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XXIII

JULIANS GLAUBE · ALLGEMEINE TOLERANZ · ER PLANT DIE RESTAURATION DER HEIDNISCHEN RELIGION UND DEN WIEDERAUFBAU DES TEMPELS ZU JERUSALEM · CHRISTENVERFOLGUNG · FANATISMUS UND UNRECHT AUF BEIDEN SEITEN · JULIANS RELIGION

Der Vorwurf der Apostasie hat das Andenken Julians verdunkelt; und derselbe Fanatismus, der seine Tugenden verkleinert, hat auch die tatsächliche und sichtbare Größe seiner Fehler übertrieben. Unsere unvollständigen Kenntnisse stellen ihn uns als einen philosophischen Monarchen dar, welcher sich bemühte, allen religiösen Gruppierungen des Reiches gerecht zu werden; und den theologischen Aufwallungen zu gebieten, welche die Gemüter der Menschheit erhitzt hatten, angefangen von den Erlassen des Diocletian bis hin zum Exil des Athanasius. Eine genauere Betrachtung von Julians Wandel und Wesen wird allerdings dieses günstige Bild eines Herrschers aufgeben müssen, der ebenfalls nicht frei war von den epidemischen Ansteckungen jener Zeit. Wir haben hierbei allerdings den unschätzbaren Vorteil, die Gemälde vergleichen zu können, die seine glühendsten Bewunderer und seine bittersten Feinde von ihm entworfen haben. Julians Taten sind uns getreulich überliefert von einem unparteiischen und redlichen Historiker, dem vorurteilslosen Begleiter seines Lebens und Sterbens. Das unmittelbare Zeugnis seiner Zeitgenossen wird durch die öffentlichen und privaten Verlautbarungen des Kaisers bestätigt; und seine verschiedenen Schriften lassen den Tenor seines religiösen Denkens erkennen, das zu verhehlen und nicht vor sich her zu tragen ihm Staatsklugheit wohl anempfohlen hätte. Beherrschende Leidenschaft Julians war die demütige und ehrliche Verehrung der Götter Athens und Roms; Ich möchte an dieser Stelle einige seiner eigenen Sätze aus einer kurzen religiösen Ansprache anführen, die der kaiserliche Pontifex abgefasst hatte, um die freche Gottlosigkeit eines Kynikers zu verurteilen: [Ü.a.d.Griech.: Aber dennoch habe ich vor den Göttern heilige Scheu, verehre sie, liebe sie, fürchte sie und erdulde dieses alles einfach, wie es einer wohl auch gegenüber guten Herren, Lehrern, Vätern und Vormündern erduldet]. Orationes 7, p. 212. Die üppige Vielfalt der griechischen Sprache scheinen der Glut seiner Frömmigkeit nicht zu genügen. sein aufgeklärtes Denken wurden durch den Einfluss dieses abergläubischen Vorurteils verraten und verdunkelt; und so hatten die Gespenster, die nur in der Vorstellung des Kaisers vorkamen, auf die Regierungsgeschäfte einen handgreiflichen und verderblichen Einfluss.

Der kämpferische Glaubenseifer der Christen, welche den Dienst an diesen Fabelgöttern verachteten und ihre Altäre stürzten, verpflichtete ihre Bekenner zu unversöhnlicher Feindschaft mit einem nicht unbeträchtlichem Teil seiner Untertanen; und er selbst fühlte sich bisweilen versucht, sei es aus Siegesverlangen, sei es aus Scham vor Rückschlägen, die Gebote der Klugheit, ja sogar der Gerechtigkeit zu missachten. Der Triumph der Partei, von der er sich abgekehrt und die er bekämpft hatte, hat an Julians Namen Schande geheftet; und der gescheiterte Apostat wurde zugeschüttet von einer Schlammflut frommer Schmähungen, zu welcher die schrilltönende Trompete Der Redner adressiert mit einiger Eloquenz, viel Begeisterung und noch mehr Eitelkeit seinen Diskurs an Himmel und Erde, an Menschen und Engel, an Lebende und Tote; und ganz besonders an den bedeutenden Constantius: [Ü.a.d.Griech.: wenn es eine Wahrnehmung (gibt)], ein merkwürdiger heidnischer Ausdruck. Mit kühnem Selbstbewusstsein kündet er, dass er ein Denkmal errichtet habe, dauerhafter, aber viel leichter zu transportieren als die Säulen des Herkules. Siehe Gregor von Nazianz, Orationes 4,3 und 5,42. des Gregor von Nazianz Siehe hierzu die langatmige Sudelschrift, die in Gregors Werken zu Unrecht in zwei Reden geteilt worden ist (Band 1, p. 49–134, Paris 1630). Sie wurde von Gregor und seinem Freund Basileios (5,39) etwa sechs Monate nach dem Tode Julians veröffentlicht, als seine sterblichen Reste nach Tarsus überführt worden waren (5,18), Jovianus aber noch auf dem Thron saß (5,15). Ich habe viel aus einer französischen Fassung und ihren Anmerkungen (Lyon 1735) geschöpft. das Signal gab. Die fesselnden Ereignisse, welche sich unter der kurzen Regierung dieses umtriebigen Herrschers nachgerade anhäuften, verlangen nach gerechter und ausführlicher Darstellung. Seine Beweggründe, seine Beschlüsse und seine Maßnahmen sollen, soweit sie im Zusammenhang mit der Religion stehen, in diesem Kapitel behandelt werden.

 

SEINE ERZIEHUNG URSACHEN FÜR DEN GLAUBENSABFALL

Die Ursachen für seine merkwürdige und verhängnisvolle Apostasie liegen vermutlich in frühen Jugenderlebnissen, als er, eine Waise, den Mördern seiner Familie ausgeliefert war. Die Bezeichnung ›Christ‹ und ›Constantius‹ und die Begriffe von Sklaverei und Religion lagen in seiner Vorstellung sehr eng benachbart, und zwar bereits in einem Alter, welches für prägende Eindrücke äußerst empfänglich ist. Seine Erziehung oblag Eusebios, dem Bischof von Nikomedia, welcher mit ihm mütterlicherseits verwandt war; ›Nicomediae ab Eusebio educatus Episcopo, quem genere longius contingebat.‹ (Ammianus 22,3). Julian lässt nirgendwo Dankbarkeit gegenüber diesem arianischen Prälaten erkennen; aber seinen anderen Lehrer, den Eunuchen Mardomius, rühmt er durchaus und beschreibt auch seine Erziehungsmethode, durch welche er seinen Schüler mit leidenschaftlicher Bewunderung für das Genie und vielleicht auch für die Religion Homers erfüllte. Misopogon, p. 351f. und als Julian in seinem zwanzigsten Jahre stand, hatte ihn sein christlicher Praeceptor nicht etwa zum Helden, sondern zum Heiligen erzogen. Weniger um eine irdische als um eine Himmelskrone bestrebt, bemühte sich der Herrscher mit der schlichten Stellung eines Katechumenen, während er den Neffen Constantins Gregor von Nazianz, Orationes 4,52. Er war später bemüht, dieses heilige Zeichen im Blute eines tauroboliums [Stieropfer, A.d.Ü.] abzuwaschen. Baronius, Annales ecclesiastici, A.D. 361, Nr 3f. die Gnade einer Taufe Julian selbst (Epistulae 51, p.454) versichert den Bewohnern von Alexandria, dass er bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr ein Christ (er muss damit den von der aufrichtigen Sorte gemeint haben) gewesen sei. angedeihen ließ. Sie durften sogar niedere Ränge in der Kirchenhierarchie einnehmen; und Julian selbst las in der Kirche von Nicomedia aus den Heiligen Schriften vor.

Die Auseinandersetzung mit der Religion, die er sehr ernsthaft betrieb, schien die schönsten Glaubensfrüchte zu tragen. Zu seiner christlichen und selbst kirchlichen Erziehung s. Gregor, Orationes, Sokrates 3,1 und Sozomenos 5,2. Wenig gefehlt, und er wäre ein Bischof geworden, ein Heiliger gar! Sie beteten, sie fasteten, sie verteilten Almosen an die Armen, Spenden an die Kirche und Gaben an den Gräbern der Märtyrer; und das große Monument der St. Mamas in Caesarea wurde durch die vereinten Kräfte von Julian und Gallus errichtet oder doch wenigstens angeregt. Der Teil des Werkes, welcher Gallus zugeteilt wurde, wurde mit Eifer und Nachdruck in Angriff genommen; aber den Teil des Baues, der Julians heillosen Händen übertragen war, wies die Erde hartnäckig von sich (Gregor, Orationes 3,26ff). Ein solches zielorientiertes Erdbeben, welches von vielen zeitgenössischen Zeugen bekräftigt wird, wäre denn doch eines der spektakulärsten Wunder in der gesamten Kirchengeschichte. Mit Respekt verkehrten sie mit den Bischöfen, die sich durch höhere Heiligkeit auszeichneten, und erbaten den Segen der Mönche und Eremiten, die in Kappadokien die freiwilligen Härten des asketischen Lebens Der Philosoph (Fragmente p. 288) mokiert sich über die eisernen Ketten &c. dieser Einsamkeits-Fanatiker (Tillemont, Mémoires ecclésiastiques Band 9, p. 661), welche vergessen hatten, [Ü.a.d.Griech.: …dass der Mensch ein politisches und kultiviertes Lebewesen ist]. Der Heide mutmaßt, dass sie, da sie die Götter verraten hätten, nunmehr von bösen Geistern besessen seien und von ihnen gequält würden. propagiert hatten. Als dann die beiden Prinzen in die Jahre ihrer Mannbarkeit eintraten, bemerkten sie Unterschiede in ihren religiösen Auffassungen. Der schwerfällige und begriffsstutzige Gallus übernahm, den Glaubenseifer mit eingeschlossen, die Doktrinen des Christentums; welche aber niemals seine Schritte lenkten oder seine Leidenschaften zügelten. Die milde Veranlagung seines jüngeren Bruders war offener für die Vorschriften des Evangeliums; und seine lebhafte Neugier hätte durch ein theologisches System zufrieden gestellt werden können, welches das Geheimnis der Gottheit erklärt und einen Einblick in unsichtbare und künftige Welten gewährt hätte.

