals einen Hehl gemacht hatte, bemühte sich Julian bei ernsteren Festen durchaus in den Zirkus; und nachdem er sich vier oder fünf Rennen ohne Anteilnahme angeschaut hatte, zog er sich eilig zurück mit der Ungeduld eines Philosophen, für den jeder Moment verloren war, der nicht dem gemeinen Wohl oder der Hebung des eigenen Geistes gewidmet war. Julian, Misopogon, p. 340. Julius Caesar hatte seine Römer vor den Kopf gestoßen, weil er während eines Rennens einlaufende Depeschen studierte. Augustus kitzelte ihrem oder seinem Geschmack, weil er für alles, was mit dem Zirkus zusammenhing, aufrichtiges Interesse hegte und auch offen dazu stand. Sueton, Augustus 45. Dadurch, dass er so mit seiner Zeit geizte, schien er gleichsam seine kurze Regierungszeit zu verlängern; und wenn uns die Chronologie weniger zuverlässig überliefert wäre, dann würden wir wohl berechtigte Zweifel hegen, dass nur sechzehn Monate zwischen dem Tode des Constantius und dem Abmarsch seines Nachfolgers in den Perserkrieg verstrichen sein sollen. Was Julian getan hat, kann nur der Historiker bewahren; aber der Teil seines umfangreichen schriftstellerischen Werkes, welches uns erhalten ist, bleibt bestehen als ein Dokument des Fleißes und des Genius dieses Herrschers. Der Misopogon (›Barthasser‹), die Caesaren, einige seiner Reden und sein umfangreiches Werk gegen die christliche Religion wurden in den langen Nächten zweier Winter abgefasst, von denen er den ersten in Konstantinopel und den zweite in Antiochia verbrachte.

 

NEUORDNUNG DES HOFES

Die Beseitigung der bei Hofe eingerissenen Misstände war eine der ersten und vordringlichsten Maßregeln Julians. Die Säuberung des Palastlebens haben beschrieben Ammianus (2,4), Libanios (Oratio Parentalis 62), Mamertinus (Panegyrici 11,11). Sokrates (3,1) und Zonaras (13,12). Kurze Zeit nach seinem Einzug in den Palast von Konstantinopel wünschte er die Dienste eines Barbiers. Ein Offizier in Paradeuniform stand ihm unverzüglich zur Verfügung. ›Ich wollte einen Barbier,‹ rief der Herrscher mit gespielter Überraschung, ›und nicht einen Finanzobereinnehmer.‹ ›Ego non ›rationalem‹ iussi sed tonsorem acciri.‹ Zonaras verwendet das weniger nahe liegende Bild eines Senators. Allerdings mochte ein reich gewordener Finanzbeamter für sich senatorische Ehren erhoffen und auch erhalten. Er befragte den Mann nach den Einnahmen aus seinen Diensten; und erfuhr, dass dieser neben einem beachtlichen Gehalt und verschiedenen Sporteln zu täglichem Nutzen noch über zwanzig Sklaven und viele Pferde verfügte. Eintausend Köche, eintausend Barbiere, ebenso viele Mundschenke taten in den verschiedenen Abteilungen für höheren Luxus Dienst; und die Zahl der Eunuchen konnte nur noch mit der von Fliegen an einem heißen Sommertag verglichen werden. Dies die Original-Worte des Libanios, die ich treulich übersetzt habe, damit ich nicht verdächtigt werde, ich würde die Missstände des Kaiserhofes überzeichnen.

Der verstorbene Constantius, welcher seinen Untertanen den Vorrang an Verdienst und Tugend überlassen hatte, zeichnete sich wenigstens durch die erdrückende Prachtentfaltung seiner Gewandung, seiner Tafel, seines Palastes und seines Trosses aus. Der machtvolle Palast, den Constantin und seine Söhne hatten errichten lassen, waren mit zahlreichen musivischen Arbeiten und Schmuckwerk aus massivem Gold verziert. Die ausgefallensten Preziosen standen bereit, ihren Stolz, weniger ihren Geschmack zu kitzeln; Vögel aus entferntesten Regionen, Fische aus den abgelegensten Seen, Früchte außerhalb der gehörigen Jahreszeit, winters Rosen, sommers Schnee. Mamertinus drückt sich hier lebhaft und kraftvoll aus: ›Quin etiam prandiorum et coenarum elaboratas magnitudines Respublica sentiebat; cum quaesitissimae dapes non gustu, sed difficultatibus abstimarentur; miracula avium, longinqui maris pisces, alieni temporis poma, aestivae nives, hibernae rosae.‹ Die Masse der Palastbediensteten kostete mehr als die Legionen; noch der kleinste Teil dieser Unmenge war bestimmt für den Gebrauch oder sogar den Glanz des Throns.

Der neue Monarch empörte sich darüber, und das Volk wurde bedrückt, dass eine Unzahl von überflüssigen Ehrenämtern eingerichtet war und teuer bezahlt werden musste; und noch der größte Lump konnte sich das Privileg erwerben, sich ohne die Spur einer Gegenleistung auf Staatskosten durchfüttern zu lassen. Die Verschwendung eines gigantischen Haushaltes, die immer wachsenden Abgaben und Geldgeschenke, die schon bald wie eine Bringschuld angesehen wurden, und die Bestechungsgelder, die sie allen denen abnötigten, die ihren Unwillen fürchten oder ihr Wohlwollen gewinnen mussten, bereicherte diese arrogante Dienerschaft. Sie vergeudeten ihr Vermögen ohne einen Gedanken an ihre frühere oder künftige Lage; und ihrer Raffgier und Habsucht hielt nur noch ihre Verschwendungssucht die Waage. Ihre Seidenroben waren in Gold gefasst, an ihren Tafeln ging es erlesen und üppig zu; ihre Privathäuser hätten den Grundbesitz eines Konsuls aus vergangenen Zeiten übertroffen; und noch die ehrbarsten Bürger mussten vom Pferde steigen und submissest den Eunuchen grüßen, dem er auf öffentlicher Straße begegnete.

