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XIX

CONSTANTIUS ALLEINHERRSCHER · THRONBESTEIGUNG UND TOD DES GALLUS JULIAN · SARMATISCHER UND PERSISCHER KRIEG · SIEG IULIANS IN GALLIEN PARIS

 

CONSTANTIUS ALLEINHERRSCHER DIE EUNUCHEN

Die geteilten Provinzen wurden nach Constantius' Sieg wieder vereint; da aber diesem schwächlichen Herrscher jedes persönliche Verdienst abging, im Frieden wie im Kriege; da er seine Generäle fürchtete und seinen Beamten misstraute, diente der Sieg seiner Armee lediglich dazu, die Herrschaft der Eunuchen über die römische Welt neuerlich zu festigen. Diese unglückseligen Kreaturen, die antiken Spottprodukte aus orientalischer Eifersucht und Despotie, Ammianus (14,6) schiebt die Praxis der Kastration dem grausamen Erfindungsreichtum der Semiramis zu, welche 1900 Jahre vor Christus regiert haben soll. In Asien und Ägypten waren Eunuchen schon im hohen Altertum in Diensten. Sie werden ferner im Mosaischen Gesetz (Deuteronomium 23,1) erwähnt. Siehe Goguet, Origines des Loix, Teil 1, Buch 1, c. 3. waren zusammen mit der Pest des asiatischen Luxus ›Eunuchum dixti velle te;/ Quia solae his reginae.‹ [Es war ein Eunuch, den du wolltest;/Weil alleine Königinnen sie haben]. Terenz, Eunuchus 1,2. Diese Komödie ist eine Übersetzung nach Menander, und das Original muss kurze Zeit nach der Eroberung des Ostens durch Alexander erschienen sein. nach Griechenland und Rom vorgedrungen. Rasch breiteten sie sich aus; und während man noch zu Augustus' Zeiten vor ihnen, den monströsen Gefolgsleuten der Königin Ägyptens, ›Miles ... spadonibus /Servire rugosis potest.‹ [als Krieger kann er runzligen Kastraten dienen]. Horaz, Epoden 9 und Dacier, ad locum. Durch das Wort ›spado‹ [Entmannter] drückten die Römer sehr nachdrücklich ihren Abscheu gegen diese Verstümmelung aus. Die griechische Bezeichnung Eunuch [eig. ›Betthüter‹], die sich allmählich durchsetzte, war dem Ohr wohlgefällig und klang zweideutig. zurückschauderte, erlangten sie allmählich Zutritt zu den Familien römischer Matronen, Senatoren und schließlich der Herrscher selbst. Wir müssen nur Posides erwähnen, einen Freigelassenen und Eunuchen des Claudius, an welchen der Kaiser einige der wertvollsten Auszeichnungen für militärische Tapferkeit verschwendet hatte. (Siehe Sueton, Claudius 28). Posidius hatte einen Großteil seines Vermögens in Bauten investiert. ›Ut ›spado‹ vincebat Capitolia nostra Posides.‹ [Wie der Kastrat Posides unser Kapitol übertroffen hat]. Iuvenalis, Satiren 14. Durch strenge Erlasse Domitians und Nervas einst zurückgedrängt, ›Castrari mares vetuit.‹ [Er verbot die Beschneidung von Männern]. Sueton, Domitian 7. Siehe Cassius Dio 67,2; 68,2. von Diocletian auf der Höhe seiner Macht gehätschelt, von Constantins Umsicht zu einer Randexistenz verurteilt, In der Historia Augusta findet sich eine Stelle (Alexander Severus 66), in welcher Lampridius den Schaden beklagt, den die Eunuchen unter anderen Kaisern angerichtet hätten, während er zugleich Alexander Severus und Constantin wegen ihres Vorgehens gegen die Eunuchenherrschaft lobt: ›Huc accedit, quod eunuchos nec in consiliis nec in ministeriis habuit; qui soli principes perdunt, dum eos more gentium aut regum Persarum volunt vivere; qui a populo etiam amicissimum semovent; qui internuntii sunt, aliud quam respondetur (saepe), referentes; claudentes principem suum, et agentes ante omnia ne quid sciat.‹ [Hinzu kam noch, dass er Eunuchen weder im Kronrat noch in der Dienerschaft zuließ; diese allein richten die Herrscher zugrunde, indem sie darauf hinwirken, dass die Kaiser nach Art der persischen Großkönige leben; diese trennen selbst den freundschaftlichsten Regenten vom Volk; diese sind Zwischenträger und geben anderes weiter als angeordnet; diese isolieren ihren Herren und sind vor allem bestrebt, ihn ahnungslos zu halten] (Lampradius, Alexander Severus 66). wurden es ihrer im Palaste seiner verkommenen Söhne immer mehr, wo sie nach und nach Kenntnis von Constantius' geheimen Ratschlüssen und schließlich deren Lenkung erlangten. Die Abneigung und die Verachtung, die die Menschheit so einhellig gegen diese Verstümmelten empfindet, scheinen sich auf ihren Charakter verheerend ausgewirkt und es ihnen zugleich in dem Maße unmöglich gemacht zu haben, einen großen Gedanken zu fassen oder etwas Bemerkenswertes zu vollbringen, wie man es ihnen allgemein unterstellt. Xenophon (Kyrupaideia 7, 5,60) hat die besonderen Gründe aufgeführt, weshalb Kyros seine Person der Bewachung durch die Eunuchen anvertraute. Er hatte beobachtet, dass die Kastration bei Tieren zwar viel von deren unbezähmbarer Wildheit zurücknehmen mag, dass ihrer Körperkraft und ihrem Geist aber kein Eintrag geschieht; auch sagte er sich, dass diejenigen, die vom Rest der Menschheit abgesondert lebten, ihrem Wohltäter nur umso geneigter sein müssten. Aber die Erfahrung widerlegte dieses Urteil des Kyros. Einige Beispiele für besonders treue, starke oder begabte Eunuchen mögen sich finden lassen; betrachten wir aber die allgemeine Geschichte Persiens, Indiens und Chinas, so finden wir, dass Eunuchen immer dann mächtig sind, wenn es mit der Dynastie bergab geht.

Besonderes Talent zeigten Eunuchen dagegen in der Kunst der Verleumdung und Intrige; und Constantius beherrschten sie, indem sie sich nach Bedarf seine Ängste, seine Trägheit und seine Eitelkeit dienstbar machten. Ammianus 21,16 und 22,4. Der ganze Tenor dieser unparteiischen Geschichte ist darauf angelegt, die Vorwürfe des Mamertinus, Libanius und Iulian selbst zu rechtfertigen, welche die Laster am Hofe des Constantius getadelt haben. Während er in einem Zerrspiegel öffentlichen Wohlstand wahrzunehmen glaubte, ermöglichte er ihnen durch seinen trägen Gleichmut, die Beschwerden der bedrängten Provinzen zu unterdrücken und durch Kauf von Urteilen und Ämtern immense Reichtümer anzuhäufen; ferner die wichtigsten öffentlichen Ämter zu diskreditieren, indem sie genau diejenigen beförderten, welche die Werkzeuge der Unterdrückung Aurelius Victor verurteilt die Sorglosigkeit seines Kaisers bei der Wahl von Ministern und Generälen und endigt seine Darstellung mit der äußerst kühnen Feststellung, dass es unter einem schwachen Herrscher viel gefährlicher sei, die Minister anzugreifen als den Meister selbst (Caesares 42.). ›Uti verum absolvam brevi, ut Imperatore ipso clarius, ita apparitorum plerisque magis atrox nihil." (Um die Wahrheit in Kürze zu sagen: wie es keinen Rühmlicheren gibt als unseren Kaiser, so gab es nichts Schlimmeres als die Mehrheit seiner Diener.) zu handhaben verstanden, und endlich ihr Mütchen an den wenigen freien Geistern zu kühlen, welche es ungehörigerweise ablehnten, die Protektion von Sklaven zu erbetteln. Der einflussreichste dieser Sklave war der Kammerherr Eusebius, der den Monarchen und den Palast mit derart absoluter Macht beherrschte, dass Constantius, folgt man dem Sarkasmus eines objektiven Historikers, bei seinem Favoriten einige Wertschätzung genoss. ›Apud quem (si vere dici debeat) multum Constantius potuit.‹ [Bei diesem bewirkte, um die Wahrheit zu sagen, Constantius vieles]. Ammianus 18,4. Durch seine geschickten Einbläsereien brachte er den Kaiser dahin, das Todesurteil für Gallus zu unterschreiben und so der langen Liste von Verwandtenmorden, die das Haus des Constantin befleckten, ein weiteres Verbrechen hinzuzufügen.

 

DIE ERZIEHUNG VON GALLUS UND JULIAN

Als die beiden Neffen Constantins, Gallus und Julian, aus der Hand der marodierenden Soldateska gerettet wurden, war der erste etwa zwölf und der zweite ungefähr sechs Jahre alt; und da dem Älteren eine schwächelnde Konstitution nachgesagt wurde, schenkte ihnen Constantius in aufgesetztem Mitleid umso eher das Leben, welches allemal gefährdet und abhängig war, da selbst er zu der Einsicht gelangte, dass alle Welt die Ermordung dieser unschuldigen Waisen als Akt übelster Grausamkeit ansehen würde. Gregor von Nazianz (Orontes 3) zeiht Iulian Apostata der Undankbarkeit gegenüber Marcus, Bischof von Arethusa, der ihm das Leben gerettet habe; und so erfahren wir, wenn auch aus trüber Quelle (Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p. 1120), dass Iulian sich im Altarraum einer Kirche versteckt habe. Verschiedene Städte Ioniens und Bithyniens wurden als Orte für ihr Exil und ihre Erziehung bestimmt; sobald aber ihre aufblühenden Jahre das Misstrauen des Herrschers weckten, schien es ihm sicherer, diese unglücklichen Jugendlichen in dem Kastell Macellum in der Nähe von Caesarea in Gewahrsam zu halten. Die Behandlung, die man ihnen sechs Jahre lang in ihrer Gefangenschaft angedeihen ließ, war die, welche sie sich von einem respektvoll-aufmerksamen Vormund erwarten konnten und andererseits die, die sie von einem argwöhnischen Tyrannen befürchten mussten. Die zuverlässigste Darstellung der Erziehung und Erlebnisse des Iulian ist in einem Brief oder Manifest enthalten, welches er an den Senat und das Volk von Athen gerichtet hat. Libanios (Oratio parentalis) auf Seiten der Heiden und Sokrates (3,1) auf christlicher haben ebenfalls einige interessante Einzelheiten überliefert. Ihr Gefängnis war der alte Königspalast von Kappadokien; seine Lage war angenehm, die Gebäude ansehnlich, der eingefriedete Bereich geräumig. Sie studierten und trainierten unter der Anleitung bewährter Meister; und das zahlreiche Hofvolk, dem aufgetragen war, Constantins Neffen aufzuwarten – besser wohl: sie zu bewachen –, entsprach ganz ihrer kaiserlichen Herkunft. Aber unmöglich konnten sie vor sich selbst verbergen, dass es ihnen an allem, an Vermögen, Freiheit und Sicherheit, fehlte; dass sie mit keinem, dem sie trauten oder den sie wertschätzten, jemals Umgang hatten; und dass sie verurteilt waren, ihre melancholischen Stunden in Gesellschaft von Sklaven zu verbringen, die einem Tyrannen gehorsamten, welcher ihnen Unrecht angetan hatte, das keine Hoffnung auf eine mögliche Versöhnung zuließ.

 

GALLUS WIRD ZUM CAESAR ERHOBEN. 5. MÄRZ 351

Endlich jedoch brachte die Umstände des Staates, genauer gesagt: die Eunuchen, den Kaiser dazu, Gallus zu seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag den Caesaren-Titel zu verleihen und zugleich seine politische Stellung durch die Eheschließung mit der Prinzessin Constantia zu festigen. Nach einem formellen Gespräch, in welchem sich die beiden Herrscher zusicherten, niemals etwas zum Nachteil des anderen zu unternehmen, reisten sie ohne Verzug an ihre jeweilige Wirkungsstätte ab. Constantius marschierte nach Westen ab, während Gallus in Antiochia seine Residenz aufschlug, von wo aus er mit geborgter Macht die fünf großen Diözesen der östlichen Präfektur regierte. Bezüglich der Ernennung des Gallus vergleiche Idiatus, Zosimos und die beiden Victor. Folgt man Philostorgios (4,1), dann war der arianische Bischof Theophilos der Zeuge und, wie die Dinge standen, auch der Bürge seiner feierlichen Erhebung. Er behauptete diesen Charakter mit Edelmut; allerdings hält Herr Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 4, p.1120) es für ausgeschlossen, dass ein Ketzer solcher Tugenden fähig gewesen sein könne. Bei dieser glücklichen Wendung der Dinge blieb der neue Caesar auch seines Bruders Julian Zunächst ließ man Julian seine Studien in Konstantinopel fortsetzen, aber die Anerkennung, die er schon bald errang, stimmte den Herrscher eifersüchtig; und dem Prinzen riet man, ins weniger verdächtige Bithynien auszuweichen. nicht uneingedenk, der daraufhin in die seinem Rang entsprechenden Ehren eingesetzt wurde, seine so genannte Freiheit wiedererlangte und sein großes Erbe antreten durfte.

 

GALLUS' UNFÄHIGKEIT

Selbst die Autoren, die das Andenken an Gallus mit äußerster Nachsicht behandeln, und selbst Iulian, der doch über die Schwächen seines Bruders einen Schleier legen wollte, müssen zugeben, dass der Caesar unfähig war zu regieren. Direkt vom Gefängnis auf den Thron gelangt, besaß er weder das Talent noch den Fleiß noch die Lernbereitschaft, die für seinen Mangel an Kenntnis und Erfahrung hätten einstehen können. Von Natur aus verschlossen und gewalttätig, hatte ihn die Einsamkeit und das Elend seiner Gefangenschaft nicht geläutert, sondern immer mehr verbittert. Die Erinnerung an das Durchlittene machte ihn zur Vergeltung und wenig zu freundlichem Mitgefühl bereit; und seine unkontrollierbaren Zornesausbrüche waren oftmals fatal für die, die sich zufällig in seiner Nähe aufhielten oder ihm direkt unterstanden. Iulian, Epistula ad Athenienses, p. 271. Hieromymus, Chronicum Eusebii; Aurelius Victor, Caesares 42,8; Eutropius, 10,13. Ich möchte hier die Worte des Eutropius zitieren, welcher eine Kurzfassung der fünfzehn Jahre schrieb, als Gallus bereits tot war und somit keine Notwendigkeit mehr bestand, ihm zu schmeicheln oder ihn zu verfluchen. ›Multis incivilibus gestis Gallus Caesar... vir natura ferox et ad tyrannidem pronior, si suo iure imperare licuisset.‹ [Wegen vieler Grausamkeiten wurde der Caesar Gallus getötet, ein Mann, grausam und tyrannisch von Natur, wenn er denn nach seinem Wollen hätte befehlen können].

Seine Frau Constantia wird nicht als Frau, sondern als eines jener Höllenwesen beschrieben, welche beständig von unerträglichem Durst nach Menschenblut getrieben werden. Megaera quacdam mortalis, inflammatrix saevientis assidua, humani cruoris avida, etc. [Eine Megäre in Gestalt einer Sterblichen, unablässige Aufhetzerin von Raserei, gierig nach menschlichem Blut etc]. Ammianus 14,1. Die Aufrichtigkeit des Ammianus hätte nicht zugelassen, dass er Tatsachen oder Personen verfälscht wiedergibt; aber seine Vorliebe für prunkende Ausschmückungen verführte ihn des Öfteren zu einer allzu stürmischen Wortwahl. Anstelle dass sie ihren Einfluss benutzt hätte, ihrem Gemahl Klugheit und Humanität nahe zu bringen, hetzte sie seine sinistren Leidenschaften noch auf; und da sie nach der Weiber Weise zwar eitel, aber nicht eben sanftmütig war, hielt sie ein Perlenhalsband für den angemessenen Preis für die Ermordung eines unschuldigen und angesehenen Adligen. Sein Name war Clematius von Alexandria, und sein Verbrechen bestand darin, dass er sich geweigert hatte, die Gelüste seiner Schwiegermutter zu befriedigen; daraufhin setzte sie seinen Tod durch, weil er ihre Anträge zurück gewiesen hatte. Ammianus 14,1. Gallus' Grausamkeit trat bisweilen unverstellt bei militärischen oder zivilen Hinrichtungen zu Tage, zuweilen verkroch sie sich auch hinter Rechtsbruch und Verfahrens-Trickerei. Die Privathäuser und die Plätze der öffentlichen Begegnung zu Antiochia waren mit Spitzeln durchseucht; und sogar der Caesar selbst war sich öfters, mit Plebejerhabit angetan, diese erbärmlichen Ausforschungen schuldig. In jedem Raum des Palastes drohten Hinrichtungs- und Folterinstrumente, und über die Hauptstadt Syriens herrschte ganz allgemein tiefer Schrecken. Als ob es ihm bewusst war, wie viel er zu fürchten und wie wenig er zu regieren verdient hatte, wählte sich der Herrscher des Ostens als Opfer seiner Verbitterung Provinzbewohner, die für irgendeinen ausgedachten Verrat angeklagt wurden, und dann noch seine eigenen Höflinge, die er mit etwas mehr Recht verdächtigte, durch geheime Korrespondenz das feige und misstrauische Gemüt des Constantius gegen ihn aufzubringen. Dabei übersah er nun allerdings, dass er sich seines einzigen Rückhaltes beraubte, der Zuneigung des Volkes; während er zugleich der Bosheit seiner Feinde die Waffen der Wahrheit aushändigte und dem Kaiser die trefflichsten Vorwände lieferte, dass er seinen Purpur, ja sein Leben verwirkt hatte. Siehe Ammianus 14, 1 und 7. Mit einer ausgedehnten Darstellung der Grausamkeiten von Gallus. Sein Bruder Iulian insinuert (ad Senatum Populumque Athen. P. 272), dass gegen ihn eine geheime Verschwörung ins Werk gesetzt war; und Zosimos (2,55) nennt die beteiligten Personen; ein Beamter von Rang und zwei Finsterlinge, die entschlossen waren, ihr Glück zu machen.