Aber den passiven und bedingungslosen Gehorsam, den die hochfahrenden Diener der Kirche im Namen der Religion einforderten, wollte und konnte Julians unabhängiger Geist nicht leisten. Was ihnen bloße Vermutung war, machten sie zu geltendem Gesetz, wobei sie noch mit den Schrecknissen ewiger Höllenstrafen fuchtelten; aber indem sie von dem jungen Prinzen starres und formelhaftes Denken, Sprechen und Handeln verlangten; indem sie zu seinen Einwänden schwiegen und ihm forschendes Denken nachgerade verboten, zwangen sie schlechterdings seinen ungeduldigen Genius zur Abkehr von seinen kirchlichen Fremdenführern. Er wurde in Kleinasien erzogen, inmitten des Getümmels der arianischen Kontroverse. Siehe Julian bei Kyrillos, Adversus libros athei Juliani 6, p.206 und 8, p. 253 und 262. ›Ihr verfolgt,‹ sagt Julian, ›jene Häretiker, welche den toten Mann nicht in derselben Weise beklagen, wie ihr es empfehlt.‹ Er selbst erweist sich als leidlicher Theologe; aber er bleibt dabei, dass die christliche Trinität sich nicht aus der Doktrin eines Paulus, Jesus oder Moses herleiten lasse. Der bittere Streit der östlichen Bischöfe, die unaufhörlichen Wechsel ihrer Glaubensbekenntnisse und die weltlichen Motive, die ihr Verhalten in Wahrheit zu bestimmen schienen, bestätigten Julian unmerklich in seiner Meinung, dass sie die Religion, für die sie sich so stürmisch einsetzten, weder richtig begriffen hatten noch überhaupt glaubten. Anstelle den Beweisgründen für das Christentum mit jener entgegenkommenden Aufmerksamkeit zu lauschen, die jeder unmittelbaren Glaubensgewissheit zusätzliches Gewicht verleiht, hörte er nur noch mit Argwohn zu und debattierte mit Abneigung und Schärfe jene Doktrinen, gegen die er bereits unwiderruflich eingenommen war. Wann immer die Prinzen aufgefordert wurden, sich schriftlich zu den jeweils vorherrschenden Kontroversen zu äußern, erklärte Julian sich zuverlässig zum Advokaten des Heidentums; dies unter dem durchsichtigen Vorwand, dass er seine Gelehrsamkeit und geistige Beweglichkeit besser fördern könne, wenn er die schwächere Seite verteidige.

 

VORLIEBE FÜR HEIDNISCHE MYTHOLOGIE

Sobald Gallus den kaiserlichen Purpur angelegt hatte, durfte Julian die Luft der Freiheit, der Literatur und des Heidentums atmen. Libanios, Oratio Parentalis, 9f; Gregor von Nazianz, Orationes 4,31; Eunapios, Vitae Sophistarum,Maximos, p. 88ff. Die Masse der Sophisten, die sich angezogen fühlten von ihres kaiserlichen Schülers Neigungen und Liberalität, hatten zwischen der Gelehrsamkeit und der Religion Griechenlands ein festes Bündnis geschmiedet; und die Dichtungen Homers wurden nicht etwa als die Hervorbringungen menschlichen Geistes ästimiert, sondern als himmlische Eingebung Apollos und der Musen. Die olympischen Gottheiten, deren Bild der unsterbliche Sänger vor uns entworfen hat, beeindrucken ja auch diejenigen, die zu nichts weniger Neigung verspüren als zu naivem Aberglauben. Dadurch, dass wir ihre Namen und Eigenschaften kennen, ihr Aussehen und ihre Attribute, erhalten diese Luftgebilde scheinbar reale und handfeste Existenz; und auf Grund dieser holden Verzauberung lassen wir uns vorübergehend auf diese Fabeln ein, welche unser Verstand und unsere Erfahrung mit Entschiedenheit abtun.

In Julians Zeiten war jeder Umstand dazu angetan, diese Vorstellungen zu festigen und am Leben zu halten: die herrlichen Tempel Griechenlands und Asiens; die Werke jener Künstler, die die Gottesbilder jenes Dichters in Farbe und Stein gebannt hatten; der Pomp von Festlichkeiten und Opfern; die Kunst der erfolgreichen Weissagung; ihre eher volkstümliche Variante der Orakel- und Wunderschau; und deren zweitausendjährige Tradition. Die Schwäche des Polytheismus ließ sich im gewissen Umfang mit seinen bescheidenen Anforderungen entschuldigen; und zwischen der Götterverehrung der Heiden und noch dem ungebundensten Skeptizismus bestand durchaus keine Unverträglichkeit. Ein Philosoph der Gegenwart hat auf tiefsinnige Weise die unterschiedlichen Wirkungsweisen des Theismus und des Polytheismus verglichen unter besonderer Berücksichtigung der Zweifel oder Überzeugungen, die sie im Gemüt des Menschen auszulösen imstande sind. Siehe hierzu die Essays von Hume, Band 2, p.444–457 der Oktavausgabe von 1777.

Anstelle eines streng geordneten, monolithischen Systems, welches sich des gläubigen Gemütes in seinem ganzen Umfang annimmt, besaß die Mythologie der Griechen ungezählte, fast schon beliebige Details, und so konnte der Diener der Götter die Freiheit, den Umfang und die Tiefe seines Glaubens selbst bestimmen. Der Glauben, den Julian zu eigenem Gebrauch annahm, war vom weitesten Umfang; und während er das heilsame Joch der Evangelien verachtete, brachte er, im befremdlichen Gegensatz dazu, an den Altären des Jupiter und Apollo aus freien Stücken seine Vernunft zum Opfer. Eine seiner Reden hält Julian zu Ehren der Göttermutter Cybele, die von ihren zimperlichen Priestern das Blutopfer verlangt, welches ihr der gemütskranke phrygische Knabe so bereitwillig darbrachte. Der fromme Herrscher erzählte ganz ohne zu erröten oder zu grinsen von der Reise der Göttin von Pergamons Küste zur Tibermündung und von dem unfasslichen Wunder, welches Senat und Volk von Rom davon überzeugte, dass der Heilige Stein der Magna Mater, den ihre Gesandten über das Meer mitgebracht hatten, mit Leben, mit Wahrnehmung und mit göttlicher Macht erfüllt sei. Die Göttermutter landete gegen Ende des zweiten punischen Krieges in Italien. Das Wunder der Vestalin – oder Matrone(?)– Claudia, [welche das im Tiber festgefahrene Schiff unter Berufung auf ihre Keuschheit wieder flott bekam, A.d.Ü.], die zu Ruhm gelangte, indem sie die strengere Keuschheit der anderen römischen Damen beschämte, wird von ungezählten Zeugen bestätigt. Deren Glaubwürdigkeit wird von Drakenborch (zu Silius Italicus 17,33) untersucht; aber es sei hier die Bemerkung gestattet, dass Livius (29,14) mit taktvollem Ungefähr über dieses Begebnis hinwegschwebt. Dieses Wunder zu belegen, beruft er sich auf öffentliche Inschriften; und nicht ohne Schärfe tadelt er die schwächliche und gekünstelte Neigung mancher Zeitgenossen, welche die geheiligten Überlieferungen ihrer Vorfahren zu verhöhnen sich erfrechten. An dieser Stelle muss ich einfach Julians begeisterte Worte einrücken: [Ü.a.d.Griech.: Mir scheint es richtig, den Städten in diesem Punkte eher zu glauben als diesen Geputzten, deren Seelchen zwar scharf sehen, die aber nichts von Bedeutung erkennen]. Orationes 5, p. 161. Julian bekent gleichermaßen seinen festen Glauben an die ancilia, die heiligen Schilde, welche vom Himmel auf den Quirinal herniederfielen; und bezeugt Mitleiden mit der eigentümlichen Blindheit der Christen, welche das Kreuz diesen himmlischen Trophäen vorzögen. Bei Kyrillos 6, p. 194.

 

VOM ALTAR ZUM TEMPEL

Aber der andächtige Philosoph, der den Aberglauben des Volkes aufrichtig teilte und bereitwillig förderte, nahm für sich persönlich das Recht zu einer umfassenderen Deutung in Anspruch; und stillschweigend entfernte er sich von den Stufen des Altars in das innerste Heiligtum der Tempel. Die griechische Mythologie verlangte in ihrer Überspanntheit klar und vernehmlich, dass ihr frommer Interpret sich nicht etwa über ihren wörtlichen Sinn erregen oder mit ihm zufrieden geben dürfe, sondern sorgfältig die verborgene Weisheit aufzuspüren bemüht sein müsse, welche die Klugheit der Alten mit dem Schleier der Torheit und der Fabel verhüllt habe. Siehe Julian, Orationes 7, p. 216 und 222 über die Grundlagen der Allegorie. Seine Überlegungen sind weniger absurd als die mancher Gegenwartstheologen, welche behaupten, dass eine verstiegene oder widersprüchliche Doktrin notwendig göttlichen Ursprungs sein müsse, da kein lebender Mensch sich dergleichen hätte aussinnen können. Die Philosophen der platonischen Schule, Über diese Sophisten hat Eunapios eine tendenziöse und hitzige Geschichte verfasst, und der kenntnisreiche Brucker (Historia Philosophiae, Band 2, p. 217–303) hat viel gelehrten Schweiß darauf verwendet, ihre dunklen Biographien und unbegreiflichen Lehren zu erhellen. Plotinus, Porphyrius und der göttliche Jamblichos galten als die bedeutendsten Meister dieser Auslege-Kunst, welche sich so oft damit abmühte, die Wunderlichkeiten des Heidentums zu glätten und zu harmonisieren. Julian selbst, der sich bei seinen mystischen Unternehmungen von Aidesius leiten ließ, dem ehrwürdigen Nachfolger des Jamblichos, erwarb sich so einen Schatz, den er, wenn wir ihm denn seine ernsthaften Versicherungen glauben dürfen, weit höher achtete als die Herrschaft über die Welt. Julian, Orationes 7, p. 222. Er beschwört dies mit glühendster Hingebung; und er bebt davor zurück, zuviel von diesen heiligen Mysterien zu verraten, die der weltlich Gestimmte mit gottlos-sardonischem Gelächter verhöhnen könnte.

Es war in der Tat ein Schatz, der seinen Wert allerdings nur in den Augen des Betrachters besaß; und jeder Künstler, der sich schmeicheln mochte, er habe aus dem umgebenden tauben Gestein das wertvolle Gold herausgeschmolzen, beanspruchte mit gleichem Recht, ihm den Namen und die Eigenschaften beizulegen, die seiner persönlichen Phantasie am besten entgegenkam. Die Sage von Atys und Cybele hatte Porphyrios bereits erklärt; aber seine Bemühungen dienten lediglich dazu, den frommen Eifer des Julian zu befeuern, welcher seine eigene, private Deutung dieses alten Mythos vornahm und bekannt machte. Diese Beliebigkeit der Auslegung, welche den Platonikern eine Lust sein mochte, verriet zugleich das Müßige ihres Vorhabens. Ohne weitschweifige Einzelheiten wäre der heutige Leser außerstande, sich eine zutreffende Vorstellung von den merkwürdigen Anspielungen, den gezwungenen Etymologien, den würdevollen Possen und der undurchdringlichen Finsternis jener Weisen zu machen, welche die Geheimnisse des Universums zu lüften vorgaben. Da die heidnischen Mythen in den unterschiedlichsten Formen überliefert wurden, hatten ihre geweihten Deuter die Freiheit, sich die jeweils passenden Einzelheiten auszusuchen; und da sie eine Geheimsprache übersetzten, konnten sie aus jedem Märchen jeden Sinn herauslesen, der sich dann ihrem jeweiligen religiösen oder philosophischen Lieblingssystem einfügte. Der schwül-erotische Körper der nackten Venus wurde umgebogen und zur moralischen Lebensregel: und die Kastration des Atys erklärte, warum sich die Sonne zwischen den Wendekreisen bewege oder warum die menschliche Seele von Laster und Irrtum frei sei. Vgl. die 5. Rede Julians. Aber alle Allegorien der platonischen Schule besaßen nicht den Wert von Catulls kurzem Gedicht (63) zu diesem Gegenstand. Die Verwandlung von Atys wildem Enthusiasmus zur nüchternen und rührenden Klage über seinen unersetzlichen Verlust muss einen Mann mit Mitleid und einen Eunuchen mit Verzweiflung erfüllen.