Der Luxus des Palastes wurde Julian verächtlich, er, der normalerweise auf dem Boden schlief, der nur widerwillig den dringendsten Geboten der Natur nachgab und dessen Eitelkeit darin bestand, königlichen Pomp nicht nur nicht anzustreben, sondern zu verachten. So verlangte er mit Ungeduld darnach, durch die vollständige Ausmerzung dieses Übelstandes, der ihm vielleicht sogar noch größer vorkam als er tatsächlich war, das Leid der Bevölkerung zu mindern und ihr Murren zu beschwichtigen, welche ja die Steuerlasten mit mehr Bereitwilligkeit getragen hätten, wenn sie hätten sicher sein können, dass die Früchte ihres Fleißes dem Wohl des Staates zugute gekommen wären. Nun kann man allerdings Julian nicht von dem Vorwurf freisprechen, dass er bei der Ausführung dieses löblichen Vorhabens zu vorschnell und mit unbedachter Strenge vorging. Ein einziger Erlass, und der Palast von Konstantinopel war eine riesige Wüstestätte, und mit Schimpf und Schande entließ er den gesamten Tross von Sklaven und Abhängigen, Selbst Julian hat man vorgeworfen, den Eunuchen ganze Städte überschrieben zu haben (Oratio 7 gegen Polykleitos 117-127). Libanios begnügt sich damit, diese Tatsache kühl, aber bestimmt in Abrede zu stellen, welche in der Tat besser auf Constantius gepasst hätte. Dieser Vorwurf kann auch eine Anspielung auf ein ansonsten unbekanntes Vorkommnis sein. ohne auch nur eine Ausnahme von Rechts wegen oder Gnaden halber zuzulassen, etwa für die Alt- und Treugedienten aus der kaiserlichen Dienerschaft.

Aber so war nun einmal Julians Temperament, welcher sich nur selten an die grundlegende Erkenntnis des Aristoteles erinnerte, dass wahre Tugend die Mitte zwischen entgegengesetzten Lastern einnimmt. Die üppige und weibische Kleidung der Asiaten, die Locken und die Schminke, Halsbänder und Armreife, die dem Constantin so lächerlich vorgekommen waren, wurden auch von seinem philosophischen Nachfolger verschmäht. Aber zugleich mit dem Flitter gedachte Julian auch die hergebrachte Form der Kleidung abzuschaffen; und er schien sich sogar einiges auf die Vernachlässigung der äußeren Reinlichkeit zugute zu halten. In einer Satire, die für die Öffentlichkeit bestimmt war, lässt sich der Kaiser mit Freude und sogar mit Stolz über seine langen Fingernägel und seine tintenschwarzen Hände aus; beteuert, dass das Rasiermesser nur für seinen Kopf bestimmt sei, obwohl sein ganzer Körper behaart sei, und rühmt mit spürbarem Behagen seinen struppigen und volkreichen Bart, Im Misopogon (p. 338f) entwirft er ein ganz eigentümliches Selbstbildnis, und die folgenden Worte sind eigentümlich charakteristisch: [Ü.a.d.Griech.: Ich habe selbst dort den Vollbart hinzugefügt...und halte das Lausgewimmel aus, als sei es für diese Tierchen das Gestrüpp]. Die Freunde des Abtes de la Bléchiere beschworen ihn im Namen Frankreichs, diese Passage unübersetzt zu lassen, diese Beleidigung ihres Zartgefühls. (Histoire de Jovien, Band 2, p. 94) Ich habe mich so wie er mit einer beiläufigen Anspielung begnügt; aber das kleine Tier, das Julian da benennt, ist dem Menschen vertraut und bedeutet Liebe. den er nach dem Vorbild der griechischen Philosophen mit Hingabe pflege. Hätte Julian die schlichten Anweisungen der Vernunft befolgt, dann hätte der erste Minister der Römer die Attitüde des Diogenes ebenso von sich gewiesen wie die des Darius.

 

VERBRECHEN DER KÄMMERER GESÜHNT

Indessen wäre das Erneuerungswerk unvollendet geblieben, wenn Julian nur die Missbräuche seiner Vorgängerregierung abgestellt, nicht aber ihre Verbrechen gesühnt hätte. ›Wir sind nun befreit,‹ so schreibt er in einem privaten Brief an einen seiner engeren Freunde, ›wir sind zu unserer Freude befreit aus den Klauen der Hydra. Julian, Epistulae 23, p. 389. Er benutzt hier die Worte ›vielköpfige Hydra‹ in einem Brief an seinen Freund Hermogenes, der wie er ein Kenner der griechischen Dichter war. Ich will dieses Epitheton nicht meinem Bruder Constantius anheften. Er ist nicht mehr; möge die Erde ihm leicht sein. Aber seine ränkefreudigen und grausamen Favoriten waren beständig bemüht, diesen Herrscher zu täuschen und zu erzürnen, einen Herrscher, dessen Milde man unmöglich rühmen kann, ohne dabei zum elenden Heuchler zu werden. Doch nicht einmal diese Männer beabsichtige ich zu vernichten: sie werden angeklagt, und sie sollen in den Genuss eines anständigen und unparteiischen Prozesses kommen.‹

