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XVIII

CHARAKTERISTIK CONSTANTINS · GOTHENKRIEG CONSTANTINS TOD · REICHSTEILUNG UNTER DIE DREI SÖHNE · PERSERKRIEG · TRAGISCHES ENDE VON CONSTANTIN D.J. UND CONSTANS THRONRAUB · DES MAGNENTIUS BÜRGERKRIEG · EROBERUNG ITALIENS · SIEG DES CONSTANTIUS

 

CHARAKTER DES CONSTANTIN

Der Charakter des Herrschers, der den Mittelpunkt des Imperiums verlegt und umfassende Veränderungen der zivilen und religiösen Verfasstheit seines Landes ins Werk gesetzt hatte, musste naturgemäß die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen und zu gegensätzlichsten Urteilen Anlass geben. Die eifernde Dankbarkeit der Christen hat den Befreier der Kirche mit allen Wesenszügen eines Helden, eines Heiligen gar ausgestattet; während der Groll der Unterlegenen Constantin mit den scheußlichsten Tyrannen verglich, die nur je mit ihren Verbrechen und ihrer Unfähigkeit den kaiserlichen Purpur entehrt hatten. Dieser Parteienhader hat in gewissem Umfang noch in späteren Generationen fortgelebt, und auch heute ist Constantins Charakter Gegenstand von Satire oder Lobeshymnen. Vereinigen wir unvoreingenommen die Fehler, die noch seine wärmsten Bewunderer eingestehen, mit den Tugenden, die selbst seine unversöhnlichsten Feinde nicht in Abrede stellen, ›On ne se trompera point sur Constantin en croyant tout le mal qu'en dit Eusebe, et tout le bien qu'en dit Zosime.‹ [Man wird jedenfalls in seiner Beurteilung Constantins niemals falsch liegen, wenn man alles das glaubt, was Eusebios Schlechtes und Zosimos Gutes über ihn sagen]. Fleury, Histoire Ecclésiastique, Band 3, p.233. In der Tat stellen Eusebios und Zosimos die beiden Extreme von Schmeichelei und Schmähung dar. Zwischentöne stammen von solchen Autoren, deren religiöser Eifer je nach Charakter oder Lebenssituation unterschiedlich stark gemäßigt wird. so dürfen wir hoffen, dass wir von diesem Manne ein zutreffendes Portrait erhalten werden, welches auch die historische Wahrheit gelten lassen kann, ohne darüber zu erröten. Indessen, schon bald würde sich erweisen, dass bei dem ehrgeizigen Versuch, derart gegensätzliche Farben anzugleichen und die auseinanderstrebenden Charakterzüge zu harmonisieren, eine monströse, aber nicht menschenähnliche Figur entstehen muss, solange man sie nicht bei dem je und je eigentümlichen Licht betrachtet, das man dann erhält, wenn man die verschiedenen Etappen von Constantins Regierung sorgfältig voneinander trennt.

 

SEINE VORZÜGE...

Leib und Seele Constantins hat die Natur mit Talenten üppig versehen. Seine Statur war stattlich, sein Antlitz majestätisch, sein Auftreten gefällig; seine körperliche Kraft und seine Behändigkeit wusste er bei jedweder Art von Männer-Übung zu entfalten, und von frühester Jugend bis ins hohe Alter bewahrte er seine gute Verfassung, indem er bürgerlichen Tugenden wie Keuschheit und Mäßigung streng beobachtete. Gerne nahm er an vertrautem Gespräch teil; und wenn er seinem Hang zum Spötteln zuweilen nicht die Zügel anlegte, wie es der ernsten Würde seiner Stellung wohl angemessen gewesen wäre, so gewann er doch durch Höflichkeit und Freisinn die Herzen aller, die sich ihm näherten. Die Aufrichtigkeit seiner Freundschaft hat man angezweifelt; dennoch zeigte er bei mancher Gelegenheit, dass er zu warmer und dauerhafter Zuneigung durchaus fähig war. Er war illiterat erzogen worden, aber dieser Nachteil hielt ihn nicht davon ab, den Wert der Bildung richtig einzuschätzen; auch erhielten Künste und Wissenschaft durch Constantins reichlich bemessene Protektion mancherlei Aufmunterung.

Bei der Erledigung seiner Pflichten war er von unermüdlicher Hingabe; und seine Verstandeskräfte hielt er in dauernder Übung durch Lektüre, Schriftverkehr, Nachdenken, durch den Empfang von Botschaftern und durch Überprüfen von Klagen aus der Bevölkerung. Diejenigen, welche die Korrektheit seiner Maßnahmen bezweifelten, mussten dennoch eingestehen, dass er die Phantasie besaß, noch die schwierigsten Pläne zu durchdenken und die Geduld, sie auch auszuführen, ohne sich dabei durch anerzogene Vorurteile oder das Lärmen der Masse irre machen zu lassen. Im Felde vermittelte er seinen Truppen, die er wie ein gestandener General führte, etwas von seiner eigenen Furchtlosigkeit; und wir werden seine bedeutenden Siege über die inneren und äußeren Feinde der Republik weniger dem Zufall als seinem Talent zuschreiben. Er liebte Ruhm durchaus, der für ihn die Belohnung oder vielleicht sogar der Anreiz für seine Anstrengungen war. Sein grenzenloser Ehrgeiz, der vom Moment seiner Thronerhebung in York die vorherrschende Leidenschaft seiner Seele gewesen sein muss, lässt sich nur durch seine eigene bedrohte Stellung erklären, durch die Eigenart seiner Gegner, durch das Bewusstsein der eigenen höheren Verdienste und durch die Erwartung, sein Sieg würde dem zerrütteten Reich Frieden und Ordnung zurückgeben. Während des Bürgerkrieges gegen Licinius und Maxentius wusste er die Zuneigung des Volkes auf seiner Seite, welches die notorischen Laster jener Tyrannen mit dem Geiste der Weisheit und Gerechtigkeit vergleichen mochte, der gleichsam die Generallinie für die Tätigkeit des Constantin vorzugeben schien. Constantins Vorzüge sind zum größten Teil der Darstellung des Eutropius und des jüngeren Victor entnommen, zwei bekennenden Heiden, welche nach dem Untergang seiner Familie schrieben. Selbst Zosimos und der Kaiser Iulian anerkennen seinen persönlichen Mut und seine militärischen Leistungen.

 

...UND SCHWÄCHEN

Wäre Constantin am Tiberufer gefallen oder selbst noch auf der Ebene von Adrianopel, dann wäre dies das Charakterbild gewesen, welches sich mit einigen geringfügigen Abstrichen der Nachwelt überliefert hätte. Aber das Ende seiner Regierung (folgt man dem besonnenen und in der Tat feinen Urteil eines Autors seiner Zeit) verkleinert den Rang, den er unter den bedeutendsten römischen Herrschergestalten einzunehmen verdient hätte. Siehe Eutropius, 10,7. ›In primo Imperii tempore optimis principibus, ultimo (vix) mediis comparandus.‹ [In seinen Anfängen mit den besten Herrschern des Reiches und zum Schluss (kaum noch) mit den mittelmäßigen vergleichbar]. Die alte Griechische Fassung des Poeanius führt mich zu der Annahme, dass Eutropius ursprünglich ›vix‹ (kaum, kaum noch) geschrieben hat, und dass dieser kränkende Einsilber einer vorsätzlichen Unachtsamkeit eines Schreibers zum Opfer fiel. Aurelius Victor drückt die allgemeine Auffassung durch eine vulgär-obskure Redensart aus (Epitome 41): ›Trachala‹ decem annis praestantissimus; duodecim sequentibus ›latro‹; decem novissimis ›pupillus‹ ob immodicas profusiones. [In den ersten zehn Jahren nannte man Trachala den Allerbesten; in den zwölf folgenden Räuber; in den zehn letzten wegen seiner maßlosen Verschwendungssucht Waisenknabe]. Am Leben des Augustus können wir erkennen, wie sich der Tyrann der Republik fast unmerklich zum Vater seines Vaterlandes und der Menschheit wandelt.

In der Biographie des Constantin hingegen mögen wir beklagen, wie ein Held, der für seine Untertanen so lange ein Gegenstand der Zuneigung und seinen Feinden immer ein Schrecken gewesen war, zu einem grausamen und zügellosen Tyrannen verkam, dem sein Glück zu Kopf gestiegen war oder den seine Erfolge der Notwendigkeit zur Verstellung überhoben hatten. Der allgemeine Frieden, den er während seiner letzten vierzehn Regierungsjahre aufrecht zu halten verstand, war eher eine Periode des äußeren Glanzes als des tatsächlichen Wohlstandes; Constantins Alter jedoch war überschattet durch die beiden gegensätzlichen und doch nicht unverträglichen Untugenden der Raffgier und Verschwendungssucht. Die angehäuften Schätze aus den Palästen des Maxentius und Licinius wurden leichthin verschleudert; die verschiedentlichen Neuerungen des Siegers machten zunehmende Unkosten; die Ausgaben für seine Bauten, seinen Hof und die Festveranstaltungen verlangten sofortige und üppige Begleichung; und das einzige Kapital, mit dem der Prachtaufwand des Herrschers bestritten werden konnte, war das Vermögen der Bevölkerung. Iulian, Orationes 1, p.8 in einer schmeichlerischen Rede, die vor Constantins Sohn gehalten wurde; ferner Caesares p. 335 und Zosimos 2,38. Die Prachtbauten in Konstantinopel und anderswo darf man als immerwährende und unwiderlegbare Zeugnisse für des Stifters Neigung zu großen Ausgaben erwähnen. Seine unwürdigen Kreaturen, die durch die Freigebigkeit ihres Herren reich geworden waren, besaßen ein Raub- und Bestechungsprivileg, das nicht mit Strafe bedroht wurde. Der überparteiliche Ammianus (16,8) verdient hier unser volles Vertrauen. Proximorum fauces aperuit primus omnium Constantinus. [Constantinus öffete zuerst allen ihm Nahestehenden den Schlund]. Selbst Eusebios räumt diesen Missbrauch ein (Vita Constantini 4,29 und 54) und einige kaiserliche Gesetze lassen unbestimmt Gegenmittel erahnen. In allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung war ein unsichtbarer, allgemeiner Verfall spürbar, und der Kaiser selbst verlor unter seinen Untertanen immer mehr an Ansehen, wenn man ihm auch nach wie vor gehorsam war.

Die Kleidung und das Auftreten, das er gegen Ende seines Lebens bevorzugte, machten ihn in den Augen der Menschheit nur verächtlicher. Der asiatische Pomp, den er dem Diocletian abgeschaut hatte, umgab die Person des Constantin mit einer Aura der Weichlichkeit und Schlaffheit. Man beschreibt ihn mit falschen, unterschiedlich gefärbten Haaren, die ihm die geschicktesten Künstler seiner Zeit mühsam genug arrangierten, mit einem neuen und noch wertvolleren Diadem, mit einem Übermaß von Edelsteinen und Perlen, Halsketten und Armbändern und einer buntscheckigen, fließenden Seidenrobe, deren Saum mit Goldblumen üppig besetzt war. In diesem Erscheinungsbild, das wir kaum der jugendlichen Torheit eines Elagabal nachsehen würden, suchen wir ganz umsonst nach der Weisheit eines in die Jahre gekommenen Monarchen oder der Schlichtheit eines römischen Kriegers. In den ›Caesares‹ versucht Julian seinen Onkel lächerlich zu machen. Sein anfechtbares Zeugnis wird allerdings von dem gelehrten Spanheim bekräftigt, der Medaillen zu Zeugen aufruft (Siehe dessen Kommentar p. 156, 299, 397, 459). Eusebius (Orationes 5) behauptet, Constantin habe sich für das Publikum und nicht für sich selbst herausgeputzt. Ließen wir das gelten, dann wäre noch der hohlste Stutzer niemals um eine Ausrede verlegen. Ein Gemüt, das so in Üppigkeit und Selbstverliebtheit befangen war, war unfähig zu jenem Edelmut, welcher sich über Misstrauen hinweg setzt und noch den Mut besitzt zu verzeihen. Der Tod des Maxentius und Licinius mag durch die politischen Grundregeln zu rechtfertigen gewesen sein, wie sie in der Schule der Diktatoren gelehrt werden; aber eine nüchterne Darstellung der Hinrichtungen – oder besser wohl: der Morde – mit denen Constantin seine sich neigenden Jahre besudelte, lässt in uns die Vorstellung von einem Herrscher entstehen, welcher ohne Bedenken das Recht und die Stimme der Natur den Eingebungen seiner Leidenschaften und seines persönlichen Vorteils aufopfern konnte.

 

MINERVINA CRISPUS FAUSTINA

Das Glück, das so unverdrossen Constantins Unternehmungen folgte, schien auch die Wünsche und Hoffnungen seines Privatlebens zu begünstigen. Diejenigen Herrscher, die sich der längsten und erfolgreichsten Regierungszeiten erfreuen durften, Augustus, Trajan und Diocletian, erlebten mit ihrer Nachfolge nur Enttäuschungen; und die häufigen Revolutionen hatten es keiner kaiserlichen Familie erlaubt, unter dem Schirm des Purpur zu erblühen und zahlreich zu werden. Erst die königlich-flavische Linie, welche Claudius Gothicus geadelt hatte, überdauerte mehrere Generationen; und Constantin selbst erhielt von seinem regierenden Vater die erbliche Würde, die er dann seinerseits an seine Kinder weitergab. Der Kaiser war zweimal verheiratet. Minervina, das zwar anrüchige, aber legitime Objekt seiner jugendlichen Begierden, Zosimus (2,20) und Zonaras (13,2) bezeichnen übereinstimmend Minervina als die Beischläferin des Constantin: aber Du Cange hat auf ritterliche Weise ihren Ruf gerettet, indem er einen entscheidenden Abschnitt aus einem der Panegyriken (6,4) beibrachte: ›Ab ipso fine pueritiaete te matrimonii legibus dedisti.‹ [Unmittelbar nach dem Ende der Knabenzeit hast du dich den Ehegesetzen unterstellt]. hatte ihm einen Sohn mit Namen Crispus hinterlassen. Von Fausta, der Tochter Maximinians, hatte er drei Töchter und drei Söhne, die unter den gleichklingenden Namen Constantinus, Constantius und Constans bekannt sind. Die schlaffen Brüdern von Constantin d.Gr, nämlich Julius Constantius, Dalmatius und Hannibalianus Du Cange (Familiae Byzantinae p.44) verleiht ihm in Anschluss an Zonaras den Namen Constantinus; dies klingt wenig glaubwürdig, da ihn bereits sein Bruder trug. Hannibalianus wird vom Chronikon Paschale erwähnt und von Tillemont, (Histoire des Empereurs, Band 4, p. 527) bekräftigt. durften die ehrenhaftesten Stellungen einnehmen und über den üppigsten Reichtum verfügen, der sich überhaupt mit einer privaten Stellung vereinbaren ließ. Der Jüngste von ihnen starb vergessen und ohne Nachkommen. Seine beiden älteren Brüder nahmen Töchter reicher Senatoren zur Frau und trieben neue Seitenäste am kaiserlichen Stammbaum hervor. Gallus und Julian wurden später die berühmtesten Kinder von Julius Constantius, dem Patrizier. Die beiden Söhne des Dalmatius, die den leeren Titel eines censor trugen, hießen Dalmatius und Hannibalianus. Die beiden Schwestern des großen Constantin, Anastasia und Eutropia, wurden mit Optatus und Nepotianus verheiratet, zwei Senatoren von adliger Herkunft und konsularischem Rang. Seine dritte Schwester, Constantia, war groß in ihrem Einfluss und in ihrem Unglück. Sie lebte als die Witwe des unterlegenen Licinius; aber allein durch ihre Fürsprache geschah es, dass ein unschuldiger Knabe, der Abkömmling ihrer Ehe, einige Zeit sein Leben, den Cäsarentitel und eine wenn auch anfechtbare Anwartschaft auf die Thronfolge behielt. Neben den Frauen und den Verbündeten des flavischen Hauses schienen entsprechend der Reihenfolge ihrer Geburt weitere zehn oder zwölf Männer, – nach dem Sprachgebrauch unserer heutigen Höfe würde man sie Prinzen von Geblüt nennen – dazu bestimmt zu sein, den Thron des Constantin entweder zu erben oder ihm doch sehr nahe zu sein. Aber in weniger als dreißig Jahren erlosch diese kopfstarke und aufblühende Familie, bis nur noch Constantius und Iulian am Leben waren, die als einzige eine ganze Serie von Verbrechen und Unglücksfällen von der Art überlebt hatten, mit denen die Tragödiendichter den fluchbeladenen Geschlechter des Pelops und des Kadmos zugesetzt hatten.

 

CRISPUS

Crispus, Constantins ältester Sohn und bestallter Reichserbe, wird von neutralen Historikern als liebenswerter und vielseitiger junger Mann geschildert. Die Sorge für seine Erziehung oder zumindest für seine Studien wurde Lactantius, einem äußerst redegewandten Christen anvertraut; ein Lehrer in der Tat, der den Geschmack und die guten Eigenschaften seines vornehmen Schülers wohl zum Leben erwecken sollte. Die Armut des Lactantius ist entweder ein Ruhmesblatt seiner philosophischen Gleichgültigkeit oder ein Schandfleck seines gefühllosen Herren. Siehe Tillemont, Memoires ecclésiastiques Band 4, Teil1, p. 345. Dupin, Bibliothéque ecclésiastiques Band 1, p. 205. Lardner's Credibility of the Gospel History, Teil 2, Band 7, p. 66. Im Alter von siebzehn Jahren übertrug man Crispus die Cäsarenwürde und die gallischen Provinzen, wo ihm die häufigen Germaneneinfälle schon früh Gelegenheit gaben, sein militärisches Talent zu bewähren. In dem Bürgerkrieg, der bald darauf ausbrach, teilten Vater und Sohn ihre Streitkräfte; unsere Darstellung hat bereits hinreichend den Mut und das Geschick des Letztgenannten gewürdigt, welcher immerhin den Hellespont besetzte, den Licinius mit seiner überlegenen Flotte so verbissen verteidigte. Dieser Seesieg trug entscheidend zum Ausgang des Bürgerkrieges bei; und in dem glücklichen Beifallgeschrei der östlichen Untertanen hörte man beide Namen, Constantin und Crispus: die Welt sei, so rief man, unterdrückt gewesen, werde aber nun durch einen Herrscher von umfassender Tugend regiert und von seinem herrlichen Sohn, einem Liebling des Himmels und einem getreuen Abbild von seines Vaters Größe. Die populäre Gunst gilt selten dem Alter und schüttete auch hier ihr Lob über die Jugend des Crispus. Er hatte die Wertschätzung des Hofes, der Armee und des Volkes verdient und er forderte ihre Zuneigung. Die unbestrittenen Verdienste eines Monarchen werden von seinem Volk nur widerwillig anerkannt und oft sogar mit verdrießlichem Murmeln in Abrede gestellt; während sie von den ersten Tugendproben seines Nachfolgers Wunderdinge für das private und öffentliche Glück erhoffen. Eusebios, Historia ecclestiastica 10,9. Eutropius (10,6) nennt ich einen ›egregium virum;‹ [vorzüglichen Mann], und Iulian (Orariones 1) spielt unverkennbar auf seine Heldentaten im Bürgerkrieg an. Siehe Spanheim, Kommentar p. 92.