 

ERMORDUNG KAISERLICHER BEAMTER A.D. 354

Solange noch der Bürgerkrieg über dem Schicksal des römischen Reiches schwebte, nahm Constantius die unfähige und grausame Regierung dessen, den er zum Herrscher des Ostens bestimmt hatte, einfach nicht zur Kenntnis; und die Entdeckung einiger gedungener Mörder, die Magnentius, Tyrann von Gallien, heimlich nach Antiochia entsandt hatte, wurde ausgeschlachtet, um dem Publikum überzeugend darzutun, dass der Kaiser und sein Caesar durch dieselben Interessen verbunden seien und von denselben Feinde verfolgt würden. Siehe Zonaras 13,8. Die Mörder hatten bereits zahlreiche Legionäre auf ihrer Seite; ihre Pläne wurden jedoch von einer alten Frau entdeckt und gemeldet, in deren Hütte sie übernachtet hatten. Sobald sich aber der Sieg dem Constantius zuneigte, wurde sein nachgeordneter Mitregent weniger nützlich und weniger schrecklich. Jede einzelne seiner Maßnahmen wurde von nun an mit misstrauischer Genauigkeit überprüft, und hinter verschlossenen Türen befand man schließlich, Gallus entweder den Purpur abzuerkennen oder ihn Asiens Lotterleben mit den Fährnissen des Krieges gegen die Germanen tauschen zu lassen.

Der Mord an Theophilos, dem Konsular der Provinz Syriens, welcher in kargen Zeiten von dem Mob von Antiochia mit der Zustimmung, vermutlich sogar auf Betreiben des Gallus gelyncht worden war, verdiente nun nicht nur als brutaler Willkürakt, sondern auch als staatsgefährdende Beleidigung von Constantius' oberster Majestät untersucht zu werden. Zwei ranghohe Minister, nämlich Domitian, der Reichspräfekt des Orients, und Montius, Palastquästor, erhielten die Sondervollmacht, den Orient aufzusuchen und die eingeschlichenen Missstände dortselbst abzustellen. Sie hatten Weisung, sich Gallus gegenüber zurückhaltend und respektvoll aufzuführen und ihn mit den geschmeidigsten Überredungskünsten dahin zu bringen, die Einladung seines Bruders und Amtskollegen anzunehmen. Indessen, die vorschnelle Art des Präfekten machte diese klugen Entwürfe zuschanden und beschleunigte seinen Untergang- und den seines Feindes. Bei seiner Ankunft in Antiochia war Domitian, Hoffahrt im Herzen, an den Palasttoren vorbeigefahren, und ging unter dem läppischen Vorwand einer leichten Unpässlichkeit für einige Tage in mürrische Klausur, um eine zornige Denkschrift vorzubereiten, die er dem kaiserlichen Hof überstellen ließ. Auf dringendes Ersuchen des Gallus bequemte sich der Präfekt endlich in die Ratsversammlung; aber seine erste Handlung war die knappe und arrogante Anweisung, der Caesar habe sich ohne Verzug nach Italien zu begeben, wobei er noch hinzufügte, dass er ein Zögern mit der Einbehaltung der üblichen Zuschüsse für seinen, des Gallus, Haushalt bestrafen werde. Der Neffe und die Tochter des Constantin, die die Insubordination von Untertanen am wenigsten ertragen konnten, brachten ihre Verärgerung dadurch zum Ausdruck, dass sie Domitian augenblicklich unter Arrest stellen ließen.

Zu diesem Zeitpunkt hätte der Streit wohl noch beigelegt werden können. Unmöglich wurde dies erst durch die tumben Aufführungen des Montius, eines Staatsmannes, der auch schon vorher Proben von Torheit abgelegt hatte. Im Text des Ammianus (14,7) zu dieser Episode lesen wir: › Asper quidem sed ad lenitatem propensior.‹ [Ein grober Kerl, der eher zur Sanftmut neigte], was einen widersprüchlichen und sinnlosen Satz ergibt. Mit Hilfe einer alten Handschrift hat Valesius die erste dieser beiden verderbten Stellen verbessert, und wir sehen etwas Licht, wenn wir das Wort vafer [›verschmitzt, pfiffig‹] dafür einsetzen. Und wenn wir jetzt noch lenitatem in levitatem [›Leichtsinn, von schwankenden Grundsätzen‹] ändern, macht der Tausch eines einzigen Buchstabens die ganze Passage verständlich und stimmig. Der Quaestor erwiderte Gallus in dünkelhafter Rede, wie denn ein Herrscher, der kaum befugt sei, einen städtischen Beamten aus dem Amte zu entfernen, sich erfrechen könne, einen Reichspräfekten einzusperren; rief die zivilen und militärischen Amtsinhaber zusammen; und verlangte von ihnen, im Namen ihres Kaisers, für Leib und Würde seiner Vertreter einzustehen. Durch diese vorschnelle Kriegserklärung fühlte sich das unduldsame Gemüt des Gallus veranlasst, zu den bedenklichsten Mitteln zu greifen. Er gebot seinen Wachen, sich zu wappnen und bereit zu halten, rief das Volk von Antiochia zusammen und empfahl ihren Instinkten die Sorge für seine persönliche Sicherheit und Rache. Roh packten sie den Praefekten und den Quaestor, banden sie an den Beinen mit Stricken zusammen, zerrten sie durch die Straßen, fügten ihren unglückseligen Opfern tausend Schmähungen und tausend Wunden zu und warfen ihre geschundenen und leblosen Leiber schließlich in den Orontes. Ab jetzt sind wir nicht mehr darauf angewiesen, aus verschiedenen spärlichen und trüben Quellen unzureichende Andeutungen zusammenzutragen, sondern schöpfen aus dem mächtigen Strom von Ammianus' Geschichtswerk und müssen nur noch das siebte und neunte Kapitel seines vierzehnten Buches wiedergeben. Allerdings sollte man Philostorgius (3,28), wenn er auch Partei nimmt für Gallus, nicht ganz übergehen.

 

GALLUS IN UNGNADE SEIN ENDE

Nach einer solchen Tat konnte Gallus, was immer auch seine ursprünglichen Absichten gewesen sein mochten, seine Unschuld mit einiger Aussicht auf Erfolg nur noch auf dem Schlachtfeld erweisen. Aber in dem Gemüt dieses Herrschers hielten sich Brutalität und Schwäche die Waage. Anstelle dass er sich jetzt selbst zum Augustus ernannt hätte, anstelle dass er zu seiner Verteidigung die Truppen und die Schätze des Orients aufgeboten hätte, ließ er sich durch die erkünstelte Ruhe des Constantius narren, welcher ihm weiterhin den eitlen Pomp seines Hofes vergönnte und zugleich heimlich die bewährten Veteranenarmeen aus den asiatischen Provinzen zurückrief. Aber da es immer noch zu gewagt schien, Gallus in seiner eigenen Hauptstadt zu verhaften, übte man sich mit Erfolg in den langsameren, aber zuverlässigen Künsten der täuschend geübten Verstellung. Die häufigen und dringlichen Briefe des Constantius waren mit Vertrauens- und Freundschaftsbekundungen überzuckert; mahnten den Caesar, sich der Pflichten seines hohen Amtes zu entledigen, seinem Kollegen einen Teil seiner öffentlichen Aufgaben abzunehmen und dem Westen mit Rat, Tat und Truppen beizustehen. Nach so vielen wiederholten Verbrechen hatte Gallus beste Gründe zum Misstrauen. Aber die Gelegenheit zur Flucht oder Verteidigung war vertan; er war den durchtriebenen Empfehlungen des Tribunen Scudilo erlegen, welcher unter der Maske des kernigen Soldaten die kunstvollsten Einbläsereien geübt hatte; und er setzte sein Vertrauen auf den Einfluss seine Frau Constantia; aber sie starb zur Unzeit und vollendete damit seinen Untergang, zu dem er infolge ihrer drängenden Machtbegierde bestimmt war. Sie war vor ihrem Mann aufgebrochen, aber sie starb unterwegs an einem Fieber in einem kleinen Ort in Bithynien, genannt Coenum Gallicanum.

 

CONSTANTIUS VERURTEILT SEINEN VETTER DEZEMBER 354

Nach langem Zögern setzte der Caesar, wenn auch widerstrebend, seine Fahrt zum Kaiserhofe fort. Von Antiochia bis nach Adrianopel durchzog er sein ausgedehntes Herrschaftsgebiet mit großem und prächtigem Gefolge; und da er darum bemüht war, seine dunklen Ahnungen der Welt und vermutlich auch sich selbst zu verhehlen, bot er Konstantinopels Bevölkerung ein Zirkusspiel. Der weitere Verlauf der Reise allerdings hätte ihn vor der drohenden Gefahr warnen können. In allen Städten begrüßten ihn eingeweihte Minister, die die Weisung hatten, die Amtsgeschäfte zu kontrollieren, seine Stimmungen ausforschen und ihn von Verzweiflungsschritten zurückzuhalten. Es waren Persönlichkeiten beauftragt, die von ihm besuchten Provinzen zu sichern, und sie grüßten ihn unterkühlt oder sogar mit offener Verachtung; die entlang der Straßen stationierten Truppen wurden bei seinem Nahen mit Bedacht zurückgezogen, da man besorgte, sie möchten für einen Bürgerkrieg ihre Dienste anzubieten sich versucht fühlen. Die thebanische Legion, die damals in Adrianopel lag, schickte eine Deputation zu Gallus, ihm ihre Dienste anzudienen (Ammianus 14,15). Die Notitia dignitatum (6,20,38) erwähnt drei Legionen mit diesem Namen. Herrn Voltaires Eifer, diese verächtliche, wenn auch berühmte Legende zu zerstören, hat ihn dazu verführt, mit den dürftigsten Gründen die Existenz einer thebanischen Legion in der römischen Armee zu verneinen. Siehe Oeuvres de Voltaire, Bd. 15, p. 414, Quartausgabe.

Nachdem man Gallus in Adrianopel einige Tage Rast gegönnt hatte, erhielt er strenge und unmissverständliche Weisung, dass sein glanzvolles Gefolge in der Stadt verbleiben müsse, während er, der Caesar selbst, sich in Begleitung von lediglich zehn Postwagen mit Beeilung zur Kaiserresidenz in Mailand zu verfügen habe. Auf dieser Eil-Fahrt wich der Respekt, dem man dem Bruder und Mitregenten des Constantius denn doch schuldig war, allmählich einer plumpen Vertraulichkeit; und Gallus, dem nicht entgangen war, dass seine Diener sich immer mehr als seine Bewacher und bald wohl auch als seine Henker betrachteten, erging sich in Selbstvorwürfen wegen seines verhängnisvollen Jähzornes und erinnerte sich mit Bestürzung und Trauer an sein Verhalten, welches nun seinen Untergang herbeigeführt hatte. In Poetovio in Pannonien gab man schließlich auch die letzte Verstellung auf. Er wurden in einen Palast in der Vorstadt verbracht, wo der General Barbatio mit einer ausgesuchte Abteilung Soldaten, die sich weder durch Mitleid hätten erweichen noch durch Belohnungen hätten kaufen lassen, die Ankunft seines prominenten Gefangenen erwartete. Er wurde am frühen Abend verhaftet, in Schanden seiner Cäsarenwürde entkleidet und rasch nach Pola in Istrien in ein abgelegenes Gefängnis verbracht, welches erst kürzlich durch Königsblut befleckt worden war.

Das Grauen, das er verspürte, nahm noch zu, als sein schlimmster Feind, der Eunuch Eusebius, auf dem Plan erschien und ihn im Beisein eines Notars und eines Tribunen nach seiner Regierungstätigkeit im Orient zu befragen begann. Der Caesar brach unter der Last von Scham und Schuld zusammen, bekannte jedes einzelne Verbrechen, jeden einzelnen seiner verräterischen Entwürfe, die man ihm zur Last legte; und indem er alles dem Einfluss seiner Frau zuschrieb, brachte er zusätzlich noch Constantius gegen sich auf, welcher die Verhörprotokolle mit Abneigung durchlas. Leicht gelangte er zu der Überzeugung, dass seine eigene Sicherheit und das Leben seines Vetters zwei unvereinbare Größen seien: das Todesurteil ward unterzeichnet, verkündet und vollstreckt; und Constantins Neffe wurde im Gefängnis mit rückwärts gebundenen Händen hingerichtet wie der gewöhnlichste Verbrecher. Die vollständige Erzählung von der Reise ist bei Ammianus 14,15. Iulian beklagt sich, dass sein Bruder ohne ordentliches Verfahren zum Tode verurteilt wurde; versucht ferner dessen grausame Rachegelüste zu rechtfertigen oder doch wenigstens zu entschuldigen; scheint aber wenigstens zuzugeben, dass er des Thrones zu Recht entsetzt worden sei. Einige möchten Constantius' Grausamkeit beschönigen und versichern, dass er schon bald milder gestimmt war und den Blutbefehl widerrufen wollte: dass aber der zweite Bote mit der Begnadigung von den Eunuchen zurückgehalten wurde, da diese Gallus' gnadenlose Gemütsart kannten und fürchteten und begierig waren, ihr Imperium mit den reichen Provinzen des Ostens zu vereinen Philostorgius,4,1; Zonaras, 13, 9. Der Erste war jedoch für einen arianischen Monarchen eingenommen, und der Zweite schrieb wahl- und kritiklos alles ab, was er in den Schriften der Alten vorfand.

 

JULIANS GEFAHR SEIN EXIL IN ATHEN

Von der ganzen zahlreichen Nachkommenschaft des Constantius Chlorus hatten nunmehr allein der regierende Kaiser und Iulian überlebt. Sein Missgeschick, von königlicher Herkunft zu sein, verwickelte ihn in den Untergang des Gallus. Unter strenger Bewachung wurde er aus seinem glücklichen Exil in Ionien an den Kaiserhof zu Mailand gebracht; dort vegetierte er sieben lange Monate in beständiger Furcht vor dem gleichen ruhmlosen Ende, welches sozusagen vor seinen Augen täglich den Freunden und Anhängern seiner Familie zuteil wurde. Seine Blicke, seine Gesten, sein Schweigen wurden mit bösartiger Neugier registriert, und Feinde, denen er nie etwas getan hatte, setzten ihm beständig zu mit Ränken, auf die er sich entschieden nicht verstand. Siehe Ammianus 15, 1, 3 und 8. Iulian selbst entwirft in seinem Brief an die Athener ein sehr anschauliches und treffendes Bild seiner Gefahr und seiner Empfindungen. Er neigt allerdings zur Übertreibung seiner Leiden, wenn er sie, wenn auch in dunklen Andeutungen, auf mehr als ein Jahr bemisst; diese Angabe findet in der Chronologie der Ereignisse keine Stütze. Aber in dieser Schule der Anfechtungen erlernte Iulian die Tugend der Standhaftigkeit und der klugen Verschwiegenheit. Er verteidigte seine Ehre ebenso gut wie sein nacktes Leben gegen die schnöden Trickereien der Eunuchen, welche alle Anstrengungen unternahmen, ihm irgendeine Gefühlsäußerung zu entlocken; er indessen unterdrückte in aller Vorsicht seinen Kummer und seine Hassgefühle und weigerte sich zugleich ehrenhaft, durch irgendein erheucheltes Schmeichelwort an die Adresse des Tyrannen der Ermordung seines Bruders zuzustimmen. Seine wunderbare Errettung schrieb Julian in aller Demut dem Wirken der Götter zu, welche ihn als einzigen von dem Untergang ausgenommen hatten, den sie in ihrer zornigen Gerechtigkeit über Constantins gottloses Haus verhängt hatten. Julian hatte die Verbrechen und Unglücksfälle des konstantinischen Hauses zu einer allegorischen Fabel verarbeitet, hübsch ersonnen und gefällig zu lesen. Sie bildet den Abschluss der siebten Rede, von wo sie der Abbé de la Bléterie abgetrennt und übersetzt hat. (Histoire de l'empereur Jovien, Band 2, p. 385-408. Das wirkungsvollste Werkzeug ihrer Vorsehung, so merkte er dankbar an, war die unerschütterliche und große Freundschaft der Kaiserin Eusebia, Sie (Eusebia) stammte aus Thessaloniki in Makedonien, war von hoher Geburt und Tochter und Schwester von Konsuln. Die Hochzeit mit dem Kaiser können wir in das Jahr 352 legen. Historiker aller Richtungen stimmen in einer derart zerrissenen Zeit in ihr Loblied ein. Man sehe die Zusammenstellung der Zeugnisse bei Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p. 750-754., einer ebenso schönen wie verdienstvollen Frau, welche infolge des großen Einflusses, den sie über ihren Gatten ausübte, der bedrohlichen Verschwörung der Eunuchen entgegenwirken konnte. Durch Fürsprache dieser seiner Gönnerin wurde Iulian bei Hofe vorgelassen; er vertrat seine Sache mit schlichtem Freisinn, und man hörte ihn mit Gunst. Und ungeachtet der Anstrengungen seiner Feinde, welche vor dem Rächer von Gallus' Blut warnten, obsiegte endlich Eusebias milder Sinn in der Ratsversammlung. Die Eunuchen sorgten sich nun vor dem Ergebnis einer zweiten Unterredung, und man gab Iulian den Rat, sich für ein Weilchen in die Nachbarschaft Mailands zurück zu ziehen, bis es dem Kaiser beifallen würde, ihm Athen als Ort für ein ehrenhaftes Exil zuzuweisen.

 

IULIAN IN ATHEN MAI 355

Da er schon in frühester Jugend eine Neigung, um nicht zu sagen eine Leidenschaft für die Sprache, die Gebräuche, die Wissenschaft und die Religion der Griechen in sich entdeckt hatte, willigte er mit Freuden in einen Befehl, der seinen eigenen Wünschen so entgegenkam. Fern von Waffengeklirr und Hofkabalen blieb er sechs Monate im Hain der Akademie, im freien Austausch mit den Philosophen seiner Zeit, die das Talent ihres kaiserlichen Zöglings zu pflegen und seine Passion zu mehren trachteten. Erfolglos waren ihre Bemühungen nicht; Iulian hegte für Athen jene zärtliche und unverwelkliche Zuneigung, welche sich in einem freien Gemüt zuverlässig einstellt, wenn sich die Erinnerung an den Ort meldet, an dem es seine erwachenden Kräfte zuerst entdeckt und geübt hatte. Sein Sanftmut und seine Leutseligkeit, die ein Geschenk der Natur und ein Gebot der Stunde waren, brachten ihm nach und nach die Zuneigung der Fremden und der Stadtbürger, mit denen er Umgang hatte. Einige seiner Mitstudenten bespähten sein Verhalten wohl nicht ganz ohne Vorurteil und Abgunst; aber Iulian erzeugte in dieser Schule von Athen eine im Allgemeinen günstige Meinung von seinen Tugenden und Talenten, welche sich bald schon über das ganze Reich ausbreitete. Libanios und Gregor von Nazianz haben alle Register ihrer Beredsamkeit gezogen, um Iulian als den ersten unter den Helden bzw. den übelsten aller Tyrannen darzustellen. Gregor war einer seiner Mitstudenten in Athen; und die Symptome der inskünftigen Verruchtheit des Apostaten, die er mit großer und tragischer Geste beschreibt, sind im Grunde genommen nichts ein paar kleine körperliche Unzulänglichkeiten sowie Auffälligkeiten der Aussprache und des Verhaltens. Er beteuert indessen, dass er bereits damals die Leiden von Kirche und Staat vorhergesehen habe. (Gregor von Nazianz, Orationes 4.)