Zu diesem Zweck ernannte Julian sechs Richter, die in Staat und Armee höchste Ränge einnahmen; und da er sich nicht dem Vorwurf aussetzen mochte, er selbst verurteile seine persönlichen Feinde, verlegte er dieses außerordentliche Gericht nach Chalcedon auf die asiatische Seite des Bosporus; und übertrug den Richtern unbeschränkte Vollmacht, ihr Urteil zu fällen und ohne Verzug und ohne Berufung zu exekutieren. Der Gerichtsvorsitzende war der edelachtbare Präfekt des Ostens, dessen Tugenden ihm die Wertschätzung der griechischen Sophisten ebenso einbrachten wie die der christlichen Bischöfe, ein zweiter Sallust. Die beiden Salluste, der Präfekt von Gallien und der Präfekt des Ostens, müssen sorgsam auseinander gehalten werden (Tillemont, Histoire des Impereurs, Band 4, p. 696). Ich habe deshalb das zweckdienliche Epitheton ›Secundus‹ verwendet. Dieser zweite Sallust machte selbst den Christen Eindruck; und Gregor von Nazianz, der seine Religion verurteilt, feiert immerhin seine Tugenden (Orationes 3). Siehe auch die merkwürdige Fußnote des Abtes de la Bléterie, Vie de Julien, p. 363. Ihm zur Seite stand der redegewandte Konsul Mamertinus, Mamertinus (1,11) rühmt den Herrscher, weil er einen Mann von Klugheit, Festigkeit und Ehrlichkeit -einen wie er selbst- das Schatzmeister- und Präfektenamt übertragen habe. Ammianus (21,1) hingegen rechnet ihn unter die Minister, quorum merita norat et fidem. [Deren Verdienste und Zuverlässigkeit ihm bekannt waren]. dessen Verdienste allerdings, zweifelhaft genug, nur von ihm selbst gerühmt werden. Aber die bürgerliche Weisheit der beiden Magistrate wurde mehr als ausgeglichen durch die eifernde Gewaltbereitschaft der vier Generäle Nevitta, Agilo, Jovinus und Arbetio. Hätte das Publikum Arbetio auf einer Anklagebank anstatt auf der Bank der Richter gesichtet, wäre es weniger überrascht gewesen; man argwöhnte, dass er mit geheimen Anweisungen versehen sei; die bewaffneten und aufgebrachten Anführer der jovianischen und herculianischen Banden umstellten das Tribunal, und die Richter standen je und je unter dem Druck der Gesetze und dem Lärm der Faktionen. Ammianus beschreibt (22,3) und Libanios rühmt (Oratio parentalis 74) diese Verhandlungen.

Der Kammerdiener Eusebius, der so lange die Gunst des Constantius missbraucht hatte, büßte durch einen Tod in Schanden für die Anmaßung, die Verderbtheit und die Grausamkeit seiner Sklavenherrschaft. Die Hinrichtungen von Paul und Apodemius (der Erstgenannte wurde lebendig verbrannt) wurden von den Witwen und Waisen hunderter von Römern, die diese Verbrecher von Gesetzes wegen verraten und ermordet hatten, als unzureichende Sühne empfunden. Aber Justitia selbst weinte (wenn wir hier die pathetische Metapher des Ammianus ›Ursuli vero necem ipsa mihi videtur flesse Justitia‹ [Iustitia selbst schien mir den gewaltsamen Tod des Ursulus zu beweinen]. Libanios, der seinen Tod den Soldaten zuschreibt, unternimmt es, den Schatzmeister zu belasten. verwenden dürfen) über das Schicksal des Ursulus, den Schatzmeister des Reiches; und sein Blut ist eine Anklage gegen Julians Undankbarkeit, hatte doch die unerschütterte Liberalität dieses honorigen Ministers einst Julians Notlage noch rechtzeitig gemildert. Der eigentliche Grund für seine Hinrichtung war der Zorn der Soldateska, die er durch eine Unbedachtsamkeit geärgert hatte; und der Kaiser, der durch Selbstvorwürfe und die Vorwürfe der Öffentlichkeit schwer verwundet war, gab der Familie des Ursulus ihr beschlagnahmtes Vermögen zurück und half ihr so ein wenig. Bevor das Jahr sich neigte, in welchem sie die Würde und Insignien der Präfektur und des Konsulates So groß war noch immer der Respekt vor den ehrbaren Titeln der Republik, dass das Publikum nur mit empörter Überraschung zur Kenntnis nahm, dass Taurus während seiner Zeit als Konsul als Verbrecher vor Gericht stand. Die Anklage gegen seinen Kollegen Florentius wurde vermutlich bis zum Ende des folgenden Jahres verschoben. erhalten hatten, sahen sich Taurus und Florentius genötigt, die Milde des unerbittlichen Gerichtes von Chalkedon anzuflehen. Der erstere wurde nach Vercellae in Italien verbannt, gegen den zweiten erging das Todesurteil. Ein weiser Herrscher hätte Taurus' Vergehen wohl belohnt: eines treuen Dieners seines Herrn, der an den Hof seines Wohltäters und rechtmäßigen Herrschers floh, als er dem voranstürmenden Rebellen nicht länger Widerstand leisten konnte Aber die Schuld des Florentius rechtfertigte die Strenge seiner Richter; und seine Flucht diente dem Julian, seine Großherzigkeit zu demonstrieren; denn er bremste den eigennützigen Eifer eines Zuträgers und wollte durchaus nicht erfahren, wo sich der armselige Flüchtling vor Julians gerechtem Zorn verborgen hielt. Ammianus 20,7.