 

SYSTEM AUF DER NATURRELIGION BEGRÜNDET

Das theologische System des Julian enthielt offenkundig die erhabenen und wichtigen Grundlegungen einer Naturreligion. Da aber diese nicht geoffenbarte Religion jeder überprüfbaren Bestätigung ermangelte, verfiel Platos Schüler unklugerweise wieder der Unsitte des volkstümlichen Aberglaubens; und diese populäre und auch philosophische Gottesauffassung scheint in Julians Handeln, in seinen Schriften, ja sogar in seinem Gemüt Unordnung angerichtet zu haben. Julians eigentliche Religion kann entnommen werden aus seinen ›Caesares‹ (p. 308) mit Spanheims Anmerkungen und Erläuterungen; aus Zitaten bei Kyrillos von Alexandrien (Adversus libros athei Juliani 2, p. 57f) und besonders aus der theologischen Rede ›In solem regem‹, p. 130–158, die in freundschftlichem Vertrauen an den Präfekten Sallust gerichtet ist. Der gläubige Herrscher anerkannte und verehrte die ewige Ursache des Universums, dem er die Vollkommenheit der unendlichen Natur zuschrieb, welche aber dem menschlichen Auge verborgen und dem menschlichen Verständnis unerreichbar blieb. Die oberste Gottheit hatte die Stufenfolge der Geister, Götter, Dämonen, Heroen und Menschen erschaffen, oder, im platonischen Sprachgebrauch, erzeugt ; und alles, was seine Existenz unmittelbar auf die erste Ursache zurückführen konnte, hatte auch Teil an der ihr innewohnenden Unsterblichkeit. Und damit eine so köstliche Gabe nicht an Unwürdige verschwendet werde, hatte der Schöpfer untergeordneten Göttern die Fähigkeit und die Macht verliehen, den menschlichen Körper zu erschaffen und die herrliche Harmonie des Tier-, Pflanzen- und Mineralreiches zu gestalten.

Dieser göttlichen Dienerschaft übertrug er auch die zeitweilige Herrschaft über diese nachgeordnete Welt; aber ihr unvollkommener Dienst war nicht frei von Hader und Irrtum. Die Erde und ihre Bewohner wurden unter sie aufgeteilt, und die Kennzeichen von Mars oder Minerva, Merkur oder Venus kann man in der jeweiligen Gebarung ihrer Bekenner wieder finden. Solange unsere unsterblichen Seelen in einem sterblichen Kerker gefangen sitzen, ist es unser eigenes Interesse, ja sogar unsere Pflicht, die Gunst jener Himmelsmächte zu erflehen und ihren Zorn zu fliehen; ihrem Stolz geschieht durch die Verehrung der Menschen Genüge; und ihre physischen Bedürfnisse erhalten Nahrung aus dem Rauch verbrannter Opfer. Julian macht sich diese grobschlächtige Auffassung zu Eigen, schreibt ihre Herkunft aber seinem Liebling Marcus Antoninus zu (Caesares 333). Die Stoiker und die Platoniker schwankten zwischen körperlicher Analogie und der Reinheit des Geistes; aber noch die ernsthaftesten Philosophen neigten der launigen Auffassung des Aristophanes und Lukianos zu, dass nämlich ein ungläubiges Geschlecht die Götter auszuhungern imstande sei. Siehe Spanheim, Anmerkungen p. 284, 444 u.a. Die niederen Gottheiten mochten sich bisweilen bereit finden, Statuen mit Leben zu erfüllen oder die zu ihren Ehren errichteten Tempel zu bewohnen. Sie besuchten wohl auch ab und zu die Erde, aber der Himmel war ihre eigentliche Heimstatt. Die unveränderliche Ordnung von Sonne, Mond und Sternen wurde von Julian ein wenig überhastet als Beweis für ihre ewige Dauer genommen; und ihre Ewigkeit war ein hinreichender Beleg dafür, dass sie die Hervorbringung nicht einer untergeordneten Gottheit, sondern eines allmächtigen Herrschers waren. Im platonischen System war die sichtbare Welt nur eine Erscheinungsform einer unsichtbaren. Die Himmelskörper mochte man, da sie nun einmal durch göttlichen Geist gebildet waren, als die Objekte tiefster religiöser Verehrung ansehen. Die SONNE, deren Einfluss das Universum verspürt, beanspruchte zu Recht die Verehrung der Menschen, ist sie doch die sichtbare Verkörperung des LOGOS, das lebendige, erfassbare, wohltätige Abbild des geistigen Vaters. (Julian, Briefe 51). An andere Stelle (bei Kyrillos 2, p. 69) nennt er die Sonne Gott und Gottes Thron. Julian glaubte an Platos Trinität und tadelt die Christen nur dafür, dass sie einen sterblichen Logos einem unsterblichen vorzögen.

 

PHILOSOPHEN UNTERSTÜTZEN HEIDENTUM

Zu allen Zeiten gibt es für das Fehlen von echter Inspiration Abhilfe durch die Wahngebilde der Begeisterung und durch die Kunst der Verstellung. Wenn in den Zeiten Julians diese Künste nur von heidnischen Priestern geübt wurden, die damit ihrer untergehenden Sache beistehen wollten, dann darf man mit diesem hieratischen Brauchtum wohl ein wenig Nachsicht üben; aber eine Überraschung und ein Ärgernis ist es denn doch, dass selbst die Philosophen an diesem Missbrauch Die Sophisten von Eunapios sind ebenso wundertätig wie die Heiligen der Wüste; und nur dies spricht für sie, dass ihre Gemütsverfassung weniger trostlos ist. Anstelle von Teufeln mit Hörnern und Schwänzen rief Iamblichos aus zwei benachbarten Quellen die Liebesgenien hervor, Eros und Anteros. Zwei hübsche Knaben entstiegen den Wassern, umfassten ihn zärtlich als ihren Vater und entfernten sich wieder auf sein Geheiß (p. 26f). der menschlichen Leichtgläubigkeit beteiligt waren und dass die griechischen Mysterien Unterstützung erfuhren durch das Denken und die Thëurgie des modernen Platonismus. Sie gaben einigermaßen überheblich vor, die Ordnung der Natur in der Hand zu haben, die Geheimnisse der Zukunft zu ergründen, die Mächte der Finsternis zu beherrschen, mit denen des Lichtes auf vertrautem Fuße zu stehen und dadurch, dass sie die Seele aus ihrer materiellen Beschränktheit befreiten, dieses Teilchen Unsterblichkeit mit dem unendlichen und göttlichen Geiste erneut zu vereinen.

 

JULIANS WEIHE IN EPHESOS

Julians hingebungsvolle und furchtlose Neugierde lockte die Philosophen, die auf leichte Beute hofften; was infolge der Stellung ihres jugendlichen Proselyten die schönsten Folgen hervorrufen mochte. Diese listigen Machenschaften der Sophisten, die sich ihren arglosen Schüler gegenseitig zuspielten, schildert Eunapios in naiver Unbefangenheit (p. 69–76). Der Abt de la Bléterie durchschaut die Komödie und beschreibt sie auf nette Weise (Vie de Julien, p. 61–67). Die ersten Tropfen der platonischen Doktrin empfing Julian aus dem Munde des Aidesios, der in Pergamon seine verfolgte Wanderschule heimisch gemacht hatte. Da aber die sinkenden Kräfte jenes ehrbaren Weisen dem Lerneifer, der Aufmerksamkeit und der raschen Auffassung seines Schülers nicht mehr gewachsen waren, vertraten auf seinen eigenen Wunsch seine beiden besten Schüler, Chrysantes und Eusebios, ihren betagten Meister. Diese beiden Philosophen scheinen ihre jeweilige Rolle vorbereitet und unter sich aufgeteilt zu haben; und mit dunklen Andeutungen und vorgetäuschtem Streit erweckten sie in dem Anwärter ungeduldige Hoffnungen, bis sie ihn ihrem Genossen Maximos ausliefern konnten, dem kühnsten und geschicktesten Meister der Thëurgie. Durch ihn wurde Julian in seinem zwanzigsten Lebensjahr heimlich in Ephesos geweiht. Sein Aufenthalt in Athen beweist diese naturwidrige Allianz von Philosophie und Aberglauben. Er wurde ernstlich in die eleusischen Mysterien eingeführt, welche inmitten des allgemeinen Niederganges der griechischen Götterverehrung immer noch Spuren ihrer ursprünglichen Heiligkeit an sich trugen; und so eifrig war Julian im Glauben, dass er anschließend den Pontifex von Eleusis an den gallischen Hof lud, einzig zu dem Zwecke, durch mystische Rituale und Opferhandlungen das große Werk seiner, des Julian, Weihe zu vollenden. Da nun diese Zeremonien in der Abgeschiedenheit von Höhlen und im Dunkel der Nacht vollzogen wurden, und da die Unverletzlichkeit dieser Geheimnisse von den Initiierten streng beobachtet wurde, will ich mich jetzt nicht unterfangen, die grässlichen Klänge und feurigen Gesichte zu schildern, die den Sinnen und der Phantasie des Adepten Als Julian in einem Moment der Panik das Kreuzeszeichen schlug, waren die Dämonen im Nu verschwunden. Gregor nimmt an, dass sie von Furcht gepackt wurden, aber die heidnischen Priester erklärten mit Bestimmtheit, dass sie empört waren. Der Leser möge nach seinen eigenen Glaubensmaßstäben diese grundlegende Frage entscheiden. geboten wurden, bis ihm dann endlich Tröstung und Erkenntnis wie eine himmlische Erleuchtung überfluteten. Einen distanziert-düsteren Blick auf die Schrecken und Freuden der Initiation gewähren uns Dion Chrysostomos, Themistios, Proklos und Stobaios. Der gelehrte Warburton hat in seiner ›Divine legation‹ ihre Aussagen beigebracht (Band 1, p.239, 247f und 280) und beutet sie mit Geschick, zuweilen auch mit Zwang zugunsten seiner Hypothese aus. In den Höhlen von Ephesos und Eleusis wurde Julian von aufrichtiger, tiefer und unabänderlicher Gottesbegeisterung durchdrungen; ob er auch gleich sich bisweilen in frommem Betrug und in Heuchelei übte, was man regelmäßig als zuverlässige Indikatoren für Gewissensfanatismus wahrnehmen oder doch wenigstens vermuten kann.