 

JULIAN NACH MAILAND ZURÜCKBERUFEN

Während ihm so seine Tage in gelehrtem Müßiggang dahingingen, war die Kaiserin, begierig, ihre Entwürfe zu einem glücklichen Ende zu bringen, in der Sorge um sein Glück nicht untätig gewesen. Nach dem Tode des letzten Caesaren war Constantius als Alleinherrscher zurückgeblieben, der unter der Last der Alleinverantwortung über ein großes Reich wankte. Die Wunden des Bürgerkrieges waren noch nicht verheilt, als die gallischen Provinzen von Barbaren überschwemmt wurden. Auch die Sarmaten ließen sich durch die Donau nicht länger aufhalten. Da Raubzüge straflos blieben, war die Keckheit und Zahl der Isaurier mächtig angewachsen: diese Buschräuber waren aus ihren rauen Bergen in die umliegenden Länder eingedrungen, sie zu plündern, ja sie hatten sogar, wenn auch erfolglos, die wichtige Stadt Seleucia angegriffen, welche von einer Garnison mit drei römischen Legionen verteidigt wurde. Zum guten Schluss hatte noch der persische Großkönig, infolge eines Sieges in erhöhter Stimmung, immer mal wieder den Frieden Asiens gebrochen, so dass das Reich in seiner Bedrängnis im Osten wie im Westen des Herrschers dringend bedurfte. Zum ersten Male gestand sich Constantius aufrichtig ein, dass seine vereinzelte Kraft einer so großen Aufgabe und einem so gewaltigen Reich nicht gewachsen sei. ›Succumbere tot necessitatibus tamque crebris unum se, quod nunquam fecerat, aperte demonstrans.‹ [Er bekannte offen, – was er noch nie getan hatte – dass er so vielen dauernden Bedrängnissen erliegen könne.] Ammianus 15,8. Taub war er gegen die Stimme der Schmeichelei, welche ihm versichern wollte, dass seine übergewaltigen Tugenden zusammen mit der Hilfe des Himmels auch fernerhin jedes Hindernis rühmlich überwinden würden, aber mit Wohlgefallen lauschte er auf Eusebias Ratschläge, welche seiner Trägheit entgegenkamen, ohne dabei seinen argwöhnischen Stolz zu verletzen. Als sie feststellte, dass die Erinnerung an Gallus noch immer das Gemüt des Kaisers verdüsterte, lenkte sie einfühlsam seine Aufmerksamkeit auf die entgegengesetzten Charaktere der beiden Brüder, welche schon seit ihrer Kindheit mit Domitian und Titus verglichen worden waren. Tantum a temperatis moribus Iuliani differens fratris quantum inter Vespasiani filios fuit, Domitianum et Titum. [Vom gemäßigten Verhalten seine Bruders Iulian war er soweit entfernt, wie auch Vespasians Söhne Titus und Domitian voneinander verschieden waren]. Ammianus 14,11. Die Lebensumstände und die Erziehung der beiden Brüder waren derart ähnlich, dass wir hier ein eindrucksvolles Beispiel für angeborene Charakterunterschiede vor uns haben. Sie brachte ihren Gatten allmählich dazu, Iulian als Jüngling von milder Gemütsverfassung ohne höheren Ehrgeiz zu betrachten, dessen Treue und Dankbarkeit schon für einen Purpurmantel zu haben seien und der allenfalls geschickt sei, eine subalterne Stellung in Ehren auszufüllen und sich jedenfalls nicht erkühnen werde, wider seines Herrschers und Wohltäters Anordnungen zu murren oder dessen Ruhm zu verdunkeln. Nach zähem, wenngleich heimlichem Ringen beugte sich der Widerstand der Lieblingseunuchen der Überlegenheit der Kaiserin; und es ward beschlossen, dass Iulian nach der feierlichen Hochzeit mit Constantius' Schwester Helena den Cäsarentitel erhalten und die Herrschaft jenseits der Alpen antreten sollte. Ammianus 15,8; Zosimos 3,2.

 

HERRSCHERINSIGNIEN STATT PHILOSOPHENMANTEL

Obwohl der Befehl zur Rückkehr an den Hof vermutlich einige Andeutungen auf seine bevorstehende Erhebung enthielt, wandte Iulian sich noch einmal an das Volk von Athen, um sie zu Zeugen seiner ungeheuchelten Schmerzenstränen werden zu lassen, als er gegen seinen Willen aus dem geliebten Studienort abberufen wurde Iulian, Epistula ad Athenienses p.275; Libanios, Orationes 10, p.268. Iulian fügte sich erst in sein Schicksal, als die Götter ihren Willen durch wiederholte Eingebungen und Omen kundgemacht hatten. Da verbot ihm seine Frömmigkeit alles fernere Sträuben. Er fürchtete um sein Leben, seinen Ruf und sogar um seine Tugend; und die einzige Quelle seiner Zuversicht war die Überzeugung, dass sein Handeln von Minerva inspiriert und er selbst von unsichtbaren Engeln beschützt werde, den die Göttin eigens zu diesem Zweck der Sonne und dem Mond abgeborgt hatte. Nur mit Schaudern näherte er sich dem Palast zu Mailand; auch konnte er kaum seine Empörung unterdrücken, als sich die Mörder seiner Familie kriecherisch und mit verlogener Hochachtung an ihn heranpirschten. Eusebia, erfreut über das Gelingen ihrer wohlmeinenden Pläne, umarmte ihn mit schwesterlicher Zuneigung; und sie unternahm es, unter zärtlichsten Liebkosungen seine Abneigung zu zerstreuen und ihn mit seinem Schicksal auszusöhnen. Aber dennoch schenkten die zeremonielle Bartschur und sein absonderliches Verhalten, als er den Mantel des Philosophen mit der Kriegstracht eines römischen Herrschers vertauschen musste, der Frivolität des kaiserlichen Hofes einige Tage gelösten Frohsinns. Julian erzählt mit einigem Humor die näheren Umstände seiner Metamorphose, seinen mutlosen Blick und seine Fassungslosigkeit, als er sich so unvermittelt in eine neue Welt versetzt sah, wo ihn alles fremd und feindlich anmutete.

 

DIE INVESTITUR JULIANS

Die Kaiser des konstantinischen Zeitalters waren nicht länger gemeint, den Senat bei der Wahl ihrer Kollegen zu konsultieren; durchaus aber lag ihnen daran, dass deren Ernennung durch die Zustimmung der Armee bekräftigt werde. Zu diesem staatswichtigen Ereignis fanden sich die Palastwachen nebst anderen Truppen aus der näheren Umgebung Mailands in Waffen ein; Constantius bestieg die erhöhte Rednertribüne, hielt seinen Vetter Iulian an der Hand, welcher an genau diesem Tage in sein fünfundzwanzigstes Lebensjahr eintrat. Ammianus 15,8; Zosimos, 3,2; Aurelius Victor, Caesares 42,16. Victor iunior, Epitome 42,12; Eutropius 10,14. In einer ausgefeilten, würdevoll vorgetragenen Rede legte der Kaiser die Gefahren dar, welche das Glück der Republik umdunkelten, ferner die Notwendigkeit, einen Caesaren für den Westen zu ernennen und schließlich seine eigene Absicht, wenn diese denn ihren eigenen Wünschen entsprach, nämlich die vielversprechenden Talente von Constantins Neffen mit dem Purpur zu belohnen. Die Soldaten äußerten ihre Zustimmung durch respektvolles Beifallsgemurmel: sie gewahrten Iulians männlichen Gesichtsausdruck und bemerkten mit Wohlgefallen, dass das Feuer in seinen Augen durch das sanfte Erröten gemäßigt wurde, nun er zum ersten Male den Blicken der Menschheit ausgesetzt war. Sobald die Investitur beendet war, redete Constantius wieder in jenem Tonfall zu ihm, welchen anzuschlagen sein Alter und seine überlegene Stellung ihm auferlegten; und indem er den neuen Caesar ermunterte, sich durch Heldentaten jenen heiligen und unvergänglichen Namen zu verdienen, versicherte er zugleich seinen Kollegen mit den eindringlichsten Worten seiner Freundschaft, welche weder die Zeit schwächen noch eine Trennung durch die entferntesten Lande zerschneiden könne. Sobald er geendet hatte, schlugen die Truppen zum Zeichen ihres Beifalles mit den Schilden gegen die Beinschienen, ›Militares omnes horrendo fragore scuta genibus illidentes; quod est prosperitatis indicium plenum; nam contra cum hastis clypei feriuntur, irae documentum est et doloris ...‹ [Mit schrecklichem Getöse schlugen alle Krieger mit den Beinschienen gegen die Schilde; was ein Anzeichen vollkommener Zustimmung ist; wohingegen das Schlagen der Schilde mit den Lanzen ein Bezeigung von Zorn und Unwillen ist]. Ammianus fügt mit subtiler Distinktion hinzu: ›Eumque ut potiori reverentia servaretur, nec supra modum laudabant nec infra quam decebat [Und damit man dem Vorgesetzten den gehörigen Respekt erweise, jubelten sie nicht über das geziemende Maß hinaus noch blieben sie darunter] 15,8,15 und 16. während die Offiziere, die die Tribüne umstanden, sich mit vornehmer Reserve zu den Verdiensten von Constantius' Vertreter vernehmen ließen.

 

JULIAN WIRD ZUM CAESAR ERNANNT 6. NOVEMBER 355

Beide Herrscher kehrten im gleichen Wagen in den Palast zurück; während dieser langsamen Prozession zitierte Iulian eine Zeile seines Lieblingsdichters Homer, was er in gleicher Weise auf seinen Erhebung wie auf seine Ängste bezogen haben mag. [Ü.a.d.Griech.: Purpurner Tod umfasst' ihn sodann und das mächtige Schicksal], Ilias 5,83. Das Wort purpurn, welches Homer ebenso häufig wie unbestimmt als Epitheton des Todes verwendet, wird hier von Iulian höchst zutreffend verwendet, um die Natur und das Objekt seiner eigenen Ängste zu kennzeichnen. Die vierundzwanzig folgenden Tage, die der Caesar nach seiner Erhebung in Mailand verbrachte, sowie die ersten Monate seiner Regierung in Gallien waren eine Art von glänzender, aber strengen Gefangenschaft; angehäufte Protokoll-Ehren konnte den Verlust seiner Freiheit jedenfalls nicht ausgleichen. Er schildert die Übel seiner neuen Stellung mit bewegten Worten. Die Tafel war ihm jedoch so üppig gedeckt, dass der jugendliche Philosoph sie mit Abscheu zurückwies. Quum legeret libellum assidue, quem Constantius ut privignum ad studia mittens manu sua conscripserat, praelicenter disponens quid in convivio Caesaris impendi deberet, Phasianum, et vulvam et sumen exigi petuit et inferri. [Dann las er aufmerksam das kleine Buch, das Constantius mit eigener Hand abgefasst hatte, als ob er einen Stiefsohn auf die höhere Schule schickte, und in dem er aufs großzügigste die Tafel-Aufwendungen für den Caesaren festlegte; woraufhin er (Iulian) ausdrücklich verbot, einen Fasan, die Vulva oder das Euter einer Sau zu kaufen und aufzutischen]. Ammianus 16,5. Seine Schritte wurden überwacht, seine Briefe wurden abgefangen; und Klugheit gebot ihm, die Besuche seiner besten Freunde einzustellen. Von seinen früheren Hausdienern durften lediglich vier bei ihm bleiben: zwei Pagen, sein Leibarzt und sein Bibliothekar; letzterem war die Sorge für eine wertvolle Büchersammlung anvertraut, welche ein Geschenk der Kaiserin war, die die Neigungen und Interessen ihres Schützlings förderte. An die Stelle dieser vier getreuen Diener trat ein Hofstaat, der der Würde eines Caesar wohl angemessen war; aber er wurde bevölkert mit einer Masse von Sklaven, die für ihren Herren Zuneigung weder empfanden noch dazu überhaupt imstande waren und die ihm zum größten Teil unbekannt oder sogar verdächtig waren. Seine geringe Weltkenntnis hätte einen weisen Ratgeber erforderlich gemacht; aber die minuziösen Anweisungen für den Dienst an seiner Tafel und die genaue Tageseinteilung hätten sich besser für einen Jüngling geschickt, der noch unter pädagogischer Aufsicht stand als für einen Herrscher, der einen ernsten Krieg führen sollte. Wollte er sich die Zuneigung seiner Untertanen sichern, hätte er zuverlässig den Unmut seines Herrschers besorgen müssen; und selbst die Früchte seines Ehelagers machten ihm die eifersüchtigen Ränke der Eusebia zunichte, Wenn wir uns daran erinnern, dass Helenas Vater Constantin achtzehn Jahre zuvor in hohem Alter verstorben war, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Tochter zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit zwar unberührt, aber nicht ganz jung gewesen sein kann. Schon bald wurde sie von einem Knaben entbunden, der aber sogleich verstarb, quod obstetrix corrupta mercede, mox natum praesecto plusquam convenerat umbilico necavit. [...weil die bestochene Hebamme das Neugeborene tötete, indem sie die Nabelschnur kürzer abschnitt als üblich]. Diese nun begleitete den Kaiser und die Kaiserin nach Rom, und diese quaesitum venenum bibere per fraudem illexit, ut quotiescunque concepisset, immaturum abiiceret partum. [...veranlasste sie hinterlistig, einen besonderen vergifteten Trank zu sich zu nehmen, so dass nach jeder Empfängnis eine Frühgeburt eintrat]. Ammianus 16,10. Unsere Ärzte mögen entscheiden, ob ein solches Gift überhaupt existiert; ich für meinen Teil neige zu der Auffassung, dass die öffentliche Bosheit der Kaiserin Eusebia diese Zufälle zur Last gelegt hat. welche einzig bei dieser Gelegenheit des Zartgefühls ihres Geschlechtes und ihres Edelmutes uneingedenk blieb. Die Erinnerung an seinen Vater und seine Geschwister erinnerten Iulian an seine eigene Gefahr, und das unwürdige Schicksal des Sylvanus mehrte seine Besorgnisse noch. In dem vorangegangenen Sommer hatte man diesen General beauftragt, Gallien vom Joch der Barbaren zu befreien; aber Sylvanus hatte schon bald entdecken müssen, dass er seinen eigentlichen, seinen schlimmsten Feind am Kaiserhof zurückgelassen hatte.

 

DAS ENDE DES SYLVANUS SEPTEMBER 355

Ein gerissener Zuträger, den einige kaiserliche Minister dazu ermutigt hatten, besorgte sich von ihm einige Empfehlungsschreiben; sie schabten nun mit Ausnahme der Unterschrift das Pergament sauber und schrieben auf die leere Seite Sätze mit hochverräterischem Inhalt. Jedoch entdeckten seine wachsamen und beherzten Freunde diesen Betrug; und in einer großen Versammlung ziviler und militärischer Würdenträger, bei welcher der Kaiser in Person zugegen war, wurde die Unschuld des Sylvianus öffentlich ausgesprochen. Aber diese Rehabilitation kam zu spät; aufgebracht durch die Nachricht von der Intrige und der voreiligen Beschlagnahme seiner Güter, begann er genau die Rebellion, welcher man ihn so ganz zu Unrecht beschuldigt hatte. Er legte sich in seinem Hauptquartier zu Köln den Purpur an, und es schien, als wollte er Italien mit Verwüstung und Mailand mit einer Belagerung überziehen. In dieser Notlage gewann Ursicinus, ein General gleichen Ranges, durch Verrat erneut die Gunst zurück, die er nach seinen großen Verdiensten im Osten verloren hatte. Durch Unrecht ähnlicher Art – so behauptete er zumindest – zu Verzweiflungsschritten getrieben, eilte er, sich mit wenigen Getreuen der Fahne seines Freundes anzuschließen, nur, um das Vertrauen des allzu Arglosen zu verraten. Nach nur achtundzwanzig Tagen Regierung wurde Sylvanus ermordet: die Soldaten, die ohne böse Absicht ihrem Befehlshaber gefolgt waren, kehrten unverzüglich zu ihren Pflichten zurück; und Constantius' Liebediener rühmten die Weisheit und das Glück des Monarchen, welcher ohne das Risiko einer Schlacht einzugehen, einen Bürgerkrieg im Keime erstickt habe. Ammianus (15,5) war über Sylvianus' Verhalten und Schicksal bestens informiert, denn er gehörte zu den wenigen Begleitern des Ursicinus bei seiner heiklen Mission.

 

CONSTANTIUS BESUCHT ROM A.D. 357

Der Schutz der rätischen Grenze und die Verfolgung der katholischen Kirche hielten Constantius noch achtzehn weitere Monate nach Iulians Abmarsch in Italien auf. Vor seiner Rückkehr glaubte er sich und seiner Neugier noch einen Besuch in der alten Hauptstadt schuldig zu sein. Einzelheiten zum Besuch des Constantius in Rom bei Ammianus 16,10. Wir fügen noch hinzu, dass Themistios ein Deputierter Konstantinopels war und für die Zeremonie die vierte Rede abfasste. Er gelangte nach Rom auf der Via Aemilia und Via Flaminia; und sobald er näher als vierzig Meilen an die Stadt heran gerückt war, erhielt der Abstecher dieses Herrschers, der nie einen auswärtigen Feind besiegt hatte, unversehens das Gepräge eines Triumphes. Der Prunkzug enthielt Luxus jedweder Art; auch war er – in einer Zeit tiefen Friedens – umgeben von den funkelnden Waffen der zahlreichen Abteilungen seiner Leibwache und berittenen Panzerreiter. Ihre flatternden Seidenbanner, goldgerandet und gestaltet wie Drachen, umwogten des Kaisers Person. Constantius saß allein in einem erhabenen Gefährt, welches von Gold erglänzte und kostbarem Edelgestein; und wenn er sich nicht gerade unter den Toren der Stadt hindurchbücken musste, bewahrte er unbeweglich und würdevoll die Haltung. Die ernste Selbstbeherrschung der persischen Jugend war von den Eunuchen auch in den Kaiserpalast eingeführt worden, und so sehr hatten sie ihn die Tugend der Geduld gelehrt, dass man ihn während dieses schleppenden und schwülen Marsches nicht ein einziges Mal die Hand zum Kopfe führen noch seine Augen nach links oder rechts wenden sah.