 

CONSTANTINS MISSGUNST DER 10. OKTOBER 324

Diese nicht unbedenkliche Volkstümlichkeit erregte schon bald das Misstrauen Constantins, welcher als Vater und als König einen Gleichrangigen nicht leiden mochte. Anstelle dass er nun versucht hätte, sich der Ergebenheit seines Sohnes durch neuerliche Vertrauens- und Gunsterweise zu versichern, beschloss er, dem Schaden vorzubeugen, der sich von dem unbefriedigten Ehrgeiz des Jünglings hätte befürchten lassen. Crispus hatte nämlich schon bald Grund zur Klage, dass seinem unmündigen Bruder der Cäsarentitel und die Herrschaft über die gallischen Provinzen übertragen worden seien, Vergleiche Idatius und das Chronicon paschale mit Ammianus 14,5. Das Jahr von Constantius' Erhebung zum Caesar scheinen die beiden Chronologen exakter bestimmt zu haben, aber dem Historiker, der an dessen Hof lebte, konnte der Jahrestag nicht unbekannt sein. Über die Ernennung des neuen Caesar für die gallischen Provinzen Galliens siehe Iulian, Orationes 1, p.12; Gothofredus, Chronologia Legum, p. 26 und Blondel, de la Primauté de l'Eglise, p. 1183. während man ihm, einem Prinzen in den Mannesjahren und von unverwelklichen Verdiensten, nicht nur den nächsthöheren Rang eines Augustus verweigere, sondern auch noch an seines Vaters Hof wie einen Gefangenen halte; wo er schutz- und wehrlos jeder erdenklichen Verleumdung ausgesetzt sei, die die Bösartigkeit seiner Feinde nur in die Welt setzen mochte. Unter diesen bitteren Umständen hatte sich die königliche Jugend wohl nicht immer in der Gewalt, ihr Missvergnügen zu unterdrücken; und wir können sicher sein, dass er von einem Schwarm schwatzhafter oder ungetreuer Freunde umgeben war, die die unvorsichtigen Ausbrüche seines Zornes vorsätzlich anzufachen oder sogar zu denunzieren Anweisung hatten. Ein Erlass Constantins, welcher in eben dieser Zeit veröffentlicht wurde, belegt handgreiflich dessen begründete oder auch nur eingebildete Theorie, dass sich eine heimliche Verschwörung gegen ihn und seine Regierung forme. Mit dem Versprechen von Auszeichnungen und Belohnungen fordert er Angeber jeden Standes auf, ausnahmslos alle seine Magistrate und Minister zu belasten, selbst seine Freunde und engsten Günstlinge, verbunden mit der nachdrücklichen Versicherung, dass er persönlich die Anklage anhören und geschehenes Unrecht bestrafen werde; und mit einem Gebet, das wirkliche Angst erahnen lässt, wendet er sich schließlich an das Höchste Wesen, dass es den Herrscher und sein Reich auch fernerhin zu beschirmen fortfahren möge. Codex Theodosianus 9,4. Gothofredus ahnte die eigentlichen Ursachen des Gesetzes. Kommentar Band 3, p.9.

 

TOD DES CRISPUS JULI 326

Die Petzer, die sich einer so weitgefassten Aufforderung unmöglich verweigern konnten, waren der höfischen Künste hinreichend kundig genug, um zunächst Freunde und Anhänger des Crispus zu Schurken zu bestimmen; auch gibt es keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit des Kaisers zu zweifeln, welcher Rache und Strafe in großem Stile angekündigt hatte. Gegenüber seinem Sohn jedoch beobachtete Constantin auch weiterhin Respekt und Zutrauen, obwohl er ihn als seinen unversöhnlichsten Feind anzusehen begann. Medaillen mit den üblichen Wünschen für eine lange und gesegnete Regierungszeit des jungen Caesar wurden geschlagen; Du Cange, Familiae Byzantinae, p. 28. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques Band 4 p. 610. und so wie das Volk, dem Einblicke in die Palastkabalen verwehrt waren, ihn unvermindert weiterliebte, so rühmt auch ein Dichter, der um die Rückkehr aus dem Exil bettelt, die Majestät von Vater und Sohn mit gleicher Inbrunst Sein Name war Porphyrius Optatianus. Das Datum seiner Jubelrede, dem Zeitgeschmack entsprechend in miserablen Akrostichen abgefasst, ermittelt Scaliger, ad Eusebium p. 250. Tillemont, a.a.O., p. 607; Fabricius, Bibliotheca Latina 4,1.

Die Zeit war gekommen, das zwanzigjährige Regierungsjubiläum des Constantin festlich zu begehen; und zu diesem Zwecke reiste der Herrscher mitsamt seinem Hofe von Nikomedia nach Rom, wo zu seinem Empfange bereits die üppigsten Vorkehrungen getroffen worden waren. Jedermann erzeigte sich bestrebt, durch Minen und Worte sein ungemessenes Glücksgefühl zum Ausdruck zu bringen, und so hing für einige Zeit der Schleier von Festesfreude und Verstellung über den finstersten Rache- und Mordplänen. Zosimos 2,29; Gothofredus, Chronologia legum, p. 28. Mitten während der Feier wurde der unglückselige Crispus auf Geheiß des Herrschers festgenommen, der zärtliche Vatergefühle fahren ließ, ohne zugleich den Gerechtigkeitssinn eines Richters anzunehmen. Das Verhör war kurz und unter vier Augen; ohne angemessene Prüfung, so das strenge und vermutlich zutreffende Urteil der ›Suida‹. Victor d.Ä., der unter der folgenden Regierung schrieb, sagt mit angemessener Zurückhaltung: ›Natu grandior, incertum qua causa, patris judicio occidisset.‹ [..als der Ältere auf Befehl seines Vaters aus unbekanntem Grunde getötet worden war]. (De Caesare 41.) Wenn wir nun die späteren Autoren konsultieren – Eutropius,Victor d.J., Orosius, Hieronymus, Zosimos, Philostorgios, und Gregor von Tours –, so finden wir, wie ihre Kenntnisse in dem Maße reichhaltiger werden, in welchem ihre Quellen versiegen; welcher Umstand in der historischen Forschung nicht eben selten ist. und, als ob man es für wohlanständig hielt, das Schicksal des jungen Prinzen vor den Augen der Römer zu verbergen, wurde er unter strenger Bewachung nach Pola in Istrien gebracht, wo er schon bald ermordet wurde, sei es von der Hand des Henkers oder durch das sanftere Mittel der Vergiftung. Ammianus (14,11) benutzt das allgemeine ›peremptum‹ [verdorben]. Kodinos (p.34) enthauptet den jungen Prinzen; wohingegen Sidonius Apollinaris (Epistulae 5,8), vermutlich um des Kontrastes zu Faustas ›warmen‹ Bade, ihm einen ›kalten‹ Gifttrunk zu verabreichen für gut befindet. Der Caesar Licinius, ein junger Mann von liebenswertem Auftreten, war in den Untergang des Crispus verwickelt; ›Sorosis filium, commodae indolis juvenem.‹ Eutropius, 10,6. [Den Sohn seiner Schwester, einen angenehmen jungen Mann]. Man gestatte mir die Konjektur, dass Crispus mit der Tochter des Kaisers Licinius, Helena, vemählt wurde und im Jahre 322 Constantin anlässlich der glücklichen Niederkunft der Fürstin eine allgemeine Amnestie erlassen hat. Siehe Du Cange, Familiae Byzantinae, p. 47, und das Gesetz 9,28,1 des Codex Theodosianus, das die Kommentatoren beträchtlich in Verlegenheit gebracht hat. Gothofredus, Band 3, p.267. und die kaltherzige Eifersucht des Constantin konnten auch die Tränen und das Flehen seiner Lieblingsschwester nicht erweichen, die um das Leben ihres Sohnes bat, dessen einziges Verbrechen sein Rang war und den sie nicht lange überleben sollte. Die Geschichte dieser unglücklichen Prinzen, die Art ihrer Schuld und die Beweise dafür, das Gerichtsverfahren und die näheren Todesumstände liegen in einem geheimnisvollen Dunkel begraben; und der artige Bischof, der in einem starken Werk Tugend und Frömmigkeit seines Helden gefeiert hat, zieht es klüglich vor, über diesen heiklen Gegenstand Stillschweigen zu beobachten. Siehe die Vita Constantini, vor allem 2, 19 und 20. 250 Jahre später deutet Euagrios Scholastikos (3,41) dieses Schweigen des Eusebius albernerweise als Argument gegen die Wirklichkeit des Geschehens.

Diese hochmütige Verachtung der Menschheitsmeinung, die auf dem Andenken des Constantin einen unauslöschlichen Schandfleck hinterlässt, bildet einen sehr bezeichnenden Gegensatz zu dem Verhalten eines der größten Monarchen der neueren Zeit. Zar Peter hat im Vollbesitz aller Machtmittel eines Despoten dem Urteil Russlands, Europas und der Nachwelt die Gründe vorgelegt, die ihn vermochten, das Todesurteil gegen seinen verbrecherischen oder wenigstens verkommenen Sohn zu unterzeichnen. Siehe Voltaire, Histoire de Pierre le Grand, Teil 2, c.10.

 

FAUSTINA IM DAMPFBAD ERSTICKT

Die Unschuld des Crispus war so allgemein anerkannt, dass die modernen Griechen in der Bewunderung für ihren Gründer seine Schuld an diesem Kindermord lediglich beschönigen können, da das natürliche menschliche Empfinden ihnen verbietet, ihn zu rechtfertigen. So wollen sie wissen, dass der heimgesuchte Vater der Welt Zeichen bitterer Reue gesetzt habe, sobald er entdecken musste, wie er in seiner Arglosigkeit durch falsche Anschuldigungen in die Irre geführt worden war; dass er sich einer vierzigtägigen Bußübung unterzogen habe und während dieser Zeit vom Bade und den anderen Annehmlichkeiten des Lebens abgestanden habe; und dass er endlich, der Nachwelt zur ewigen Belehrung, dem Crispus eine goldene Statue habe errichten lassen mit der Inschrift: MEINEM SOHN, DEN ICH ZU UNRECHT ZUM TODE VERURTEILTE. Um zu beweisen, dass die Statue von Constantin tatsächlich errichtet und erst später von arianische Bösartigkeit wieder entfernt worden war, beruft sich Kodinos recht voreilig auf zwei Zeugen, Hippolytus und Herodotus den jüngeren, auf dessen phantastische Geschichten er ohne Erröten zurückgreift. Eine derart moralische und anrührende Fabel hätte allerdings weniger anfechtbare Autoren verdient; denn wenn wir die älteren und zuverlässigeren Verfasser heranziehen, erfahren wir, dass sich die Reue des Constantin in erster Linie in weiteren Blut- und Rachetaten äußerte; und dass die Sühne für den Mord an seinem unschuldigen Sohn darin bestand, dass er eine möglicherweise schuldige Frau hinrichten ließ. Sie schreiben den Untergang des Crispus den Umtrieben seiner Stiefmutter Fausta zu, welche im Palast des Constantin die archaische Tragödie von Hippolytos und Phaedra neu inszenierte. Zosimos (2,29) ist hier unsere Quelle. Der Scharfsinn moderner und einige Andeutungen antiker Autoren haben seine rätselhafte und unvollständige Darstellung richtig gestellt. Wie die Tochter des Minos, so beschuldigte auch die Tochter des Maximinian ihren Stiefsohn der inzestuösen Nachstellungen gegenüber der Frau seines Vaters; und bewirkte bei dem eifersüchtigen Herrscher mühelos ein Todesurteil gegen den jungen Prinzen, in welchem sie nicht zu Unrecht den gefährlichsten Rivalen für ihre eigenen Kinder erblickte. Aber Constantins betagte Mutter, Helena, beweinte und rächte den vorzeitigen Tod ihres Enkelsohnes; nicht lange dauerte es, bis tatsächlich oder angeblich entdeckt ward, dass Fausta ihrerseits eine verbotene Beziehung zu einem kaiserlichen Stallknecht unterhielt. Philostorgios 2,4. Zosimos (2,29 und 39) legt Constantin den Tod zweier Ehefrauen zur Last: der unschuldigen Fausta und einer Ehebrecherin, die die Mutter seiner drei Nachfolger war. Entsprechend den Angaben von Hieronymos vergingen zwischen dem Tod des Crispus und der Fausta drei bis vier Jahre. Der ältere Victor schweigt sich hier lieber aus. Auf die Anklage folgten unmittelbar das Urteil und die Bestrafung; die Ehebrecherin wurde in einem Dampfbad erstickt, welches zu diesem Zwecke übermäßig stark angeheizt worden war. Wurde Faust wirklich zum Tode verurteilt, dann kann man mit gutem Grunde annehmen, dass die Hinrichtung in den Privatgemächern des Palastes stattfand. Der Redner Chrysostomos lässt seiner Phantasie freien Lauf: die Herrscherin wurde nackt auf einsamer Bergeshöhe ausgesetzt, den wilden Tieren ein Fraß.

Mancher könnte nun meinen, dass die Erinnerung an eine zwanzigjährige Ehe, an ihre gemeinsame Herkunft und die Geburt der designierten Thronerben das verstockte Herz des Constantin hätte erweichen sollen, die Verfehlung seines wie immer auch schuldigen Weibes zu ertragen und sie mit einer milden Gefängnisstrafe büßen zu lassen. Aber es ist vergebliche Mühe, die Schwere dieses einzigartigen Vergehens zu wägen, solange wir noch nicht einmal für seine Wahrheit einstehen können, zumal es hierbei in der Tat einige höchst fragwürdige und merkwürdige Begleitumstände gibt. Zwei sehr bemerkenswerte Passagen in zwei Reden, welche unter den nachfolgenden Herrschern gehalten wurden, haben Feinde und Verteidiger des Constantin übersehen: die erste dieser Passagen feiert die Tugenden, die Schönheit und das Schicksal der Kaiserin Fausta, der Tochter, Frau, Schwester und Mutter so vieler Herrscher. Julian (Orationes 1, p.10) nennt sie die Mutter des Crispus. Diese Bezeichnung hat sie möglicherweise durch Adoption erhalten. Zumindest wurde sie nicht als sein Todfeind angesehen. Julian verglich Faustas Schicksal mit dem der persischen Königin Prysatis. Ein Römer hätte sich naturgemäß an die jüngere Agrippina erinnert gefühlt:– Et moi, qui sur le trône ai suivi mes ancêtres: Moi, fille, femme, sœr et mère de vos maîtres. (Racine, Britannicus I, 2) [Und ich, die ich meinen Ahnen auf den Thron gefolgt bin; Ich, Tochter, Gattin, Schwester und Mutter eurer Herrscher]. Der andere Redeabschnitt bekräftigt ausdrücklich, dass die Mutter des jüngeren Constantin, welcher drei Jahre nach seines Vaters Tod erschlagen wurde, nur überlebt habe, um ihren Sohn zu beweinen. Monodia in Constantinum iunior 4. (ed. Havercamp) Der Redner nennt sie die göttlichste und frömmste der Königinnen.

Der Zeugnisse einiger heidnischer wie christlicher Schreiber ungeachtet gibt es immer noch Grund zur Annahme, dass Fausta der blind-misstrauischen Grausamkeit ihres Mannes entging. Der Tod eines Sohnes, eines Neffen, die Hinrichtung zahlreicher respektabler und vermutlich unschuldiger Freunde, ›Interfecit numerosos amicos.‹ Eutropius 10,6. [Er tötete viele Freunde]. welche durch ihren Sturz mitgerissen wurden, mögen den Unmut der römischen Bevölkerung hinreichend rechtfertigen und die satirischen Verse am Palasttor erklären, welche die pompösen und zugleich blutigen Regierungszeiten von Constantin und Nero miteinander verglichen. ›Saturni aurea saecula quis requirat? Sunt haec gemmea, sed Neroniana.‹ Sidonius Apollinaris 5,8 [Wer fragt nach den goldenen Jahren Saturns? Sie sind hier, wie Edelsteine glänzend, wenn auch neronianisch]. Es fällt auf, dass dieses Pasquill nicht einem obskuren Spottdichterling oder einem enttäuschten Patrioten, sondern dem Ablavius zugeschrieben wird, dem ersten Minister und dem Favoriten des Kaisers. Und so bemerken wir denn, dass sowohl die Menschlichkeit wie auch der Aberglauben den Römern ihre Verwünschungen eingaben. Zosimos 2,29f.