Von diesem Moment an war sein Leben dem Dienst an den Göttern geweiht; und während Krieg, Verwaltung und Studien bereits seine ganze Zeit zu beanspruchen schienen, blieb doch eine festgesetzte nächtliche Zeitspanne aufgespart, die er im Gebet verbrachte. Die Enthaltsamkeit, welche die ernsten Sitten dieses Soldaten und Philosophen zierte, stand in Zusammenhang mit allerlei merkwürdigen religiösen Diätvorschriften; und so geschah es zu Ehren von Pan oder Merkur, Hekate oder Isis, dass Julian an vorbestimmten Tagen sich gewisser Nahrung enthielt, die seine Titulargottheiten hätten kränken können. Durch diese freiwilligen Fasten bereitete er Sinne und Gemüt auf die zahlreichen vertraulichen Besuche vor, mit denen ihn die himmlischen Mächte auszeichneten. Ungeachtet des bescheidenen Schweigens von Julian können wir von seinem treuen Freund, dem Redner Libanios in Erfahrung bringen, dass er im beständigen Austausch und Wechselgespräch mit Göttern und Göttinnen lebte; dass sie auf die Erde herniederstiegen, mit ihrem Liebling Umgangs zu pflegen; dass sie wohl auch durch Berühren der Hand oder der Haare ihn sanft aus dem Schlummer weckten; dass sie ihn vor jeder bevorstehenden Gefahr warnten und ihn überhaupt in jeder Lebenslage mit untrüglicher Weisheit leiteten; und dass er sich endlich eine derartig intime Kenntnis seiner himmlischen Gäste erworben hatte, dass er leicht die Stimme Jupiters von der Minervas unterscheiden konnte und die Physiognomie des Herkules von der Apollos. Julian begnügt sich aus Bescheidenheit mit gelegentlichen und schwer verständlichen Andeutungen; aber Libanios lässt sich weitschweifig über die Fasten und Visionen seines religiösen Helden aus (Legatio ad Julianum, p. 157 und Oratio parentalis 83).

Diese Gesichte seiner Schlaf- oder Wachphasen, die eine natürliche Folge von Enthaltsamkeit und Glaubenseifer sind, hätte den Kaiser mit einem ägyptischen Mönch auf die gleiche Stufe gestellt. Aber das unersprießliche Leben eines Antonius oder Pachomius war ausschließlich mit diesen zweckfreien Aktivitäten erfüllt. Julian hingegen konnte sich von geträumtem Aberglauben losreißen und zur Schlacht rüsten; und hatte er die Feinde Roms im Felde besiegt, so zog er sich stillschweigend in sein Zelt zurück, um die weisen und heilsamen Gesetze des Reiches zu Papier zu bringen oder seinen Geist durch anspruchsvolle literarische oder philosophische Untersuchungen zu verwöhnen.

 

ER VERHEHLT SEINE RELIGION

Das wichtige Geheimnis von Julians Glaubensabfall wurde der Verschwiegenheit der Initiierten anvertraut, mit denen er durch die heiligen Bande von Freundschaft und Religion verbunden war. Libanios, Oratio parentalis 10. Gallus hatte einigen Grund, die heimliche Apostasie seines Bruders zu vermuten; und in einem wohl echtem Briefe ermahnt er Julian, den Glauben ihrer Vorfahren treu zu bleiben; ein Argument, das noch nicht völlig spruchreif war. Siehe Julian, Opera, Band 1, p. 454 und la Bléterie, Histoire de Jovien, Band 2, p. 141. Diese erfreuliche Zeitung wurde mit gebotener Vorsicht unter den Anhängern des alten Glaubens verbreitet; und Julians künftige Größe wurde Gegenstand der Hoffnungen, Gebete und Voraussagen der Heiden aller Provinzen. Vom Eifer und von der Redlichkeit ihres königlichen Anhängers erwarteten sie die Besserung aller Übel und die Wiederherstellung aller Glücksumstände; und anstelle nun die Heftigkeit ihrer frommen Wünsche zu tadeln, bekannte Julian unbefangen, er wünsche eine Situation herbeizuführen, in welcher er seinem Lande und seiner Religion von Nutzen sein könne. Aber der Nachfolger Constantins, der in seiner Launenhaftigkeit das Leben Julians abwechselnd gerettet oder gefährdet hatte, sah mit scheelen Blicken auf diese Religion. Zauberei und Wahrsagerei waren unter seiner Willkürregierung, welche diese Künste auch sonst fürchtet, strengstens verboten; und betrieben die Heiden weiterhin unbelehrbar und hartnäckig ihren Aberglauben, dann hätte allein die Stellung Julians ihn von der allgemeinen Toleranz ausgenommen. Schon bald wurde der Apostat zum voraussichtlichen Thronfolger, und nur sein Tod hätte die begründeten Sorgen der Christen beruhigen können. Mit unmenschlichem Fanatismus tadelt Gregor (Orationes 4,3) den Constantin dafür, dass er Julian als Kind verschont habe. Sein französischer Übersetzer (p. 265) bemerkt vorsichtig, solche Ausdrücke müssten nicht ›prises à la lettre‹.

Aber der junge Fürst, welcher eher Helden- als Märtyrerruhm für erstrebenswert hielt, verhehlte aus Gründen der Tarnung seine Religion; und das leichtsinnige Naturell des Polytheismus erlaubte ihm, an einem öffentlichen Gottesdienst einer Sekte teilzunehmen, die er von Herzen verachtete. Für Libanios war die Heuchelei seines Freundes Objekt nicht der Beanstandung, sondern des Lobes. ›So wie die Götterbilder,‹ so der Redner, ›welche mit Unflat besudelt waren, nunmehr wieder in ihren herrlichen Tempeln aufgestellt sind, so hat auch die Wahrheit in ihrer ganzen Schöne Platz gefunden im Gemüt des Julian, nachdem er sie von der Irrtümern und Torheiten seiner Erziehung gereinigt hat. Sein Denken hat sich gewandelt; da aber dieses Denken öffentlich zu bekennen nicht ohne Gefahr ist, sind seine Aufführungen nach wie vor unverändert. Anders als der Esel in der Fabel des Aisop, welcher sich mit einem Löwenfell verkleidete, war unser Löwe genötigt, sich in eine Eselshaut zu hüllen; und den Geboten des Zwanges und Not zu gehorchen, während er doch dem Diktat der Vernunft folgte.‹ Libanios, Oratio parentalis 9.

Das Versteckspiel Julians dauerte über zehn Jahre, angefangen mit seiner heimlichen Initiation zu Ephesos bis zum Beginn des Bürgerkrieges, als er sich zum unversöhnlichen Feind Christi und des Constantius erklärte. Diese Bedrängnis hat möglicherweise seinen Glauben gefestigt; und sobald er seiner Pflicht genügt und bei festlichem Anlass einer Versammlung von Christen beigewohnt hatte, eilte er mit der Ungeduld eines Liebhabers nach Hause zurück, um in seinen Privatkapellen Jupiter und Merkur aus freien Stücken zu räuchern. Da nun aber jede Form der Verstellung für ein freigeborenes Gemüt von Übel ist, steigerte das abgenötigte Bekenntnis zum Christentum Julians Widerwillen gegen diese Religion, welche ihm Fesseln auferlegte und zu einem Verhalten nötigte, welches den edelsten Attributen des Menschen, der Aufrichtigkeit und dem Mut, entgegengesetzt ist.

 

SEINE STREITSCHRIFT GEGEN DIE CHRISTEN

Herzensneigung hat Julian bestimmt, den Göttern Homers und der Scipionen den Vorzug vor der Religion zu geben, welche sein Onkel im römischen Reich eingeführt hatte und welcher er durch das Sakrament der Taufe zugehörte. In seiner Eigenschaft als Philosoph fühlte er die Verpflichtung, seine Abneigung gegen das Christentum zu begründen, welche Religion sich durch die Vielzahl ihrer Konvertiten, die lange Abfolge von Prophezeiungen, ihre beeindruckenden Wunder und ihre unmittelbare Überzeugungskraft empfahl. Die ausgefeilte Schrift, Fabricius,(Bibliotheca Graeca, Band 5, c.8, p.88ff) und Lardner (Heathen testimonies, Band 4, p. 44–47) haben mit Sorgfalt alles das gesammelt, was sich jetzt noch in Julians Werken gegen die Christen auffinden ließ., die er inmitten der Vorbereitungen zum Perserkrieg abfasste, enthielt den Extrakt seines Denkens, mit dem er lange Zeit umgegangen war. Einige Fragmente haben sich durch Abschrift bei seinem Gegner erhalten, dem kampfesfrohen Kyrillos von Alexandria; Etwa siebzig Jahre nach dem Tode Julians unternahm er dessen Widerlegung, woran bereits der geschwätzige und alberne Philipp von Sidon seine schwachen Kräfte probiert hatte. Aber die Schrift des Kyrillos hat selbst sehr wohlmeinende Beurteiler nicht recht überzeugt, und der Abt de la Bléterie wünscht sich (Vorwort zur Histoire de Jovien, p. 30 und 32), dass irgendein théologien philosophe (ein drolliges Mischwesen!) eine Widerlegung des Julian vornehmen möge. und sie lassen eine einzigartige Mischung von Witz und Gelehrsamkeit, von Sophisterei und Fanatismus erkennen. Die stilistische Eleganz und der hohe Rang ihres Verfassers empfahlen die Schrift dringend der öffentlichen Aufmerksamkeit; Libanios (Oratio parentalis 87, p.313), den man verdächtigt hat, seinem Freunde beigestanden zu haben, gibt dieser göttlichen Rechtfertigung (Orationes 9, In necem Iuliani, p.255) den Vorzug gegenüber den Schriften des Porphyrios. Man mag Libanios' Urteil anzweifeln, (Sokrates 3,23) aber man kann ihm nicht vorwerfen, einem toten Herrscher geschmeichelt zu haben.; und in der Rangliste der gottvergessenen Feinde des Christentums musste der berühmte Name des Porphyrios alsbald neben Julians größerer Wirkung und Reputation verblassen.