Ein paar Monate nach der Auflösung des Gerichtshofes von Chalkedon wurde Gaudentius, der prätorianische Vizeregent von Afrika und Artemius, der dux von Ägypten in Antiochia hingerichtet. Zur Schuld und Sühne des Artemius sehe man Julian (Epistulae 10, p. 379) und Ammianus (22,6 sowie Valesius ad locum). Das Verdienst des Artemius, der Tempel demolierte und dafür von einem Apostaten zum Tode verurteilt wurde, hat die Griechische und Lateinische Kirche bestimmt, ihm Märtyrerehren zuzusprechen. Da aber die Kirchengeschichte bekräftigt, dass er nicht nur ein Tyrann, sondern auch noch ein Arianer war, ist es insgesamt nicht ganz einfach, diese unbedachte Ehrung zu rechtfertigen. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 7, p. 1319. Artemius hatte über die große Provinz eine grausame und korrupte Willkürherrschaft ausgeübt; Gaudentius hatte lange Zeit die Kunst der Verleumdung gegen Unschuldige, Tugendhafte und sogar gegen die Person des Julian ausgeübt. Aber die Begleitumstände ihres Prozesses und ihrer Verurteilung wurden so dilettantisch gehandhabt, dass in der öffentlichen Meinung diese Verbrecher achtbar wurden, weil sie angeblich für ihre unerschütterte Treue für die Sache des Constantius litten.

Die übrigen Diener des Constantius kamen in den Genuss einer allgemeinen Amnestie; ihnen blieb nur übrig, straflos die Bestechungsgelder zu vernaschen, welche sie genommen hatten, um die Unterdrückten zu schützen oder die zu unterdrücken, die ohne Beschützer waren. Diese Maßnahme, welche unsere Zustimmung erhalten könnte, da sie sich immerhin auf wohlbegründetem politischen Terrain bewegt, wurde nun allerdings in einer Art und Weise durchgeführt, die angetan war, die Majestät des Thrones zu beschädigen. Viel Volk, insonders die Ägypter, fielen Julian beschwerlich durch ihre Zudringlichkeit, da sie lauthals die Geldgeschenke zurück verlangten, die sie unkluger- oder illegaler weise erlegt hatten; er sah bereits die endlose Folge mühseliger Prozesse voraus; und so gab er ihnen das Versprechen, das immer geheiligt bleiben sollte, dass er nämlich, falls sie sich in Chalkedon einfinden würden, dort ganz persönlich ihre Klagen anhören und über sie entscheiden würde. Sobald sie aber dort angelegt hatten, gab er strenge Weisung und untersagte allen Bootsführern, irgendwelche Ägypter nach Konstantinopel zu fahren; und hielt so seine getäuschten Klienten an der asiatischen Küste zurück, bis sie aus Mangel an Geduld und Geld unter empörten Gemurmel in ihre Heimat zurück zu segeln sich genötigt sahen. Siehe Ammianus 22,6 und Valesius ad locum; Codex Theodosianus 2,39,1 und dazu Gothofreds Erläuterungen, Band 1, p. 218.

 

KLEINERE VERGEHEN NICHT VERFOLGT

Das Riesenheer von Spionen, Agenten und Zuträgern, das Constantius unterhalten hatte, auf dass die Seelenruhe eines einzigen Mannes gewahrt und die von Millionen gestört werde, wurde von seinem großherzigen Nachfolger unverzüglich entlassen. Julian schöpfe nur langsam Verdacht und strafte nur in Maßen; und dass er Verrat verabscheute, lag an seiner Urteilskraft, seiner Eitelkeit und seinem Mut. Im Bewusstsein seiner Überlegenheit hielt er sich überzeugt, dass nur wenige Untertanen wagen würden, es mit ihm aufzunehmen, ihm nach dem Leben zu trachten oder sich auf den verwaisten Thron zu setzen. Als Philosoph konnte er plötzliche Aufwallungen von Unzufriedenheit entschuldigen; und als Kämpfer konnte er die ehrgeizigen Pläne verachten, welche das Geld und die Möglichkeiten unbedachter Verschwörer überforderten. Ein Bürger von Ancyra etwa hatte zu eigenem Gebrauch ein Purpurgewand fertigen lassen; und diese unbesonnene Handlung, welche unter Constantius als Kapitalverbrechen angesehen worden wäre, Der Präsident Montesquieu (Considérations sur les causes de la Grandeur des Romains, c. 14, Oeuvres, Band 3, p. 448 und 449) entschuldigt diese kleinliche und abgeschmackte Tyrannei mit der Annahme, dass Handlungen, die für uns ohne jede Bedeutung sind, in der Vorstellung eines Römers den Gedanken an Schuld und Gefahr evozieren können. Diese merkwürdige Rechtfertigung findet Unterstützung durch eine ebenso seltsame Fehlinterpretation der Gesetze Englands, ›chez une nation . . . ou il est defendu de boire a la sante d'une certaine personne.‹ [...bei einem Volk,...dem es untersagt ist, auf die Gesundheit einer gewissen Person anzustoßen]. wurde Julian infolge der hartnäckigen Aufdringlichkeit eines persönlichen Feindes hinterbracht. Nachdem der Monarch einige Erkundigungen über Wandel und Wesen seines Rivalen eingeholt hatte, entließ er den Denunzianten mit einem Paar purpurfarbener Hausschuhe als Geschenk, auf dass er die Pracht seines imperialen Habits vervollständige.