Magistrat und Senat von Rom hießen ihn willkommen; mit Interesse betrachtete der Kaiser die bürgerlichen Ehrenstellungen der Republik und die Bildnisse der konsularischen Familien. Die Straßen wurden von ungezähltem Volke gesäumt. Ihre wiederholten Jubelrufe drückten ihre Freude aus, nach zweiunddreißig Jahren endlich wieder die geheiligte Person eines Kaisers in ihren Mauern begrüßen zu dürfen; und Constantius selbst bekannte im Scherze seine – nicht ganz ehrliche – Überraschung, dass sich die gesamte Menschheit so rasch auf einem einzigen Fleck zusammenfinden könne. Constantins Sohn nahm in dem alten augusteischen Kaiserpalast Logis: dann übernahm er den Vorsitz bei einer Senatssitzung, sprach zum Volk von der Tribüne, die Cicero so oft bestiegen hatte, wohnte mit ungewohnter Aufmerksamkeit den Zirkusspielen bei und ließ sich die Goldkronen und Lobreden gefallen, die die Abgesandten der Hauptstädte ihm zu Ehren vorbereitet hatten. Sein nur dreißigtägiger Besuch diente ferner der Besichtigung von Monumenten der Kunst und der Macht, die auf den Sieben Hügeln und den dazwischen liegenden Tälern verstreut lagen. Er bestaunte die einschüchternde Majestät des Capitols, die gigantischen Ausmaße der Caracalla- und Diocletianthermen, das Pantheon in seiner strengen Schlichtheit, die klotzige Größe des Titus-Amphitheaters, das elegante Theater des Pompeius, den Friedenstempel und, als Höhepunkt des Ganzen, das Trajansforum und die Trajanssäule; hierbei bemerkte er, dass die Ruhmredigkeit, die doch so gerne zu Übertreibung und Vergrößerung neige, die Hauptstadt der Welt ganz unzureichend geschildert habe. Der heutige Reisende, der sich in die Betrachtung der Trümmer des antiken Roms versenkt hat, mag hieraus eine ungefähre Vorstellung von den Eindrücken gewinnen, die sie in der Zeit ihrer unversehrten, himmlanstrebenden Schönheit hervorgerufen haben muss.

 

DER GROSSE OBELISK

Durch seinen Besuch in gehobene Stimmung versetzt, beschloss Constantius, den Römern seinerseits ein Denkmal seiner Freigebigkeit und Größe zu hinterlassen. Seine ursprüngliche Absicht war es, eine der Reiter- oder Kolossalstatuen, wie er sie auf dem Trajansforum gesehen hatte, nachzuahmen; als er aber die Schwierigkeiten der Ausführung reiflich durchdacht hatte, beschloss er, die Stadt mittels eines ägyptischen Obelisken zu verschönern. Hormisdas, ein flüchtiger persischer Prinz, bemerkte dem Herrscher gegenüber, wolle er ein solches Pferd herstellen, müsse er auch über den passenden Stall (das Trajansforum) nachdenken. Ein anderer Ausspruch des Hormisdas wird überliefert, ›dass ihm eine einzige Sache missfalle, dass nämlich in Rom Menschen ebenso stürben wie anderswo.‹ Wenn wir diese Lesart aus dem Text des Ammianus (displicuisse [missfallen] anstelle von placuisse [gefallen]) gelten lassen, können wir es als Tadel an die Adresse der römischen Eitelkeit gelten lassen. Der umgekehrte Sinn ist menschenfeindlich. In einer vergangenen, entschieden kunstfertigen Epoche, welche noch der Erfindung des Alphabetes vorangegangen zu sein scheint, ließen die alten ägyptischen Pharaonen diese Obelisken in Theben und Heliopolis in großer Zahl errichten, in der wohlerwogenen Annahme, die Schlichtheit ihrer Form und die Festigkeit des Materials würden der Zeit und etwaigen Gewalteinwirkungen widerstehen. Als Germanicus die Monumente Thebens besichtigte, erläuterte ihm der älteste Priester die Bedeutung der heiligen Zeichen (Tacitus, Annalen 2,60). Aber es ist äußerst wahrscheinlich, dass vor der nutzbringenden Erfindung des Alphabetes diese natürlichen oder auch willkürlichen Zeichen in Ägypten ganz allgemein in Gebrauch waren. Siehe Warburton, Divine Legation of Moses, Band 3, p. 69-243. Augustus und seine Nachfolger hatten einige dieser gigantischen Säulen nach Rom bringen lassen, Siehe Plinius, Naturalis Historia 36,14 und 15. wo sie die immerwährenden Monumente ihres Ruhmes und ihrer Siege abgeben sollten; ein Obelisk allerdings war noch übriggeblieben, welcher infolge seiner Heiligkeit oder seiner Größe der raubsüchtigen Eitelkeit der Eroberer bislang widerstanden hatte. Constantin hatte ihn als Zierde für seine neue Stadt ausersehen; Ammianus 17,4. Er bietet uns eine griechische Übersetzung der Hieroglyphen, und sein Kommentator Lindenbrogius fügt noch eine lateinische Inschrift hinzu, welche in zwanzig Versen aus der Zeit des Constantius eine kurze Geschichte des Obelisken enthält. und nachdem man ihn auf sein Geheiß von seinem Sockel am Sonnentempel zu Heliopolis entfernt hatte, wurde er auf dem Nil nach Alexandria verschifft. Constantins Tod beendete dieses Vorhaben bis auf weiteres, aber sein Sohn bestimmte den Obelisk für die alte Reichshauptstadt. Ein Lastschiff von ungewöhnlicher Größe und Festigkeit wurde ausgesucht, um diese gewaltige Granitmasse – der Obelisk des Constantius war wenigstens einhundertundfünfzehn Fuß lang – vom Nil an den Tiber zu verbringen. Drei Meilen vor der Stadt wurde er an Land gebracht, und mit vereinten Kunst- und Kraftanstrengungen im großen Zirkus Roms aufgestellt. Siehe Donati, Roma vetus, Buch 3,14 und Buch 4,12, sowie die gelehrte, wenn auch ungeordnete Abhandlung von Bargaeus über Obelisken, die in Graevius, Thesaurus Antiquitatum Romanorum, Band 4, p. 1897-1936 eingefügt ist. Diese Abhandlung ist Papst Sixtus V gewidmet, der den Obelisken des Constantius auf dem Platz vor der Patriarchatskirche San Giovanni in Laterano errichten ließ.

 

KRIEG GEGEN QUADEN UND SARMATEN A.D. 357-359

Die Abreise des Constantius aus Rom wurde beschleunigt durch alarmierende Nachrichten von der Not und Gefahr, in der die illyrischen Provinzen steckten. Der Wahnsinn des Bürgerkrieges und die unersetzlichen Verluste in den römischen Legionen in der Schlacht bei Mursa hatten diese Länder praktisch wehrlos gegen die leichte Reiterei der Barbaren gemacht, besonders aber gegen die Überfälle der Quaden, einer wilden und rauflustigen Nation, welche die Einrichtungen Germaniens gegen die Waffen und Kriegskünste ihrer sarmatischen Verbündeten vertauscht zu haben schien. Über die Ereignisse dies Quaden- und Sarmatenkrieges berichtet Ammianus 16,10; 12,12 und 13; 19,11. Die Grenzgarnisonen waren nicht hinreichend, ihrem Vormarsch zu wehren; und so sah sich der Monarch in seiner Trägheit endlich doch genötigt, von den äußersten Grenzen seines Herrschaftsbereiches die Blüte seiner Leibtruppen, der palatini, kommen zu lassen, sich persönlich im Felde blicken zu lassen und tatsächlich einen Feldzug vom ausgehenden Herbst bis in das folgende Frühjahr zu unternehmen. Auf einer Bootsbrücke querte er die Donau, ließ in Stücke schlagen, was sich seinem Vordringen entgegen stellte, drang in die Kernlande der Quaden ein und vergalt ihnen, was sie den römischen Provinzen Übles angetan. Die Barbaren ließen den Mut sinken und waren schon bald genötigt, um Frieden zu betteln: sie boten ihm die Herausgabe der Gefangenen als eine erste Buße für die Vergehen der Vergangenheit und ihre Edelsten als Geiseln und Gewähr für künftiges Wohlverhalten an. Die großmütige Höflichkeit, die man ihren ersten Häuptlingen angedeihen ließ, welche an Constantius Großmut appelliert hatten, ermutigte auch die Furchtsameren oder Verstockteren, diesem Beispiel zu folgen. Und so drängten sich im kaiserlichen Feldlager die Herrscher oder Abgesandten der entlegensten Völkerschaften, welche Polens Ebene bewohnten oder sich jenseits der Karpatengipfel sicher fühlen mochten.

Während Constantius den Barbaren jenseits der Donau seine Bedingungen diktierte, gewahrte er zugleich mit besonderem Mitgefühl die sarmatischen Exilanten, welche durch den Aufstand ihrer Sklaven aus ihrem Lande gejagt worden waren und mittlerweile eine unverächtliche Verstärkung der Quaden abgaben. Der Kaiser, dessen Politik ebenso großherzig wie berechnend war, erließ die Sarmaten aus dieser demütigenden Abhängigkeit und schenkte ihnen in einem gesonderten Vertrag ihre hergebrachte Würde einer Nation wieder, die unter einem König, Roms Freund und Bundesgenossen, vereinigt wurde. Er zeigte sich gesonnen, für ihre Sache einzutreten und die Ruhe in den Provinzen durch die Auslöschung oder doch wenigstens Vertreibung der Limiganten sicher zu stellen, da deren Aufführungen immer noch den Stempel ihrer Sklaven-Abkunft trügen.

 

FELDZUG GEGEN DIE LIMIGANTEN

Die Ausführung dieses Planes warf nun allerdings mehr Probleme auf als er Ruhm erwarten ließ. Das Siedlungsgebiet der Limiganten war gegen die Römer durch die Donau und gegen die Barbaren durch die Theiss geschützt. Die Marsch zwischen den beiden Strömen war oft genug überschwemmt und bildete so eine widrige Sumpflandschaft, die nur ihren ortskundigen Einwohnern zugänglich war, die mit ihren geheimnisvollen Pfaden und unzugänglichen Schlupfwinkeln vertraut waren. Bei Constantius' Herannahen verlegten sich die Limiganten nacheinander aufs Betteln, auf Kriegslisten und auf Gewalt; indessen, ihrem Flehen widerstand er, ihre plumpen Ränke durchschaute er und ihre ungeordneten Angriffe schlug er kunst- und erfolgreich zurück. Einer ihrer rabiatesten Stämme, der auf einer Insel unfern des Zusammenflusses von Theiss und Donau lebte, fasste den Entschluss, den Strom zu überqueren und den Kaiser während der trügerischen Ruhe einer Friedensverhandlung anzugreifen. Schon bald wurden sie die Opfer ihrer eigenen Hinterlist. Von allen Seiten wurden sie umzingelt, von der Kavallerie zerstampft, von den Legionen niedergemacht; doch sie baten bis ans Ende nicht um Gnade; und noch im Todeskampf umklammerten sie verbissen ihre Waffen. Nach diesem Sieg setzte ein beachtlicher Teil des römischen Heeres über die Donau; die Taifalen, ein gotischer Stamm in römischen Diensten, fielen auf der Theiss-Seite in das Land der Limiganten ein; und ihre früheren Herren, die Sarmaten, stürmten racheschnaubend und hoffnungsschwanger durch hügeliges Gelände in das Herz ihrer ehemaligen Besitzungen. Ein Feuerschein verriet die Lage ihrer Hütten der Barbaren, die in der Wildnis zurückgezogen lebten; und der Soldat focht in dem früher so gefahrenvollen Sumpfgebiet mit vermehrtem Zutrauen. In dieser äußersten Notlage zogen die bravsten Limiganten einen Tod in Waffen der Kapitulation vor: aber am Ende konnte sich die Stimme der Vernunft durchsetzen, zumal sie zusätzlich von den Stammesältesten unterstützt wurde; und eine Bittprozession, denen Weiber und Kinder folgten, begab sich zum kaiserlichen Heerlager, um aus dem Munde des Siegers ihr weiteres Schicksal zu erfahren.

Zunächst einmal lobte Constantius seine eigene Milde, die ihn vermocht hätte, ihre wiederholte Untreue zu verzeihen und den Rest der schuldbeladenen Nation zu schonen; sodann wies er ihnen als Ort ihres Exils einen abgelegenen Landstrich zu, wo sie einer sicheren und ehrenhaften Ruhe genießen mochten. Die Limiganten gehorchten schiefen Mundes; aber bevor sie ihr zugeteiltes Land erreichen oder auch nur mit Beschlag belegen konnten, kehrten sie zur Donau zurück, malten die Härte ihrer Situation mit übertriebenen Worten aus und baten unter glühenden Treueschwüren darum, der Kaiser möge ihnen innerhalb der römischen Provinzen eine ruhige Heimstatt zuweisen. Anstelle dass Constantius nun auf seine eigenen Erfahrungen mit ihrer offenbar unheilbaren Treulosigkeit zurückgegriffen hätte, lieh er seinen Schönrednern das Ohr, welche ihm leichthin darstellten, dass es ehren- und vorteilhafter sei, eine Soldatenkolonie anzusiedeln zu einer Zeit, in der man die Untertanen eher zu Geldabgaben als zum Kriegsdienst bereit finde.

Also ließ man die Limiganten die Donau überqueren; und der Kaiser selbst gewährte ihnen in einer großen Ebene in der Nähe des heutigen Bunda Audienz. Sie umstellten die Rednertribüne und lauschten offenbar respektvoll seiner Ansprache, in der es viel um Milde und Würde ging; dann plötzlich schleuderte einer der Barbaren seinen Schuh in die Luft, schrie laut die Worte Marha! Marha!, was Missachtung ausdrückte, hier aber als Signal zum Angriff verstanden wurde. Sie griffen an im Zorn, um der Person des Kaisers habhaft zu werden; sein goldener Thron und der Sitz wurden Beute ihrer groben Hände; aber seine treuen Wachen verteidigten ihn, starben zu seinen Füßen und erlaubten ihm, in Eile sein rasches Pferd zu besteigen und aus dem Tumult zu entkommen. Dann gewannen Überzahl und Disziplin der regulären römischen Truppen die Oberhand über den schnöden Verrat; die Schlacht war erst zuende, als es die Limiganten als Namen und Volk nicht mehr gab. Die freien Sarmaten wurden wieder in ihre alten Besitztümer eingesetzt; und obwohl Constantius ihrem flatterhaften Sinn misstraute, hegte er doch die vorsichtige Hoffnung, dass das Gefühl der Dankbarkeit ihr künftiges Verhalten bestimmen werde. Waren ihm doch die überragende Gestalt und das folgsame Wesen des Zizais, ihres vornehmsten Häuptlings, nicht entgangen. So übertrug er ihm den Königstitel; und Zizais zeigte durch sein Regieren, dass er imstande war, die Interessen seines Wohltäters wahrzunehmen, dem nach seinem großen Erfolg seine siegreichen Legionen durch Zuruf den Beinamen Sarmaticus beilegten. ›Genti Sarmatarum, magno decore considens apud eos, regem dedit.‹ [Er gab dem Sarmatenvolk während eines Aufenthaltes dortselbst unter großer Prachtentfaltung einen König]. Aurelius Victor, Caesares 42. Constantius spricht in einer von ihm selbst vorgetragenen Prunkrede mit viel Selbstgefälligkeit und einem dosierten Anteil von Wahrheit von seinen Großtaten.

 

FRIEDENSVERHANDLUNGEN MIT SAPOR

Während der römische Kaiser und der persische Großkönig mit einem Abstand von dreitausend Meilen ihre äußersten Reichsgrenzen an der Donau und am Oxus gegen Barbarenangriffe verteidigen mussten, durchlitten die gemeinsamen Grenzen die Wechselfälle eines schleppenden Krieges und eines brüchigen Friedens. Zwei von Constantius' Abgesandten für den Osten eröffneten mit dem Satrapen Tamsapor Geheimverhandlungen; es waren dies der Prätorianerpräfekt Musonianus, dessen Fähigkeiten von mangelnder Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit eingetrübt wurden, sowie Cassianus, dux von Mesopotamien, ein kerniger, altgedienter Militär. Ammianus 16,9. Diese Friedensvorschläge wurden in den unterwürfig-schmeichelnden Sprachduktus des Orients übersetzt und dem Großkönig in seinem Heerlager zugetragen, welcher daraufhin beschloss, den Römern durch einen Botschafter die Bedingungen wissen zu lassen, zu denen sie sich ihm ergeben durften. Narses, den er mit dieser Mission betraut hatte, wurde bei seiner Reise durch Antiochia und Konstantinopel in allen Ehren empfangen: nach langer Fahrt kam er in Sirmium an und schlug bei der ersten Audienz den Seidenumschlag auf, der seines Königs hoffärtigen Brief enthielt.