Die Gläubigen ihrerseits wurden entweder abspenstig gemacht, oder sie empörten sich, oder schlugen Alarm; und die Heiden, die sich zuweilen in diesen ungleichen Disput einzumischen getrauten, hatten in ihres kaiserlichen Missionars volkstümlicher Schrift eine unerschöpfliche Rüstkammer mit den verfänglichsten Gegengründen. Aber im Laufe dieser eifrigen theologischen Studien nahm der Kaiser Roms auch die rigiden Vorurteile und Leidenschaften eines kämpferischen Gottesgelahrten in sich auf. Er verpflichtete sich selbst unwiderruflich, seine religiöse Auffassung aufrecht zu erhalten und zu propagieren; und während er sich insgeheim zu der Stärke und Geschicklichkeit beglückwünschte, mit der er die Waffen im Glaubenskampfe führte, sah er sich zugleich versucht, der Aufrichtigkeit seiner Gegner zu misstrauen oder ihre Verstandeskräfte anzuzweifeln, weil sie sich der Macht von Vernunft und Beredsamkeit so halsstarrig widersetzten.

 

ALLGEMEINE DULDUNG DER RELIGIONEN

Die Christen, die mit Schaudern und Empörung auf die Apostasie Julians blickten, hatten von seiner Machtfülle erheblich mehr zu fürchten als von seinen Argumenten. Die Heiden, die sich seines glühenden Eifers durchaus bewusst waren, erwarteten, möglicherweise sogar mit Ungeduld, dass die Flammen der Verfolgung gegen die Feinde der Götter schon bald entzündet würden; und dass die erfinderische Bösartigkeit Julians einige grausame Verfeinerungen für Folter und Hinrichtungstechniken ersinnen möge, welche seinen brachialen und dilettantischen Vorgängern noch unbekannt gewesen waren. Aber die Hoffnungen und die Befürchtungen der beiden Faktionen wurden gleichermaßen enttäuscht, Libanios (Oratio parentalis 58) hat mit viel Beredsamkeit die Grundsätze der Toleranz und das allgemeine Verhalten seines kaiserlichen Freundes auseinander gesetzt. In einem recht ungewöhnlichen Brief an die Einwohner von Bostra (Brief 52) bekennt Julian sich selbst zur Mäßigung und verrät dabei seinen religiösen Eifer, der von Ammianus eingeräumt und von Gregor (Orationes 4,57) verhöhnt wird. da die klugbedachte Humanität des Herrschers um seinen eigenen Ruf, den öffentlichen Frieden und die Menschenrechte besorgt war. Julian hielt sich überzeugt, belehrt durch die Geschichte und durch eigenes Nachdenken, dass körperliche Gebrechen zwar irgendwann durch heilsame Gewaltkuren zu beheben seien, dass aber weder Schwert noch Brand die Irrtümer der Seele austilgen können. Man kann den besiegten Gegner auch gegen dessen Willen vor den Altar schleifen; aber das Herz schreckt immer noch vor dieser unheiligen Handlung der Faust zurück und verzichtet auf sie. Durch Unterdrückung wird religiöse Widerspenstigkeit zuverlässig noch mehr gefestigt; und sobald die Verfolgung erlahmt, werden die, die Schwäche gezeigt hatten, als Reuige wieder aufgenommen, und die, die widerstanden hatten, als Heilige und Märtyrer verehrt.

Hätte Julian zurückgegriffen auf die fruchtlose Grausamkeit des Diocletians und seiner Kollegen, dann, so war er sich bewusst, hätte er sein Andenken mit dem Namen des Tyrannen verdunkelt, und außerdem hätte er der katholischen Kirche zu neuem Ruhm verholfen, die aus den strengen Maßregeln der heidnischen Magistrate neue Stärke und Zuwachs geschöpft hätte. Aus diesen Gründen und aus der Sorge, die Ruhe seiner noch ungefestigten Herrschaft zu stören, überraschte Julian die Welt durch einen Erlass, der eines Staatsmannes und Philosophen nicht unwürdig war. Alle Einwohner des Römischen Reiches kamen in denselben Genuss einer allgemeinen und gleichen Toleranz; und die einzige Beschwernis, die die Christen zu tragen hatten, war das Verbot, ihre Landsleute fernerhin zu ärgern, indem sie ihnen Schmähnamen wie etwa Götzenanbeter oder Häretiker anhängten. Die Heiden erhielten die großzügige Erlaubnis oder vielmehr den ausdrücklichen Befehl, alle Tempel zu öffnen; In Griechenland wurden alle Minervatempel auf seinen ausdrücklichen Befehl und noch vor dem Tode des Constantius geöffnet (Libanios, Oratio parentalis 55, p. 280); und in einem öffentlichen Manifest an die Athener erklärt Julian sich selbst zum Heiden. Dieser unstrittige Beleg kann auch die voreilige Versicherung des Ammianus richtig stellen, welcher annimmt, dass Konstantinopel der Ort war, an welchem er seine Neigung zu den Göttern entdeckte. und zugleich wurden sie von allen Sondergesetzen und willkürlichen Schikanen befreit, welche man unter der Herrschaft des Constantin und seiner Söhnen für sie ausgeheckt hatte. Zugleich wurden die Bischöfe und Kleriker, die von dem arianischen Herrscher verbannt worden waren, zurückgerufen und neuerlich in ihre jeweiligen Ämter eingesetzt; die Donatisten, die Novatianer, die Makedoner, die Eunomianer und die, welche infolge eines günstigen Geschickes zufällig die Doktrin des nikäischen Konzils bekannten.

Julian verstand ihre theologischen Dispute und verlachte sie; er lud die Anführer der verfeindeten Sekten zu sich in den Palast, da er sich von ihren bitteren Wortgefechten unterhaltsame Zerstreuung erwartete. Das Gelärme ihrer Diskussion veranlasste den Herrscher schon bald zu dem Ausruf: ›Höret mich! Die Franken haben auf mich gehört, und die Alamannen!‹; aber schon bald wurde er inne, dass er sich auf einen hartnäckigeren und unversöhnlicheren Feind eingelassen hatte; und obgleich er alle Künste der Beredsamkeit aufwandte, um sie zu überreden, in Eintracht oder doch wenigstens in Waffenruhe miteinander zu leben, war er doch heilfroh, dass er zumindest von der Einigkeit der Christen nichts zu befürchten hatte. Der sachliche Ammianus hat diese bemühte Milde seinem Wunsch zugeschrieben, die Spaltung der Kirche weiter voran zu treiben; und dieser arglistige Plan, die Fundamente des Christentums zu unterhöhlen, stand in unauflöslichem Zusammenhang mit Julians Bestreben, die alte Religion des Reiches wieder herzustellen. Ammianus 22,5; Sozomenes, 5,5. ›Bestia moritur, tranquillitas redit . . . omnes episcopi qui de propriis sedibus fuerant exterminati per indulgentiam novi principis ad ecclesias redeunt.‹ [Die Bestie ist tot, Ruhe kehrt ein, alle ihres Sitzes enthobenen Bischöfe kehren durch die Huld des neuen Fürsten zurück in die Kirche]. Hieronymus adversus Luciferianos, Opera, Band 2, p. 143. Optatus beschuldigt die Donatisten, sie hätten ihre Sicherheit einem Apostaten zu danken (De schismatem Donatistarum 2,16)..

 

WIEDERHERSTELLUNG DER HEIDNISCHEN RELIGION

Sobald er den Thron bestiegen hatte, übernahm er -ganz nach den Gepflogenheiten seiner Vorgänger- das Amt des obersten Pontifex; dies nicht nur, weil es die angesehenste Stellung seines kaiserlichen Berufes war, sondern weil es ein heiliges und wichtiges Amt war, dessen Pflichten zu erfüllen er sich mit frommen Eifer vorgesetzt hatte. Da ihn die Regierungsaufgaben davon abhielten, tagtäglich den öffentlichen Götterdiensten seiner Untertanen in Person beizuwohnen, weihte er der Sonne, seiner Titulargottheit, eine Privatkapelle; seine Gärten waren mit Statuen und Altären der Gottheiten bestückt; und jedes Zimmergelass im Palast erweckte den Eindruck eines prachtvollen Tempels. Jeden Morgen begrüßte er den Vater des Lichtes mit einem Opfer; versank die Sonne hinter dem Horizont, wurde ein weiteres Opfer dargebracht; und auch der Mond, die Sterne und die Genien der Nacht erhielten ihre jeweiligen angemessenen Ehrungen von Julians nimmer ermüdender Anbetung. An hohen Feiertagen besuchte er regelmäßig den Tempel des Gottes oder der Göttin, denen dieser Tag gewidmet war, und er unternahm es, durch seinen eigenen vorbildlichen Eifer die religiösen Empfindungen der Magistrate und des Volkes zu beleben.Er begnügte sich nicht mit der abgehobene Stellung eines Monarchen, den der Purpur zierte und die goldenen Schilde seiner Leibwachen schirmten; Julian unterzog sich mit devotem Eifer der niedrigsten Dienste, die der Dienst an den Götter erforderte. Inmitten der geweihten, aber ausgelassenen Schar der Priester, untergeordneter Diener, Tänzerinnen, die für den Dienst im Tempel vorgesehen waren, brachte der Kaiser das Holz, fachte das Feuer, führte das Messer, schlachtete das Opfertier und riss, nachdem er seine blutigen Hände in die Eingeweide des verendenden Tieres getaucht hatte, Herz oder Leber heraus und las mit der eingeweihten Kenntnis des Haruspex die unsichtbaren Hinweise auf künftige Ereignisse.

Die intelligenteren unter den Heiden tadelten diesen aufgesetzten Aberglauben, dem jeder Geist und jeder Anstand abging. Unter diesem Herrscher, der durchaus sparsam mit Geld umzugehen pflegte, bildeten die Ausgaben für religiöses Leben einen beträchtlichen Haushaltsposten; so wurden beständig die seltensten und schönsten Vögel aus entfernten Weltgegenden nachgeliefert, nur um auf den Altären der Götter zu bluten; oft wurden von Julian an einem einzigen Tage einhundert Ochsen geopfert; und es wurde zum verbreiteten Witzwort, dass nach der Rückkehr von dem Perserfeldzug, wenn er denn erfolgreich verlaufen sei, das Hornvieh unfehlbar ausgerottet werden würde. Aber diese Ausgabe scheint vernachlässigbar angesichts der Masse an Geschenken, die durch den Herrscher persönlich oder auf seine Anordnung an den verschiedenen geheiligten Stätten des römischen Reiches den Göttern dargebracht wurden; und auch angesichts der Ausgaben, die für Reparatur und Instandsetzung der alten Tempel anfielen, welche im Laufe der Zeit oder durch jüngere christliche Raubsucht gelitten hatten. Ermutigt durch das Beispiel, die Aufmunterungen und die Freigebigkeit ihres frommen Herrschers, nahmen die Gemeinden und Familien ihre lange vernachlässigten Zeremonien wieder auf. ›Jeder Ort der Welt,‹ so Libanius mit gläubiger Begeisterung, ›stellte ohne Gefahr oder Furcht den Sieg der Religion zur Schau; und ebenso den erhebenden Anblick von rauchenden Altären, blutenden Opfertieren, von Räucherwerk und von Prozessionen der Priester und Propheten; noch auf den höchsten Bergen waren Gebete und Musik zu hören; und ein und derselbe Ochse diente als Opfer für die Götter und als Mahl für ihre fröhlichen Bekenner.‹ Die Restauration des Heidentums wird beschrieben von: Julian (Misopogon p. 346); Libanios (Oratio parentalis 60 und Oratio consularis ad Iulianum, p. 245f.); Ammianus (22,4); Gregor von Nazianz (Orationes 4). Diese Autoren schildern die wichtigsten, aber auch die nebensächlichen Umstände übereinstimmend; aber es wird in der Abstufung von Eigenlob, ergebener Bewunderung, sanftem Tadel bis hin zu parteiischer Hetze erkennbar, in welch' unterschiedlichem Licht sie die außerordentliche Religiosität Julians sehen.