Eine Verschwörung der ernsteren Art verabredeten zehn Mann aus seiner privaten Wachmannschaft, welche beschlossen hatten, Julian auf dem Übungsplatz bei Antiochia zu ermorden. Ihre Ungeduld enthüllte ihre Schuld; in Ketten wurden die beiden Urheber der Verschwörung ihrem gekränkten Herren vorgeführt, welcher ihnen das Verbrecherische und Törichte ihres Vorhaben darstellte, aber sie danach nicht, wie sie es verdient hätten und wohl auch erwarteten, zu Folter und Hinrichtung verurteilte, sondern nur Exil schickte. Ein einziges Mal wich Julian von seiner üblichen Milde ab, als er einen vorschnellen Jugendlichen hinrichten ließ, welcher sich dazu verstiegen hatte, die Zügel des Reiches in seine schwachen Hände zu nehmen. Dieser Jugendliche allerdings war der Sohn des Marcellus, eines Reitergenerales, welcher im ersten gallischen Feldzug Caesar und der Republik den Rücken gekehrt hatte. Ohne sich den Anschein zu geben, dass er persönliche Rache übe, hätte Julian das Verbrechen des Sohnes und des Vaters vermengen können; der Kummer des Marcellus versöhnte ihn, und der selbstlose Geist des Herrschers unternahm es, die Wunde zu heilen, die die Hand der Justiz geschlagen hatte. Julians Nachsicht und die Verschwörung gegen sein Leben zu Antiochia werden von Ammianus (22,9 und Velasius ad locum) und Libanios (Oratio parentalis 99) beschrieben.

 

SEINE VORLIEBE FÜR GRIECHISCHE STÄDTE

Julian war für die Vorteile eines freiheitlichen Systems nicht unempfänglich. Wie einige behaupten, meint Aristotles (so wie er von Julian, ad Themistium p. 261 zitiert wird), die unbeschränkte Alleinherrschaft sei der Natur entgegen. Aber Fürst und Philosoph zogen es vor, diese ewige Wahrheit mit einem kunstfertigen und angestrengten Dunkel zu umhüllen. Er hatte im Laufe seiner Studien den Geist der alten Helden und Weisen in sich aufgenommen; sein Leben und Glück war von den Launen eines Tyrannen abhängig gewesen; und nach seiner Thronbesteigung ärgerte sich sein Stolz zuweilen an dem Gedanken, dass die Sklavenseelen, die sich nicht ermannen konnten, seine Fehler zu tadeln, auch nicht wert seien, seinen Tugenden zu applaudieren. Dieser Gedanke ist hier fast ausschließlich mit Julians eigenen Worten ausgedrückt. (Ammianus 22,10). Er empfand aufrichtigen Ekel über das System der orientalischen Despotismus, welches Diokletian, Constantin und achtzig Jahre untätiges Erdulden dem Reich beschert hatten. Nur aus Aberglauben setzte Julian den Plan nicht um, mit dem er schon öfters schwanger gegangen war, nämlich sein Haupt nicht länger mit der Last des kostbaren Diadem zu belasten: Libanios (Oratio parentalis 95), der den Wunsch und den Entwurf Julians erwähnt, lässt uns in geheimnisvoller Sprache wissen [Ü.a.d.Griech.: da die Götter es beschlossen hatten...der Verhinderer aber stärker war], dass der Herrscher durch irgendeine Offenbarung der besonderen Art abgehalten worden sei. aber mit aller Entschiedenheit verweigerte er den Titel des Dominus oder Herr, Julian, Misopogon, p. 348. Da er aber niemals die hochfahrende Bezeichnungen ›Despotes‹ und ›Dominus‹ durch ein offizielles Gesetz abschaffen ließ, finden sie sich immer noch auf seinen Medaillen (Du Cange, Familiae Byzantinae, p. 38f.); und das Missfallen, das er gelegentlich privat äußerte, änderte lediglich den knechtischen Tonfall bei Hofe. Der Abt de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 2, p. 99-102) ist mit viel Spürsinn der Herkunft und der Wortgeschichte von ›Dominus‹ nachgegangen. welches Wort den Römern mittlerweile so alltäglich geworden war, dass sie sich kaum noch seiner erniedrigenden ursprünglichen Bedeutung erinnerten. Das Amt oder besser der Name des Konsuls stand in Ehren bei diesem Herrscher, der gelegentlich über den Trümmern der untergegangenen Republik seufzte; und das öffentliche Auftreten, das Augustus aus Berechnung inszenierte, wurde von Julian aus Neigung und freien Stücken angenommen.