Sapor, König der Könige, Bruder der Sonne und des Mondes (so die hochfliegende Titulatur, die sich orientalische Eitelkeit geprägt hatte) bezeigte sein Wohlgefallen darüber, dass sein Bruder, der Kaiser Constantius Caesar, durch Schaden zur Klugheit gelangt sei. Als der gesetzmäßige Nachfolger von Darius Hystaspes sah Sapor den makedonischen Fluss Strymon als die wahre und ursprüngliche Grenze seines Reiches an; indessen, so erklärte er, wolle er zum Beweis seiner Mäßigung sich mit den Provinzen Armenien und Mesopotamien zufrieden geben, welche man seinen Vorfahren mit Arglist entwunden habe. Er betonte, dass ohne die Wiederherstellung der fraglichen Länder irgendein dauerhafter Friedensvertrag nimmermehr gedeihen könne; und fügte noch die dreiste Drohung hinzu, dass, sollte sein Botschafter mit leeren Händen zurückkehren, man ihn bereit finden werde, sein gutes Recht im nächsten Frühjahr mit der Stärke seiner unbezwinglichen Waffen einzufordern. Narses, ein Mann von feiner und liebenswerter Gesittung, unternahm es, soweit es denn mit seinem Amt vereinbar war, die Grobheit des Briefes zu mildern. Ammianus (17,5) überliefert uns eine Abschrift dieses blasierten Dokumentes. Themistius (Orationes 4, p. 57) gedenkt des seidenen Umschlages, Idatius und Zonaras erwähnen die Reise des Botschafters, und Petros Patrikios (Excerpta legationum, p. 28) hat uns von seinem liebenswürdigen Auftreten berichtet. Stil und Inhalt wurden im kaiserlichen Kronrat reiflich erwogen, und mit folgender Antwort ward er entlassen: Constantius sei berechtigt, den Übereifer seiner Minister, welche ohne besonderen Auftrag des Thrones gehandelt hätten, als ungültig anzusehen: indes stelle er sich einem ehrenhaften Frieden durchaus nicht in den Weg; unschicklich im hohen Maße jedoch sei es und abgeschmackt insgleichen, dem einzigen und unbesiegten Herrscher der römischen Welt die nämlichen Friedensbedingungen vorzulegen, welche er selbst dann mit Empörung zurückgewiesen hatte, als seine Macht beschränkt war auf die engen Grenzen des Morgenlandes: das Glück der Waffen sei durchaus unkalkulierbar; und Sapor möge sich erinnern, dass die Römer zuweilen vielleicht ein Gefecht, aber fast nie einen Krieg verloren hätten.

 

ANTONINUS DRÄNGT AUF MARSCH NACH SYRIEN

Einige Tage nach Narses Abreise wurden drei Botschafter an Sapors Hof geschickt, welcher von seinem skythischen Feldzug wieder an seine Residenz zu Ktesiphon zurückgekehrt war. Für diese wichtige Mission waren ein comes, ein Notar und ein Sophist bestimmt worden; und Constantius, welcher insgeheim den Friedensschluss herbeisehnte, lebte von der Hoffnung, die Würde des Ersten, die Gewandtheit des Zweiten und die Eloquenz des Dritten Ammianus 17,5 und Valesius ad locum. Der Sophist oder Philosoph (damals wurden diese Begriff wie Synonyme gehandhabt) war Eustathius aus Kappadokien, ein Schüler des Iamblichos und Freund des hl. Basilius (Vita Aedesii, p. 44-47). Eunapius rühmt in aller Treuherzigkeit seinem philosophischen Botschafter nach, dass er den barbarischen König mit den wirkmächtigen Mitteln der Vernunft und Beredsamkeit bezaubert habe. Siehe Tillemont, Histoire des Empereurs, Band 4, p. 828 und 1132. würden den persischen Monarchen bestimmen, von seinen überzogenen Forderungen abzustehen. Aber der Fortschritt der Verhandlungen wurde hintertrieben und endlich zuschanden gemacht durch die feindseligen Ränke des Antoninus, Ammianus 18,5,6 und 8. Das höfliche und respektvolle Auftreten des Antoninus gegenüber dem römischen General wirft ein interessantes Licht auf ihn: auch Ammianus spricht mit einiger Wertschätzung und Anteilnahme über den Verräter. eines syrischen Untertanen römischer Abstammung, der vor Unterdrückung nach Persien geflohen war und im Rat Sapors, ja sogar an der königlichen Tafel gehört wurde, wo nach persischem Brauch oftmals die wichtigsten Staatsangelegenheiten erörtert wurden. Da dieser Umstand von Ammianus bekräftigt wird, beweist er zugleich die Wahrheit von Herodots Aufzeichnung (1,133) und die Stabilität persischen Brauchtums. Zu allen Zeiten oblagen die Perser der Unmäßigkeit, und Schiras' Weine siegten über Mohammeds Gesetz. Brisson, De Regno Persarum 2, p. 462-472; Chardin, Voyages en Perse, Band 3, p. 90. Raffiniert verfolgte der Flüchtling seine Interessen und befriedigte dadurch zugleich seine Rache. Ohne Unterlass befeuerte er den Ehrgeiz seines neuen Herren und riet, jetzt, wo die Elitetruppen mit dem Kaiser an der fernen Donau in einen Krieg verwickelt seien, die günstige Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Er drängte Sapor, die erschöpften und schutzlosen Provinzen des Ostens anzugreifen, und zwar mit seiner gesamten Kriegsmacht, die neuerdings noch durch die Allianz mit den wildesten Barbaren verstärkt worden sei. Die römischen Botschafter kehrten erfolglos zurück, und eine zweite, womöglich noch höherrangige wurde in strengen Gewahrsam genommen und mit Tod oder Exil bedroht.

 

HEERSCHAU DER PERSER SAPOR DURCHQUERT MESOPOTAMIEN

Der Militärhistoriker Ammianus, Ammianus 18, 6-8 und 10. der selbst abgereist war, um die persische Armee in Augenschein zu nehmen, als sie Vorbereitungen trafen, den Tigris auf einer Bootsbrücke zu überqueren, überblickte von erhabener Stelle die Ebene Assyriens und wie sie bis zum Horizont von Männern in Waffen und mit Pferden bedeckt war. Sapor erschien vor der Front, erkennbar an seinem Purpur. Zu seiner linken, der Seite des Vorzugs bei den Orientalen, gab Grumbates, König der Chioniten, das Bild des schlachtenerprobten und ernst-entschlossenen Kriegers ab. Einen ähnlichen Platz hatte der Monarch zu seiner Rechten für den König der Albaner aufgespart, welcher mit seinen freien Stämmen von den Küsten des Kaspischen Meeres zu ihm gestoßen war. Satrapen und Generäle waren ihrem Rang entsprechend aufgereiht, und die Armee in ihrer Gesamtheit betrug, den orientalischen Luxus-Tross nicht mitgezählt, mehr als einhunderttausend Mann, brave und abgehärtete Krieger allesamt, die Elite von Asiens tapfersten Völkern. Der römische Deserteur, der Sapor in gewissem Umfang beraten durfte, hatte klüglich anempfohlen, den Sommer nicht mit langwierigen und verlustreichen Belagerungen hinzubringen, sondern direkt auf den Euphrat zu marschieren und ohne Verzug die ebenso schwache wie wohlhabende Hauptstadt Syriens zu belagern. Aber die Perser rückten erst dann in die Ebenen Mesopotamiens vor, als sie ihre Maßregeln getroffen hatten gegen alles, was ihren Marsch aufhalten oder ihre Pläne scheitern lassen konnte:

Die Einwohner wurden mitsamt ihres Viehs in sichere Orte gebracht, das Grünfutter wurde im ganzen Lande versengt, die Festungen am Fluss wurden durch starkes Pfahlwerk gesichert; auf den gegenüber liegenden Ufern wurden Militärmaschinen aufgefahren, doch dann schreckten das Euphrathochwasser die Barbaren davon ab, die reguläre Brücke bei Thapsacus zu benutzen. Ihr kundiger Feldherr änderte daraufhin seinen Plan und brachte die Armee auf langen Umwegen, aber durch fruchtbares Land zu den Quellen des Euphrat, wo der jugendliche Fluss flach geht und zugänglich ist. Über das starke Nisibis sah Sapor mit kluger Verachtung hinweg; als er aber unter den Mauern von Amida vorbeizog, wollte er doch probieren, ob nicht allein durch seine hohe Gegenwart die Garnison zur Aufgabe genötigt werden könne. Die Ungehörigkeit eines verirrten Pfeiles, welcher an der königlichen Tiara verbeizischte, belehrte ihn über seinen Irrtum; und mit Ungeduld lauschte der indignierte Herrscher auf den Rat seiner Minister, welche ihn beschworen, nicht für selbstische Rachegelüste den Erfolg des ganzen Unternehmens zu riskieren. Am anderen Tage zog Gumbates mit einer ausgewählten Abteilung vor die Tore der Stadt und verlangte die unverzügliche Kapitulation der Stadt als der einzigen Genugtuung für diesen Akt der Impertinenz und Dreistigkeit. Die Antwort auf diese Vorschläge war eine Salve von Fluggeschossen, und sein einziger Sohn, ein hübscher und lebhafter Jüngling, wurde von einer Lanze in das Herz getroffen. Das Begräbnis des Prinzen der Chioniten wurde nach dem Brauche seines Volkes begangen; und der Kummer seines betagten Vaters wurde gemildert durch Sapors feierliches Versprechen, dass die brennende Stadt Amida den Scheiterhaufen abgeben solle, den Tod seines Sohnes zu rächen und sein Angedenken zu verewigen.

 

DIE BELAGERUNG VON AMIDA

Das antike Amida, Zur Beschreibung Amidas siehe d'Herbelot, Bibliotheque Orientale, p. 108; Histoire de Timur Bec, par Cherefeddin Ali, Buch 3, c. 41; Ahmed Arabsiades, Band 1, p. 331; Voyages de Tavernier Band 1, p. 301; Voyages d'Otter, Band 2, p.273; und Voyages de Niebuhr, Band 2, p. 324-328. Der letztgenannte Reisende, ein gelehrter und sorgfältiger Däne, hat uns einen Plan von Amida bereitgestellt, der die Belagerung veranschaulicht. bisweilen auch Diarbekir genannt, Diarbekir, amtlich-türkisch Amid oder Kara-Amid genannt, besteht aus etwa 16.000 Häusern und ist die Residenz eines Paschas mit drei Roßschweifen an der Lanze (türkische Ehrenstandarte). Die Vorsilben Kara leitet sich von der Schwärze der Steine ab, aus welchem die mächtigen antiken Mauern gebaut waren. liegt strategisch günstig in einer fruchtbaren Ebene, erhält aus den künstlichen und natürlichen Kanälen des Tigris sein Wasser, wobei der an dieser Stelle schon recht bedeutende Fluss halbmondförmig den Ostteil der Stadt umfließt. Kaiser Constantius hatte erst unlängst die Stadt durch Umbenennung mit seinem Namen geehrt und zusätzlich durch Befestigungsanlagen und hohe Türme sichern lassen. Außerdem besaß der Ort ein Arsenal mit militärischer Maschinerie, und die normale Garnisonsstärke war auf sieben Legionen erhöht worden, als die Armeen Sapors den Platz heimsuchten. Ammianus (19, 1-9) beschreibt die Belagerung Amidas bis ins Detail; er selbst spielte bei der Verteidigung eine rühmliche Rolle und entkam bei der Erstürmung der Stadt durch die Perser nur mit genauer Not. Seine größte und lebhafteste Hoffnung hing daran, die Stadt mit Sturm zu nehmen. So wurden also die einzelnen Stämme seines Heerbannes auf ihre jeweiligen Positionen verteilt; im Süden die Vertae, im Norden die Albaner, im Osten die Chioniten, die in Trauer gingen und Rache schnoben und im Westen die Segesten, seine tapfersten Kriegern, deren Front noch die fürchterlichen indischen Kriegselefanten vorangingen. Von diesen vier Stämmen sind die Albaner zu bekannt, um hier nochmals beschrieben zu werden. Die Segesten bewohnen das große, ebene Land südlich von Khorasan und westlich von Hindostan, welches noch heute ihren Namen trägt. (Siehe Geographia Nubiensis, p. 133; d'Herbelot, Bibliotheque Orientale, p. 797.) Ungeachtet ihres gerühmten Sieges bei Bahram achtzig Jahre zuvor treten sie als unabhängige Nation und als Verbündete der Perser auf. Über den Wohnsitz der Vertae und Chioniten wissen wir nichts, aber ich persönlich neige dazu, zumindest die Letzteren an die Grenze zwischen Skythien und Indien zu verlegen. Siehe Ammianus 16,9. Überall waren noch die Perser zugegen, ihre Anstrengungen zu unterstützen und ihren Mut zu heben; und der König selbst, unbekümmert um Rangordnung und Gefahr, entwickelte im Laufe der Belagerung den ungestümen Mut eines jugendlichen Streiters. Nach hartnäckigem Kampf wurden die Barbaren zurückgeschlagen; unverdrossen griffen sie noch einmal an; wiederum wurden sie nach vielem Blutvergießen abgewehrt; und zwei aufsässige gallische Legionen, welche man in den Osten strafversetzt hatte, gaben durch einen nächtlichen Ausfall mitten in das Herz des persischen Lagers eine Probe ihrer undisziplinierten Kühnheit. In einem der heftigsten dieser wiederholten Sturmangriffe kam Amida durch einen Überläufer in Gefahr, welcher den Barbaren einen geheimen und vernachlässigten Anstieg zeigte, der aus einem Felsen über dem Tigris herausgehauen war. Siebzig handverlesene Bogenschützen der königlichen Wache bestiegen heimlich das dritte Stockwerk eines hohen Turmes, welcher den Abgrund beherrschte; dann entfalteten sie in der Höhe das persische Banner, welches Signal die Zuversicht der Angreifer mehrte und den Belagerten zugleich den Mut benahm; und hätte diese geweihte Truppe nur ein paar Minuten länger standgehalten, dann hätte die Unterwerfung der Stadt zum Preis ihres Lebens erkauft werden können.

 

LETZTER STURM UND UNTERGANG VON AMIDA

Nachdem Sapor nun weder mit Gewalt noch mit List etwas hatte ausrichten können, besann er sich der langsameren, aber bewährten Methoden einer regulären Belagerung, in deren Verlauf ihm römische Überläufer manchen wertvollen Wink geben mochten. In geeigneter Entfernung wurden die Belagerungsgräben ausgehoben, und die Mannschaften, die diesen Dienst zu verrichten hatten und die Mauergräben anfüllen und die Mauern unterminieren sollten, wurden durch starkes, transportierbares Flechtwerk geschützt. Zugleich zimmerte man hölzerne Türme und brachte sie auf Rädern vorwärts, bis die Krieger, welche mit jeder Art von Schussgeräten ausgestattet wurden, fast auf gleicher Höhe mit den Verteidigern waren. Jede Art von Widerstand, die die Kriegskunst lehrte und die der Mut vollbringen konnte, wurde bei Amidas Verteidigung eingesetzt, und mehr als einmal wurden Sapors Zurüstungen ein Raub der römischen Flammen. Aber irgendwann gingen die Vorräte der belagerten Stadt zur Neige. Die Perser reparierten ihre Schäden und trieben die Laufgräben weiter voran; ein Rammbock schlug eine mächtige Bresche, und die durch Krankheit und Schwert dezimierte Garnison stellte sich dem wütenden Angriff. Soldaten, Bürger, deren Frauen und Kinder, alles, was nicht rechtzeitig durch das rückwärtige Tor entkommen war, wurde von den Siegern ohne Unterschied niedergemetzelt.

 

CONSTANTIUS' VORMARSCH IN DEN OSTEN

Aber der Untergang von Amida rettete fürs Erste die römischen Provinzen. Sobald nämlich der erste Siegestaumel beigelegt war, hatte Sapor genügend Muße darüber nachzudenken, dass er für die Bestrafung einer vorwitzigen Stadt die Blüte seiner Armee geopfert hatte und zugleich die für seinen eigentlichen Eroberungsplan günstigste Jahreszeit vertan hatte. Ammianus hat für die Chronologie dieses Jahres Marksteine gesetzt, die indessen weder miteinander noch mit dem aus der Überlieferung bekannten Gang der Ereignisse harmonieren:1. Das Getreide war zum Zeitpunkt von Sapors Einfall in Mesopotamien reif; ›cum iam stipula flavente turgerent;" [welches schon auf gelbem Halme reifte]. Dies ist auf dem Breitengrad von Aleppo naturgemäß im April oder Mai der Fall. (Siehe Harmer, Observations on Scripture, Band 1, p. 41; Shaw, Travels, p. 335, Quartausgabe). 2. Der Vormarsch von Sapor kam infolge der Euphratüberschwemmung ins Stocken, welche im Allgemeinen erst im Juli oder August einsetzt. (Plinius, Naturalis Historia 5,21; Pietro della Valle, Viaggi, Band 1, p. 696.) 3. Als Sapor nach einer Belagerung von dreiundsiebzig Tagen Amida eingenommen hatte, war es bereits fortgeschrittener Herbst. ›Autumno praecipiti haedorumque improbo sidere exorto.‹ [während des sich neigenden Herbstes und des Aufgangs der widrigen Bocks-Sterne]. Ammianus 19,9,1. Um diese Widersprüche einzuebnen, müssen wir annehmen, dass sich der persische König ein wenig verzögert hat, der Historiker hier etwas ungenau war und die Jahreszeiten nicht wie üblich eintrafen. Dreißigtausend seiner besten Veteranen waren während der dreiundsiebzigtägigen Belagerung vor den Mauern Amidas ums Leben gekommen; und so kehrte der Monarch ernüchtert in seine Hauptstadt zurück, äußerlich triumphierend und im Herzen zerknirscht. Es war mehr als wahrscheinlich, dass der Wankelmut seiner barbarischen Verbündeten versucht war, einen Krieg aufzugeben, in dem sich ihnen so viele unerwartete Schwierigkeiten aufgetan hatten; und dass sich der betagte König der Chioniten, dessen Rachedurst gelöscht war, sich nunmehr mit Schaudern von einem Schauplatz abkehrte, auf welchem die Hoffnung seiner Familie und seines Stammes untergegangen war.

Im nächsten Frühjahr, als er erneut ins Feld zog, waren die Stärke und der Geist der Truppen Sapors seinen hochfliegenden Plänen nicht länger gewachsen. Anstelle, dass er zum Sturm auf den Osten geblasen hätte, musste er sich mit der Eroberung zweier befestigter mesopotamischer Ortschaften, Singara und Bezabde, begnügen; Einen Bericht von dieser Belagerung gibt Ammianus 20,6,7. die eine liegt mitten in einer Sandwüste, die andere auf einer kleinen Halbinsel, wo sie von fast allen Seiten vom Tigris umschlossen ist. Fünf römische Legionen der verminderten Stärke, wie sie seit Constantins Zeiten üblich war, gerieten in Gefangenschaft und wurden in die entlegensten Grenzgebieten Persiens gebracht. Die Mauern von Singara ließ er abreißen, danach verließ der Eroberer diesen verlorenen Posten; aber die Befestigungsanlagen von Bezabde ließ er sorgfältig erneuern und in den wichtigen Ort eine Garnison mit bewährten Veteranen legen, welche mit jeder Art von Verteidigungsmitteln versehen und durch das Bewusstsein von Treue und Ehre belebt wurde. Gegen Ende des Feldzuges erlitten die Waffen Sapors einen Rückschlag durch eine Niederlage vor Virtha oder Tecrit, einer starken und, wie man bis in das Zeitalter von Tamerlan meinte, uneinnehmbare Festung der freien Araber. Zur Identität von Virta und Tekrit siehe d'Anville, Géographie ancienne, Band 2, p.201. Zur Belagerung dieser Festung durch Timur Bec oder Tamerlan siehe Sharaf al-Din, Timour, 3,33. Der persische Biograph überzeichnet die Bedeutung und die Schwierigkeiten dieses Unternehmens, welches die Karavanen Bagdads von einer schrecklichen Räuberbande befreite.