 

REFORMATION DES HEIDENTUMS

Gleichwohl reichten das Genie und die Tatkraft des Julian nicht hin, erneut eine Religion zu etablieren, welcher theologische Grundlagen, moralische Vorschriften und Kirchenzucht abgingen; welche rasch zerfiel und zerbrach und vollkommen reformunfähig war. Die Rechtsprechung des obersten Pontifex erstreckte sich, zumal nach der Vereinigung dieses Amtes mit der Kaiserwürde, über das römische Reich in seiner gesamten Ausdehnung. Zu seinen Vikaren in den einzelnen Provinzen ernannte Julian Priester und Philosophen seines besonderen Vertrauens, von denen er tätige Mitarbeit bei der Durchführung seines großen Vorhabens an ehesten erwarten konnte; und seine Hirtenbriefe, Siehe Julian, Briefe 49, 62, und 63, sowie ein langes und bemerkenswertes Fragment ohne Anfang und Schluss (p. 288–305). Der Oberpriester verlacht die mosaische Geschichte und die christliche Lehre, zieht die griechen Dichter den hebräischen Propheten vor und redet mit der Raffinesse eines Jesuiten die ›relative‹ Bilderverehrung schön. wenn denn dieser Ausdruck erlaubt ist, ermöglichen uns einen äußerst verblüffenden Einblick in seine Wünsche und Absichten.

So gibt er die Anweisung, dass in jeder Stadt der Priesterstand ohne Ansehen von Geburt und Vermögen nur aus solchen Männern bestehen dürfe, welche sich durch ihre Liebe zu den Göttern besonders auszeichneten. ›Wenn sie irgendeines Vergehens schuldig sind,‹ fährt er fort, ›dann sollen sie durch den vorsitzenden Pontifex bestraft und degradiert werden; solange sie aber in Amt und Würden sind, haben sie Anspruch auf den Respekt des Magistrates und des Volkes. Ihre Demut mögen sie durch die Schlichtheit ihrer äußeren Erscheinung zeigen; ihre Würde durch den Prunk ihrer heiligen Amtstracht. Wenn sie an der Reihe sind, ihre Pflicht vor dem Altar zu versehen, dürfen sie während der vorgesehenen Tage nicht den heiligen Tempelbezirk verlassen; noch sollen sie auch nur einen Tag ohne die Gebete und Opfer verstreichen lassen, welche sie zu des Staates und des Volkes Wohl darzubringen verpflichtet sind. Die Ausübung ihrer heiligen Pflichten macht fleckenlose Reine an Körper und Seele zur Bedingung; aber auch dann, wenn sie vom Tempeldienst zu den Obliegenheiten des täglichen Lebens entlassen sind, sollen sie sich vor ihren Landsleuten durch Wohlanständigkeit und Tugend auszeichnen. Niemals sollen sich die Priester der Götter in Kneipen oder Theatern blicken lassen. Er führe seine Gespräche in Züchten, seine Nahrung sei maßvoll und seine Freunde seien respektabel; und wenn er gelegentlich den Palast oder das Forum besucht, dann soll er dies lediglich tun, um als Fürsprecher derer aufzutreten, welche vorher vergeblich Gerechtigkeit oder Gnade für sich erfleht hatten. Seine Studien sollen zu der Heiligkeit seines Amtes passen. Frivole Erzählungen, Komödien oder Satiren gehören nicht in seine Bibliothek, die lediglich historische und philosophische Schriften enthalten möge. Den gottlosen Auffassungen der Epikureer und Skeptiker begegne er mit Ablehnung und Verachtung; Das Frohlocken Julians (ebd., p.301) über den Untergang dieser verruchten Sekten und ihrer Schriften mag noch zu seinem Priesteramt passen: aber eines Philosophen unwürdig ist der Wunsch, dass irgend eine Meinung oder irgend ein Argument, die zu der eigenen im unversöhnlichen Gegensatz steht, aus dem Gedächtnis der Menschheit verschwinden möge. aber mit Sorgfalt studiere er die philosophischen Systeme des Pythagoras, Platos und der Stoiker, welche übereinstimmend lehren, dass Götter seien; dass die Welt durch ihre Vorsehung geleitet wird; dass ihre Göttlichkeit der Ursprung jedes irdischen Wohlergehens ist; und dass sie für die menschliche Seele einen künftigen Zustand von Belohnung und Bestrafung bereithalten.‹

Der kaiserliche Hohepriester schärft er mit äußerstem Nachdruck die Verpflichtung zu Wohlwollen und Gastfreiheit ein; und er ermuntert den niederen Klerus, diese Praxis allgemein zu empfehlen; verspricht, ihrer Bedürftigkeit durch Schenkungen abzuhelfen; und verkündet schließlich seine Entschlossenheit, in jeder Stadt Hospitäler zu gründen, wo jeder Bedürftige ohne Ansehen seiner Nationalität oder seines Glaubens Aufnahme finden solle. Mit Neid blickte Julian auf die weisen und humanen Maßnahmen der christlichen Kirche; und er bekennt ganz unverblümt seine Absicht, die Christen des Beifalls und der Vorteile zu berauben, welche sie sich durch die ausschließliche Übung dieser Mild- und Wohltätigkeit erwürben. Er verbreitet sogar das Gerücht, dass die Christen unter dem Vorwand der Mildtätigkeit die Kinder ihrer Religion und ihren Eltern abspenstig machten, sie auf Schiffe brachten und ihre Opfer danach einem Leben in Armut und Sklaverei in fernen Ländern überließen (ebd. p.305). War dieser Anklagepunkt zu beweisen, dann wäre es seine Pflicht gewesen, zu strafen und nicht zu lamentieren. Der gleiche Nachahmungstrieb mochte den Herrscher auch bestimmt haben, verschiedene andere kirchliche Einrichtungen zu übernehmen, deren Nutzen und Bedeutung am Erfolg seiner Gegner abzulesen war. Wären aber diese Pläne tatsächlich umgesetzt worden, dann hätte diese gezwungene und unvollständige Kopie sich nicht als segensreich für das Heidentum, sondern ehrenhaft für das Christentum erwiesen. Gregor von Nazianz wird witzig, unterhaltsam und schlagfertig (Orationes 4, 115ff). Er bespöttelt die Torheit dieser vergeblichen Nachahmungen; und er geht höhnisch der Frage nach, welche religiösen oder theologischen Lehren man aus den griechischen Märchen ziehen könnte. Die Heiden, welche in aller Friedfertigkeit den Sitten ihrer Ahnen folgten, waren eher überrascht als erfreut über diesen Import fremden Brauchtums; und während seiner kurzen Regierungszeit hatte Julian denn auch mehrfach Gelegenheit, den mangelnden Eifer seiner eigenen Partei zu beklagen. Er klagt sogar einen seiner Pontifices der heimlichen Kumpanei mit christlichen Bischöfen und Presbytern an (Epistulae 62). [Ü.a.d.Griech.:…sah ich, dass bei uns die Götter stark vernachlässigt wurden....]. Epistulae 63.

 

NACHDENKEN ÜBER SEINE TITULARGOTTHEITEN

Die Begeisterung Julians bewirkte, dass er die Freunde Jupiters für seine persönliche Freunde und Glaubensbrüder ansah; und obgleich er das christliche Verdienst der Glaubenstreue mit Vorbedacht nur gering achtete, so bewunderte und belohnte er doch die edle Beharrlichkeit der Heiden, welche die Zuneigung ihrer Götter der ihrer Kaiser vorgezogen hatten. So rühmt er die Treue der Cerespriesterin Callixene, die doppelt so standhaft wie Penelope gewesen sei, und belohnt sie mit der Priesterschaft der phrygischen Gottheit zu Pessinus (Epistulae 21). Und er lobt die Festigkeit des Sopater von Hieropolis, der von Constantius und Gallus mehrfach zur › Apostasie‹' genötigt worden war. (Epistulae 27, p. 401). Wenn sie dann neben der Religion auch noch die Literatur der Griechen pflegten, erwarben sie sich einen zusätzlichen Anspruch auf Julians Freundschaft, da er auch die Musen unter seine Titulargottheiten rechnete. In der von ihm ausgeübten Religion waren Frömmigkeit und Gelehrsamkeit nachgerade Synonyme; [Ü.a.d.Griech.: Dieser aber glaubt, Vernunft sei mit der Heiligkeit der Götter verschwistert]. Oratio parentalis 77, p. 302 Dieser Gedanke wird oft und mit Nachdruck von Julian, Libanios und den Übrigen aus ihrer Gruppe vorgebracht. und eine Schar von Dichtern und Philosophen eilte, am kaiserlichen Hofe die verwaisten Posten der Bischöfe zu besetzen, welche aus der Naivität des Constantius ihren Vorteil gezogen hatten.

Seinem Amtsnachfolger waren die Bande der gemeinsamen Initiation heiliger als die der Blutsverwandtschaft: seine Günstlinge suchte er unter jenen Weisen, welche mit den Geheimwissenschaften der Zauberei und Wahrsagerei auf vertrautem Fuße standen; und jeder Betrüger, der die Geheimnisse der Zukunft zu enthüllen vorgab, durfte des Genusses irdischer Ehre und Überfülle versichert sein. Die imperiale Neugier und Leichtgläubigkeit, die auch jede Form der Wahrsagerei ausprobierten, werden von Ammianus (22,12) offen dargelegt. Den ersten Rang in dieser Hierarchie kaiserlicher Freunde hatte der Philosoph Maximos inne, den er mit unbegrenztem Vertrauen in seine Handlungen, seine Gedanken und seine religiösen Vorhaben einbezog, solange der Bürgerkrieg noch nicht entschieden war. Julian, Epistulae 38. Drei weitere Briefe (15, 16, 29) in gleichbleibend freundschaftlich-vertraulichem Stil sind an den Philosophen Maximos gerichtet.