 

1. JANUAR 363

An den Kalenden des Januar, im Morgengrauen, eilten die neuen Konsuln Mamertinus und Nevitta zum Palast, dem Herrscher aufzuwarten. Sobald er von ihrem Nahen hörte, sprang er von seinem Throne auf, eilte auf sie zu, begrüßte sie und nötigte den Magistrat, der darüber errötete, Zeuge dieser Demonstration seiner gespielten Demut zu werden. Vom Palast ging es dann zum Senat. Der Kaiser ging zu Fuß ihren Sänften voran; die gaffende Menge bewunderte diese nostalgische Darbietung oder murrte im Stillen über eine Aufführung, die die Würde des Purpurs verkleinerte. Ammianus 22,7. Der Konsul Mamertinus (Panegyrici 11,28-30) feierte diesen glückhaften Tag wie ein geschwätziger Sklave, erstaunt und gleichsam trunken infolge der Leutseligkeit seines Herren. Aber Julian blieb sich in diesem Punkteimmer gleich. Während der Zirkusspiele etwa hatte er, aus Unbedacht oder Berechnung, einem Sklaven in Anwesenheit des Konsuls die Freiheit geschenkt. Sobald man ihn aber daran erinnerte, dass er unzulässigerweise die Befugnisse eines anderen Magistrates ausgeübt habe, verurteilte er sich selbst zu einer Buße von fünf Pfund Gold; und benutzte die Gelegenheit dazu, die Welt wissen zu lassen, dass er wie alle anderen Mitbürger auch den Gesetzen und selbst noch ihren formalen Rahmen unterworfen sei. Die persönlich gemünzte Satire war schon durch die Zwölftafelgetze verboten (Horatius, Satirae 2, 1,82): Si mala condiderit in quem quis carmina, jus est, Judiciumque - [Wenn jemand gegen jemanden üble Lieder abfasst, soll man ihn bei Gericht verklagen]. Julian (Misopogon p. 337) sieht sich selbst dem Gesetz unterworfen; und der Abt de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 2, p. 92) hat sich die seinem eigenen System und dem wahren Geiste der kaiserlichen Verfassung so angemessene Erklärung begierig zu Eigen gemacht.

Es geschah aus dem Geiste seiner Tätigkeit und wegen seiner Wertschätzung für seine Heimatstadt, dass Julian dem Senat von Konstantinopel die gleichen Ehrungen, Vorrechte und Machtbefugnisse zubilligte, wie der Senat des alten Rom sie immer noch innehatte. Zosimos 3,10. Allmählich wurde es zu einer feststehenden juristischen Fiktion ( fictio iuris), dass eine Hälfte des Reichs-Rates in den Osten abgewandert sei: und die despotischen Nachfolger des Julian, die sich mit dem Senatorentitel schmückten, gaben zu, dass sie Mitglied jener respektablen Körperschaft seien, welche die Größe von Roms Namen repräsentieren durfte. Von Konstantinopel aus wandte der Monarch seine Aufmerksamkeit den senatorischen Körperschaften der Provinzstädte zu. Durch wiederholte Edikte schaffte er die ungerechten und sogar verderblichen Ausnahmeregelungen ab, durch welche sich so viele müßige Bürgersleute dem Dienst an ihrem Gemeinwesen entziehen konnten; und dadurch, dass er die öffentlichen Pflichten zu allgemeinen Pflichten machte, belebte er die Stärke, den Glanz, oder, um den warmherzigen Ausdruck des Libanios Libanios (Oratio parentalis 71), Ammianus (22,9) und Codex Theodosianus 12,1-50-55), mit Gothofreds Kommentar (Band 4, p. 390-402). Doch die ›Curiae‹ sind insgesamt, trotz großer Materialfülle, immer noch das dunkelste Kapitel der Rechtsgeschichte des Kaisrreiches. aufzugreifen, die Seele der ersterbenden Städte seines Reiches aufs Neue.

 

SORGE FÜR DIE STÄDTE GRIECHENLANDS

Das ehrbare Alter Griechenlands entfachte in Julians Seele die zärtlichste Anteilnahme; welche sich zur Verzückung steigerte, wenn er an alle die Götter, Heroen und die Männer dachte, welche den Göttern und Heroen überlegen waren, und die noch den fernsten Generationen Denkbilder ihres Genies und Beispiele ihrer Tugend hinterlassen hatten. Er minderte die wirtschaftliche Not der Städte des Epirus und des Peloponnes und ließ ihre Schönheit erneuern. ›Quae paulo ante arida et siti anhelantia visebantur, ea nunc perlui, mundari, madere; Fora Deambulacra, Gymnasia, laetis et gaudentibus populis frequentari; dies festos, et celebrari veteres, et novos in honorem principis consecrari. [Was kurz zuvor noch ausgedörrt war und vor Durst keuchte, ist nun benetzt, sauber, gewässert; Plätze, Promenaden und Sportplätze werden von fröhlichen und glücklichen Menschen aufgesucht; alte Feiertage werden wieder begangen, und neue zu Ehren des Fürsten]. (Mamertinus 11, 9) Insbesonder ließ er Nikopolis restaurieren und die von Augustus gestifteten Festspiele von Actium ausrichten. Athen nannte ihn seinen Wohltäter; Argos seinen Befreier. Korinth, welches aus seinen Ruinen neuerlich emporblühte durch die Ehrenstellung einer römischen Kolone, durfte von den Nachbarrepubliken Steuern erheben, um damit die Kosten für die Isthmischen Spiele zu bestreiten, welche im Amphitheater mit Bären- und Pantherhetzen begangen wurden. Dispens von diesen Abgaben beanspruchten mit Recht die Städte Elis, Delphi und Argos, welche von ihren fernen Vorfahren die heilige Pflicht geerbt hatten, die Olympischen, Pythischen und Nemäischen Spiele abzuhalten.