 

CONSTANTIUS IM OSTEN

Die Verteidigung des Ostens gegen Sapors Waffen machte den Einsatz eines überdurchschnittlich befähigten Generals erforderlich und hätten alle seine Kräfte angespannt: und für Rom war es ein Glück, dass allein der wackere Ursicinus sich zu Recht des Vertrauens der Soldaten und der Bevölkerung jener Provinzen erfreute. Aber in der Stunde der Gefahr wurde er von seinem Posten abberufen, was er den Intrigen der Eunuchen zu danken hatte; Ammianus (18, 5,6; 19,3; 20,2) stellt Ursinus' Verdienste und Ungnade mit demjenigen treuergebenen Wohlwollen dar, das ein Krieger seinem Feldherrn schuldig war. Ein wenig Parteilichkeit mag mit im Spiel gewesen sein, aber der Bericht insgesamt ist stimmig und glaubwürdig. und dieselben Machenschaften vertrauten das Kommando über den Osten Sabinianus an, einem wohlhabenden und fintenreichen Veteranen, welcher zwar die Hinfälligkeit, aber nicht die Weisheit des Alters besaß. Ein weiterer Befehl, den wiederum jene scheelen und wetterwendischen Ratgeber veranlasst hatten, schickte Ursicinus wiederum an die mesopotamische Front zurück und verurteilten ihn dazu, die Strapazen eines Krieges auf sich zu nehmen, dessen ausstehende Erfolge bereits seinem unwürdigen Nebenbuhler zugeschrieben worden waren. Sabinianus hielt vor den Mauern Edessas seine Stellung durch Nichtstun; und während er sich die Zeit mit sinn- und zwecklosen Militärparaden, Flötenschall und Waffentänzen vertreiben ließ, blieb die eigentliche Verteidigung des Landes dem ehemaligen Befehlshaber des Ostens überlassen. Wann immer jedoch Ursicinus irgendeinen durchgreifenden Angriffsplan vorlegte; wenn er vorschlug, an der Spitze eines leichtbeweglichen Truppenkontingentes um einen Berg zu marschieren und so dem Feind den Nachschub abzuschneiden, die weitläufigen persischen Linien zu verwirren oder Amida in seiner Not beizustehen: immer schützte der bängliche und eifersüchtige Oberbefehlshaber vor, dass ihm eindeutige Befehle untersagten, die Sicherheit der Truppen zu gefährden. Schließlich war Amida verloren; seine tapfersten Verteidiger, die dem Schwert der Barbaren entkommen waren, starben im römischen Lager unter der Hand des Scharfrichters; und Ursicinus selbst wurde im Anschluss an eine einseitige Untersuchung zur Strafe für die Fehlgriffe des Sabinianus seiner militärischen Ränge entkleidet. Aber Constantius entdeckte nur zu bald die Wahrheit jener Prophezeiung, die das beleidigte Rechtsempfinden seinem Offizier abgerungen hatte, dass es nämlich selbst seinem Herrscher sehr sauer werden müsse, den Osten gegen feindliche Einfälle zu schützen, solange derartige Maximen die Richtlinien seiner Politik bestimmten. Nachdem er nämlich die Barbaren an der Donau gedämpft hatte, wandte sich Constantius in verhaltener Eile nach Osten; dort vergoss er zunächst über den rauchenden Trümmern Amidas bittere Tränen, um anschließend mit einer starken Armee Bezabde zu belagern. Die Mauern erbebten unter den wiederholten Angriffen der gewaltigen Rammböcke, die Stadt war aufs Äußerste gefährdet; dennoch wurde sie durch die unerschütterte Hartnäckigkeit der Besatzung so lange verteidigt, bis die einsetzende Regenzeit den Herrscher nötigte, die Belagerung aufzugeben und schmachbedeckt in sein Winterquartier in Antiochia zurück zu kehren. Ammianus 20,11. ›Omisso vano incepto, hiematurus Antiochiae redit in Syriam aerumnosam, perpessas et ulcerum sed et atrocia, diuque defienda.‹ [Nachdem er das vergebliche Unternehmen aufgegeben hatte, kehrte er in das leidgeprüfte Syrien zurück, um in Antiochia zur überwintern; seine Wunden waren schwer und grässlich und noch lange zu beklagen]. So hat Jakob Gronovius eine dunkle Textpassage wieder lesbar gemacht und meint, dass diese Korrektur alleine schon eine Neuausgabe seines Autors rechtfertige; dessen Sinn sich nunmehr in Etwa erahnen lässt. Ich selbst erhoffe mir zusätzliche Klarheit von den jüngsten Untersuchungen des gelehrten Ernesti, Leipzig 1773. Vergeblich fahndeten Constantius' Stolz und der Erfindungsreichtum seiner Höflinge in diesem Perserkrieg nach Zutaten für Siegesreden, während gleichzeitig der Ruhm seines Vetters Iulian, dessen Kommando er Gallien anvertraut hatte, sich in der Welt durch die schmucklose und bündige Erzählung seiner Heldentaten verbreitete.

 

GERMANEN ÜBERFALLEN UND PLÜNDERN GALLIEN

Während der Bürgerkrieg noch tobte, hatte Constantius den germanischen Barbaren Gallien preisgegeben, welches damals noch seinen Rivalen anerkannte. Ungezählte Schwärme von Franken und Alemannen wurden durch Geschenke und Versprechungen, die Aussicht auf Beute und auf die dauerhafte Herrschaft über die von ihnen eroberten Länder dazu gebracht, den Rhein zu überqueren. Die Verwüstungen durch die Germanen und die Not Galliens kann man sich aus Iulian selbst zusammentragen. Epustula ad Athenienses, p. 277; Ammian. 15,11; Libanios, Orationes 10; Zosimos, 3,3; Sozomenes, 3,1. Bald aber gewahrte und beklagte der Kaiser die Schwierigkeiten, diese fürchterlichen Verbündeten, die von römischem Reichtum gekostet hatten, wieder zu entlassen, nachdem er um seines kurzfristigen Vorteils willen unklugerweise an ihre Beutegier appelliert hatte. Unbekümmert um die feinsinnige Unterscheidung zwischen Loyalität und Rebellion betrachteten diese Räuberhaufen alle diejenigen Untertanen des Reiches als ihre natürlichen Feinde, die nur über irgendeinen beweglichen Besitz verfügten. Fünfundvierzig blühende Städte, Tongern, Köln, Trier, Worms, Speyer, Straßburg u.a. und daneben noch eine weit größere Zahl von Siedlungen und Dörfern wurden geplündert und zumeist auch noch in Schutt und Asche gelegt. Die Barbaren Germaniens, die nach wie vor dem Väterbrauch huldigten und Stadtmauern mit den Ekelnamen eines Gefängnisses oder Grabes belegten, siedelten an den Ufern von Rhein, Mosel oder Maas und behalfen sich gegen plötzliche Gefahr mit großen Baumstämmen, die sie in Eile fällten und quer über den Zuweg warfen. Die Alamannen wohnten im heutigen Elsass-Lothringen; die Franken besaßen Teile von Batavia und einem ausgedehnten Stück von Brabant, das damals unter dem Namen Toxandria Ammianus 16,8. Dieser Name leitet sich wohl von den Toxandri des Plinius her; in mittelalterlichen Chroniken wird er sehr oft erwähnt. Toxandria war ein waldreich-morastiges Land, welches sich von Tongres bis zum Zusammenfluss von Rhein und Waal erstreckte. Siehe Valesius, Notitia Galliarum, p. 558. bekannt war und wohl den ursprünglichen Sitz der französischen Monarchie darstellt. Pater Daniels paradoxe Behauptung, dass die Franken vor Chlodwigs Zeiten niemals dauerhaft auf seiner Seite des Rheins gesiedelt hätten, wird mit viel Gelehrsamkeit und Menschenverstand von Herrn Biet zurückgewiesen, welcher durch eine eindeutige Beweiskette gezeigt hat, dass sie Toxandria 130 Jahre bis zu Chlodwigs Erscheinen dauerhaft besessen hätten. Die Abhandlung von Biet wurde durch die Akademie von Soisson 1736 preisgekrönt; man gab ihr den Vorzug vor seinem berühmteren Mitbewerber, dem Abbé le Bœf, einem Altertumsforscher, dessen Name in treffender Weise seine Talenten bezeichnete. Von den Quellen bis zur Mündung des Rheins erstreckten sich die Eroberungen der Germanen bis zu vierzig Meilen westlich jenes Flusses, und über ein Land, welches von Kolonien ihres eigenem Namens und Stammes besiedelt wurde. Das Land, das sie verwüstet hatten, war dreimal so groß wie ihre eigentlichen Eroberungen. In noch größerer Entfernung lagen die Städte Gallien verödet, und die Bewohner befestigter Siedlungen, welche bis dahin auf ihre Stärke und Wachsamkeit vertraut hatten, mussten sich mit dem Getreide begnügen, welches auf dem unbesiedelten Land innerhalb der Wallanlagen angebaut wurde. Die Legionen selbst waren dezimiert, ohne Sold, ohne Verpflegung, ohne Waffen, ohne Mut, und vor dem Herannahen der Barbaren, ja schon vor ihrem Namen erbebten sie.

 

JULIANS PHILOSOPHISCHES TEMPERAMENT

Unter derlei betrüblichen Begleitumständen also war es einem unerfahrenen Jüngling aufgetragen, Galliens Provinzen zu retten und zu verwalten oder, wie er selbst treffender sagt, das leere Bild kaiserlicher Größe abzugeben. Die gelehrte Erziehung in der Stille, bei der er mehr mit Büchern als mit Waffen und mehr mit Toten als Lebenden Umgangs gepflegt hatte, wurde er von Fragen praktischer Kriegsführung oder der Regierungsgeschäfte in vollständiger Ahnungslosigkeit belassen; und als er sich einer unbedingt erforderlichen Waffenübungen mit wenig Geschick unterzog, entfuhr ihm der Seufzer: ›O Plato, Plato, was für ein Geschäft für einen Philosophen!‹ Selbst diese spekulative Philosophie, welche Männer der Praxis nur zu gerne verachten, hatte Iulian die edelsten Regeln und Vorbilder an die Hand gegeben; hatte ihn mit der Liebe zur Tugend belebt, mit Ruhmbegier und mit Gleichmut gegenüber dem Tode. Die in den Philosophenschulen gepflegte Mäßigung hat für die strenge Disziplin des Feldlagers noch mehr Gewicht. Die schlichten Bedürfnisse der Natur gaben ihm seine Schlaf- und Essgewohnheiten vor. Mit Verachtung schob er die seiner Tafel vorbehaltenen Delikatessen von sich und stillte seinen Hunger mit der derben Kost, die auch dem gemeinen Manne zugeteilt wurde. Während der bitterkalten gallischen Winter erlaubte er nicht einmal ein Feuer in seinem Schlafraum; und nach kurzem Schlummer erhob er sich oft schon um Mitternacht von dem Teppich, der auf dem Boden ausgebreitet war, um irgendwelche drängenden Arbeiten zu erledigen oder sich ein paar Augenblicke für seine Lieblingsstudien abzusparen. Das Privatleben Julians in Gallien und die strenge Disziplin, die er sich selbst auferlegte, werden von Ammianus (16,5) und von Iulian selbst erzählt (Misopogon, p.340), wobei der erstere diese Lebensweise zu rühmen bemüht ist, während der letztere sie ins Lächerliche zu ziehen vorgibt und die, zumindest bei einem Prinzen aus dem Hause des Constantin, in der Tat das Erstaunen der Welt aufrufen musste.

Die Regeln der Beredsamkeit, die er bis dahin mit einigen Deklamationen zu konstruierten Gegenständen geübt hatte, erfuhren nunmehr eine bessere Bewährungsprobe, wenn er die Leidenschaften einer bewaffneten Menge schlichten oder erregen musste: und obschon Iulian von Anfang an durch Lektüre und Konversation mehr mit der Schönheit der griechischen Sprache vertraut war, beherrschte er dennoch das Lateinische vollständig. ›Aderat Latine quoque disserendi sufficiens sermo.‹ [Ihm standen Lateinkenntnisse soweit zu Gebote, dass er sich unterreden konnte]. Ammianus, 16,5. Erzogen in der Schule des Griechischen, betrachtete Iulian das Lateinische immer nur als einen ausländisch-volkstümlichen Dialekt, der im Notfall auch mal von Nutzen sein mochte. Da Iulian niemals für den Beruf des Gesetzgebers oder Richters bestimmt gewesen war, hatte die römische bürgerliche Jurisprudenz vermutlich niemals sein besonderes Interesse erregt: aber aus seinem Studium der Philosophie hatte er ein unerschütterliches Rechtsbewusstsein mitgenommen, welches gleichzeitig durch einen Hang zur Milde geadelt war; auch hatte er die Fähigkeit in sich ausgebildet, noch die verwickeltesten und ödesten Gegenstände, die ihm zur Erörterung vorgelegt wurden, mit vieler Geduld zu untersuchen. Die Maßnahmen der Politik und der Kriegsführung müssen sich nach den jeweiligen Zufälligkeiten richten, und der unerfahrene Anfänger wird bei der Anwendung der schönsten Theorien seine Überraschung erleben. Aber bei der Aneignung dieser notwendigen praktischen Kenntnisse halfen Julian die eigene geistige Wendigkeit und der Rat und die Lebensklugheit von Sallust, eines höheren Offiziers, welcher schon bald aufrichtige Zuneigung zu diesem Herrscher fasste und dessen unverdorbene Lauterkeit durch die Gabe bereichert wurde, die bitterste Wahrheit zu sagen, ohne dadurch das empfindsame königliche Ohr zu kränken. Die eigentliche Würde dieses hervorragenden Ministers kennen wir nicht, den Julian später zum Präfekten von Gallien ernannte. Die Eifersucht des Kaisers rief Sallust schon bald wieder ab; und noch heute können wir eine empfindsame und detailgenaue Abhandlung lesen, in welcher Julian den Verlust dieses schätzenswerten Freundes beweint, dem er nach eigenem Bekennen für seine Reputation so viel zu danken hatte. Siehe La Bleterie, Einleitung zu Vie de Jovien, p. 20.

 

FELDZUG IN GALLIEN A.D. 356

Sobald Julian in Mailand den Purpur empfangen hatte, wurde er mit dem schwachen Gefolge von dreihundertundsechzig Mann nach Gallien abgesandt. In Wien, wo er einen harten und spannungsreichen Winter verbrachte – er befand sich in den Händen der Minister, die Constantius ihm als Aufpasser zugeteilt hatte – erfuhr er von der Belagerung und der Errettung Autuns. Diese große, alte Stadt war lediglich durch eine verfallene Mauer und eine kleinmütige Garnison gedeckt und konnte nur durch die Entschlossenheit von ein paar Veteranen gerettet werden, welche zur Verteidigung ihres Landes noch einmal zu den Waffen griffen. Bei seinem Marsch von Autun durch die gallischen Provinzen packte Julian die erstbeste Gelegenheit beim Schopfe, seinen kühnen Mut zu beweisen. An der Spitze eines kleinen Kontingentes von Bogenschützen und schwerer Kavallerie gab er von zwei Wegen dem kürzeren, aber gefährlicheren den Vorzug. Und indem er sich den Angriffen der hier dominierenden Barbaren manchmal entzog und ihnen manchmal widerstand, gelangte er schließlich ehrenhaft und sicher in Reims an, wo sich die römische Armee sammeln sollte. Der Anblick ihres jungen Herrschers belebte den niederliegenden Mut der Soldaten, und so hefteten sie sich dem Feinde an die Fersen, mit einem Selbstvertrauen allerdings, das ihnen beinahe verhängnisvoll geworden wäre. Die mit dem Gelände wohlvertrauten Alamannen sammelten in aller Heimlichkeit ihre zerstreuten Kräfte und griffen, die Gelegenheit eines verhangenen und regenreichen Tages nutzend, mit unerwarteter Gewalt den Nachtrab der Römer an. Bevor die unvermeidliche Verwirrung beigelegt werden konnte, waren schon zwei Legionen vernichtet; und Julian lernte aus eigener Anschauung, dass Vorsicht und Wachsamkeit die wichtigsten Lektionen der Kriegskunst sind. Durch eine zweite, erfolgreichere Unternehmung konnte er seinen Ruf als Soldat wieder herstellen und festigen: aber da die Flinkheit der Barbaren sie vor Verfolgung und Vernichtung retteten, war sein Sieg weder blutig noch entscheidend. Er drang immerhin bis an die Rheinufer vor, besichtigte die Trümmer Kölns, überzeugte sich selbst von den Schwierigkeiten der Kriegsführung und zog sich bei Wintereinbruch zurück, mit dem Hof, seiner Armee und seinem eigenen Erfolg übel zufrieden. Ammianus (16,2,3) scheint mit dem Erfolg des ersten Feldzuges erheblich zufriedener gewesen zu sein als Julian selbst. Er bekennt frank und frei, dass er nichts erreicht und sogar noch vor dem Feind die Flucht ergriffen habe. Die Feindesmacht war allerdings ungebrochen; und der Caesar konnte seine Truppen erst entlassen und sein Winterquartier in Sens im Herzen Galliens nehmen, nachdem er eine Umzingelung und Belagerung durch zahlreiche Germanen durchstanden hatte. In dieser Lage, wo es nur noch auf ihn allein ankam, legte er eine Unerschütterlichkeit an den Tag, die für alle Mängel von Platz und Truppe aufkommen musste; und tatsächlich waren die Barbaren nach dreißig Tagen zum Abzug genötigt, enttäuscht und zornig.