 

CAESARENTITEL AN DIE DREI SÖHNE IHRE ERZIEHUNG

Aber infolge von Crispus' Tod ging die Thronfolge auf Faustas drei Söhne über, deren unter ihren Namen Constantin, Constantius und Constans bereits gedacht wurde. Diese jungen Prinzen erhielten einer nach dem anderen den Cäsarentitel; und der Zeitpunkt ihrer Ernennung ist unmittelbar mit dem zehn-, zwanzig- und dreißigjährigen Regierungsjubiläum ihres Vaters verknüpft. Siehe Eusebios, Oratio in Constantinum 3. Diese Angaben sind zutreffend genug, um dem Redner Recht zu geben. Man kann diese Maßnahme mit der Parteilichkeit der väterlichen Zuneigung entschuldigen, obwohl doch dadurch die Zahl der künftigen Beherrscher des römischen Reiches vermehrt wurde; weniger leicht sind die Motive der Herrschers zu begreifen, als er seine beiden Neffen Hannibalianus und Dalmatius unnötigerweise ebenfalls in den Cäsarenrang erhob und dadurch die Sicherheit seiner Familie und des Volkes aufs Spiel setzte. Dalmatius wurde durch diesen Cäsarentitel seinen Vettern gleichgestellt. Für Hannibalianus erfand Constantin eigens den neuen und einzigartigen Titel eines nobilissimus Zosimos 2,39. Unter Constantins Vorgängern war Nobilissimus eine unbestimmte Eigenschaft und kein gesetzlicher Titel.; welcher durch eine goldverbrämten Purpurrobe noch besonders schmeichelhaft ausgezeichnet wurde. Unter allen Herrschern des römischen Reiches aber war Hannibalianus der einzige, welcher den Titel eines KÖNIGs führte; vor welchem Namen als einer ruch- und schamlose Beleidigung durch einen Tyrannen die Untertanen des Tiberius wohl ausgespuckt haben würden. Ein solcher Titel stellt selbst unter einem Konstantin ein sonderbares und unerhörtes Faktum dar, das denn auch durch kaum eine kaiserliche Denkmünze oder zeitgenössischen Autoren zu belegen ist. ›Adstruunt nummi veteres ac singulares.‹ [Das belegen alte und vereinzelte Münzen], Spanheim de Usu Numismatum, Dissertatio 12. Band 2, p. 357. Ammianus erwähnt diesen römischen König (14,1), und Valesius ad locum. Das valesianische Fragment nennt ihn König der Könige, und das Chronicon paschale p.286 erlangt durch den Gebrauch des gr. Wortes ›Rhega‹ das Gewicht des lateinischen Zeugnisses.

 

IHRE ERZIEHUNG

Das Imperium in seiner Gesamtheit zeigte sichtbares Interesse an der Erziehung dieser fünf Jugendlichen, Constantins offiziellen Nachkommen. Mit körperlichen Übungen wurden sie für die Strapazen des Krieges und die Pflichten des täglichen Lebens ertüchtigt. Werden gelegentlich die Talente des Constantius erwähnt, so finden wir, dass er sich in den Lauf- und Springübungen hervortat; dass er ein geschickter Bogenschütze und ein gewandter Reiter war und die verschiedenen Kavallerie- und Infanteriewaffen glänzend zu handhaben wusste. Seine Gewandtheit in militärischen Übungen wird gepriesen von Iulian Orationes 1,12 und 2,67 und von Ammianus 21,16 zumindest eingeräumt. Mit gleichem Eifer, wenn auch sichtlich mit weniger Erfolg ging man an die geistige Ausbildung der Söhne und Neffen Constantins. Eusebios, Vita Constantini 4,51 und Iulian, Orationes 1, p.11-16. Nebst Spanheims ergiebigem Kommentar. Constantius studierte mit löblichem Eifer; aber seine Armut an Phantasie bewahrte ihn davor, in der Dichtkunst oder wenigstens in der Rhetorik Nennenswertes zu leisten. Die berühmtesten Lehrer des christlichen Glaubens, der griechischen Philosophie und der römischen Jurisprudenz lud Constantin ein und entlohnte sie üppig, während er sich selbst vorbehielt, die königliche Jugend in der Kunst des Regierens und in der Menschenkenntnis zu unterweisen. Indessen war Constantins Gemüt durch Widerstände und eigene bittere Erfahrung geprägt worden. Im privaten Umgang mit Menschen und inmitten der Gefahren an Galerius' Hof hatte er gelernt, seinen eigenen Wallungen zu gebieten und denen Gleichgestellter angemessen zu begegnen sowie in Hinblick auf seine gegenwärtige Sicherheit und seine zukünftige Größe sich ganz auf seine eigene Umsicht und seine Standhaftigkeit zu verlassen.

Seine designierten Nachfolger hatten das Unglück, im Purpur geboren und erzogen worden zu sein. Unablässig waren sie von einem Schwarm von Schmeichlern umgeben, und ihre Jugend verbrachten sie im Luxus und in der sicheren Erwartung auf den Thron; auch hätte die Würde ihres Rang ihnen nicht gestattet, von jener hohen Plattform herabzusteigen, von der aus die unterschiedlichen menschlichen Charaktere sich so gleichförmig-unbestimmt ausnehmen. Constantins Nachsicht gestattete ihnen schon sehr frühzeitig die Teilnahme an den Regierungsgeschäften; und so lernten sie, auf Kosten des ihnen anvertrauten Volkes zu regieren. Constantin der Jüngere sollte seinen Hof in Gallien halten; sein Bruder Constantius tauschte diese Provinz, den frühere Herrschaftsbereich seines Vaters, gegen die reicheren, aber weniger kriegerischen Länder des Ostens. Italien, das westliche Illyricum und Afrika waren bereits daran gewöhnt, Constans zu huldigen, dem dritten Sohn und Stellvertreter des großen Constantin. Dalmatius schickte er an die gotische Front und übertrug ihm zusätzlich die Herrschaft über Thrakien, Makedonien und Griechenland. Für Hannibalianus wurde Caesarea als Residenzstadt ausgesucht, und die Provinzen von Pontus, Kappadokien und dem kleineren Armenien durften sein neues Königreich abgeben.

Jedem dieser Prinzen wurde ein angemessene Hofhaltung bewilligt. Leibwachen, Legionen und Hilfstruppen wurden, ihrem jeweiligen Rang entsprechend, zum Schutz bewilligt. Die Minister und Generäle, die Constantin in ihrer Nähe platziert hatte, waren so geartet, dass Constantin darauf vertrauen konnte, dass sie den jugendlichen Herrschern bei der Ausübung ihrer geliehenen Macht helfen und sie gegebenenfalls auch überwachen würden. Mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung dehnten sich die Grenzen ihrer Herrschaft unmerklich aus: aber den Augustustitel hielt der Herrscher für sich aufgespart; und während er Armee und Provinzen mit den Caesaren bekanntmachte, blieb doch jeder Teil des Imperiums unverändert unter seiner Oberherrschaft. Eusebios, Vita Constantini 4,51f, In seinem Bestreben, die Macht und die Herrlichkeit des Constantin noch zu vergrößern, versichert Eusebios, dass der Kaiser das römische Reich aufgeteilt habe wie ein Privatmann seine Besitztümer. Die Verteilung der Provinzen können bei Eutropius, den zwei Victors und im valesianischen Fragment nachgelesen werden. Nur wenig ward die Ruhe seiner letzten vierzehn Regierungsjahre durch den armseligen Aufstand eines Kameltreibers der Insel Zypern aufgestört Calocerus, der obskure Anführer dieser Erhebung, oder besser wohl dieses Rummels, wurde infolge der Wachsamkeit des Dalmatius festgenommen und lebendig auf dem Marktplatz von Tarsos verbrannt. Siehe Victor d.Ä. das Chronicum Eusebii des Hieronymus und die fragwürdige Überlieferung von Theophanes und Kedrenos. oder etwa dadurch, dass Staatsklugheit Constantin am Kriege gegen die Goten und Sarmaten persönlich teilzunehmen veranlasste.

 

DIE SARMATEN

Innerhalb des Menschengeschlechtes bilden die Sarmaten eine ganz besondere Gruppe; in ihnen scheinen sich die Merkmale asiatischer Barbaren mit dem Körperbau und der Hautfarbe der antiken Einwohner Europas zu vereinen. Infolge der verschiedenen Wechselfälle von Krieg und Frieden, von Bündnissen und Eroberungszügen war das Wohngebiet der Sarmaten bisweilen nur die Ebene am Don; manchmal jedoch dehnte es sich über das ungemessene Grasland zwischen Weichsel und Wolga. Cellarius hat die verschiedenen Ansichten der Alten, die europäischen und asiatischen Sarmaten betreffend, zusammengetragen, und Herr d'Anville hat sie mit derjenigen Einsicht und Akkuratesse, die diesen vorzüglichen Gelehrten von jeher auszeichnen, auf die Geographie der Gegenwart angewandt. Ihre zahlreichen Rinder- und Schafherden, die Jagd und ihre Kriegszüge – besser wohl: ihre Raubzüge – bestimmten die wechselnden Wohnorte der Sarmaten. Ihre fahrbaren Siedlungen oder Städte, in denen sich für gewöhnlich ihre Weiber und Kinder aufhielten, bestanden aus geräumigen Planwagen, die von Ochsen gezogen wurden und mit einer Art Zelt überdacht waren. Die Kavallerie war ihre Hauptwaffe; und die Gewohnheit der Krieger, stets ein oder zwei Reservepferde bei sich zu führen, ermöglichte ihnen rasche Attacken, mit denen sie die Wachsamkeit eines fernen Feindes überraschten, und ebenso rasche Flucht, mit der sie dessen Verfolgung entkamen. Ammianus 17,12. Die sarmatischen Hengste wurden kastriert, um ärgerlichen Zufälligkeiten, zu denen die lautstarken und unkontrollierbaren Wallungen der Hengste Anlass geben konnten, entgegen zu steuern.

Da sie nicht über Eisen verfügten, ersannen sie eine Art von Brustpanzer, der einen Schwerthieb oder Lanzenstich widerstehen konnte, obgleich er nur aus Pferdehufen gearbeitet war, welche in dünne und glatte Scheiben geschnitten, wie Schuppen oder Federn sorgfältig übereinander gelegt und auf einem groben Unterleinen festgenäht wurden. Pausanias (1,21), dieser neugierige Reisende, hatte einen sarmatischen Harnisch sorgfältig untersucht, welcher im Aeskulaptempel zu Athen aufbewahrt wurde. Die Angriffswaffen der Sarmaten waren der kurze Dolch, lange Lanzen und ein mächtiger Bogen mit einem gefüllten Köcher. Als Pfeilspitzen mussten sie Fischbein verwenden; aber ihre Sitte, sie in einen giftigen Sud zu tunken, so dass die Wunden der getroffenen Gegner sich entzündeten, diese Sitte allein reicht hin, ihnen eine niedere Gesinnung zu attestieren; denn Menschen mit einer Spur Humanität wären vor so einer grausamen Praxis zurückgeschaudert, und Völker mit entwickelter Kriegskunst hätten ein so erbärmliches Hilfsmittel verachtet. ›Aspicis et mitti sub adunco toxica ferro Et telum causas mortis habere duas.‹ Ovid, ex Ponto, 4,7,11. [Du erblickst die Pfeile, deren Widerhaken vergiftet sind und bist nun zweifach vom Tode bedroht.)Vergleiche hierzu die Untersuchung über Giftpfeile in den Recherches sur les Américains, Band 2, p 236-271]. Das Gift war üblicherweise pflanzlicher Herkunft; aber das der Skythen scheint eine Mischung aus Viperngift und Menschenblut gewesen zu sein. Der Gebrauch von Giftwaffen, der in der Alten und der Neuen Welt üblich war, hat indessen niemals einen Eingeborenen-Stamm vor den Waffen eines ausgebildeten Feindes geschützt. Ihre zottigen Bärte, verwahrlosten Haare, die Pelze, mit denen sie sich von Kopf bis Fuß einhüllten und schließlich ihr wilder Gesichtsausdruck, in dem sich die ihnen eingeborene Gemütsrohheit spiegelte: alles dieses erfüllte die kultivierten Bewohner der Grenzprovinzen Roms mit Entsetzen und Abneigung.

 

IHRE AUSSIEDLUNG IM DONAUGEBIET

Der sanfte Ovid war nach einer Jugend in Ruhm und Luxus in ein trostloses Exil an die Ufer der gletscherkalten Donau verbannt worden, wo er nahezu schutzlos diesen Steppen-Unholden ausgesetzt war und deren grobkörnige Gemütsverfassung, wie er befürchtete, auf seine sanfte Seele abfärben müsse. In seinen heftigen, wiewohl zuweilen auch unmännlichen Klageliedern beschreibt er in den lebhaftesten Farben Kleidung und Gebräuche, Waffen und Überfälle der Geten und Sarmaten, Die neun Bücher dieser Tristien, die Ovid während der ersten sieben Jahre seines trübseligen Exils schrieb, besitzt neben seiner unbestrittenen Eleganz noch zwei weitere Vorzüge. Sie entwerfen das Bild einer Menschenseele in einer Extremsituation; und sie enthalten zahlreiche Kuriositäten, die zu beobachten außer Ovid kein Römer Gelegenheit hatte. Der Historiker Graf de Buat hat alle Beobachtungen, die die Geschichte der Barbaren zu illustrieren geeignet scheinen, mit großer Genauigkeit zusammengetragen. (Buat, Histoire Ancienne des Peuples de l'Europe, Band 4, c. 16, p. 286-317.) die sich zum Gemeinschafts-Plündern vorübergehend verbündet hatten; es gibt guten Grund zu der Annahme, dass es sich bei diesen Sarmaten um die Jazygen handelte, welche den größten und kriegerischsten Teil dieser Nation ausmachten. Die Verlockungen des Reichtums vermochten sie, sich dauerhaft an den Grenzen des Imperiums anzusiedeln. Schon bald nach dem Ende von Augustus zwangen sie die Dakier, welche am Ufer der Theiss (Tibiscus) vom Fischfang lebten, sich in das Hügelland zurückzuziehen und den siegreichen Sarmaten die fruchtbare Ebene Ungarns zu überlassen, welche durch die Donau und das Halbrund der Karpaten begrenzt wird. Die sarmatischen Jazygen siedelten an den Ufern des Pathissus (Theiss), als Plinius im Jahre 79 seine Naturgeschichte veröffentlichte (4,25). Sechzig oder siebzig Jahre vorher, in den Zeiten von Ovid und Strabo, haben sie offenbar an der Schwarzmeerküste gesiedelt.

In dieser vorteilhaften Lage warteten sie auf die Gelegenheit zum Angriff, sobald sie sich durch Unrecht provoziert fühlten, oder ließen ihn verstreichen, wenn sie durch Geschenke beschwichtigt werden konnten; allmählich hatten sie sich auch die Handhabung gefährlicherer Waffen angeeignet; und wenn die Sarmaten sich auch nicht durch besondere Eroberungen hervorgetan hatten, so sprangen sie doch ihren östlichen und westlichen Nachbarn, den Goten und Germanen, mit einer schlagkräftigen Kavallerieabteilung bei. Sie lebten unter der ungeregelten Herrschaft ihrer Stammeshäuptlinge; ›Principes Sarmatarum Jazygum penes quos civitatis regimen ... plebem quoque et vim equitum, qua sola valent, offerebant.‹ Tacitus, Histotrien 3,5. [Die Häuptlinge der jazygischen Sarmaten, bei denen die Leitung ihres Staates lag, boten auch ihre Kavallerie an, die ausschließlich ihre Stärke ausmachte]. Im Bürgerkrieg zwischen Vitellius und Vespasian wurde dieses Angebot ebenfalls gemacht. nachdem sie aber in ihren Volkskörper die flüchtigen Vandalen aufgenommen hatten, welche den Goten hatten weichen müssen, scheinen sie aus jener Nation einen König gewählt zu haben, und ebenso von den berühmten Astingi, welche zuvor an den Küsten des Nordmeeres gesiedelt hatten. Diese Hypothese von einem Vandalenkönig, welcher über sarmatische Untertanen regiert, scheint erforderlich, damit es zu einem Ausgleich zwischen dem Goten Jornandes mit den griechischen und lateinischen Historikern Konstantins kommen kann. Es sei darauf hingewiesen, dass Isidor, welcher unter den Goten in Spanien lebte, die Sarmaten und nicht die Vandalen als Feinde ausgibt. Siehe seine Chronik in Grotius, p.709.

 

GOTENKRIEG ERFOLGREICH BEENDET – A.D. 331

An dieser Reibungsfläche müssen sich nun alle die strittigen Fragen entzündet haben, welche zwischen benachbarten kriegerischen Großnationen beständig schwelen. Die Vandalenherrscher schwankten zwischen Furcht und Rachegelüsten; die Gotenkönige verlangte es danach, ihren Einflussbereich vom Schwarzen Meer bis nach Germanien zu erweitern: und so war das Wasser des Maros, eines kleinen Nebenflusses der Theiss, mit dem Blute feindlicher Barbaren gerötet. Nachdem die Sarmaten auf handgreifliche Weise erlebt hatten, dass ihre Gegner ihnen an Zahl und Kampfkraft überlegen waren, baten sie den römischen Monarchen um Schutz, welcher einerseits an dem Hader der Barbaren seine Freude hatte, zugleich aber sich über den Fortschritt der gotischen Waffen zu Recht seine Gedanken machte. Sobald sich Constantin für die schwächere Partei erklärt hatte, überschritt Ararich, der stolze Gotenkönig, die Donau in Eile, anstelle den Angriff der Legionen abzuwarten, und verbreitete Schrecken und Verwüstung in der Provinz Mösien. Der betagte Herrscher begab sich in Person auf den Kriegsschauplatz, weiteren Verwüstungen zu wehren; indessen verließ ihn bei dieser Gelegenheit seine Besonnenheit oder das Glück, welche ihm in so vielen Kriegen im In- und Ausland beigestanden und seinen Ruhm gemehrt hatten. Zu seinem Verdruss sah seine Truppen vor einem kleinen Barbarenhaufen fliehen, sah, wie sie bis zu dem befestigten Lager verfolgt wurden und fühlte sich endlich genötigt, sein eigenes Heil in einer überstürzten und schmachvollen Flucht zu suchen. Ein zweiter und diesmal erfolgreicherer Angriff stellte die Ehre Roms wieder her: Kriegskunst und überlegene Taktik obsiegten nach langem Gefecht über die ungeordneten Anstrengungen der feindlichen Heeresmacht. Die geschlagene Armee der Goten verließ das Schlachtfeld, die verwüstete Provinz und passierte erneut die Donau; und obwohl Constantins Ältester die Stelle seines Vaters einnehmen durfte, wurden die Verdienste an diesem überall bejubelten Siege den überlegenen Ratschlägen des Kaisers persönlich zugeschrieben.