Sobald Julian den Palast von Konstantinopel übernommen hatte, schickte er eine ebenso dringende wie ehrenhafte Einladung an Maximos, welcher damals im lydischen Sardes seinen Wohnsitz genommen hatte, zusammen mit Chrysanthios, dem Gefährten seiner Studien. Der gemäßigte und abergläubische Chrysanthios trug Bedenken, eine Reise anzutreten, welche nach den Erkenntnissen der Wahrsagekunst mit Vorzeichen von übelster Bedeutung belastet war: aber sein Gefährte, dessen Fanatismus von robusterem Zuschnitt war, setzte den Göttern so lange mit Fragen zu, bis er ihnen Zustimmung zu seinen und seines Herrschers Wünschen abgetrotzt hatte. Die Reise des Maximos durch die Städte Asiens war ein einziger Triumph philosophischer Eitelkeit; und die Magistrate wetteiferten geradezu miteinander darin, dem Freunde ihres Herrschers einen ehrenvollen Empfang zu bereiten. Julian hielt gerade vor dem Senat eine Rede, als er von der Ankunft des Maximos erfuhr. Sofort unterbrach der Kaiser seine Ausführungen, eilte, ihm zu begegnen, umarmte ihn zärtlich und führte ihn an der Hand mitten unter die Versammlung; woselbst er dann öffentlich von den Segnungen kündete, die er von den Unterweisungen des Philosophen erfahren habe.

Maximos Eunapios (Vita Sophistarum, Maximos, p. 77-79 und Chrysanthios, p. 147f.) hat diese Anekdote, welche er für die bedeutendsten Ereignisse des Zeitalters hielt, in allen Einzelheiten geschildert. Die Schwächen des Maximos werden offenherzig eingestanden. Seine Ankunft in Konstantinopel beschreiben Libanios (Oratio parentalis c.86) und Ammianus (22,7). erlangte schon bald das Vertrauen Julians, danach Einfluss auf seine Entwürfe, und unmerklich wurde er durch die Versuchungen des Kaiserhofes korrumpiert. Seine Kleidung ward prunkvoller, sein Benehmen hochfahrender, und unter einer der nachfolgenden Regierungen wurde er in einer peinliche Untersuchung zu erklären genötigt, auf welche Weise er, der Schüler Platos, denn in so kurzer, gesegneter Zeit eine solche, geradezu obszöne Menge Geldes angehäuft habe. Auch die anderen Philosophen und Sophisten, die eine Einladung Julians oder der Erfolg des Maximos an den Kaiserhof gelockt hatte, hatten Schwierigkeiten, ihre Unschuld oder ihr Ansehen zu bewahren. Chrysanthios, der sich geweigert hatte, Lydien zu verlassen, wurde Hohepriester in der Provinz. Sein vorsichtiger und maßvoller Umgang mit der Macht war für ihn nach der Revolution sehr hilfreich; er lebte in Frieden, während Maximos, Priscus und andere den Nachstellungen christlicher Minister ausgesetzt waren. Die Erlebnisse dieser schwärmerischen Sophisten möge man nachlesen bei Brucker, Historia philosophiae, Band 2, p. 281-293. Die großzügige Überlassung von Geld, Ländereien, Häusern reichte nicht hin, ihre Habgier zu beruhigen; und zu Recht erregte man sich, wenn man an ihre äußerste Armut zurückdachte und ihre selbstlosen Bekenntnisse. Immer konnte Julians durchdringender Verstand nicht getäuscht werden: aber es fiel ihm schwer, die Wesensart jener Männer zu verachten, deren Begabung seinen Respekt verdienten; ihm lag daran, dem doppelten Vorwurf der Unklugheit und der Unzuverlässigkeit zu entgehen; und zugleich trug er Bedenken, vor den Augen der Welt das Ansehen der Gelehrsamkeit und der Religion zu beschädigen. Siehe Libanios (Oratio parentalis 100f.) und Eunapios (Vita Sophistarum, Prohairesios p. 126). Einige Schüler, deren Erwartungen vielleicht unbegründet oder zu hochgesteckt waren, zogen sich missvergnügt zurück. (Gregor von Nazianz, Orationes 4, p. 120). Es ist schon merkwürdig, dass wir nicht imstande sein sollten, eine Kapitelüberschrift bei Tillemont (Histoire des empereurs, Band 4, p. 960) zu widerlegen: ›La Cour de Julien est pleine de philosophes et de gens perdus.‹ [Julian Hof ist voll gestopft mit Philosophen und mit Pack.]

 

ER BEKEHRT SOLDATEN ZUM HEIDENTUM

Julian verteilte seine Gunst zu annähernd gleichen Teilen auf die Heiden, die dem Glauben ihrer Väter treu geblieben waren und die Christen, welche mit kluger Berechnung den Glauben ihres Herrschers angenommen hatten. Proselytenmacherei Unter der Regierung Ludwig XIV. strebten seine Untertanen nach dem ruhmreichen Titel eines Convertisseur, der ihren Eifer und ihren Erfolg im Proselytenmachen bezeichnete. Das Wort und die damit verbundene Einstellung verschwinden allmählich aus Frankreich; mögen in England beide niemals Einlass finden! war die alles beherrschende Richtschnur seiner Seele, seines Aberglaubens und seiner Eitelkeit; und man hörte, wie er mit missionarischem Feuer verkündete, dass er, selbst wenn er jeden Untertan reicher als Midas und jede Stadt größer als Babylon gemacht hätte, sich solange nicht als Wohltäter der Menschheit ansehen würde, solange er nicht seine Untertanen von ihrem gottlosen Aufbegehren gegen die unsterblichen Göttern abgebracht habe. Siehe die bitteren Worte des Libanios, die wohl Julians eigene waren. Oratio parentalis 59. Ein Herrscher, der die menschliche Natur kennen gelernt hatte und der über die Schätze des römischen Reiches verfügte, konnte seine Gedankengänge, seine Versprechen und seine Belohnungen jedem christlichen Brauch anpassen; Wenn es Gregor von Nazianz darum geht, (Orationes 10) die christliche Standhaftigkeit seines Bruders Caesarius, eines Hofarztes, zu vergrößern, dann gesteht er zu, dass Caesarius es mit einem fürchterlichen Gegner zu tun hatte, [Ü.a.d.Griech.: in Waffen stark und groß in der Worte Gewalt]. Wenn er ihn verlästern will, gesteht er dem Abtrünnigen nicht den geringsten Witz oder Mut zu. und erfolgte der Glaubensübertritt nur zur rechten Zeit, so glich dies die charakterlichen Defizite des Kandidaten aus, und wäre er auch mit der Schuld eines Verbrechers beladen.

Da nun die Armee die mächtigste Waffe der absoluten Macht ist, unterließ Julian es nicht, seine besondere Aufmerksamkeit der Religion seiner Truppen zu widmen, da ohne deren von Herzen kommenden Zustimmung jede Maßnahme misslich und erfolglos bleiben musste; und die naturgegebene Gemütsverfassung der Soldaten machte seinen Sieg auf diesem Felde ebenso leicht, wie er andererseits wichtig war. Die gallischen Legionen etwa bekannten sich zum Glauben ihres erfolgreichen Feldherrn ebenso wie zu seinem Glück; und noch vor dem Tode des Constantius konnte er seinen Freunden mit Genugtuung mitteilen, dass sie mit glühender Verehrung und heißem Appetit an den Opfern von Hekatomben fetter Ochsen teilnahmen, die er des öfteren in seinem Lager darbrachte. Julian, Epistulae 38; Ammianus 22,12. ›Adeo ut in dies paene singulos milites carnis distentiore sagina victitantes incultius, potusque aviditate correpti, humeris impositi transeuntium per plateas, ex publicis aedibus . . . ad sua diversoria portarentur. [...so sehr, dass alle Tage einzelne Soldaten, zum Bersten voll durch die Fleisches-Mast und dem Trunke verfallen, zufälligen Passanten auf die Schultern gepackt und aus öffentlichen Gebäuden in ihre Kasernen getragen werden mussten]. Der fromme Herrscher und der idignierte Historiker beschreiben dieselbe Szenerie, doch auch in Illyrien und Antiochia müssen ähnliche Ursachen ähnliche Wirkungen hervorgebracht haben.

Die Legionen des Ostens, die unter dem Kreuze und unter Constantius ihre Ausbildung erfahren hatten, verlangten nach einer kunstvolleren und kostspieligeren Form der Bekehrung. An hohen öffentlichen Festtagen empfing der Herrscher die Huldigung der Truppen und sprach zugleich Belobigungen aus. Sein Thron war von den militärischen Insignien Roms und der Republik umgeben; der heilige Name Christi war aus dem labarum entfernt; und diese Symbole des Krieges, der Majestät und des heidnischen Aberglaubens waren so geschickt arrangiert, dass der gläubige Untertan die Schuld der Götzenverehrung auf sich lud, wenn er die Person oder das Bild seines Herrschers mit allem Respekt auch nur grüßte. So wurde nun Heerschau gehalten; und jeder Soldat musste, bevor er aus der Hand Julians ein seinen Verdiensten oder seinem Rang entsprechendes Donativ erhielt, ein paar Brocken Weihrauch in die Flammen werfen, welche auf dem Altar räucherten. Einige christliche Bekenner mochten sich wohl weigern, und andere Reue empfinden; aber die Mehrzahl, geblendet durch den Anblick des Goldes und beeindruckt durch die Anwesenheit ihres Herrschers, ging auf diesen üblen Handel ein; und auch die fernere Anbetung der Götter lag in ihrem ureigensten Interesse. Durch häufige Wiederholung dieser Kunstgriffe und mit einer Summe Geldes, mit der man die halbe skythische Nation hätte anwerben können, sicherte Julian den Schutz der Götter für seine und für sich selbst die zuverlässige und wirkungsvolle Unterstützung der römischen Legionen. Gregor (Orationes 4,65 und 82ff) und Libanios (Oratio parentalis 81f., p. 307f). [Ü.a.d.Griech: Hinsichtlich dieses Eifers werde ich mich nicht weigern, beträchtliche Mittel einzusetzen]. Der Sophist räumt die Kosten dieser militärischen Bekehrung ein und rechtfertigt sie auch. Es ist in der Tat mehr als wahrscheinlich, dass die Restauration des Heidentums zahlreiche Scheinchristen offenbarte, welche um äußerer Vorteile willen sich mit der Religion der früheren Herrscher arrangiert hatten; und welche danach mit der gleichen Schmiegsamkeit des Gewissens zu dem Glauben zurückkehrten, den die Nachfolger Julians bekannten.