 

ZWEITER FELDZUG IN GALLIEN A.D. 357

Julian hatte den entscheidenden Sieg ganz allein seinem Feldherrentalent zu danken; aber sein stolzes Selbstbewusstsein verbitterte die Überlegung, dass er aufgegeben, verraten und vielleicht sogar dem Untergang bestimmt sei von denjenigen, die ihm nach besten Kräften hätten unterstützen sollen. Der Oberbefehlshaber der gallischen Reiterei, Marcellus, legte die vom Neid eingegebenen Befehle des Hofes sehr eng aus, verharrte bei Julians Bedrängnis in träger Gleichgültigkeit und hielt die Truppen unter seinem Kommando davon ab, dem belagerten Sens zu Hilfe zu eilen. Hätte der Caesar diesen gefährlichen Schimpf mit vornehmem Schweigen übergangen, so wären er und seine Autorität der Welt zum Gespött geworden; und hätte sich diese verbrecherische Handlung ungesühnt ereignen dürfen, hätte der Kaiser jedem Verdacht Nahrung gegeben, der infolge seines vergangenen Verhaltens gegenüber den Fürsten aus der flavischen Familie bereits die merkwürdigsten Blüten getrieben hatte. Marcellus wurde also zurückberufen und in aller Freundschaft seines Amtes enthoben. Ammianus 16,7. Libanios (Orationes 10, p.272) spricht über die militärischen Talente des Marcellus bedeutend günstiger. Und Iulian meint (Misopogon p.278), er wäre wohl nicht so leicht abberufen worden, wenn er dem Hof nicht noch andere Vorwände geliefert hätte. Zum Kavalleriegeneral wurde jetzt Severus; ein kriegserfahrener Reiter von bewährter Kühnheit und Zuverlässigkeit, der Ratschläge zu geben und Anordnungen mit allem Eifer auszuführen verstand und der sich nun ohne Widerstreben dem Oberkommando Iulians über die gallische Armee unterstellte, welches dieser auf Betreiben seiner Gönnerin Eusebia endlich erhalten hatte. Severus, non discors, non arrogans, sed longa militiae frugalitate compertus; et eum recta praeeuntem secuturus, ut ductorem morigerus miles. [Severus war weder streitsüchtig oder arrogant, sondern infolge seiner langen Dienstzeit an Einfachheit gewöhnt; und er folgte ihm (Iulian) wie ein braver Soldat, wenn er nur den richtigen Weg voranging}. Ammianus 16,1,1. Zosimos 3,2.

Für den nun bevorstehenden Feldzug wurde ein klug durchdachter Plan entworfen. Julian selbst drang an der Spitze der verbliebenen Veteranentruppen und neurekrutierten Soldaten kühn mitten in die germanischen Winterquartiere und ließ die Befestigungen in Saverne an günstigerer Stelle erneut anlegen, um so den Einfall des Feindes abfangen oder ihren Rückzug aufhalten zu können. Zur gleichen Zeit nahte von Mailand der General der Infanterie Barbatio mit dreißigtausend Mann und schickte sich an, nach Überquerung des Gebirges in der Nähe von Basel eine Brücke über den Rhein zu schlagen. Man konnte nun vernünftiger Weise annehmen, dass die Alamannen, derart von allen Seiten durch die Römer bedrängt, die gallischen Provinzen aufgeben und eilig die Verteidigung ihres eigenen Landes betreiben würden. Aber diese Hoffnung zerschlug sich, sei es infolge der Unfähigkeit, der Missgunst oder geheimer Befehle Barbatios; dieser zumindest führte sich auf, als sei er der persönliche Feind des Iulian oder ein heimlicher Verbündeter der Barbaren. Die Fahrlässigkeit, mit der er einer Bande von Plünderern den Durchzug und sozusagen an den Lagertoren vorbei auch den Rückzug gestattet, mag man noch seiner Unfähigkeit zurechnen; aber das Verbrennen der Brückenboote und einer beträchtlichen Menge von dringend benötigten Vorräten war Verrat und bewies seine feindlichen und kriminellen Absichten; die Germanen konnten nun einen Feind nicht ernst nehmen, dem die Fähigkeit oder die Neigung abging, sich mit ihnen zu messen; und Barbatios elender Rückzug nahm Iulian jede Hoffnung auf die erwartete Unterstützung und nötigte ihn, sich aus der gefährlichen Lage zu befreien, in der er ohne Risiko nicht verbleiben und aus der er sich in Ehren nicht zurückziehen konnte. Über den Feldzugsplan und die gescheiterte Zusammenarbeit von Iulian und Barbatio sie Ammianus 16,11 und Libanios, Orationes 10, p.273.

 

DIE SCHLACHT VON STRASSBURG

Sobald die Invasionsgefahr für die Alamannen vorüber war, gingen sie daran, Roms vorwitzige Jugend zu züchtigen, welche um den Besitz des Landes zu streiten sich anschickte, das mit dem Rechte des Eroberers und Verräters nur ihnen gehören konnte. In drei Tagen und drei Nächten hatten sie ihre Streitmacht über den Rhein gebracht. Der kriegerische Chnodomar, der seinen gewichtigen Wurfspieß schwang, den er übrigens auch schon siegreich gegen den Bruder des Magnentius geschüttelt hatte, führte die Vorhut der Barbaren, und wirkte als erfahrener Krieger ordnend auf den Kampfeseifer, den sein Vorbild erzeugte. Ammianus (16,12) beschreibt in der ihm eigenen aufgedunsenen Redseligkeit Erscheinungsbild und Verfassung des Chnodomar. ›Audax et fidens ingenti robore lacertorum, ubi ardor proelii sperabatur immanis, equo spumante, sublimior, erectus in iaculum formidandae vastitatis, armorumque nitore conspicuus: antea strenuus et miles, et utilis praeter caeteros ductor ... Decentium Caesarem superavit aequo Marte congressus...‹ [Kühn und im Vertrauen auf die Titanenkraft seiner Arme stand er dort, wo er sich einen besonders heftigen Kampf erwartete; hochgereckt auf schäumendem Streitross und auf einen Speer von erschreckender Länge gestemmt, durch den Glanz seiner Waffen vor den anderen ausgezeichnet: ein wackerer Streiter zuerst und darüber hinaus ein unübertrefflicher Schlachtenlenker...dieser hatte Caesar Decentius überwunden, als er ihm unter gleichen Bedingungen zum Kampfe begegnete...]. Sechs oder sieben Könige waren in seinem Gefolge, zehn Prinzen aus königlichem Geblüt, eine Vielzahl hochgemuter Adliger und fünfunddreißigtausend der tapfersten Krieger aus Germaniens Landen. Das Zutrauen, das der Anblick der eigenen Stärke ihnen einflößte, wurde womöglich noch gesteigert durch die Nachricht eines Überläufers, dass nämlich der Caesar Iulian mit einer schwächlichen Armee von nur dreizehntausend Mann etwa einundzwanzig Meilen von seinem Lager zu Straßburg entfernt Stellung bezogen habe. Mit dieser weit unterlegenen Mannschaft schickte sich Julian an, den Feind zu suchen und anzugreifen; und er zog sogar eine einmalige Schlacht der aufreibenden und ungewissen Verfolgung der zerstreuten Kräfte der Alamannen vor.

Die Römer rückten mit zwei Kolonnen in geschlossener Ordnung vor, die Kavallerie zur Rechten und die Infanterie zur Linken; als sie mit dem Feind Sichtkontakt bekamen, war der Tag soweit fortgeschritten, dass Iulian die Schlacht auf den nächsten Tag verschieben und seinen Truppen die Möglichkeit geben wollte, ihre erschöpften Kräfte durch Schlaf und Essen zu erneuern. Mit einigem Widerstreben gab er dem Lärmen seiner Soldaten und selbst seinem Kriegsrat nach und forderte sie auf, ihre Ungeduld in Tapferkeit umzusetzen, eine Maßnahme, die im Falle einer Niederlage allgemein mit den Schmähworten der Voreiligkeit und Tollkühnheit gebrandmarkt werden würde. Die Kriegsposaunen erschallten, Lärm erfüllte das Feld und beide Armeen griffen mit gleicher Heftigkeit an. Der Caesar, welcher in eigener Person den rechten Flügel kommandierte, war auf die Zuverlässigkeit seiner Bogenschützen und die Durchschlagskraft der schweren Kavallerie angewiesen; aber diese Ordnung befand sich schon bald in Auflösung, und Julian musste zu seiner Schande die Flucht von sechshundert seiner besten Panzerreiter aufhalten. Nach der Schlacht versuchte Iulian, archaische Disziplinierungsmaßnahmen zu beleben und ließ zum Hohngelächter des ganzen Lagers diese Flüchtlinge in weiblichem Aufzug antreten. Im nächsten Feldzug stellte diese Truppe ihre Ehre allerdings auf ruhmreiche Weise wieder her. Zosimos, 3,2. Die Flucht wurde durch seine Autorität und seine persönliche Anwesenheit aufgehalten, indem er, unbekümmert um seine eigene Sicherheit, sich ihnen in den Weg stellte, an Ehre und Schande appellierte und sie dem siegreichen Feinde entgegenführte. Das Gefecht zwischen den beiden Infanterieabteilungen war heftig und blutig. Die Barbaren waren körperlich überlegen, die Römer besaßen die bessere Disziplin; und da die Barbaren in römischen Diensten in sich beide Vorzüge vereinten, entschieden ihre Anstrengungen und die Maßnahmen ihres tüchtigen Feldherren den Tag. Die Römer verloren vier Kriegstribunen und zweihundertunddreiundvierzig Mann in dieser berühmten Schlacht von Straßburg, die dem Caesar Iulian (Epistula ad Athenienses p. 279) spricht von der Schlacht von Straßburg mit der Bescheidenheit, die sich ihres Verdienstes bewusst ist [Ü.a.d.Griech:Ich kämpfte nicht ruhmlos, zugleich ist auch zu euch dieser Kampf vorgedrungen]. Zosimos vergleicht sie mit dem Sieg Alexanders über Darius. Und dennoch sind wir in Verlegenheit, hier einen dieser militärischen Geniestreiche zu entdecken, welche die Aufmerksamkeit von Generationen bei dem Verlauf und Erfolg eines einzigen Tages verweilen lässt. soviel Ansehen und den Provinzen Galliens soviel Aufatmen brachte. Sechstausend Alamannen deckten das Feld, nicht gerechnet diejenigen, die im Rhein ertranken oder beim Versuch, ihn zu durchschwimmen, von Pfeilen durchbohrt wurden. Ammianus, 16,12. Libanios fügt noch 2.000 Gefallene hinzu (Orationes 10, p.274). Aber dieser Unterschied verflüchtigt sich vor den 60.000 Barbaren, die Zosimos zum Ruhme seines Helden verderben lässt. Wir könnten diese übertriebenen Zahlen auch der Nachlässigkeit der Kopisten zuschieben, wenn dieser leichtgläubige und parteiische Historiker nicht auch noch die 35.000 Alemannen zu einer ungemessenen Menge aufgebläht hätte. Und wenn uns selbst diese Entdeckung nicht für vergleichbare Fälle die gehörige Portion Misstrauen einflößt, dann ist es unsere eigene Schuld. Chnodomar selbst wurde umzingelt und gefangen, zusammen mit drei seiner wackeren Gefolgsleute, die ihrem Häuptling im Leben und im Tode zu folgen sich vorgesetzt hatten. Iulian empfing ihn im Rat seiner Offiziere mit angemessenen militärischen Ehren; er sprach ihm auch für sein Missgeschick sein Bedauern aus, insgeheim aber verachtete er die abstoßende Erniedrigung seines Gefangenen. Deshalb präsentierte er den besiegten König auch nicht, was den gallischen Städten viel Freude bereitet hätte, in der Öffentlichkeit, sondern legte seinem Kaiser respektvoll seine Siegesbeute zu Füßen. Chnodomar ward gnädig behandelt: aber lange konnte der Barbar seine Niederlage, seine Gefangenschaft und sein Exil nicht überleben. Ammianus, 16,12; Libanios, Orationes 10, p. 276.

 

FELDZUG GEGEN DIE FRANKEN A.D. 358

Nachdem Iulian die Alemannen aus den Provinzen des Oberrheins zurückgeschlagen hatte, wandte er sich den Franken zu, welche näher zum Ozean an den Grenzen von Germanien und Gallien siedelten und wegen ihrer großen Zahl und noch mehr wegen ihres unerschrockenen Mutes schon immer unter die schrecklichsten Barbaren gerechnet wurden. Libanios (Orationes 10, p.278) entwirft ein lebhaftes Bild vom Brauchtum der Franken. Wenn sie die Aussicht auf Beute auch spornte, so bekannten sie sich genauso zu einer ganz selbstlosen Freude am Krieg, in dem sie die ehrenhafteste und glücklichste Vollendung der menschlichen Natur sahen; Körper und Seele waren durch beständige Übung so abgehärtet, dass sie nach der hübschen Äußerung eines Redners am Schnee des Winters ebenso ihre Freude hatten wie an den Blumen des Frühlings. Im Dezember, welcher auf die Schlacht von Straßburg folgte, griff Julian sechshundert Franken an, welche zwei Festungsanlagen an der Maas besetzt hatten. Ammianus,17,2; Libanios, Orationes 10,p.278. Der griechische Redner, welcher eine Passage bei Iulian missverstanden hatte, hat die Zahl der Franken auf eintausend erhöht. Und da in seinem Kopf beständig der peloponnesische Krieg herumspukte, vergleicht er sie mit den Spartanern, welche auf der Insel Sphakteria belagert und gefangen wurden. Mitten in der ungünstigsten Jahreszeit hielten sie unerschüttert eine Belagerung von vierundfünfzig Tagen aus; endlich jedoch erschöpfte sie der Hunger, und da sie zugleich zu der Überzeugung gelangten, dass ihnen keine Fluchtmöglichkeit mehr blieb, als der Feind begann, das Eis zu zerschlagen, fanden sich die Franken zum ersten Male damit ab, von dem alten Gesetz, welches nur Sieg oder Tod zuließ, dispensiert zu sein. Der Caesar schickte die Gefangenen unverzüglich an den Hof des Constantius, welcher sie als ein wertvolles Geschenk im Empfang nahm Iulian, Epistula ad Athenienses p. 280; Libanios, Orationes 10, p. 278. Entsprechend des Ausdrucks von Libanios, der Kaiser habe sie [Ü.a.d.Griech: als Geschenke bezeichnet], was La Bléterie (Vie de Julien, p 118) als aufrichtiges Bekenntnis der Wahrheit und Valesius (ad Ammianum 17,2) als niedere Ausrede ansieht. Dom Bouquet (Historiens de France, Band 1, p.733) entfernt die Schwierigkeit und auch den Sinn der Stelle, indem er ein anderes Wort [Ü.a.d.Griech: Brauch] an die Stelle setzt. und zugleich freudig die Gelegenheit wahrnahm, seine Garde durch so viele Heldensöhne zu verstärken. Der hartnäckige Widerstand dieser Handvoll Barbaren gab Iulian den rechten Vorgeschmack auf die Probleme, die ihm bei seinem für das kommende Frühjahr ins Auge gefassten Feldzug gegen die ganze Nation erwarten mochten.

So schlug er rasch und präzise zu und setzte dadurch alle in Erstaunen. Er gab seinen Soldaten Order, sich mit Trockenbrot für zwanzig Tage zu versehen, schlug überraschend sein Lager bei Tongern auf, während der Feind ihn noch im Winterquartier zu Paris wähnte und die allmähliche Ankunft seiner Konvois aus Aquitanien erwartete. Ohne den Franken die Gelegenheit zum Abzug oder zur Vereinigung ihrer Kräfte zu geben, verteilte er seine Legionen nach überlegtem Plan von Köln bis an den Ozean; und der Schrecken seiner erfolgreichen Waffen veranlasste die Feinde rasch, sich zu ergeben, seine Milde zu erflehen und ihrem Besieger Gehorsam zu versprechen. Die Chamavi zogen sich gehorsam in ihre alten Siedlungsgebiete auf der anderen Rheinseite zurück: die Salii hingegen durften als Untertanen und Verbündete des römischen Volkes in ihren neuen Besitztümern bei Toxandria verbleiben. Ammianus 17,8; Zosimos, 3,4-7 (sein Bricht ist durch allerlei fabulöse Zutat umdunkelt); und Iulian (Epistula ad Athenienses p.280. Sein Ausdruck: [Ü.a.d.Griech: ›Ich übernahm das Schicksal des Saliervolkes, die Chamaven vertrieb ich‹]. Diese unterschiedliche Behandlung bekräftigt die Auffassung, dass die salischen Franken ihre toxandrischen Besitzungen behalten durften.

Der Friedensvertrag ward mit feierlichem Eid beschworen; und beständige Kontrollen wurden im Lande der Franken eingerichtet, welche auf pünktlicher Einhaltung der Vertragsbedingungen zu bestehen Vollmacht hatten. Es wird hierzu ein Vorfall erzählt, der für sich genommen schon interessant genug ist und ohne Zweifel einen Schatten auf Julians Charakter wirft, der ganz unbefangen das Drehbuch zu dieser Tragödie geschrieben und auch ihre Wende zum Guten herbeigeführt hatte. Als die Chamavi Friedensverhandlungen führten, wünschte er den Königssohn als die einzige verlässliche Geisel. In traurigem, von Tränen und Seufzern durchmengtem Schweigen brachten die Barbaren ihre Verblüffung und Betroffenheit zum Ausdruck; und ihr betagter Häuptling beklagte in bewegten Worten, dass ihm sein persönlicher Verlust zusätzlich noch durch die Notlage seines Volkes erschwert werde. Während also die Chamavi noch vor seinem Throne hingestreckt lagen, erschien plötzlich und unerwartet der königliche Gefangene vor ihnen, den sie längst für tot gehalten hatten; und sobald sich der Freudentumult wieder beruhigt hatte und alles aufmerksam war, sprach der Caesar zu der Versammlung mit folgenden Worten: ›Seht Euren Sohn, Euren Prinzen, um den ihr geweint habt! Gott und die Römer haben ihn Euch wieder geschenkt. Ich werde seine Jugend schützen und erziehen, mehr zum Lobe meiner eigenen Tugend als zur Gewähr Eurer Aufrichtigkeit. Solltet Ihr es vorziehen, die Treue zu brechen, die ihr geschworen habt, dann werden die Waffen der Republik nicht den Unschuldigen, sondern den Schuldigen strafen.‹ Die Barbaren entfernten sich, von warmer Dankbarkeit und von Bewunderung erfüllt. Diese inspirierende Geschichte, die sich bei Zosimos in ungekürzter Form findet, wird von Eunapius (Excerpta legationum) mit allen Weiterungen griechischer Redekunst erzählt. Indessen: das vereinte Schweigen von Libanios, Ammianus und selbst noch Iulian macht ihren Wahrheitsgehalt äußerst disputabel.