 

CONSTANTINS VERHANDLUNGEN 20. APRIL 332

Zumindest tat er das Seine, diesen Vorteil in den nachfolgenden Verhandlungen mit den freien und kriegsgeübten Chersoniten Ich muss mich notgedrungen dafür rechtfertigen, dass ich mich bedenkenlos auf die Autorität des Constantinus Porphyrogenitus als der einzigen Quelle gestützt habe, wenn es um Krieg und Friedensverhandlungen mit den Chersoniten geht; ich bin mir bewusst, dass er ein Grieche des zehnten Jahrhunderts war und dass seine Berichte über die ältere Geschichte oft ins Neblig-Fabulöse abgleiten. Aber in diesem Punkte zumindest ist seine Darstellung schlüssig und glaubhaft; auch ist es leicht vorstellbar, dass er als Kaiser zu einigen Geheimarchiven Zugang gehabt hat, die Autoren von gewöhnlicher Herkunft verschlossen blieben. Zur Lage und Geschichte der Chersonesos siehe Peyssonel, des Peuples barbares qui ont habite les Bords du Danube, Kap 16, p. 84-90. noch weiter auszubeuten; deren Hauptstadt an der Westküste der Krim-Halbinsel wies noch Spuren der griechischen Kolonisation auf, wurde von einem ständigen Magistrat regiert, dem ein Rat aus Senatoren assistierte, welche ausdrücklich die Väter der Stadt benannt wurden. Die Meinung der Chersoniten war den Goten infolge der Kriege im vorigen Jahrhundert nicht günstig, als sie sich gegen die überlegenen Eindringlinge zur Wehr setzen mussten. Mit den Römern verbanden sie die Segnungen des Handels; denn aus deren asiatischen Provinzen erhielten sie Korn und Handelswaren im Tausch gegen Salz, Wachs und Leder, ihren einzigen Produkten. Im Gehorsam gegen die Anordnungen des Constantin stellten sie unter der Aufsicht ihres Magistraten Diogenes eine beachtliche Truppe auf die Beine, deren Kern Kriegswagen und Armbrustschützen bildeten.

Mit Eilmärschen und unerschrockenen Angriffe lenkten sie die Goten ab und unterstützten dadurch die Maßnahmen der kaiserlichen Generalität. Von allen Seiten bedrängt, entwichen die Goten in die Berge, wo im Laufe einer äußerst heftigen Kampagne geschätzte einhunderttausend Mann vor Hunger oder Kälte gestorben sein sollen. Endlich gewährte man ihnen auf ihr flehentliches Bitten Frieden; den ältesten Sohn des Ararich ließ man sich als wertvolle Geisel gefallen; und Constantin verfehlte nicht, durch großzügige Geschenke und Ehrenstellen ihre Stammeshäuptlinge davon zu überzeugen, wie sehr doch eine Freundschaft mit Rom seiner Feindschaft vorzuziehen sei. Der kaiserliche Dank an die getreuen Chersoniten fiel noch großzügiger aus. Der Magistrat und seine Rechtsnachfolger wurden mit üppigstem, fast schon königlichem Habit ausstaffiert. Für alle Schiffe, die Handel mit den Schwarzmeerhäfen trieben, entfielen künftighin die Abgaben. Regelmäßige Lieferungen von Eisen, Getreide, Öl und anderem kriegs- und friedenswichtigen Stoffen wurden in Aussicht gestellt. Den Sarmaten hingegen war nach allgemeiner Auffassung genug Dank abgestattet worden, indem man sie vor ihrem bevorstehenden Untergang bewahrt hatte; und der Kaiser, der in diesem Punkte wohl etwas zu wirtschaftlich dachte, zweigte einen Teil der Kriegskosten von den üblichen Schenkungen ab, die man für dieses unruhige Volk vorgesehen hatte.

 

VERTREIBUNG DER SARMATEN A.D. 334

Erbost durch diese offenkundige Zurücksetzung vergaßen die Sarmaten mit der den Barbaren eigenen Leichtfertigkeit die Hilfe, die man ihnen erst kürzlich gewährt hatte und die Gefahr, die nach wie vor über ihnen schwebte. Ihre Einfälle auf das Territorium des römischen Reiches riefen Constantins Ungnade hervor, und so überließ er sie ihrem Schicksal und dem Ehrgeiz des Geberich, einem berühmten Krieger, welcher kurz zuvor den Thron der Goten bestiegen hatte. Der König der Vandalen, Wisumar, verteidigte auf sich gestellt sein Territorium mit verbissenem Mut, aber in der entscheidenden Schlacht wurde er besiegt, und mit ihm ging die Blüte der sarmatischen Jugend unter. Die Überlebenden verfielen auf das verzweifelte Auskunftsmittel, ihre Sklaven zu bewaffnen, die ihrerseits eine sehr handfeste Rasse von Jägern und Halbnomaden waren und ihre unkontrollierbare Hilfe benutzten, ihre Niederlage zu rächen und die Eindringlinge aus ihrem Lande herauszuwerfen. Aber dann mussten sie entdecken, dass sie ihren inneren Feind nur gegen einen äußeren getauscht hatten, der noch gefährlicher und noch unversöhnlicher war. Die Sklaven (man nannte sie die Limiganten), die durch ihre vergangene Knechtschaft in verbitterter und durch ihren jüngsten Sieg in gehobener Stimmung waren, beanspruchten für sich den Besitz an dem Land, das sie gerettet hatten, und setzten ihn auch durch. Ihre Herren, die dieser ungezügelten Volkswut nicht Herr werden konnten, zogen die Härten eines Exils der Tyrannei ihrer Sklaven vor. Einige der flüchtigen Sarmaten begaben sich in eine weniger schmachvolle Abhängigkeit unter der Fahne der Goten. Eine größere Gruppe zog sich hinter die Karpaten zurück, zu den Quaden, ihren germanischen Verbündeten, welche ihnen ein großes Gebiet unbebauten Landes zuwiesen.

Aber der weitaus größte Teil dieser aufgewühlten Nation wandte sich den fruchttragenden Provinzen Roms zu. Zunächst erflehten sie den Schutz und die Vergebung des Kaisers und gelobten dann feierlich, im Frieden als Untertanen und im Krieg als Soldaten ihre unverbrüchliche Treue zum Imperium zu bewähren, welches sie dafür in seinem Schoße aufnehmen möge. Gemäß den Regierungsmaximen des Probus und seiner Nachfolger ging man bereitwillig auf diese Angebote der Barbaren ein; und so wurden für die Ansiedlung der dreihunderttausend Sarmaten in Pannonien, Thrakien, Makedonien und Italien angemessene Landstriche bereitgestellt. Die Gothen- und Sarmatenkriege sind derart stückweise und unvollständig überliefert, dass ich genötigt gewesen bin, die folgenden Autoren, welche sich gegenseitig ergänzen, berichtigen und erläutern, miteinander sorgfältig zu vergleichen. Wer sich der gleichen Mühewaltung unterziehen will, hat damit auch das Recht erworben, meine Darstellung zu kritisieren: Ammianus, Marcellinus 17,12; Anonymus Valesianus p. 715; Eutropius, 10,7; Sextus Rufus de Provinciis, c. 26; Iulian, Oratio 1, p. 9 und Spanheims Kommentar p. 94; Hieronymos, Chronicum Eusebii; Eusebios, Vita Constantini 4,6. Socrates Scholastikos 1,18; Sozomenes, 1,8. Zosimos, 1,21; Jordanes de Rebus Geticis, 22. Isidorus Historia in Grotius, Historia Gothorum p. 709; Constantinus Porphyrogenitus de Administrando Imperii, 53, p. 208, edit. Meursii.

 

CONSTANTINS TOD A.D. 337

Und also stellte Constantin Roms Größe wieder her: der Stolz der Goten war gebrochen, und eine andere Nation hatte sich unterworfen; die Botschafter von Aethiopien, Persien und der entlegensten Indischen Länder wünschten ihm Glück zu seiner friedensreichen und erfolgreichen Regierung. Eusebius (Vita Constantini 4,50) macht zu diesen Indern drei Anmerkungen: 1: Sie kamen von den Küsten des östlichen Ozeans; diese Angabe kann sich auf die Küste von China oder die Kormandelküste beziehen. 2: Ihre Geschenke waren leuchtende Edelsteine und unbekannte Tiere. 3: Sie versicherten, dass ihre Könige Statuen zu Ehren der Majestät Constantins aufgestellt hätten. Wenn er auch den Tod seines ältesten Sohnes, seines Neffen und womöglich den seiner Frau zu den glückhaften Ereignissen rechnete, dann hatte er bis in sein dreißigstes Regierungsjahr in der Tat eine ununterbrochene Folge privaten und staatlichen Glückes erlebt; ein Zeitraum, den keiner seiner Vorgänger seit Augustus erleben durfte. Das Fest zu diesem Anlass überlebte Constantin um zehn Monate; und im fortgeschrittenen Alter von vierundsechzig Jahren endete er nach kurzer Krankheit sein erinnerungswürdiges Leben im Palast von Aquyrion in einer Vorstadt von Nicomedia, wohin er sich wegen der gesunden Luft zurückgezogen hatte, um seine ermattenden Kräfte mit warmen Bädern wieder herzustellen. Was anschließend an Trauer und Seufzern bekundet ward, übertraf alles, was zuvor bei vergleichbarer Gelegenheit vermerkt wurde. Ungeachtet der Ansprüche, die Senat und Volk des alten Rom geltend machten, wurde der Leichnam des Kaisers seinem letzten Wunsche gemäß in die Stadt überführt, die den Namen und das Gedächtnis ihres Stifters behalten sollte. Constantins Körper wurde mit den inhaltsleeren Symbolen seiner Größe, Purpur und Diadem, angetan und auf ein goldenes Bett in einer Zimmerflucht des Palastes gelegt, welcher zu diesem Zwecke festlich illuminiert und ausgestattet worden war. Das Hofzeremoniell wurde pünktlich beobachtet. Täglich nahten sich zu festgesetzter Stunde die höchsten Staats-, Armee- und Hofbeamten der Person des Herrschers mit gebeugtem Knie und ausdrucksloser Miene und machten ihre respektvollste Aufwartung mit einem Ernst, als ob er noch am Leben sei. ›Funus relatum in urbem sui nominus, quod sane Populus Romanus aegerrime tulit.‹ Aurelius Victor, Caesares 41 [Der Leichnam wurde in die nach ihm benannte Stadt überführt; Das Römische Volk trug außerordentlichen Schmerz]. Constantin hatte für sich in der Kirche der Heiligen Apostel eine prachtvolle Begräbnisstätte ausgesucht, Eusebios 4,60. Die de facto einzige und beste Darstellung von Krankheit, Sterben und Begräbnis des Constantin findet sich im vierten Buch seiner Lebensbeschreibung von Eutropius. Aus politischen Gründen wurde dieses makabre Staatstheater eine Zeitlang fortgesetzt; auch verfehlte die Stimme der Schmeichelei nicht zu bemerken, dass Constantin infolge einer besonderen Gnade des Himmels noch über seinen Tod hinaus regiert habe.

 

DAS MASSAKER

Solcherlei Regierung war indessen nur eine leere Farce; und schon bald ward offenbar, dass der Wille auch des absolutesten Monarchen keinen Gehorsam mehr findet, wenn seine Untertanen von seiner Gunst nichts mehr zu erwarten und von seiner Ungnade nichts mehr zu befürchten haben. Dieselben Minister und Generäle, die vor der Leiche ihres Herrschers das Knie beugten, berieten sich zugleich insgeheim darüber, wie sie seine beiden Neffen Dalmatius und Hannibalianus von der ihnen zugesagten Teilhabe an der Thronfolge ausschließen könnten. Wir sind mit dem Brauchtum an Constantins Hof zu wenig vertraut, um uns über die wahren Motive der Hauptverschwörer ein Urteil erlauben zu können; möglicherweise stachelte sie der Geist der Eifersucht und der Rache gegen Ablavius, einen überheblichen Favoriten, der lange Zeit die Beschlüsse des verstorbenen Herrschers beeinflusst und sein Vertrauen missbraucht hatte. Die Gründe indessen, mit deren Hilfe sie die Armee und das Volk auf ihre Seite ziehen wollten, sind uns deutlich: und so mochten sie mit ebensoviel Schicklichkeit wie Wahrheit auf den höheren Rang der Kinder Constantins verweisen; auf die Gefahr, dass sich die Zahl der Herrscher vermehren könnte; auf die drohende Unbill, die dem Staate aus der etwaigen Feindschaft so vieler rivalisierender Herrscher erwachsen könne, die durch das zärtliche Band der Bruderliebe sichtbar nicht verbunden seien. Die Intrige wurde energisch und in aller Heimlichkeit vorangetrieben, bis man eine vernehmliche und einstimmige Willenserklärung der Truppe zustande bekommen hatte, dass sie niemanden anders als die Söhne des Monarchen, dessen Tod sie beweinten, als Herrscher leiden würden. Eusebios, Vita Constantini 4,6 beschließt seinen Bericht mit dieser Treueerklärung der Truppen, was ihm alle die grässlichen Umstände des darauf folgenden Massakers erspart. Der jüngere Dalmatius, welcher mit seinen Seitenverwandten auch noch durch Freundschaft und gemeinsame Interessen geeint war, und dem man nachsagte, dass ihm ein gerütteltes Maß der Fähigkeiten des großen Constantin innewohne, scheint bei dieser Gelegenheit keinerlei Maßregeln ersonnen zu haben, um durch Waffengewalt seine und seines königlichen Bruders berechtigte Ansprüche, das Geschenk ihres Onkels, zu vertreten. Überrascht und überrumpelt durch die Woge der öffentlichen Ablehnung, scheinen sie in der Hand ihrer unversöhnlichen Feinde verblieben zu sein, ohne die geringste Möglichkeit zur Flucht oder zum Widerstand. Bis zur Ankunft des Constantius, Constantins zweitem Eutropius (10,9) entwirft von Dalmatius ein zwar gedrängtes, aber durchaus vorteilhaftes Charakterbild: ›Dalmatius Caesar prosperrima indole, neque patruo absimilis, ›haud multo‹ post oppressus est factione militari. [Der Caesar Dalmatius, ein Mann reicher Gaben und dem Onkel nicht unähnlich, wurde bald darauf von einer Gruppe Soldaten erschlagen]. Da sowohl Hieronymus als auch die Alexandrinische Chronik das 3. Jahr des Caesars erwähnen, das nicht vor dem 18. oder 24 September A.D. 337 begann, steht fest, dass diese kriegsähnlichen Parteikämpfe über vier Monate gedauert hatten. und wohl aussichtsreichstem Sohn, schwebte ihr Verhängnis.

 

ERMORDUNG DER PRINZEN

Als der Kaiser im Sterben lag, hatte er die Sorge für die Begräbnisfeierlichkeiten der Pietät des Constantius anempfohlen; und leicht konnte dieser im unfernen Osten stationierte Prinz den Maßnahmen seiner Brüder in Gallien und Italien zuvorkommen. Sobald er von dem Kaiserpalast in Konstantinopel Besitz ergriffen hatte, war sein erstes Geschäft, die Besorgnisse seiner Brüder um ihre Sicherheit durch einen feierlichen Eid zu zerstreuen, und sein zweites, einen geeigneten Vorwand zu finden, um sein Gewissen von den Verpflichtungen freizusprechen, die ihm aus diesem vorschnellen Versprechen entstanden waren. So trat die hohe Kunst der Täuschung in die Dienste der niederen Gewaltanwendung: schon bestätigte eine hochachtbare Persönlichkeit die Richtigkeit eines handfesten Falsifikates. Aus der Hand des Bischofs von Nicomedia empfing Constantius eine schicksalsträchtige Schriftrolle, welche angeblich das echte Testament seines Vaters war; in welchem der Kaiser den Verdacht äußerte, dass er von seinem Bruder vergiftet worden war; und in welchem er seine Söhne beschwor, seinen Tod zu rächen, und zugleich durch die Bestrafung des Schuldigen für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Ich habe diese merkwürdige Anekdote unter Berufung auf die Autorität des Philostorgos 2,16 erzählt. Sollten aber Constantius und seine Anhänger jemals auf einen solchen Vorwand zurückgegriffen haben, dann wurde er nach Erfüllung seines unmittelbaren Zweckes mit Verachtung wieder fallen gelassen. Athanasius (Band 1, p. 856) erwähnt den Eid, mit welchem er die Sicherheit seiner Verwandtschaft verbürgte. Wenn diese unglücklichen Prinzen irgendwelche Gründe gegen so eine unglaubliche Anklage ins Feld führten, um damit ihre Ehre und ihr Leben zu retten, so wurden sie durch das zornige Lärmen der Armee zum Schweigen gebracht, die sich in einem Zuge zu ihren Anklägern, ihren Richtern und ihren Henkern aufwarf. Der Geist und selbst die äußeren Formen einer Gerichtsverhandlung wurden wiederholt mit den Füßen getreten: es kam zu einem Massaker. Hierin einbezogen wurden die beiden Onkel des Constantius, sieben seiner Vettern, von denen Dalmatius und Hannibalianus die prominentesten waren, der Patrizier Optatus, der eine Schwester des Kaisers geheiratet hatte und der Präfekt Ablavius, dessen Einfluss und Reichtum ihm wohl einige Hoffnungen auf den Purpur gemacht hatten. Um den Schrecken dieser Blutbäder noch zu vermehren, fügen wir beiläufig hinzu, dass Constantius selbst der Tochter seines Onkels Julius versprochen war und dass er seine Schwester seinem Vetter Hannibalianus zur Frau gegeben hatte. Diese Allianzen, welche die Politik des Constantius ungeachtet des populären Conjuga sobrinarum diu ignorata, tempore addito percrebuisse. Tacitus, Annales 12. 6, und Lipsius ad loc. [Ehen zwischen Geschwisterkindern waren lange Zeit unbekannt, hätten sich aber allmählich eingebürgert]. Die Aufhebung des alten Gesetzes und die Praxis von fünfhundert Jahren hatten nicht vermocht, die Vorurteile der Römer auszurotten, welche die Ehe zwischen Vetter und Base ersten Grades immer noch für eine Art von unvollendetem Inzest ansahen; und Julian, der von Vorurteilen und Aberglauben nachgerade überquoll, verurteilt diese widernatürliche Allianz zwischen seinen Cousinen mit den Worten [Ü. a. d. Griech: Ehen als auch Nichtehen]. Orationes 7, p. 269. Die kanonische Rechtsgelehrsamkeit hat seitdem dieses Verbot wiederbelebt und verstärkt, ohne allerdings imstande zu sein, es im bürgerlichen und allgemeinen Recht Europas heimisch zu machen. Siehe zu dieser Art Ehen Taylor's Civil Law, p. 331; Brouer, de Jure Connubiorum, Band 2, c.12; Hericourt, des Loix Ecclesiastiques, Teil 3, c. 5; Fleury, Institutions du Droit Canonique, Band 1, p. 331, Paris, 1767; und Fra Paolo, Istoria del Concilio Trident. Buch 8. Vorurteils zwischen den verschiedenen Zweigen des Kaiserhauses eingefädelt hatte, gaben der Menschheit lediglich die Überzeugung ein, dass diese Herrscher ehelicher Zuneigung gegenüber genauso kalt waren wie sie taub waren für die Stimme des Blutes und das Flehen der Jugend und Unschuld. Einzig Gallus und Julian, die beiden jüngsten Söhne des Julius Constantius, entgingen der Hand der Täter, bis deren Mordwut, vom Blute gesättigt, sich leidlich beruhigt hatte. Der Kaiser Constantius, den infolge der Abwesenheit seiner Brüder die meiste Schuld und die schlimmsten Vorwürfe treffen, spürte in späteren Zeiten ein schwaches und rasch abklingendes Gefühl der Reue für diese Verbrechen, die die perfiden Ratschläge seiner Minister und der unstillbare Blutdurst der Soldateska seiner unerfahrenen Jugend abgenötigt hätten. Iulian (Epistula ad Atheniensis p.270) schiebt seinem Vetter Constantius die ganze Schuld an diesem Gemetzel zu, dem er selbst nur mit genauer Not entkam. Seine Darstellung wird von Athanasius bekräftigt (Opera, Band 1, p. 856) welcher aus allerdings ganz anderen Gründen Constantius ebenso heftig hasste. Zosimos stellt sich ebenfalls auf die Seite dieser Anklage. Aber die drei Verfasser der Auszüge aus der Geschichte, Eutropius und die beiden Victor, verwenden sehr einschränkende Ausdrücke: ›silente potius quam iubente‹ [ hat mehr geduldet als angeordnet]; ›incertum quo suasore‹ [ungewiss, durch wen angeraten| und ›vi militum‹ [durch die Gewalt des Militärs].