Die Unantastbarkeit von Elis und Delphi wurde von den Korinthern respektiert; aber die Armut von Argos wirkte zu verführerisch: und so wurden denn die schwächlichen Einwände ihrer Abgesandten von einem Provinz-Magistrat zum Schweigen gebracht, welche ersichtlich nur die Interessen der Stadt befragt hatte, in welcher er residierte. Sieben Jahre nach diesem Beschluss ließ Julian Julian, Epistulae 35. Dieser Brief, der die Zeit von Griechenlands Niedergang schildert, wurde von Abt de la Bléterie ausgemustert und vom Übersetzer ins Lateinische übel verhunzt, indem er ›teleia‹ (›Steuerfreiheit‹) mit ›Tributum‹ (›Steuern‹) und ›idiotai‹ (›privat‹) mit ›populus‹ (›Volk‹) übersetzte und so den Sinn des Originals nachgerade verdreht. eine höhere Instanz über den Fall befinden; und seine Beredsamkeit legte sich für die Stadt ins Mittel, welche der Königssitz des Agamemnon Er herrschte in Mykene, nur fünfzig Stadien oder sechs Meilen von Argos entfernt: aber diese Städte, welche immer abwechselnd in Blüte standen, werden von den griechischen Dichtern verwechselt. Strabo 8, p. 579. gewesen war und Makedonien eine ganze Galerie von Königen und Eroberern geschenkt hatte. Marsham, Canon chronicus p. 421. Diese Geschlechtertafel des Temenus und Herkules könnte zweifelhaft sein; aber sie wurde nach sehr genauer Prüfung durch die Richter der Olympischen Spiele gebilligt (Herodot 5,22), und zwar zu einer Zeit, als die makedonischen Könige in Griechenland durchweg in geringem Ansehen standen. Als sich der Achäische Bund gegen Philipp aussprach, hielt man es für schicklich, dass die Abgesandten von Argos sich entfernten. Livius 32,22.

 

JULIAN ALS REDNER UND RICHTER

Das mühsame Geschäft der militärischen und zivilen Verwaltung, dessen Schwierigkeiten sich im Verhältnis zur Größe des Reiches noch vervielfachten, strengten Julians Kräfte an; gleichwohl betätigte er sich oftmals als Redner Libanios rühmt sine Beredsamkeit (Oratio parentalis 75,76) welcher ausdrücklich die Redner bei Homer erwähnt. Sokrates (3,1) behauptet unüberlegt, dass Julian seit Iulius Caesar der erste Herrscher war, der an den Senat Reden gehalten habe. Indessen haben alle Vorgänger Neros (Tacitus, Annalen 13,3) und viele seiner Nachfolger sich auf die Kunst der öffentlichen Rede verstanden; und es lässt sich vielfach belegen, dass sie öfters im Senat davon Gebrauch machten. und Richter, Ammianus hat objektiv die Vorzüge und Mängel seiner Gerichtsverfahren dargelegt. Libanios (Oratio parentalis 90f) sieht nur die gute Seite, doch selbst wenn seine Darstellung der Person schmeichelt, so werden darin doch die Pflichten eines Richters erkennbar. Gregor von Nazianz jedoch (Orationes 4), der die Tugenden des Apostaten verschweigt und die verzeihlichen Fehler überzeichnet, fragt frohlockend, ob ein solcher Richter wohl tauglich sei, in den Elysischen Gefilden zwischen Minos und Rhadamantos zu sitzen? was den Herrschern des gegenwärtigen Europas weitgehend fremd ist. Die hohe Kunst des Überzeugens, welche Kunst die ersten Caesaren so feinsinnig kultivierten, wurde von ihren Nachfolgern vernachlässigt, welche militärisch-unwissend waren oder asiatisch-hochfahrend; und wenn sie sich bisweilen zu einer Ansprache an die Soldaten herbeiließen, vor denen sie Angst hatten, die Senatoren bedachten sie mit geringschätzigem Schweigen, da sie sie verachteten. Die Senatsversammlungen, um die Constantius immer einen Bogen gemacht hatte, waren für Julian der Ort, wo er mit größtem Geschick seine republikanische Gesinnung und seine rhetorische Begabung entfalten konnte. Wie in der Schule der Beredsamkeit übte er die verschiedenen Arten des Lobes, des Tadels, der Ermunterung; und sein Freund Libanius hat dazu angemerkt, dass das Studium von Homer ihn gelehrt hatte, den schlichten, gedrängten Stil des Menelaos zu kopieren, den Wortreichtum des Nestor, dessen Rede rieselte wie die Schneeflocken im Winter, oder die beseelte und wirkungsstarke Eloquenz eines Ulysses.