 

DREI FELDZÜGE ÜBER DEN RHEIN

Julian gab sich nicht damit zufrieden, dass er die gallischen Provinzen von den germanischen Barbaren befreit hatte. Dem Ruhm des ersten und berühmtesten Eroberers wollte er nacheifern, und nach dessen Vorbild verfasste er denn auch seine eigenen Kommentare zum Gallischen Krieg. Libanius, der Freund des Iulian, betont ausdrücklich (Orationes 4, p.178), dass sein Held eine Geschichte seiner gallischen Feldzüge verfasst habe. Zosimos (3,2) scheint seine Kenntnis nur aus den Reden und Briefen Julians bezogen zu haben. Das Sendschreiben an die Athener enthält einen genauen, wenn auch nur allgemeinen Bericht über den Krieg gegen die Germanen. Iulius Caesar berichtet mit berechtigtem Stolz, wie er zweimal den Rhein überquerte. Julian konnte sich rühmen, dass er noch vor seiner Ernennung zum Augustus den römischen Adler dreimal erfolgreich über jenen mächtigen Strom getragen habe. Ammianus 17,1,10 und 18,2; und Zosimos. 3, p.144; Iulian Epistula ad Athenienses, p. 280. Die Bestürzung der Germanen nach der Schlacht von Straßburg ermutigte ihn zu dem ersten Versuch; die ursprüngliche Weigerung der Soldaten ergab sich schließlich der Überzeugungskraft eines Feldherren, welcher die gleichen Mühen und Gefahren auf sich nahm, die er noch dem geringsten seiner Soldaten zumutete. Die Dörfer beiderseits des Mains, mit Vorräten und Vieh reich versehen, spürten das Strafgericht der Invasionsarmee als erste. Die bedeutendsten Häuser, die sogar der römischen Architektur nacheiferten, gingen in Flammen auf; und kühn drang der Caesar zehn Meilen ins Landesinnere vor, bis sein Vormarsch durch einen schwarzen, undurchdringlichen Urwald aufgehalten wurde, der überdies mit Hinterhalten und Fallgruben verseucht war, die jeden Schritt des Angreifers bedrohten. Der Boden war bereits schneebedeckt; und nachdem Julian eine alte Festung aus der Zeit Trajans hatte instand setzen lassen, gewährte er den Barbaren eine zehnmonatige Waffenruhe. Nach Ablauf dieser Frist unternahm Julian einen zweiten Feldzug über den Rhein, um den Stolz von Surmar und Hortaire zu dämpfen, zwei der Alamannenkönige, welche Augenzeugen der Schlacht von Straßburg gewesen waren. Sie versprachen, alle noch lebenden römischen Gefangenen auszuliefern; und da der Caesar über genaue Kenntnis der Städte und Dörfer Galliens und ihrer Verluste verfügte, konnte er jeden Täuschungsversuch bereits im Ansatz erkennen, was den Ruf begründete, dass ihm übernatürliche Kräfte zu Gebote stünden. Sein dritter Feldzug war womöglich noch wichtiger und erfolgreicher als die ersten beiden. Die Germanen hatten ihre Streitkräfte gesammelt, marschierten am anderen Flussufer und schickten sich an, die Brücke zu zerstören und die Überquerung durch die Römer abzuwehren. Indessen wurde dieser kluge Verteidigungsplan durch ein raffiniertes Ablenkungsmanöver vereitelt. Dreihundert leichtbewaffnete Soldaten wurden in vierzig kleineren Booten losgeschickt mit dem Auftrag, auf dem Strom in aller Stille zu Tal zu fahren und in einiger Entfernung von den Posten des Feindes zu landen. Sie führten ihren Auftrag so kühn und prompt aus, dass sie sogar die Barbarenhäuptlinge überraschten, welche in sorgloser Trunkenheit von einem ihrer nächtlichen Gelage heimkehrten. Wir erzählen jetzt nicht die eintönige und widrige Geschichte vom Gemetzel und Verwüstung, sondern begnügen uns mit dem Hinweis, dass Iulian sechs der mächtigsten Alamannenkönige seine Friedensbedingungen diktierte, von denen dann drei die strenge Disziplin und den kriegerischen Aufwand eines Römerlagers erfahren durften. Mit zwanzigtausend Gefangenen, die der Caesar aus den Ketten der Barbaren gerettet hatte, kehrte er über den Rhein zurück und beendete so einen Konflikt, dessen Bedeutung mit der der alten punischen und kimbrischen Kriege verglichen werden muss.

 

WIEDERAUFBAU UND BEFESTIGUNG DER ZERSTÖRTEN STÄDTE

Sobald nun Julian so machtvoll und umsichtig für Frieden gesorgt hatte, ging er an ein anderes Werk, welches seiner humanen und philosophischen Veranlagung eher entsprach. Er ließ die Städte Galliens, die unter den Barbareneinfällen zu leiden gehabt hatten, sorgfältig erneuern; und von sieben wichtigen Orten zwischen Mainz und Rheinmündung wird besonders erwähnt, dass Iulian sie hatte wieder in Stand setzen und befestigen lassen. Ammianus 18,2; Libanios, Orationes 10, p.279f. Von diesen sieben Orten sind noch heute vier von einiger Bedeutung: Bingen, Andernach, Bonn und Neuss. Die anderen drei, Tricesimae (Kellen), Quadriburgium (Schneppenbaum-Qualburg) und Castra Herculis (Erkelenz?) gibt es nicht mehr; aber es ist durchaus denkbar, dass auf dem Boden von Quadriburgium der Holländer die Festung Schenkschanze gebaut hat, welcher Name das delikate Zartgefühl von Boileau so gekränkt hat. Siehe D'Anville, Notice de l'Ancienne Gaule, p. 183; Boileau, Epitre IV und die Fußnoten. Die besiegten Germanen hatten sich in die gerechte, wiewohl demütigende Bedingung dareingefunden, die erforderlichen Baumaterialien vorzubereiten und abzuliefern. Julian selbst befeuerte den Fortgang der Arbeiten; und so sehr hatte er bereits belebend auf die Truppen gewirkt, dass sogar die Hilfstruppen, welche bei allen schweißtreibenden Arbeiten abwinkten, noch bei den stumpfsinnigsten Arbeiten mit der Sorgfalt der römischen Soldaten wetteiferten. Es oblag dem Caesar, für die Lebensmittel und die Sicherheit der Bewohner und der Garnisonen zu sorgen. Dass die Ersteren geflohen waren und die Letzteren gemeutert hatten, muss die schlimme und unvermeidliche Folge des Hungers gewesen sein.

Die Landbestellung in Gallien war durch die Kalamitäten des Krieges unterbrochen worden; aber die karge Ernte auf dem Festland wurde durch seine väterliche Fürsorge aus dem Überfluss der benachbarten Insel ergänzt. Sechshundert kräftige Barken, gezimmert in den Ardennen, segelten mehrmals an Britanniens Küste; und, beladen mit Getreide, schifften sie rheinaufwärts und verteilten ihre Fracht an die verschiedenen Städte und Festungen an seinen Ufern. Wir dürfen hier wohl Iulian vertrauen (Epistula ad Athenienses p.280), der die ganze Transaktion sehr genau beschreibt. Zosimos (3,5) fügt noch zweihundert weitere Schiffe hinzu. Wenn wir für die 600 Getreideschiffe nur siebzig Tonnen pro Schiff ansetzen, dann konnten sie immerhin 120.000 Quarter (1 Quarter ca. 12,7kg.) exportieren; und ein Land, welches einen so großen Überschuss abgeben konnte, muss eine schon recht fortgeschrittenen Landwirtschaft besessen haben. So hatte Julians Macht wieder die freie Seefahrt hergestellt, welche Constantius zum Preise seines Ansehens und für zweitausend Pfund Silber Tribut zu verkaufen bereit war. Indessen weigerte sich der knickerige Kaiser, seinen Soldaten die Summe zukommen zu lassen, die er mit spendabler und zugleich bebender Hand den Barbaren versprochen hatte. Julians ganzes Geschick und seine Festigkeit wurden auf eine harte Probe gestellt, als er sich mit einer Truppe auseinander setzen musste, welche bereits zwei Feldzüge ohne reguläre Bezahlung, geschweige denn irgendwelche nennenswerte Geldgeschenke mitgemacht hatte. Unmittelbar vor der zweiten Rheinüberquerung brach eine Meuterei aus. Ammianus 17,9.

 

UM DAS GLÜCK SEINER UNTERTANEN BEMÜHT

Eine nachgerade zärtliche Sorge um den Frieden und das Glück seiner Untertanen war das bestimmende Moment von Julians Verwaltung, zumindest schien es so. Ammianus 16,5 und 18,1; Mamertinus, Panegyrici 11,4. Die müßigen Stunden seines Winterlagers widmete er den Pflichten der Zivilverwaltung, und ersichtlich war er lieber Magistrat als General. Bevor er ins Feld zog, hatte er die meisten der vor seinem Tribunal anhängigen öffentlichen und privaten Klagen seinen Provinzstatthaltern anvertraut; nach seiner Rückkehr jedoch überprüfte er den Fortgang der Prozesse, milderte hier die Härte des Gesetzes und fällte sogar neue Urteile. Er war erhaben über die stärkste Versuchung, die es für ein tugendreiches Gemüt gibt, nämlich den unbesonnenen und fanatischen Gerechtigkeitssinn, und so widerstand er mit Gelassenheit und Würde dem Drängen eines Anklägers, welcher dem Provinzgouverneur von Narbo wegen Erpressung nachstellte. ›Wen wird man denn jemals für schuldig befinden,‹ rief Delphidius mit Eifer aus, ›wenn es genügt, alles abzuleugnen?‹ ›Und wer,‹ erwiderte Julian, ›wird dann noch unschuldig bleiben, wenn es genügt, jemanden nur zu beschuldigen?‹ In den Geschäften des Friedens und des Krieges sind die Interessen des Herrschers und des Volkes gemeinhin gleich; aber Constantius' Rechtsempfinden hätte es denn doch zutiefst beleidigt, wenn Julian ihm auch nur einen Teil der Steuern unterschlagen hätte, die er einem unterdrückten und ausgelaugten Lande abgepresst hatte. Der Herrscher, der mit den Königsinsignien ausgestattet war, mochte sich bisweilen den Anschein geben, der Habgier untergeordneter Steuereintreiber entgegen zu wirken, ihre Raffgier bloßzustellen und ein gerechteres und erträgliches Eintreibungsverfahren zu praktizieren. Aber die Finanzverwaltung war aus gutem Grund Florentius übergeben, dem Reichspräfekten von Gallien, einem verweichlichtem Despoten, unfähig zu Mitleid oder Reue; und dieser hochfahrende Beamte lamentierte über den allerkleinsten Widerstand, während Iulian eher dazu neigte, seine eigenen Schwächen zu tadeln.

Der Caesar hatte das Mandat für die Erhebung einer Extrasteuer mit Abscheu zurückgewiesen, eine neue und zusätzliche Indiction, welche durch seine Unterschrift zu bekräftigen der Präfekt sich bereit fand; und das Bild des allgemeinen öffentlichen Elends, das er zur Begründung für seine Weigerung gezeichnet hatte, stieß den Hof des Constantius vor den Kopf. Wir wollen uns das Vergnügen gönnen, Julians Denkweise kennen zu lernen, die er in einem Brief an einen seiner innigsten Freunde mit Wärme und ohne Rückhalt zum Ausdruck bringt. Nachdem er sein eigenes Verhalten dargelegt hatte, fährt er folgendermaßen fort: ›Konnte denn der Schüler des Plato und Aristoteles anders handeln als ich es tat? Konnte ich die unglückseligen Untertanen im Stiche lassen, die meiner Obhut anvertraut waren? War ich denn nicht aufgerufen, sie gegen das wiederholte Unrecht dieser herzlosen Räuber zu schützen? Ein Militärtribun, der seine Posten verlässt, wird zum Tode verurteilt und erhält nicht einmal ein anständiges Begräbnis. Mit welchem Recht kann ich ihn verurteilen, wenn ich selbst in der Stunde der Gefahr meine eigenen Pflichten verabsäume, die doch heiliger und um soviel bedeutender sind? Gott hat mich nun einmal an diesen herausragenden Platz gestellt; seine Fürsorge wird mich auch künftighin schützen und unterstützen. Sollte mir Leid widerfahren, denn werde ich Trost schöpfen aus dem Bewusstsein, dass ich ein reines und aufrechtes Gewissen habe. Gebe der Himmel, dass ich noch so einen Berater wie Sallust hätte! Wenn sie es für richtig halten, mir einen Nachfolger zu schicken, dann werde ich ohne Sträuben gehorchen; aber ich werde dann die kurze Gelegenheit genutzt haben, Gutes zu tun, als mich lange und ungestraft an Üblem zu erfreuen.‹ Ammianus 17,3. Iulian, Epistulae 17, ed. Spanheim. Ein solches Verhalten rechtfertigt beinahe das Jubellied des Mamertinus (Panegyrici 11,4): ›Ita illi anni spatia divisa sunt, ut aut Barbaros domitet, aut civibus iura restituat; perpetuum professus, aut contra hostem, aut contra vitia, certamen.‹ [Dieses ist nun die Einteilung der Jahre, dass er entweder Barbaren niederwirft oder den Bürgern die Gerechtsame zurückgibt; einen ewigen Kampf hatte er gelobt, entweder gegen die Feinde oder gegen das Verbrechen]. In Julians heikler und abhängiger Stellung kamen seine Tugenden viel stärker zur Geltung als seine Mängel. Zwar hatte der jugendliche Held, welcher in Gallien den Thron des Constantius zu stützen hatte, keine Möglichkeit, die Verbrechen der Regierung abzustellen; aber er besaß wenigstens den Mut, sich das Elend der Bevölkerung zu Herzen gehen zu lassen und es zu erleichtern. Solange er nicht die Kriegertugenden der Römer neu belebt oder Gewerbefleiß und Veredelung unter ihren halbwilden Feinden eingeführt hatte, konnte er nicht ernsthaft darauf hoffen, die öffentliche Ruhe durch Friedensschluss oder Unterwerfung der Germanen sicher zu stellen. Indessen geboten die Siege Iulians den Barbareneinfällen für kurze Zeit Einhalt und schoben den Untergang des Westens für einige Zeit hinaus.

 

PARIS WÄCHST

Sein heilsamer Einfluss war auch für die Städte Galliens segensreich, welche so lange den Folgen der inneren Zwietracht, den Barbarenkriegen und einheimischen Tyrannen ausgesetzt waren; und mit der Aussicht auf das Vergnügen wuchs auch der Unternehmergeist. Landwirtschaft, Manufakturen und Handel blühten auf unter dem Schutz der Gesetze; und in den curiae oder bürgerlichen Ratsversammlungen fanden neuerlich nützliche und respektable Mitglieder Zutritt; die Jugend schreckte nicht länger vor Heirat zurück und Verheiratete nicht länger vor Nachwuchs; öffentliche und private Festlichkeiten wurden mit dem landesüblichen Gepränge begangen; und der friedliche und häufige Austausch der Provinzen untereinander spiegelte getreu das Bild der nationalen Wohlfahrt. Libanios, Orationes parentalis in Imperatorem Iulianum c.38 in Fabricius, Biblitheca graeca, Band 7, p. 263,264. Die allgemeine Zufriedenheit, deren Urheber er war, muss Julian mit Genugtuung erfüllt haben; aber mit ganz besonderer Freude blickte er nach Paris, der Winterresidenz und dem Gegenstand seiner eigentlichen Zuneigung. Siehe Iulian, Misopogon, p. 340, 341. Der vormalige Zustand von Paris wird erläutert von Henry Valesius (zu Ammianus 20,4), seinem Bruder Hadrian Valesius oder Adrien de Valois und Herrn d'Anville (in ihrern jeweiligen Notitias zum alten Gallien), dem Abbé de Loguerue, Description de la France, Band 1, p.12f und von Bonamy, Memoires de l'Académie des Inscriptions, Band 15, p. 656-691. Diese herrliche Hauptstadt, welche heutzutage auf beiden Seiten der Seine ein gewaltiges Areal bedeckt, war ursprünglich nur auf jene kleine Insel in der Mitte des Flusses beschränkt, aus welchem seine Bewohner klares und gesundes Wasser schöpften. Die Wälle waren vom Fluss umspült; und Zugang zur Stadt war nur über Holzbrücken möglich. Nördlich der Seine war dichter Wald; aber im Süden, dort, wo heute die Universität liegt, entstanden unmerklich Siedlungen, ein Palast wurde errichtet, ein Amphitheater, Bäder, ein Aquädukt und ein Marsfeld als Exerzierplatz für die römischen Truppen. Das strenge Klima wurde durch den unfernen Ozean gemildert; und mit gebührender Vorsicht, deren Mutter die Erfahrung war, wurden sogar Wein und Feigenbäume erfolgreich angepflanzt. Aber in strengen Wintern war die Seine gefroren; und die gewaltigen Eisschollen, welche den flussabwärts trieben, mochte der Asiate wohl mit den weißen Marmorblöcken vergleichen, welche aus den phrygischen Steinbrüchen gewonnen wurden. Das Lotterleben und die Verderbtheit von Antiochia riefen Julian immer wieder die strengen und biederen Sitten Lutetias ins Gedächtnis, Iulian, Misopogon p. 340. Leucetia oder Lutetia war der antike Name der Stadt, welche nach den Gepflogenheiten des IV Jh. die lokale Benennung der Parisii erhielt. wo Theatervergnügungen unbekannt oder verächtlich waren. Mit Empörung stellte er die verhätschelten Syrier der tapfer-ehrbaren Schlichtheit der Gallier gegenüber und vergaß darüber beinahe ihre Maßlosigkeit, den einzigen Stein des Anstoßes der keltischen Wesensart. Iulian, Misopogon p. 359f. Könnte Julian heute Paris wieder besuchen, so könnte er sich austauschen mit Männern der Wissenschaft, welche das Griechische verstehen und lehren; er könnte wohl auch die lebendigen und niedlichen Torheiten einer Nation entschuldigen, deren kriegerischer Geist niemals durch Luxus aufgeweicht wurde; und er dürfte wohl jener vollendeten, unschätzbaren Kunst seinen Beifall nicht versagen, mit der ihr gesellschaftliches Leben bürgrlich-gemäßigt, verfeinert und verschönert wird.


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