 

TEILUNG DES REICHES 11. SEPTEMBER 337

Auf das Massaker in der Flavischen Familie folgte eine neuerliche Teilung der Provinzen, welche während eines Treffens der drei Brüder rechtskräftig gemacht wurde. Constantinus, der älteste der Caesaren, erhielt neben einem gewissen protokollarischen Vorrang den Besitz der neuen Hauptstadt, die seinen und seines Vaters Namen trug. Thrakien und das Morgenland fielen als väterliches Erbteil dem Constantius zu; und Constans endlich ward als rechtmäßiger Herrscher Italiens, Afrikas und des westlichen Illyriens anerkannt. Die Legionen unterstellten sich ihren ererbten Ansprüchen, und nach einer schicklichen Frist geruhten die drei Herrscher, den ›Augustus‹-Titel vom Senat anzunehmen. Als sie dann zum ersten Male die Zügel der Regierung in der Hand hielten, war der älteste dieser Herrscher einundzwanzig Jahre alt, der zweite zwanzig und der jüngste erst siebzehn Jahre alt. Eusebios Vita Constantini, 4,69; Zosimos 2,39; Hydatius, Chronicum Eusebii. Siehe zwei Anmerkungen von Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p. 1086-1091. Die Regierung des ältesten Bruders in Konstantinopel wird nur in der Alexandrinischen Chronik erwähnt.

 

SAPOR, DER PERSERKÖNIG A.D. 310

Während sich Europas kriegsgewohnte Nationen unter den Fahnen seiner Brüder sammelten, trug Constantius an der Spitze der delikaten Truppen Asiens die Last des Perserkrieges. Zum Zeitpunkt von Constantins Tod saß Sapor, der Sohn des Hormuz oder Hormisdas und Enkel des Narses, auf dem Thron des Morgenlandes; der Letztgenannte hatte nach dem Siege des Galerius in Demut Roms Überlegenheit anerkannt. Obwohl Sapor bereits das dreißigste Jahr seiner langen Regentschaft angetreten hatte, stand er immer noch in der Blüte seiner Jugend, da infolge eines äußerst merkwürdigen Umstandes das Datum seiner Thronbesteigung vor dem seiner Geburt lag. Die Frau des Hormuz war schwanger, als ihr Mann starb; da über das Geschlecht des Kindes und das Geburtsdatum Unsicherheit bestand, regten sich die ehrgeizigen Hoffnungen des Hauses Sassan. Die Sorge vor einem Bürgerkrieg konnten indessen beigelegt werden durch die Versicherung der Magi, dass die Witwe des Hormuz mit einem Sohne schwanger ginge und ihn gesund zur Welt bringen werde. Im Gehorsam gegen die Stimme des Aberglaubens versammelten sich die Perser ohne Verzug zu seiner Krönungszeremonie. In der Mitte des Palastes wurde für die Königin ein Bett aufgestellt, auf dem sie im Prachtgewande lag; das Diadem wurde an der Stelle niedergelegt, an welcher der künftige Erbe des Artaxerxes vermutet wurde, und die hingestreckten Satrapen beteten die Majestät ihres unsichtbaren und empfindungslosen Herrschers an. Agathias, der im sechsten Jahrhundert lebte, ist der Autor dieser Geschichte (Buch 4, p. 135). Er hat seine Informationen aus persischen Chroniken bezogen, welche ihm sein Dolmetscher Sergius während seiner Anwesenheit als Botschafter am Hofe erhalten und übersetzt hatte. Die Krönung von Sapors Mutter wird auch noch erwähnt von Schikard (Tarikh, p. 116) und d'Herbelot (Bibliothéque Orientale, p. 763).

Wenn an diesem Wundermärchen auch nur eine Spur Wahrheit ist – immerhin bieten die Bräuche dieses Volkes und die außerordentliche Dauer seiner Regierung einige Gewähr für seine Richtigkeit – dann müssen wir nicht nur Sapors Glück, sondern auch seinen Geist bewundern. Trotz der Erziehung in der sanften Abgeschiedenheit eines persischen Harems entdeckte der königliche Jüngling für sich die Wichtigkeit, seinen Körper und Geist zu stärken; und so hatte er sich durch seine persönlichen Verdienste ein Anrecht auf den Thron erworben, auf den man ihn gesetzt hatte, als er von der Verpflichtung und der Versuchung der absoluten Macht noch überhaupt nichts ahnte. Beinahe naturnotwendig war er mit seinem geringen Anhang den Verhängnissen eines Bürgerkrieges ausgesetzt; seine Hauptstadt wurde vor Thair überrannt und geplündert, einem mächtigen König Arabiens oder Jemens; eine zusätzliche Demütigung erfuhr die königliche Familie durch die Gefangennahme einer Prinzessin, der Schwester der verstorbenen Königs. Sobald nun aber Sapor in das Mannesalter eingetreten war, sanken der hochfahrende Thair, sein Volk und sein Land beim ersten Ansturm des jungen Kriegers in den Staub. Er beutete seinen Sieg mit einer so wohlberechneten Mischung aus Strenge und Milde aus, dass ihm die Araber aus Angst und Dankbarkeit den Titel Dhoulacnaf oder Wohltäter des Volkes verliehen. D'Herbelot, Bibliotheque Orientale, p. 764.

 

ZUSTÄNDE IN MESOPOTAMIEN UND ARMENIEN

Der Ehrgeiz dieses Persers, dem auch seine Feinde die Fähigkeit zum Soldaten und zum Feldherrn nicht absprachen, war nun darauf gerichtet, das Unglück seiner Väter zu rächen und den Römern die fünf Provinzen jenseits des Tigris zu entwinden. Constantins Ruf als Krieger und die wirkliche oder auch nur vermutete Stärke seiner Regierung vertagte den Angriff; und während Sapors feindselige Aufführungen den Unwillen des Kaiserhofes erregten, vermochten seine berechneten Verhandlungen dessen Geduld hinzuhalten. Constantins Tod jedoch war das Signal zum Krieg, Sextus Rufus (de Provinciis 26), der in diesem Zusammenhang eine unverächtliche Autorität ist, bekräftigt, dass die Perser vergeblich um Frieden nachsuchten und dass Constantin gegen sie rüstete; das gewichtigere Zeuignis des Eusebios nötigt uns jedoch zu der Annahme, dass ein Friedensvertrag ausgehandelt, wo nicht gar unterschrieben worden war. Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p. 420. und die augenblickliche Lage an der syrischen und armenischen Grenze versprach den Persern üppige und leichte Beute und befeuerte so ihren Mut. Das Gemetzel im Palast förderte noch die Auflösungstendenzen unter den Armeen des Ostens, da sie nun nicht mehr durch ihren bewährten Befehlshaber an der Kandare gehalten wurden. Nur die Umsicht des Constantius, der nach dem Treffen mit seinem Bruder in Pannonien an den Euphrat geeilt war, stellte Pflichtgefühl und Gehorsam wieder her; aber die vorübergehende Anarchie hatte es Saporn bereits ermöglicht, Nisibis zu belagern und einige der wichtigsten Festungen Mesopotamiens zu besetzen. Iulian, Orationes 1, p. 20.

In Armenien hatte der wiedererstarkte Tiridates lange Zeit des Friedens und des Ansehens genossen, die er sich wegen seiner Anhänglichkeit an die Sache Roms verdient hatte. Seine feste Bündnistreue zu Constantin brachte gleichermaßen geistliche wie weltliche Vorteile mit sich: durch seine Bekehrung zum Christentum fügte Tiridates seinem Ruf als Held noch den eines Heiligen hinzu, auch ward das christliche Bekenntnis zwischen Euphrat und Kaspischem Meer gepredigt und befestigt und Armenien so dem Imperium durch die zwiefachen Bande der Politik und der Religion verbunden. Da nun aber vielen armenischen Adligen die bunte Vielfalt ihrer Götter und deren Weiber aufzugeben die Neigung fehlte, wurde die öffentliche Ruhe durch eine Fraktion Unzufriedener aufgestört, die dem hinfälligen Alter ihres Herrschers Kummer bereiteten und ungeduldig auf sein Ableben warteten.

Er starb endlich, nach einer Regierungszeit von sechsundfünfzig Jahren, und mit Tiridates ging auch das Glück der armenischen Monarchie zu Ende. Sein gesetzlicher Erbe wurde ins Exil geschickt, die christlichen Priester ermordet oder aus ihren Kirchen vertrieben und die Barbarenstämme Albaniens verlockt, aus ihren Bergen herab zu steigen; zwei der mächtigsten Herrscher, die sich die Insignien königlicher Macht angemaßt hatten, baten Sapor dringend um Unterstützung und öffneten ihrerseits den persischen Truppen die Tore ihrer Städte. Die christliche Partei unter der Führung des Erzbischofs von Artaxa, des direkten Amtsnachfolgers von St. Gregor Illuminator (›der Erleuchter‹) nahm ihrerseits Zuflucht bei Constantius' Nächstenliebe. Nachdem diese Ärgernisse drei Jahre angedauert hatten, exekutierte Antiochus, einer der Beamten des Schatzes, mit Erfolg eine kaiserliche Direktive, setzte Tiridates' Sohn Chosroes auf dem Thron seiner Väter ein, belohnte und ehrte die treuen Anhänger des Arsakidenhauses und sprach eine Generalamnestie aus, auf welche sich die abtrünnigen Satrapen mehrheitlich einließen. Indessen gewannen die Römer bei dieser Rebellion mehr Ehre als messbaren Vorteil. Chosroes war geringen Leibes und kleindenkenden Gemütes. Den Kriegsstrapazen war er nicht gewachsen, die Menschen floh er, und so zog er sich von seiner Hauptstadt in einen ruhigen Palast zurück, welchen er sich am Ufer des Eleutherus zumitten eines schattigen Hains errichten ließ; hier füllte er seine Mußesunden mit den rustikalen Vergnügungen der Jagd und der Falknerei. Um sein behagliches Dasein sicher zu stellen, unterwarf er sich allen Friedensbedingungen, die Sapor ihm zu diktieren beliebte: Die Bezahlung eines jährlichen Tributes und die Rückgabe der fruchtbaren Provinz Atropatene, welche der Mut des Tiridates und die siegreichen Waffen des Galerius für die armenische Monarchie erworben hatten. Iulian Orationes 1, p. 20 und 21. Moses of Chorene, 2, 89, 3, 1-9, p. 226-240. Die genaue Übereinstimmung zwischen den Andeutungen eines zeitgenössischen Redners und der umständlichen Darstellung der nationalen Schriftsteller werfen Licht auf den ersten Teil der Aussage und verleihen dem zweiten Teil einigen Nachdruck. Zur Glaubwürdigkeit des Moses mag angemerkt sein, dass der Name des Antiochus einige Jahre vorher in einem Amt von untergeordneter Bedeutung genannt wird. Siehe Gothofredus zum Codex Theodosianus, Band 6, p. 350.

 

DER PERSERKRIEG 337-360 SCHLACHT VON SINGARA 348

Während der langen Regierung des Constantin hatten die Provinzen des Ostens beständig unter den Widrigkeiten des persischen Krieges leiden müssen. Die unberechenbaren Einfälle ihrer Leichtbewaffneten verbreiteten Schrecken und Verwüstung über Tigris und Euphrat hinaus, von Ktesiphon bis vor die Tore Antiochias; hieran waren in erster Linie die Araber der Wüste beteiligt, die je nach Interessenlage und Bündnissen zersplittert waren; einige ihrer unabhängigen Stammeshäuptlinge standen auf Sapors Seite, während andere mit schwankender Treue zu Rom hielten. Ammianus (14,4) schildert sehr anschaulich das nomadisch-räuberische Leben der Sarazenen, welches sich zwischen den Grenzen zu Assyrien und den Nilkatarakten abspielte. Hieronymus hat die Abenteuer des Malchos sehr unterhaltsam dargestellt, und wir entnehmen ihnen, dass die Handelsstraße zwischen Beroea und Edessa mit diesen Buschräubern verseucht war. S. Hieronymus, Opera Band 1, p. 256. Wichtigere Feldzüge in diesem Kriege wurden mit ausgeglichenen Kräften geführt; Roms und Persiens Armeen stießen in neun blutigen Gefechten aufeinander, in denen Constantin zweimal in Person das Kommando führte. Von Eutropius (10,10) werden wir die allgemeine Vorstellung von diesem Krieg übernehmen. ›A Persis enim multa et gravia perpessus, saepe captis oppidis, obsessis urbibus, caesis exercitibus, nullumque ei contra Saporem prosperum proelium fuit, nisi quod apud Singaram, etc.‹ [Die Perser setzten ihm immer wieder heftig zu, entrissen ihm viele Ortschaften, belagerten Städte und besiegten seine Heere; und so verlief keines seiner Gefechte gegen Sapor für ihn glücklich außer bei Singara]. Dieser offenherzige Bericht wird von den Hinweisen bei Ammianus, Festus und Hieronymus bekräftigt. Die beiden ersten Reden von Iulian und die dritte von Libanius hinterlassen ein freundlicheren Eindruck; der Widerruf beider Redner nach Constantins Tod verhilft uns zwar zur Wahrheit, setzt aber ihren und des Kaisers Charakter herab. Spanheims Kommentar zur ersten Rede Iulians ist von erstaunlicher Gelehrsamkeit. Siehe auch noch die einsichtsvollen Anmerkungen von Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p. 656.

Im Allgemeinen gingen diee Gefechte den Römer verloren, aber in der Schlacht von Singara hatten sie fast schon einen entscheidenden und vollständigen Sieg errungen. Die Besatzung von Singara zog sich beim Herannahen Sapors zurück, welcher seinerseits auf drei Brücken den Tigris überquerte und in der Nähe des Dorfes Hilleh ein günstig gelegenes Lager besetzte, welches seine zahlreichen Pioniere in harter Arbeit an einem einzigen Tage mit einem tiefen Graben und einem hohen Wall umschlossen. Seine gewaltigen Heerscharen besetzten, nachdem er sie aus der Schlacht abgezogen hatte, beide Flussufer, die umliegenden Hügel und eine Ebene mit einer Ausdehnung von zwölf Meilen, welche die beiden Armeen trennte. Beide verlangte es nach Kämpfen; aber schon nach kurzem Widerstand entflohen die Barbaren in Auflösung; entweder waren sie außerstande, den Schwerbewaffneten zu widerstehen, oder sie wollten die schleppende Verfolgung der Römer ermüden, welche, vor Hitze und Durst vergehend, sie über die offene Ebene verfolgten und tatsächlich eine Abteilung schwerer Kavallerie aufrieben, welche zur Deckung des Rückzuges vor den Toren des Lagers Aufstellung genommen hatten. Constantius, der bei diesem Angriff zugegen war, versuchte ohne Erfolg, dem Eifer seiner Truppen zu gebieten, indem er ihnen die Gefahren der heranbrechenden Nacht darstellte und zugleich versprach, dass der folgende Tag ihren Sieg zuverlässig vollenden werde. Da sie mehr auf ihre eigenen Kräfte vertrauten als auf die Erfahrung und Kompetenz ihres Feldherren, brachten sie seine feigen Ermahnungen durch vieles Lärmen zum Schweigen; und mit Ungestüm setzten sie den Angriff fort, schütteten den Graben zu, rissen den Wall nieder und verliefen sich zwischen den Zelten, ihre erschöpften Kräfte zu restaurieren und die reiche Ernte ihres Sieges zu genießen. Aber Sapor verstand es weislich, die Stunde seines Sieges abzuwarten. Seine Armee hatte auf den Höhen sichere Stellung bezogen und war Zeuge des Geschehens geworden; im Schatten der Nacht griff sie in aller Stille an; die persischen Bogenschützen, denen das erleuchtete Lager ein gutes Ziel abgab, überschütteten die unbewaffnete und aufgelöste Menge mit einem Schauer von Pfeilen. Die objektive Geschichtsschreibung erklärt unverblümt, ›Acerrima nocturna concertatione pugnatum est, nostrorum copiis ingenti strage confossis.‹ [Ein verbissenes Nachtgefecht fand statt, und unsere Truppen erlitten ein furchtbares Blutbad]. Ammianus 18,5. Vergleiche etwa Eutropius 10,10 sowie Rufus, de Provinciis 27. dass die Römer in einem einzigen Gemetzel vernichtet wurden, und dass die fliehenden Überreste der Legionen unerträglichen Qualen ausgesetzt waren. Selbst die alles beschönigende Lobrede, die immerhin eingesteht, dass der Ruhm des Herrschers durch den Ungehorsam der Soldateska verdunkelt wurde, zieht es vor, einen Schleier über die näheren Umstände dieses trübseligen Rückzuges zu breiten. Indessen berichtet einer dieser bezahlten Jubelredner, der den Ruhm des Constantius so eifersüchtig hütet, von einem Akt unglaublicher Grausamkeit mit umso erstaunlicherer Abgeklärtheit, als er im Urteil der Nachwelt einen tiefen Schatten auf die Ehre des kaiserlichen Namens werfen musste. Sapors Sohn und Thronerbe wurde im persischen Lager gefangen gesetzt. Dieser unglückliche Jüngling, der das Mitleid auch des wildesten Feindes erregt hätte, wurde von den gnadenlosen Römern gegeißelt, gefoltert und endlich öffentlich hingerichtet. Libanius, Orationes 3, p.133, mit Iulianus, Orationes 1, p. 24 und Spanheims Kommentar, p. 179.