Die Aufgaben eines Richters, unverträglich bisweilen mit dem Amt eines Herrschers, übte Julian nicht nur als Pflicht, sondern zur Unterhaltung aus: und wenn er auch Zutrauen haben mochte zu der Redlichkeit und dem Scharfsinn seiner Prätorianerpräfekten, so nahm er doch des Öfteren neben ihnen auf der Bank der Richter Platz. Sein durchdringender Verstand war angemessen damit beschäftigt, die Trickereien und Winkelzüge der Advokaten aufzudecken und zu widerlegen, deren Bemühungen darauf gerichtet waren, die Wahrheit und den Sinn der Gesetze zu verdrehen. Bisweilen vergaß er seine kaiserliche Stellung, stellte indiskrete oder unpassende Fragen und ließ durch seine dröhnende Stimme und seine ausfahrenden Gebärden den Eifer erkennen, mit dem er seine Meinung gegen die Richter, die Verteidiger und ihre Klienten aufrecht erhielt. Aber in richtiger Einschätzung seines Temperaments ermutigte, ja ersuchte er sogar seine Freunde und die Minister, ihn zurechtzuweisen; und wann immer sie sich getrauten, seinen Wallungen zu gebieten, konnten die Zuschauer die Beschämung und zugleich die Dankbarkeit ihres Monarchen wahrnehmen. Die Erlasse Julians standen nahezu immer auf dem Boden des Rechts; und er war zugleich standfest genug, den zwei gefährlichsten Versuchungen zu widerstehen, die unter dem Vorwand von Mitleid und Gerechtigkeit den Gerichtshof eines Herrschers bedrängen. Er wog die Hauptumstände des Falles, ohne die Verhältnisse der Parteien in Rechnung zu setzen; und so wurde der Arme, dem er beistehen wollte, dazu verurteilt, die berechtigten Ansprüche eines angesehenen und wohlhabenden Gegners zu erfüllen. Sorgfältig unterschied er zwischen Richter und Gesetzgeber; Von den Gesetzen, die Julian in einer Regierungszeit von sechzehn Monaten erlassen hatte, fanden immerhin vierundfünfzig Eingang in den Codex Theodosianus und Justinianus (Gothofredus, Chronologie legum p.64-67). Der Abt de la Bléthiere (Vie de Julien, Band 2, p. 329-36) hat eines dieser Gesetze ausgesucht, um von Julians lateinischem Stil einen Begriff zu geben, welcher kraftvoll und ausgefeilt, aber weniger rein als sein Griechisch ist. und obwohl er über die notwendige Reform der römischen Jurisprudenz nachdachte, entsprangen seine Urteile stets einer engen und wörtlichen Auslegung der Gesetze, die die Magistrate zu exekutieren und der Untertan zu befolgen hatte.

 

SEINE SONSTIGEN VERDIENSTE

Die Mehrheit der Herrscher würde, ihres Purpurs entkleidet und nackt in die Welt gesetzt, im selben Augenblick auf die untersten Ränge der Gesellschaft niederwärts sinken, ohne Hoffnung, sich jemals aus diesem Schimpf empor zu arbeiten. Julians persönliches Verdienst aber war in gewissem Umfang von den Zufälligkeiten seiner Geburt unabhängig. Zu welchem Berufe er sich auch immer entschlossen haben mochte, mit Hilfe seines unverzagten Mutes, lebhaften Geistes und ungeheuren Fleißes hätte er in jedem Gewerbe die höchsten Auszeichnungen erlangt oder zumindest verdient gehabt; in dem Lande, in welchem er als einfacher Bürger geboren war, hätte er es zum Minister oder General gebracht. Wenn die launenhafte Eifersucht der Macht ihm diesen Weg versperrt hätte, wenn er selbst die Pfade zu weltlicher Größe klugerweise gemieden hätte, dann hätte die Anstrengung eben dieser Kräfte in weltabgeschiedenem Studium ihm zu irdischem Glück und einem unsterblichen Namen verholfen, der weit über den von Königen hinausgeht. Wenn wir mit kritischer oder vielleicht sogar übelwollender Pedanterie die Gesamterscheinung Julians betrachten, dann scheint an der Schönheit und Vollkommenheit des Bildes irgendetwas zu fehlen. Sein Genie war weniger groß und weniger erhaben als das eines Caesar; auch fehlte ihm Weisheit in der Vollendung, wie sie Augustus besaß. Die Tugenden eines Traian scheinen solider und ungezwungener, und die Philosophie eines Marcus Aurelius wirkt schlichter und stimmiger. Aber Julian ertrug Widrigkeiten mit Stärke und Glücksumstände mit Gelassenheit. Einhundertundzwanzig Jahre nach dem Tode des Alexander Severus besaßen die Römer endlich wieder einen Herrscher, der zwischen seinen Pflichten und seinen Vergnügungen keinen Unterschied machte; der es sich angelegen sein ließ, die Not seiner Untertanen zu lindern und ihre Seelen zu beleben; und der stets bemüht war, Ansehen mit Verdienst sowie Glück mit Tugend zu verbinden. Der Parteienhass und selbst noch der religiöse Fanatismus mussten die Überlegenheit seines Genies anerkennen, in Friedens- wie in Kriegszeiten; und mit einem Seufzen bekennen, dass Julian, der Apostat, sein Land liebte und die Herrschaft über die Welt verdient hatte. ›Ductor fortissimus armis, Conditor et legum celeberrimus, ore manuque Consultor patriae, sed non consultor habenda e Religionis, amans tercentum millia Divum. Perfidus ille Deo, quamvis non prefidus orbi. [...in Waffen der stärkste Anführer; hochberühmter Stifter von Gesetzen; in Wort und Tat Ratgeber des Vaterlandes; aber in der Ausübung der Religion kein Ratgeber; Verehrer tausender Gottheiten. Treulos jenem Gott, aber nicht treulos der Welt]. Prudentius, Apotheosis, 450-454. Die Gewissheit von einer edlen Gesinnung ließ den christlichen Dichter sein übliches Mittelmaß überwinden.


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