 

BELAGERUNGEN VON NISIBIS A.D. 338, 346, 350

Welche Vorteile Sapors Waffen auf dem Felde auch erringen mochten und welche Mehrung seines Ruhmes unter den Völkern neun Siege in einer Folge auch bewirkten, er konnte doch nicht auf die erfolgreiche Vollendung seiner Entwürfe hoffen, solange die befestigten Städte Mesopotamiens und allen voran das alte und mächtige Nisibis in der Hand der Römer waren. Innerhalb von zwölf Jahren war Nisibis, welches seit den Tagen des Lucullus zu Recht das Bollwerk des Ostens genannt wurde, drei schweren Belagerungen durch Sapor ausgesetzt gewesen, und der erfolglose Herrscher, der seine Angriffe auf sechzig, achtzig und hundert Tage ausgedehnt hatte, hatte dreimal verlustreichen und schimpflichen Rückschlag erlitten. Siehe Iulianus, Orationes 1, p. 27; Orationes 2 p. 62, etc.; mit den Kommentaren von Spanheim (p. 188-202), der die Umstände der drei Belagerungen von Nisibis darstellt und die zugehörigen Daten absichert. Auch Tillemont hat diese Ergebnisse überprüft (Histoire des empereurs Band 4, p. 668, 671 und 674). Zosimos (3,8) trägt ebenfalls etwas bei wie auch die Alexandrinische Chronik. Diese große und volkreiche Stadt liegt etwa zwei Tagesmärsche vom Tigris entfernt, zumitten einer lieblichen und fruchtbaren Ebene am Fuße des Mt. Masius. Eine dreifache Ziegelmauer wurde zusätzlich durch einen tiefen Graben geschützt; Sallust, Fragmente 84 und Plutarch, Leben des Lucullus 32. Heute hat Nisibis einhundertundfünfzig Häuser; das Marschenland liefert Reis, und das fruchtbare Weideland ist bis Mosul und bis zum Tigris mit den Ruinen von Städten und Dörfern übersät. Siehe Niebuhr, Voyages, Band 2, p. 300-309. und der unerschütterte Comes Lucilianus und seine Garnison wurden durch den an Verzweiflung grenzenden Mut des Volkes unterstützt. Die Mahnungen ihres Bischofs beseelten den Mut von Nisibis Einwohnern, Die Wunder, welche Theodoretos (2,30) dem Bischof von Edessa, St. Jakob, zuschreibt, wurden wenigstens einmal zu einem würdigen Behufe verrichtet, nämlich bei der Verteidigung seines Landes. Er erschien in Gestalt des römischen Kaisers auf der Mauer und sandte ein Heer von Mücken, die Rüssel der Elephanten zu zerstechen und so die Kriegsscharen dieses neuen Sanherib zu dämpfen. Die drohende Gefahr brachte sie unter Waffen und schließlich hielten sie sich überzeugt, dass Sapor eine persische Kolonie in ihrer Gegend pflanzen und sie selbst in eine abgelegene und grausame Gefangenschaft führen werde. Der Ausgang der beiden vorangegangenen Belagerungen hatten ihnen den Mut gehoben und des Großkönigs Unmut gemehrt, welcher nun ein drittes Mal Nisibis angriff, diesmal an der Spitze der vereinigten Heere Persiens und Indiens. Die üblichen Maschinen zum Bestürmen oder Unterminieren von Wallanlagen wurden durch römische Gegenmaßnahmen wirkungslos gemacht; so vergingen viele Tage ohne greifbares Ergebnis, bis Sapor schließlich einen Entschluss fasste, würdig eines orientalischen Herrschers, welcher glaubte, dass selbst die Elemente seinem Willen unterworfen seien.

Der Fluss Mygdonius, der die Ebene und die Stadt Nisibis durchtrennt, überschwemmt ähnlich wie der Nil zur Zeit der Schneeschmelze das umliegende Land. Iulian, Orationes 1,p. 27. Obwohl Niebuhr (Band 2, p.307) dem Mygdonius ein beträchtliches Anschwellen zubilligt, – er spricht von einer Brücke mit zwölf Bögen – ist dieser Vergleich eines winzigen Baches mit einem mächtigen Strom (dem Nil) nur schwer verständlich. Viele Nebenumstände der Beschreibung dieser erstaunlichen Gewässer bleiben dunkel und nachgerade unverstanden. Mit großer Anstrengung hielten die Perser den Fluss unterhalb der Stadt in seinem Laufe auf und umschlossen in zugleich seitlich mit massiven Erdwällen. Auf diesem künstlichen See formierte sich nun eine Armada von Kampfbooten zum Angriff, besetzt mit Soldaten und schweren Wurfmaschinen, von denen jede Steine von fünfhundert Pfund Gewicht schleudern konnte; sie war dabei fast auf gleicher Höhe mit den Truppen, die den Wall verteidigten. Der unwiderstehliche Druck des Wassers wurde dabei erst dieser, dann jener Partei verhängnisvoll: ein Teil der Mauer gab dem erhöhten Druck nach, brach zusammen und hinterließ eine Bresche von über einhundertundfünfzig Fuß Länge. Die Perser gingen unverzüglich zum Sturm über, und das Schicksal von Nisibis hing am Ausgang dieses Tages. Ihre schwere Kavallerie aber, die eine Vorhut vor der eigentlichen angreifenden Truppe bildete, geriet im Schlamm in große Kalamitäten, und viele ertranken in unsichtbaren Wasserlöchern, die sich während der Flut gebildet hatten. Die Kriegselefanten, die durch ihre Wunden zur Wut gereizt waren, erhöhten noch das Chaos und trampelten die persischen Bogenschützen zu Tausenden nieder. Der Großkönig, der von erhöhter Warte die Niederlage seiner Waffen beobachten konnte, ließ schließlich gekränkt und widerwillig das Rückzugssignal blasen und den Angriff für ein paar Stunden aussetzen. Die wackeren Bürger jedoch nutzten die Nachtstunden; bei Tagesanbruch stand eine neue Mauer von sechs Fuß Höhe, die Bresche war geschlossen. Ungeachtet seiner erneuten Niederlage und des Verlustes von über zwanzigtausend Mann verfolgte Sapor sein Ziel mit unbelehrbarer Verbissenheit, die sich nur vor der Notwendigkeit beugte, die Ostprovinzen Persiens gegen den Einfall der entsetzlichen Massageten zu verteidigen. Wir sind Zonaras (13,7) wegen dieser Nachricht vom Massageten-Einfall verpflichtet, welche lückenlos in die allgemeine Ereignisfolge passt, durch die uns die fragmentarische Darstellung des Ammianus führt. Durch diese Zeitung aufgeschreckt, brach er die Belagerung ohne Verzug ab und eilte in geflügelten Tagesmärschen vom Tigris an den Oxus. Die Gefahren und Schwierigkeiten des Skythenkrieges nötigten ihn schon bald dazu, die Waffenruhe mit dem römischen Kaiser einzugehen oder doch zumindest einzuhalten, was übrigens beiden Herrschern vorteilhaft war; denn Constantius war nach dem Tode seiner beiden Brüder infolge der Umwälzungen im Westen in einen Bürgerkrieg verwickelt, welcher seine ganzen Kräfte zu fordern oder gar zu überfordern schien.

 

DER AUSBRUCH DES BÜRGERKRIEGES TOD CONSTANTIUS II MÄRZ 340

Es waren nach der Teilung des Reiches kaum drei Jahre vergangen, als die Söhne Constantins der Menschheit zu beweisen begehrten, dass sie sich unmöglich mit dem Besitz ihres jeweiligen Herrschaftsbereiches zufrieden geben konnten, die zu regieren sie sich als unfähig erwiesen hatten. Der Älteste der drei Prinzen führte Klage, dass man ihn um den Beuteanteil betrogen habe, der ihm nach der Ermordung seines Vetters billig zustehe; und wenn er schon vor Constantius' größerer Schuld und Verdienst zurückstehe, so forderte er von Constans die Abtretung der afrikanischen Provinzen als Ausgleich für das reiche Makedonien und Griechenland, welches seinem Bruder nach dem Tode des Dalmatius in die Hände gefallen war. Die mangelnde Aufrichtigkeit, welche Constantin während der zähflüssigen und ergebnislosen Verhandlungen erleben durfte, brachte ihn schließlich in Zorn; und bereitwillig hörte er auf die Ratgeber, welche ihm einbliesen, dass seiner Ehre und seinen Interessen am besten mit der Fortsetzung der Kämpfe gedient sei.

An der Spitze einer disziplinlosen Horde, die eher für Raub- als für Feldzüge taugte, brach er über die julischen Alpen in das Gebiet des Constans ein, und die Landschaft um Aquileja bekam als Erstes seinen Zorn zu spüren. Die Maßnahmen des Constans, der zu jener Zeit in Dakien residierte, waren von mehr Umsicht und Befähigung gesteuert. Auf die Nachricht von seines Bruders Überfall schickte er eine ausgesuchte und verlässliche Abteilung seiner illyrischen Soldaten mit der Maßgabe ab, sich ihm und dem Rest seiner Kräfte an die Fersen zu heften. Aber die Kniffe seiner Offiziere setzten dieser widernatürlichen Auseinandersetzung ein vorzeitiges Ende. Durch vorgetäuschte Flucht geriet Constantin in einen Hinterhalt, und in einem Wald wurde der vorschnelle Jüngling zusammen mit ein paar seiner Anhänger überrumpelt, umzingelt und erschlagen. Seinen Leichnam fand man später in der Alsa, einem kleinen Flüsschen, und begrub ihn mit allen kaiserlichen Ehren; aber seine Provinzen wurden auf den Eroberer vereidigt, welcher seine neuen Erwerbungen durchaus nicht mit seinem älteren Bruder Constantius teilen mochte und somit unbestrittener Herrscher von mehr als zwei Dritteln des Reiches wurde. Ursachen und Verlauf dieses Bürgerkrieges sind höchst widersprüchlich überliefert. Ich bin in der Hauptsache Zonaras und den jüngeren Victor gefolgt. Die Reden zum Tode des Constantin hätten viel Aufschluss gegeben; aber Stolz und fehlgeleiteter Geschmack vermochten den Redner, sich mit leeren Deklamationen zu begnügen.

 

DIE ERMORDUNG DES CONSTANS 350

Das Schicksal des Constans selbst erfüllte sich zehn Jahre später, und die Rache für den Tod seines Bruders war für die weniger achtbare Hand eines Verräters aus den eigenen Reihen vorbehalten. Die gefährlichen Tendenzen des von Constantin eingeführtem Systems zeigten sich unter der schwachen Regierung seiner Söhne; diese verloren infolge ihrer Untaten und ihrer Unfähigkeit jeden Rückhalt und jede Wertschätzung in der Bevölkerung. Constans, der sich auf den unverdienten Erfolg seiner Waffen viel zugute hielt, ward wegen seines völligen Mangels an Begabung und Energie besonders verächtlich. Seine auffällige Zuneigung zu einigen germanischen Kriegsgefangenen, die sich besonders durch den Zauber ihrer Jugend auszeichneten, war Gegenstand übler Nachrede; Quarum (›gentium‹) obsides pretio quaesitos pueros venustiores, quod cultius habuerat, libidine huiusmodi arsisse ›pro certo‹ habetur [Da er gepflegte Knaben, die er von diesen Völkern als Geisel nahm, mit viel Aufmerksamkeit behandelte, galt als sicher, dass er derlei Lüsten frönte]. Caesares 41. Wären die abartigen Gelüste des Constans nicht öffentlich bekannt gewesen, hätte Victor d.Ä., der in der Regierung seines Bruders ein Amt innehatte, hiervon sicher nicht berichtet. und Magnentius, ein ehrgeiziger Soldat barbarischer Herkunft, Iulian Orationes 1 und 2; Zosimos 2,42; Victor, Epitome 41. Es gibt Gründe zu der Annahme, dass Magnentius in einer jener Barbarenkolonien geboren wurde, welche Constantius Chlorus in Gallien gegründet hatte (Siehe oben Kapitel 13, Anmerkung 37). Sein Verhalten erinnert uns etwas an den patriotischen Earl of Leicester, den berühmten Simon de Montfort, welcher die braven Engländer davon überzeugen konnte, dass er, ein gebürtiger Franzose, zu den Waffen gegriffen habe, um sie von ausländischen Günstlingen zu befreien. fühlte sich infolge der allgemeinen Unzufriedenheit berufen, die Ehre des römischen Namens zu erneuern. Die ausgewählten Truppen der Herculianer und Jovianer anerkannten Magnentius als ihren Anführer und bildeten den stärksten und wichtigsten Verband im kaiserlichen Lager. Der ihm freundschaftlich verbundene Generalschatzmeister Marcellinus stellte mit freigebiger Hand Mittel zum Abfall bereit. Den Soldaten wurde mit den vordergründigsten Argumenten eingeredet, dass die Republik ihrer bedürfe, die Ketten der Erbsklaverei zu brechen und durch die Wahl eines tätigen und wachsamen Herrschers diejenigen Tugenden erneut zu Ehren zu bringen, welche die Vorfahren des verkommenen Constans einst von ihrer privaten Stellung bis auf den Thron der Welt erhoben hätten.

Sobald die Verschwörung zum Zuschlagen bereit war, lud Marcellinus unter dem Vorwand einer Geburtstagsfeier für seinen Sohn alle illustres und honorabiles des gallischen Hofes zu Autun zu einer glanzvollen Festivität. Das Gelage wurde mit schlauer Berechnung bis weit in die Nachtstunden hingezogen; und die ahnungslosen Gäste verführte man dazu, sich im Gespräch einige gefährliche und verbotene Freiheiten herauszunehmen. Plötzlich wurden die Türen aufgestoßen, und Magnentius, der sich nur für einen kurzen Augenblick zurückgezogen hatte, kehrte zurück, mit Purpur und Diadem angetan. Seine Mitverschwörer begrüßten ihn augenblicklich als Augustus und Imperator. Die übrige Versammlung, verdutzt, überrumpelt, betrunken, hoffnungsschwanger und in Unkenntnis der Pläne der jeweils anderen, fühlte sich gedrängt, in die allgemeine Akklamation mit einzustimmen. Die Wachen eilten, den Treueid abzulegen; die Stadttore wurden verschlossen; und noch vor Morgengrauen war Magnentius Herr über die Truppen und die Kasse des Palastes zu Autun. Er hoffte auch, durch seine Geheimhaltung und andere Vorkehrungen sich der Person des Constans zu bemächtigen, welcher im benachbarten Wald der Jagd, seiner Lieblingsbeschäftigung, oder vielleicht auch einer anderen Tätigkeit von privater oder krimineller Natur oblag. Da sich das Gerücht aber blitzartig ausbreitete, gelang ihm rasche Flucht, obwohl an eigentlichen Widerstand bereits jetzt nicht mehr zu denken war, da sich Untertanen und Soldaten von ihm abgewandt hatten. Bevor er einen Küstenhafen in Spanien erreichen konnte, wo er sich einzuschiffen beabsichtigte, wurde er in Helena Einst hatte diese alte Stadt unter dem Namen Illiberis geblüht (Pomponius Mela 2,5). Befestigungsanlagen, die Constantin hier durchführen ließ, und der Name seine Mutter gaben dem Ort neuerlichen Glanz. Helena (heute ›Elne‹) wurde Bischofssitz, der viel später erst auf Perpignan überging, die Hauptstadt des heutigen Roussilon. Siehe d'Anville, Notice de l'Ancienne Gaule, p. 380; Longuerue, Description de la France, p. 223; und die Marca Hispanica, 1,2. am Fuße der Pyrenäen von einer Schwadron leichter Kavallerie überrumpelt, deren Chef, die Heiligkeit eines Tempel missachtend, seinen Auftrag ausführte und Constantins Sohn ermordete. Zosimos 2, p. 119f.; Zonaras, 13,6; und die Abbreviatoren.

 

MAGNENTIUS UND VETRANIO ERHALTEN DEN PURPUR. 1. MÄRZ 350

Sobald der Tod des Constans diesen mühelosen und dennoch wichtigen Umsturz entschieden hatte, folgte man in den westlichen Provinzen dem Beispiel Autuns nach. Magnentius wurde überall in den beiden großen Präfekturen Gallien und Italien anerkannt; und der Thronräuber selbst suchte auf jede denkbare Art der Erpressung seine Kriegskasse zu füllen, um damit die immensen Donative und die Kosten des Bürgerkrieges zu bestreiten. Die kriegsgeübten Provinzen Illyricums standen schon lange unter der Regentschaft des Vetranio, eines betagten Generals, welcher wegen seines leutseligen Auftretens allgemein beliebt und wegen seiner Kriegserfolge allgemein respektiert war. Eutropius (10,10) beschreibt Vetranio in lebhafteren Farben und wohl auch zutreffender als die beiden Victor. Vetranio stammte von einfachen Eltern aus dem wildesten Teil Mösiens; und so sehr war seine Ausbildung vernachlässigt worden, dass er nach seiner Thronbesteigung das Alphabet übte. Gewohnheit, Pflichtgefühl und Dankbarkeit gegenüber dem Haus des Constantin veranlassten ihn, sich und seine Truppen dem einzigen überlebenden Sohne seiner verstorbenen Herren mit unerschütterter Treue anzudienen und die gallischen Verräter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Aber durch das schlechte Beispiel wurden die Legionen des Vetranio eher verführt als empört; schon bald ließ ihr Anführer Mangel an Standfestigkeit oder Aufrichtigkeit erkennen; auch wurde sein Ehrgeiz durch den berechneten Beifall der Prinzessin Constantia genährt. Nämlich diese grausame und schlichenreiche Frau war von ihren Vater Constantin dem Großen in den Rang einer Augusta erhoben worden und setzte nunmehr den illyrischen General eigenhändig das Diadem aufs Haupt; es schien, dass sie sich von seinem Sieg die Erfüllung ihrer grenzenlosen Erwartungen erhoffte, welche der frühe Tod ihres Gatten Hannibalianus enttäuscht hatte. Es geschah möglicherweise ohne das Einverständnis der Constantia, dass der neue Herrscher eine notwendige, wiewohl unehrenhaft Allianz mit dem Usurpator des Westens schmiedete, dessen Purpur erst jüngst mit dem Blut ihres Bruders befleckt worden war. In seiner ersten Rede legt Iulian dar (p.30ff), wie unentschlossen und wankelmütig Vetranio gewesen ist, was Spanheim, der auch Constantinas Lage und Verhalten erörtert, genau darlegt.

 

VERHANDLUNGEN MIT CONSTANTIUS

Die Nachricht von diesen wichtigen Ereignissen, die direkt in das Mark des kaiserlichen Hauses zielte, rief Constantius' Waffen von dem ehrlosen Perserfeldzug ab. Er anempfahl die Sorge für den Osten seinen Offizieren und später seinem Vetter Gallus, den er direkt vom Kerker auf den Thron erhoben hatte und eilte nach Europa, Hoffnung und Furcht, Schmerz und Zorn im Herzen bewegend. Bei seiner Ankunft zu Heraclea in Thrakien gewährte er den Abgesandten des Magnentius und Vetranio Audienz. Der eigentliche Urheber der Verschwörung, Marcellinus, der im gewissen Sinne seinem neuen Herren den Purpur angelegt hatte, war unverfroren genug, diese heikle Mission zu übernehmen; seine drei Begleiter waren hochmögende Personen aus Staat und Armee. Es war diesen Emissären aufgegeben worden, Constantius' Zorn zu mindern und seine Furcht zu mehren. Sie hatten Vollmacht, ihm die Freundschaft und den Beistand des Herrschers des Westens anzutragen und diese ihre Partnerschaft durch eine Doppelhochzeit zu festigen, nämlich der des Constantius mit der Tochter des Magnentius und des Magnentius mit der emporstrebenden Constantia; auch sollte in dem Vertragswerk der Vorrang anerkannt werden, den der Herrscher des Ostens zu Recht beanspruchen mochte. Sollten Stolz und falschverstandene Rücksichten ihn vermögen, diese wohlfeilen Bedingungen auszuschlagen, dann so hatten die Boten die traurige Pflicht, ihm den unausweichlichen Untergang auszumalen, die seine Unbesonnenheit nach sich ziehen müsse, wenn er sich nämlich erkühnen sollte, die Herrscher des Westens dazu zu bringen, auf ihre überlegene Heeresmacht zurückzugreifen und gegen ihn jene Stärke, jene Fähigkeiten und jene Legionen ins Feld zu führen, denen das konstantinische Haus so viele Triumphe zu danken habe.

Solche Anregungen und Argumente verdienten ernstliche Prüfung; die Antwort des Constantius wurde für den nächsten Tag in Aussicht gestellt; und als ob er darüber nachgedacht hatte, wie wichtig es sei, vor seinem Volke einen Bürgerkrieg zu rechtfertigen, sprach er zu seinen Ratgebern, die mit erheuchelter oder wirklicher Leichtgläubigkeit zuhörten: ›Verwichenen Abend,‹ so sprach er, ›nachdem ich mich zur Ruhe zurückgezogen hatte, erschien mir der Schatten des großen Constantin, die Leiche meines ermordeten Bruders im Arm; seine wohlvertraute Stimme rief mich zur Gerechtigkeit, verbot mir, an der Republik irre zu werden und sicherte mir Erfolg und unsterblichen Ruhm zu, welche meine Rache krönen würden.‹ Dieses eindrucksvolle Traumgesicht oder vielmehr die Person des Herrschers, die davon berichtete, brachte die Stimme des Zweifels zum Verstummen und fernere Verhandlungen zu einem vorzeitigen Ende. Mit Empörung wurden die entehrenden Friedensbedingungen zurückgewiesen. Einer der Abgesandten des Thronräubers wurde mit Constantius' hochfahrender Erwiderung entlassen; seine Begleiter, die den Schutz des Völkerrechts verwirkt hatten, wurden in Eisen gelegt; und die feindlichen Parteien rüsteten sich zu bitterem Krieg. Siehe Petros Patrikios in den Excerpta legationum p.27.

 

CONSTANTIUS SETZT VETRANIO AB, 25. DEZEMBER 350

Dies also war das Verhalten von Constans' Bruder gegenüber dem treubrüchigen Thronräuber Galliens, und vermutlich handelte er auch nach seiner Pflicht. Gegenüber Vetranio waren mildere Mittel angezeigt; so war denn die Politik des Herrschers des Ostens darauf angelegt, Zwietracht unter seinen Gegner zu stiften und die illyrischen Truppen von den eigentlichen Anführern der Rebellion zu trennen. Leicht war Vetranio in seiner schlichten Biederkeit hinter das Licht geführt, und da er eine Zeitlang zwischen den unvereinbaren Forderungen der Ehre und des Eigeninteresse schwankte, bot er der Welt das Bild eines Unaufrichtigen und verfing sich nach und nach in den Schlingen einer fintenreichen Verhandlung. Constantius anerkannte ihn als den rechtmäßigen und gleichberechtigten Mitregenten des Reiches unter der Bedingung, dass er seine treulose Allianz mit Magnentius aufkündige und zugleich einen Ort für eine Unterredung an der Grenze ihrer jeweiligen Provinzen benenne, wo sie sich ihrer gegenseitigen Freundschaft durch Eidesleistungen versichern und zugleich ihre künftigen Maßnahmen im Bürgerkrieg abstimmen könnten. Infolge dieser Vereinbarung kam Vetranio an der Spitze von zwanzigtausend Mann Kavallerie und noch mehr Infanterie in die Stadt Sardica; Zonaras 13,7. Die geographische Lage von Sardica in der Nähe des heutigen Sofia scheint sie für die Unterredung tauglicher zu machen als Naissus oder Sirmium, wohin Hieronymus, Sokrates und Sozomen sie verlegen. dieses Heer war den Truppen des Constantius so sehr überlegen, dass der Herrscher von Illyrien Wohl und Wehe seines Rivalen in der Hand zu halten schien; dieser hatte seinerseits im Vertrauen auf den Erfolg seiner Geheimdiplomatie die Truppen des Vetranio bereits auf seine Seite gezogen und dessen Thron schon vorher unterwühlt. Die kommandierenden Generäle, welche insgeheim schon auf der Seite des Constantius standen, hatten einen öffentlichen Auftritt vorbereitet, der darauf berechnet war, zu Constantius' Bestem die Leidenschaften der Menge zu ergründen und zu entflammen. Siehe die beiden ersten Reden des Iulian, insbesondere p. 31 und Zosimos 2,44. Die klaren Ausführungen des Historikers dienen zur Erläuterung der wortreichen, aber unpräzisen Einlassungen des Redners.

Die beiden Armeen wurden auf eine große Ebene in der Nähe der Stadt kommandiert. In ihrer Mitte war nach bewährtem militärischem Brauch ein Tribunal oder besser eine Bühne aufgebaut, von dem aus bei ernster oder wichtiger Gelegenheit die Herrscher sonst ihren Truppen die Leviten lasen. So bildeten sie nun einen gewaltigen Kreis um das Tribunal, die wohlgeordneten Abteilungen der Römer und Barbaren, mit gezogenen Schwertern und aufgepflanzten Speeren, die Kavallerieschwadronen und die Infanteriekohorten, durch Bewaffnung und Abzeichen voneinander unterschieden; nur zuweilen wurde das gespannte Schweigen durch laute Zurufe und Beifallslärm unterbrochen. Vor dieser furchtbaren Masse waren nun die beiden Herrscher aufgerufen, sich zur öffentlichen Lage zu erklären: den Vorrang hatte Constantius' königliche Abkunft. Und obgleich er in der Kunst der Rede nur mäßige Fertigkeit besaß, zog er sich unter diesen schwierigen Umständen mit Standhaftigkeit, Geschick und Eloquenz aus der Sache. Der erste Teil seiner Rede schien ausschließlich gegen den Thronräuber aus Gallien gerichtet; aber während er mit tragischer Pose den grausamen Mord an Constans beweinte, ließ er zugleich durchblicken, dass niemand außer dem Bruder das Recht auf die Nachfolge seines Bruder für sich beanspruchen dürfe. Mit einigem Wohlbehagen malte er das Bild der großen Verdienste des kaiserlichen Hauses; dann rief er den Truppen die Macht, die Stärke, die Triumphe und die Freigebigkeit des großen Constantin ins Gedächtnis, dessen Söhnen sie durch einen Treueid verpflichtet waren, den zu verletzen die Treulosigkeit seiner liebsten Diener sie verführt hätte.

Die Offiziere, die das Tribunal umstanden und in ihre Rolle bei diesem Staatstheater genau eingewiesen waren, beugten sich dieser vereinten Gewalt von Vernunftgründen und Beredsamkeit und akklamierten dem Kaiser Constantius als ihrem rechtmäßigen Souverän. Auch auf die nachfolgenden Ränge wirkte diese Mischung von Anhänglichkeit und Reue ansteckend, bis dass die Ebene von Sardica von dem allgemeinen Jubel-Lärmen erfüllt ward: ›Fort mit diesen emporgekommenen Thronräubern! Lang lebe und glorreich der Sohn Constantins! Unter seinem Banner allein wollen wir kämpfen und siegen!‹ Das Geschrei der Tausende, ihr Fuchteln und Waffenrasseln nahm Vetranio den Mut, welcher ängstlich und schweigsam abwartete, während sein Anhang sich von ihm abwandte. Aber er nahm nicht Zuflucht zu einem letzten Verzweiflungsschritt, sondern unterwarf sich ergeben seinem Schicksal; und indem er vor den Augen der beiden Armeen sein Diadem vom Haupt nahm, fiel er vor dem Sieger bäuchlings in den Staub. Constantin beutete seinen Sieg mit Klugheit und Besonnenheit aus; er ließ den alten Mann sich erheben, nannte ihn gar Vater und reichte ihm die Hand, als er von Thron herabstieg. Die Stadt Prusa wurde zum Exil oder Altersruhesitz des abgedankten Monarchen bestimmt, welcher dort noch sechs Jahre in Frieden und Wohlstand verbrachte. Noch oft äußerte er seine Dankbarkeit über Constantius' Güte und riet in liebenswerter Einfalt seinem Wohltäter, doch ebenfalls der Weltherrschaft zu entsagen und Freude nur in der friedlichen Anonymität eines Privatlebens zu suchen, wo allein sie zu finden sei. Der jüngere Victor beschreibt sein Exil mit Emphase als ›Voluptarium otium‹ [lustvoller Müßiggang]. Sokrates ist der Gewährsmann für seine Korrespondenz mit dem Kaiser, welche in der Tat zu erweisen scheint, dass Vetranio allerdings ›propre ad stultitiam simplicissimus‹ war. [Äußerst einfältig bis an die Grenze zur Blödigkeit].

 

KRIEG GEGEN MAGNENTIUS

Das Verhalten des Constantius bei dieser Gelegenheit wurde mit einigem Anschein des Rechts gerühmt; und seine Höflinge verglichen die ausgefeilten Reden, die ein Perikles oder Demosthenes an das Volk von Athen hielten, mit der erfolgreichen Beredsamkeit, die eine bewaffnete Menge veranlasst, das zufällige Objekt ihrer Wahl fallen zu lassen und abzutun ›Eum Constantius ... facundiae vi deiectum Imperio in privatum otium removit. Quae gloria post natum Imperium soli processit eloquio clementiaque, etc.‹ Aurelius Victor, Caesares 42. [Ihn stieß Constantius allein durch die Macht der Rede vom Thron in das Privatleben zurück. Welcher Ruhm aus Beredsamkeit und Sanftmut seit Gründung des Reiches alleine ihm zuteil ward]. Iulian und Themistius (Orationes 3 und 4) zieren diese Großtat mit allen künstlichen und schillernden Farbtönen ihrer Beredsamkeit.

Die bevorstehende Auseinandersetzung mit Magnentius war da schon von ernsterer und blutiger Art. Der Tyrann nahte in Eilmärschen, Constantius zu begegnen, an der Spitze einer starken Armee von Galliern und Spaniern, Franken und Sachsen, Provinzialen mithin, welche den Kern der Legionen bildeten und Barbaren, welche als die entsetzlichsten Feinde der Republik gefürchtet wurden. Die fruchtbaren Ebenen zwischen Drau, Save und Donau Busbequius (p. 112) durchquerte Südungarn und Slawonien zu einer Zeit, als es infolge der unablässigen türkisch-christlichen Auseinandersetzungen fast zu einer Wüste geworden war. Indessen erwähnt er die unübertroffene Fruchtbarkeit des Bodens; und merkt an, dass die Höhe des Grases ausreichte, einen beladenen Wagen der Sicht zu entziehen. Siehe dazu auch Browne, Travels in Harris, Collection, Band 2, p. 762ff. gaben einen weitläufigen Schauplatz ab; und so zogen sich in den Sommermonaten die Operationen der Gegner hin, Zosimos liefert einen weitschweifigen Bericht über den Krieg und die Verhandlungen (2,45-49). Da er sich indessen weder als Sopldat noch als Politiker hervortut, sollte man seine Erzählung mit angemessener Vorsicht aufnehmen. durch Kriegskunst oder Ängstlichkeit bestimmt. Constantius hatte erklärt, er werde die Entscheidung auf den Feldern von Cibalis suchen, ein Name, der seine Truppen stärken werde durch die Erinnerung an den Sieg, den die Waffen seines Vaters Constantin auf demselben glückverheißenden Grund errungen hätten. Die unüberwindlichen Befestigungen jedoch, mit denen der Kaiser sein Lager umgab, legten die Vermutung nahe, dass er einer Entscheidung eher aus dem Wege ging als dass er sie suchte. So lag es an Magnentius, seinen Gegner zu verleiten oder zu zwingen, seine vorteilhafte Stellung aufzugeben; und unter diesem Blickwinkel führte er diverse Aufmärsche, Entwicklungen und Manöver aus, welche die Regeln der Kriegskunst einem erfahrenem Offizier bei solcher Gelegenheit anraten mochten. Er nahm die wichtige Stadt Siscia mit Sturm; er griff Sirmium an, welche sich in Reichweite des kaiserlichen Feldlagers befand; er unternahm den Versuch, die Save zu überqueren, um in die östlichen illyrischen Provinzen zu gelangen; und er vernichtete eine starke Heeresabteilung, der er in den engen Pässen von Adarne einen Hinterhalt gestellt hatte.

Fast den ganzen Sommer über behauptete der gallische Herrscher das Feld. Die Truppen des Constantius wurden eigentlich nur geärgert und verloren jeden Elan; in den Augen der Welt büßte er seine gesamte Reputation ein; und schließlich bequemte er sich zu einem Friedensvorschlag, welcher dem Mörder seines Bruders Constans die Herrschaft über die Provinzen jenseits der Alpen gebracht hätte. Die Überredungskünste von Philipp, dem kaiserlichen Abgesandten, machten dieses Angebot noch verlockender; der Kriegsrat und die Armee des Magnentius neigten einer Annahme zu. Indessen kümmerte der überhebliche Thronräuber sich nicht um die Bedenken seiner Freunde, ließ Philipp wie einen Gefangenen oder doch wenigstens wie eine Geisel festsetzen; dann entsandte er einen Offizier, Constantius die Erbärmlichkeit seiner Herrschaft vorzuhalten und ihn dadurch zu beleidigen, dass er ihm im Falle einer sofortigen Abdankung Pardon gewähren wolle. ›Dass er sein Vertrauen auf die Gerechtigkeit seiner Sache und den Schutz eines strafenden Gottes setzen möge!‹ war die einzige Antwort, die der Herrscher in Ehren geben konnte. Allerdings war er sich seiner heiklen Stellung so sehr bewusst, dass er es nicht wagen konnte, die Misshandlung an seinem Repräsentanten zu erwidern. Aber ganz vergeblich waren Philipps Bemühungen auch nicht gewesen, denn er konnte den Franken Sylvanus, einen verdienstvollen und angesehenen General, dazu bringen, einige Tage vor der Entscheidungsschlacht von Mursa mit einem beträchtlichen Kontingent Reiter zu desertieren.

 

DIE SCHLACHT VON MURSA IN UNGARN

Die Stadt Mursa oder Essek, die in der Neuzeit Berühmtheit erlangte durch eine fünf Meilen lange Bootsbrücke über die Drau und die umliegenden Sümpfe, Diese berühmte Brücke, die noch durch Türme flankiert und durch große Holzpfeiler gestützt wurde, ließ 1566 A.D. Sultan Suleiman erbauen, um die Vorstöße seiner Armee nach Ungarn zu erleichtern. galt schon immer als ein bedeutender Kriegsschauplatz Ungarns. Magnentius marschierte direkt auf Mursa zu, ließ die Tore in Brand setzen und hätte fast im Handstreich die Stadt überrumpelt. Nur die Geistesgegenwart der Garnison löschte die Flammen; Constantius nahte, und er musste die Belagerung abbrechen; und dann beseitigte der Kaiser das letzte verblieben Hindernis, das ihm hätte beschwerlich werden können, indem er eine Abteilung, die im unfernen Amphitheater Stellung bezogen hatte, niedermachen ließ. Das Schlachtfeld um Mursa war unbewachsenes, flaches Gelände: hier nahm die Armee des Constantius ihre Aufstellung, die Drau zu ihrer Rechten, während die linke Seite, sei es nun infolge ihrer Anordnung, sei es wegen ihrer überlegenen Kavallerie, die rechte Flanke des Magnentius weit überragte. Diese Positionierung und die nachfolgenden Manöver sind verständlich, wenn auch knapp bei Iulian, Orationes 1, p. 36. Die Legionen auf beiden Seiten verharrten ängstlich-gespannt den ganzen Vormittag unter Waffen; und nachdem Constantius seine Soldaten mit einer feurigen Rede Mut gemacht hatte, zog er sich in eine Kirche in einiger Entfernung vom Schlachtfeld zurück und überließ es seinen Generälen, die Entscheidung des Tages herbeizuführen. Sulpicius Severus, Historia sacra 2,38. Der Kaiser verbrachte den Tag zusammen mit Valens, dem arianischen Bischof von Mursa, im Gebet, der sein Zutrauen durch die Ankündigung des Sieges erworben hatte. Herr de Tillemont (Histoire des empereurs Band 4, p. 1110) weist sehr zu Recht auf das Schweigen des Iulian hinsichtlich der persönlichen Verdienste des Constantius in der Schlacht von Mursa hin. Das Schweigen der Schmeichelei hat zuweilen einen sehr positiven und authentischen Aussagewert.

Sie hatten dieses Vertrauen wegen ihres Mutes und ihrer Tüchtigkeit durchaus verdient. Sie eröffneten das Gefecht klugbedacht auf der linken Flanke; die gesamte Kavallerie griff in schiefer Ordnung an und umfasste die rechte Seite des Feindes, der ihrem ungestümen Vordringen zunächst nichts entgegensetzen konnte. Aber die Römer des Westens sammelten sich alsbald nach alter Übung, und die Barbaren Germaniens legten einen neuen Beweis für ihre nationale Tugend, die individuelle Tapferkeit, ab. Alsbald ward das Handgemenge allgemein, das Schlachtenglück neigte sich bald hierhin, bald dorthin und es wäre wohl erst mit dem Einbruch der Dunkelheit zu Ende gegangen. Die entscheidende Wende für Constantius wird seiner Kavallerie zugeschrieben. Seine schweren Panzerreiter werden mit massiven Reiterstandbildern verglichen, die im Schmucke blinkender Harnische mit ihren gewichtigen Lanzen in die Reihen der gallischen Legionen einbrechen. Sobald die Legionen zurückwichen, brachen die leichten und deshalb beweglicheren Schwadronen der zweiten Linie mit gezücktem Schwert in die Lücken ein und vervollständigten die Auflösung. Währenddessen waren die Germanen, gewaltig von Wuchs, aber fast nackt, den geübten orientalischen Bogenschützen ausgesetzt; und ganze Abteilungen dieser Barbaren waren gezwungen, sich in ihrer Verzweiflung und Ratlosigkeit kopfüber in die breite, rasch strömende Drau zu stürzen. Iulianus, Orationes 1, p. 36 und 37; 2, p. 59, 60. Zonaras, 13,8; Zosimus, 2,49-52. Letzterer rühmt die Fertigkeit des Bogenschützen Menelaos, der zur gleichen Zeit drei Pfeile abschießen konnte, welcher Vorzug nach seinem Urteil in militärischen Dingen wesentlich zu Sieg des Constantius beitrug.

Die Zahl der Toten wird auf fünfundvierzigtausend geschätzt, wobei die Verluste des Siegers größer waren als die des Unterlegenen; Nach Zonaras Angaben verlor Constantius von seinen 80.000 Mann 30.000 und Magnentius 24.000 von 30.000. Die anderen Angaben des Berichtes wirken glaubwürdig und authentisch, aber bei der Größe der Armee des Tyrannen muss ein Irrtum vorliegen, entweder beim Verfasser oder bei den Kopisten. Magnentius hatte die gesamte Macht des Westens, Römer und Barbaren, zu einem gewaltigen Truppenkörper vereint, welcher kaum kleiner als 100.000 Mann geschätzt werden kann. Iulian, Orationes 1, p. 36. welcher Umstand die Verbissenheit der Auseinandersetzung belegt und zugleich die Bemerkung eines antiken Verfassers rechtfertigt, dass in der schicksalsträchtigen Schlacht von Mursa die Stärke des Reiches untergegangen sei infolge der Vernichtung einer Veteranenarmee, die ausgereicht hätte, Roms Grenzen zu verteidigen oder seinen Ruhm durch neue Triumphe zu mehren. ›Ingentes Romani Imperii vires ea dimicatione consumptae sunt, ad quaelibet bella externa idoneae, quae multum triumphorum possent securitatisque conferre.‹ [In dieser Schlacht erlitt das Römische Imperium einen unglaublichen Verlust an Völkern, mit denen man eine Vielzahl an Triumphe und ebensoviel Sicherheit hätte verschaffen können]. Eutropius, 10,12. Der jüngere Victor äußert sich in ähnlichem Sinne. Ungeachtet des Geiferns eines Redners von schleimiger Gesinnung gibt es nicht den geringsten Grund zu der Annahme, dass der Thronräuber gleich zu Beginn der Schlacht seine eigene Sache aufgegeben habe. Er bewies sich als umsichtiger Feldherr, als Soldat und brav, bis der Tag verloren und das Lager in der Hand des Feindes war. Dann erst besorgte sich Magnentius um seine eigene Sicherheit, warf die kaiserlichen Insignien von sich und entkam mit einigen Schwierigkeiten von den Ufern der Drau bis zum Fuß der julischen Alpen. An dieser Stelle müssen wir dem unverdächtigen Zeugnis des Zosimos und Zonaras den Vorzug geben vor Iulians Lobhudelei. Victor d.J., Epitome 43, entwirft von Magnentius ein merkwürdiges Charakterbild: ›Sermonis acer, animi turmidi, et immodice timidus; artifex tamen ad occultandam audaciae specie formidenem.‹ [Scharfzüngig, stolz und doch übertrieben furchtsam; indessen auch ein Meister der Kunst, seine Furcht hinter der Maske der Kühnheit zu verstecken]. Wurde in der Schlacht bei Murna sein Verhalten von der Natur oder von seinen Fähigkeiten bestimmt? Ich neide dem Letzteren zu.

 

CONSTANTIUS VERSCHIEBT DEN KRIEG AUF DEN FRÜHLING EROBERUNG ITALIENS A.D. 352

Der einbrechende Winter gab der Trägheit des Constantius einen trefflichen Vorwand, den Krieg erst im nächsten Frühjahr fortzusetzen. Magnentius hatte seine Residenz in der Stadt Aquileja eingerichtet und zeigte offenkundig Neigung, die Berge und Sümpfe zu passieren, welche die Grenzen der Provinz Venetien bildeten. Die Überrumpelung eines Alpenkastells durch ein überraschendes Manöver der Kaiserlichen dürfte ihn dann allerdings kaum bestimmt haben, Italien aufzugeben, wenn nur die Zuneigung der Bevölkerung die Sache ihres Herrschers unterstützt hätte. Iulian, Orationes 1, p. 38. In dieser Textpassage wie auch in Orationes 2, 97 lässt er durchblicken, dass Senat, Volk und die Soldaten Italiens der Partei des Kaisers zugeneigt waren. Aber die Erinnerung an die Grausamkeiten seiner Minister nach der erfolglosen Revolte der Nepotianer hatte im Gemüt der Römer unverwelkliche Spuren von Abscheu und Hass hinterlassen. Nepotianus, ein unbedachter Jüngling, Sohn der Prinzessin Eutropia und Neffe des Constantin, hatte mit Abgunst gewahren müssen, wie das Szepter des Westens einem ungetreuen Barbaren in die Hand gefallen war. So bewaffnete er einen Haufen von Sklaven und Gladiatoren, überrumpelte die arglosen Wächter von Roms häuslichem Frieden, ließ sich vom Senat huldigen, legte sich den Augustus-Titel zu und regierte achtundzwanzig bewegte Tage lang auf Widerruf. Das Eingreifen einer regulären Streitmacht setzte diesen hochfliegenden Plänen ein vorzeitiges Ende; die Rebellion wurde im Blute des Nepotianus, seiner Mutter Eutropia und ihres gesamten Anhanges ertränkt; und dann wurden die Proskriptionen ausgedehnt auf alle, die mit dem Namen oder der Familie des Constantin in irgendeinem Zusammenhang standen. Victor d.Ä. beschreibt mit vielem Pathos Roms elende Lage (Caesares 42): ›Cuius stolidum ingenium adeo Populo Romano patribusque exitio fuit, uti passim domus, fora, viae, templaque, cruore, cadaveribusque opplerentur, bustorum modo.‹ [Sein Schwachsinn war für Volk und Senat Roms derart verhängnisvoll, dass weithin Häuser, Plätze, Straßen und Tempel mit Blut und Leichen bedeckt waren wie bei Brandstätten für Tote]. Athanasios (Band 1, p. 677) beweint das Schicksal einiger prominenter Opfer, und Iulian, Orationes 2, p. 58, verflucht die Grausamkeit des Marcellinus, des Todfeindes des konstantinschen Hauses.

Sobald aber Constantius nach der Schlacht von Mursa Herr über die dalmatische Küste geworden war, suchte eine Gruppe von exilierten Adligen, die in einem Adriahafen eine Flotte auszurüsten gewagt hatten, in seinem Lager nach Schutz und der Möglichkeit zur Rache. In heimlichem gegenseitigem Einverständnis mit ihren Landsleuten hatten sich Rom und Italiens Städte auf die Seite des Constantius geschlagen. Die braven Veteranen, die durch die Großzügigkeit des Vaters wohlhabend geworden waren, signalisierten auch dem Sohn Erkenntlichkeit und Verbundenheit. Die Kavallerie, die Infanterielegionen und die Hilfstruppen frischten ihren Treueid gegenüber Constantius auf; und der Usurpator, aufgeschreckt durch den allgemeinen Abfall, sah sich genötigt, mit dem verbliebenen Rest seiner getreuen Truppen sich über die Alpen nach Gallien zurückzuziehen. Die Kommandounternehmen jedoch, die die Flucht des Magnentius verhindern oder ihn sogar abfangen sollten, führten sich nach Art der Sieger sehr unklug auf und ermöglichten ihm in der Ebene vor Pavia, anzugreifen und in einem Gemetzel seine aussichtslose Lage durch einem nutzlosen Sieg vorläufig zu verbessern. Zosimos 2,52; Victor, Epitome. Die Lobredner des Constantius unterlassen, aufrichtig wie immer, die Erwähnung dieser Zufallsniederlage.

 

VERGEBLICHE FRIEDENSANGEBOTE DES MAGNENTIUS SEIN TOD 10. AUGUST 353

Infolge der wiederholten Rückschläge sah sich Magnentius endlich genötigt, Friedensverhandlungen aufzunehmen, und zwar vergeblich aufzunehmen. Zunächst entsandte er einen Senator, dessen Verhandlungsgeschick er traute, und danach diverse Bischöfe, denen ihr heiliger Charakter eher Gehör verschaffen mochte, mit dem Anerbieten, er werde auf den Purpur verzichten und der Zusicherung, er werde sein verbleibendes Leben dem Dienste am Kaiser widmen. Obwohl Constantius allen, die die Sache der Rebellion aufgeben würden, großzügige Amnestie versprach, Zonaras, 13, p. 17. Iulian lässt sich an mehreren Stellen seiner beiden Reden über Constantius' Milde gegenüber den Rebellen aus. bekundete er zugleich seinen eisernen Willen, die Verbrechen eines Mörders angemessen zu bestrafen, den von allen Seiten einzuschließen sich seine siegreichen Soldaten soeben anschickten. Leicht nahm eine kaiserliche Flotte Afrika und Spanien in Besitz, versicherte sich der wanken Treue der maurischen Nationen und landete eine beachtliche Truppenmacht, welche die Pyrenäen überquerte und nach Lyon marschierte, Magnentius' letzter, auswegloser Station. Zosimos 2,53; Julian Orationes 1, p. 40, und 2, p. 74. Das Tyrannengemüt, welches nie etwas von Milde gewusst hatte, war in seiner Verzweiflung dazu übergegangen, jede Form von Unterdrückung zu praktizieren, um von den Städten Galliens Hilfe zu erpressen. Ammianus, 15, 6; Zosimos 2,53. Julian, der die Verzweiflungsmaßnahmen des Tyrannen scharf verurteilt, erwähnt (Orationes 1, p. 40) die Erlasse, die von Not oder Habgier diktiert waren. Seine Untertanen wurden gezwungen, kaiserliche Domäne zu erwerben, was ein höchst unsicherer und gefährlicher Besitz war, da man es ihnen im Falle einer weiteren Umwälzung als verräterische Aneignung hätte anrechnen können.

Endlich war ihre Langmut erschöpft; und so gab die Prätorianergarnison zu Trier das Signal zu Abfall, indem sie die Tore vor Decentius verschloss, den sein Bruder entweder zum Augustus oder Caesar erhoben hatte. Magnentius' Medaillen feiern den Sieg zweier Augusti und eines Caesar; dieser war ein anderer Bruder, Desiderius. Siehe Tillemont, Histoire des Empereurs Band 4, p. 757. Von Trier zog sich Decentius notgedrungen nach Sens zurück, wo er alsbald von einer Germanenarmee eingekreist wurde, welcher die umtriebigen Ränke eines Constantius lehrreiche Einblicke in römisches Parteienwesen vermittelt hatten. Julian Orationes 1, p. 40 und 2, p. 74 nebst Spanheims Kommentar p. 263, der die Ereignisse dieses Bürgerkrieges erläutert. Mons Seleucus war ein kleiner Ort in den Kottischen Alpen, einige Meilen von Vapincum oder Gap entfernt, einer Bischofsstadt in der Dauphiné. S. d'Anville, Notice de la Gaule, p. 464; und Longuerue, Description de la France, p. 327. Inzwischen beeilten sich die kaiserlichen Truppen, die cottischen Alpen zu überqueren, und in der blutigen Schlacht am Berge Seleucius wurde dem Anhang des Magnentius endgültig der Titel der Rebellen angeheftet. Zosimos 2,52; Libanios Orationes 10. Letzterer beklagt sehr nachdrücklich diese grausame und selbstbezogene Politik des Constantius. Er konnte keine weiteren Truppen aufstellen; die Treue seiner Garde war unterhöhlt: und als er sich in der Öffentlichkeit sehen ließ, um sie durch aufmunternde Reden zu beleben, grüßte man ihn mit dem einhelligen Rufe: ›Lang lebe Kaiser Constantius!‹ Der Tyrann, der begriff, dass sie sich anschickten, Gnade zu erwirken durch seine, des schlimmsten Verbrechers Auslieferung, kam ihren Plänen zuvor und stürzte sich in sein Schwert; Julian Orationes 1, p. 40; Zosimus, 2,53; Socrates, 2,32. Sozomenos, 4,7. Victor d.J., Epitome 42 beschreibt seinen Tod mit diversen schauerlichen Begleitumständen: ›Transfosso latere, vulnere naribusque et ore cruorem effundens, exspiravit.‹ [Mit durchbohrter Brust verschied er, während Blut aus der Wunde, Nase und Mund strömten]. Wenn wir Zonaras für glaubwürdig halten wollen, dann so gönnte der Tyrann vor seinem Tod sich noch das Vergnügen, seine Mutter und seinen Bruder eigenhändig zu ermorden. eine Todesart, welche leichter und ehrenhafter war als die, die er von der Hand seines Feindes erhoffen konnte, der seine Rache mit dem Mäntelchen der Gerechtigkeit und der Bruderliebe umhängt hätte. Dieses Beispiel fand in Decentius seinen Nachahmer, der sich auf die Nachricht von seines Bruders Tod erhängte. Der eigentliche Urheber der Revolte, Marcellinus, war schon lange vorher in der Schlacht von Mursa Julian (Orationes 1, p. 58f) kann sich nicht entscheiden, ob er sich selbst für seine Verbrechen strafte, ob er in der Drau ertrunken war, oder ob ihn rächende Dämonen direkt vom Schlachtfeld an den Ort ewiger Qual geführt hätten. verschollen, und die Öffentlichkeit wurde ruhiggestellt durch die Hinrichtung einiger überlebender Anführer einer schuldigen und unterlegenen Faktion. Strenges Gericht wurde gehalten über alle, welche freiwillig oder aus Unbedacht sich der Sache des Aufstandes angeschlossen hatten. Paul, genannt die Kette, (dies wegen seines überstrengen Eintretens für kaiserliche Gerechtsame), wurde losgeschickt, im fernen Britannien die letzten Reste der Verschwörung auszuspähen. Die ehrliche Empörung von Martin, dem Vizepräfekten der Insel, wurde als Beweis für seine persönliche Schuld ausgelegt; und der Gouverneur war gezwungen, gegen sich selbst das Schwert zu richten, mit dem er den kaiserlichen Minister zu verwunden provoziert worden war. Die allerunschuldigsten Untertanen des Westens wurden verbannt, enteignet, getötet oder gefoltert; und da die Feigheit stets auch grausam ist, war Constantius' Gemüt für Gnade oder Milde unzugänglich. Ammianus 14,5 und 21,16.


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