 

TEMPEL VON JERUSALEM NEU ERBAUT

Während der götterfürchtige Monarch unverdrossen an der Restauration und der Verbreitung des Glaubens seiner Väter arbeitete, fasste er zugleich den außergewöhnlichen Beschluss, den Tempel von Jerusalem wieder aufzubauen. In einem offenen Brief Julians Brief (25) ist an die jüdische Gemeinde adressiert. Aldus (Ausgabe Venedig 1499) kennzeichnet ihn mit dem Zusatz [Ü.a.d.Griech.: falls echt], welcher Vorbehalt indessen von den späteren Herausgebern Petavius und Spanheim getilgt wurde. Sozomenes erwähnt 5,22 den Brief, Gregor (Orationes 4) und Julian selbst bestätigen den Inhalt. (Fragment p.295). an die Nation und die Gemeinden der Juden in den verschiedenen Provinzen bedauert er ihr Unglück, verflucht ihre Unterdrücker, rühmt ihre Glaubensstärke, erklärt sich selbst zu ihrem großherzigen Beschützer und äußert die fromme Hoffnung, dass nach der Rückkehr von dem Perserfeldzug er in des Allmächtigen heiliger Stadt Jerusalem seine Gelübde einlösen dürfe. Der blinde Aberglauben und die elende Lage dieser unglückseligen Vertriebenen mochte dem philosophischen Herrscher verächtlich vorkommen; aber durch ihren unverwelklichen Hass gegen alles Christliche verdienten sie sich Julians Zuwendung. Die Synagogen in ihrer Dürre blickten mit Scheelsucht auf die blühende abtrünnige Kirche: aber der Einfluss der Juden war kleiner als ihre Missgunst; noch ihre einflussreichsten Rabbis hießen den privaten Mord an einem Abtrünnigen gut; Die Mischna drohte denen den Tod an, die den Grund des Heils verlassen hatten. Diese Verdammung aus Glaubenseifer erläutern Marsham (Chronicus Canon, p. 161f.) und Basnage (Histoire des Juifs, Band 8. P. 120). Constantin erließ ein Gesetz zum Schutz der vom Judentum abgefallenen Christen. Codex Theodosianus 16,8,1, Gothofredus Band 6, p. 215. und ihr aufsässiges Lärmen hatte oftmals die Geduld der heidnischen Magistrate erschöpft. Unter der Herrschaft der Constantine wurden die Juden Untertanen ihrer abtrünnigen Kinder, der Christen, und bald darauf erfuhren sie die Bitterkeit einer Tyrannei im eigenen Lande. Ihre bürgerlichen Rechte, die Severus ihnen gegeben oder wenigstens bestätigt hatte, wurden durch die christlichen Herrscher schrittweise zurückgenommen; und ein Aufstand der Juden in Palästina ›Et interea‹ (während des Bürgerkrieges gegen Magentius) Judaeorum seditio, qui Patricium nefarie in regni speciem sustulerunt, oppressa. [Und inzwischen war der Aufstand der Juden unterdrückt, welche den Patricius ruchlos auf den Thron erhoben hatten]. Aurelius Victor,Constantio 42. Siehe Tillemont. Histoire des Empereurs, 4, p. 379, Quart. rechtfertigte im Nachhinein die einträglichen Methoden der Unterdrückung, die die Bischöfe und Eunuchen am Hofe des Constantius ausgesonnen hatten. Der jüdische Patriarch, der immer noch die Rechtsprechung auf Widerruf ausüben durfte, hatte seinen Amtssitz in Tiberias; Stadt und Synagoge von Tiberias werden von Reland, Palaestina, Band 2, p. 1036–42 anregend beschrieben. und in den Nachbarstädten Palästinas wohnten immer noch Menschen, die mit Inbrunst an das gelobte Land glaubten. Aber das Edikt Hadrians wurde erneuert und bekräftigt; und von Ferne nur sahen sie die Mauern der heiligen Stadt, welche in ihren Augen entweiht war durch den Sieg des Kreuzes und die Gottesdienste der Christen. Basnage hat die Situation der Juden unter Constantin und seinen Nachfolgern ausführlich dargestellt (Band 8, p.111–153).

 

PILGER BESICHTIGEN CHRISTLICHE RELIQUIEN

Inmitten eines felsig-unfruchtbaren Landes umschlossen die Mauern Jerusalems Reland (Palaestina, Buch 1, p. 309 und 390; Buch 3, p. 838) beschreibt Jerusalem und das Umland kenntnisreich und anschaulich. die beiden Berge Zion und Akra, wobei sie einen ovalen Grundriss von drei englischen Meilen bildeten. Ich habe hierzu eine schwer erhältliche und lesenswerte Abhandlung von Herrn d'Anville (›Über das alte Jerusalem‹) heran gezogen. Der Umfang der alten Stadt (Eusebios, Praeparatio evangelica 9, 36) betrug 27 Stadien oder 2550 toises. Ein an Ort und Stelle aufgenommener Stadtplan ergibt allerdings nicht mehr als 1980 für die heutige Stadt. Der Umfang ist durch natürliche Gegebenheiten festgelegt, welche eindeutig sind und auch nicht entfernt werden können. Nach Süden hin wurden Oberstadt und die Burg Davids auf der luftigen Anhöhe des Zion-Berges errichtet; nach Norden hin bedeckten die Gebäude der Unterstadt den umfangreichen Gipfel des Akra-Berges; und einen anderen Teil des Hügels, der einen eigenen Namen -Moriah- trug und der durch menschliches Zutun eingeebnet war, krönte der herrliche Tempel des jüdischen Volkes.

Nach dessen endgültigen Zerstörung durch Titus' und Hadrians Waffen wurde der heilige Grund unter den Pflug genommen zum Zeichen ewigen Verbotes. Zion ward aufgegeben; und der leere Boden der Unterstadt wurde mit privaten und öffentlichen Häusern der aelischen Kolonie bebaut, welche sich dann auch noch über den benachbarten Kalvarienberg ausbreitete. Götzenbilder entweihten die heiligen Orte; und ein Venustempel wurde, sei es durch Zufall oder aus Absicht, genau an jener Stelle errichtet, welche durch den Tod und die Auferstehung Christi heilig war. Siehe zwei bemerkenswerte Stellen bei Hieronymos (Band 1, p. 102 und Band 4, p. 315) und die reichlichen Einzelheiten bei Tillemont (Histoire des empereurs, Band 1, p. 569 und Band 2, p. 289 und 294, Quartausgabe). Etwa dreihundert Jahre nach jenen wunderbaren Ereignissen wurde der Venustempel auf Anordnung Constantins eingerissen; und da die Erde und die Steine entfernt waren, wurde das Heilige Grab den Menschen wieder sichtbar. Eine herrliche Kirche wurde auf jenem mystischen Grunde vom ersten christlichen Herrscher errichtet; und diese fromme Freigebigkeit erstreckte sich auf jeden Flecken, welcher heilig war durch Spuren der Patriarchen, der Propheten und des Gottessohnes. Eusebios, Vita Constantini 3,25–47 und 51ff. Ebenso ließ der Kaiser Kirchen in Bethlehem und auf dem Ölberg errichten. Das Heilige Grab wird beschrieben von Sandys (Travels, p. 125–33) und von de Bruyn (Vayage au Levant, p 288–96) sorgfältig gezeichnet.

 

WALLFAHRTEN

Das drängende Verlangen, sich in die Betrachtung der Gedenkstätten ihrer Erlösung zu versenken, zog eine wachsende Menge von Pilgern nach Jerusalem, von den Atlantikküsten angefangen bis hin in den äußersten Osten; Das Reisehandbuch von Bourdeaux nach Jerusalem zum Nutzen der Pilger wurde im Jahre 333 verfasst; unter ihnen erwähnt Hieronymus (Opera, Band 1, p. 126) besonders die Briten und Inder. Die Ursache für diese abergläubische Modeerscheinung wird von Wesseling, Itineraria (p. 537–45) in einer gelehrten und ausgewogenen Vorrede diskutiert. ihre Frömmigkeit erhielt zusätzliche Weihe durch das Vorbild der Kaiserin Helena, in welcher sich die Leichtgläubigkeit des Alters mit den Wallungen der soeben vollzogenen Bekehrung vereinten. Gelehrte und Heroen, die die Gedenkstätten antiker Weisheit oder Ruhmes aufgesucht hatten, bekannten die Beseelung, die der genius loci Cicero (De Finibus 5,1) hat den gesunden Menschenverstand mit vieler Anmut definiert. auf sie ausübte; und der Christenmensch, der vor dem Heiligen Grabe anbetete, schrieb seinen lebendigen Glauben und seine glühende Verehrung dem unmittelbaren Einfluss des göttlichen Geistes zu. Dem Glaubenseifer und wohl auch der Habgier des Klerus von Jerusalem waren diese wohltätigen Besuche durchaus lieb, und er förderte sie. Eine unumstößliche Tradition legte den genauen Schauplatz für jedwedes denkwürdige Ereignis fest. Sie stellten die Werkzeuge zur Schau, die während des Leidens Christi benutzt worden waren; die Nägel und die Lanze, die seine Hände, seine Füße und die Seite durchbohrt hatten; die Dornenkrone, die man ihm auf das Haupt gedrückt hatte, die Säule, an der man ihn gegeißelt hatte; und als Krönung des Ganzen zeigten sie das Kreuz, an dem er gelitten hatte und welches man genau dann ausgegraben hatte, als es als Symbol des Christentums in die Feldzeichen der römischen Legionen eingeritzt wurde. Baronius (Annales ecclesiastici, A.D. 326, Nr. 42–50) und Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 7, p. 8-16) sind die Historiker und Meister der wundersamen Erfindung des Kreuzes zur Zeit des Constantin. Ihre ältesten Zeugen sind Paulinus, Sulpicius Severus, Rufinus, Ambrosius und vielleicht noch Cyrillos von Jerusalem. Das Schweigen des Eusebios und der Pilger von Bordeaux erfreut die, die gerne selber denken und stürzt die in Verlegenheit, welche lieber glauben. Man sehe auch Jortins durchdachte Anmerkungen in seinen Remarks on Ecclesiastical History (Band 2, p. 238-248).

Die Wunder, die zu seiner unbegreifliche Konservierung und zeitlich passenden Wiederentdeckung vorausgesetzt werden mussten, wurden ohne Widerrede geglaubt. Die Aufsicht über das wahre Kreuz, welches an Ostersonntagen in einem feierlichen Rahmen dem Volke gezeigt wurde, lag in den Händen des Bischofs von Jerusalem; und nur er durfte seiner seltsamen Verehrung durch die Pilger Genüge tun, denen er kleine Späne schenkte und die sie dann in Gold oder Edelsteine fassten und im Triumph in ihre Heimat brachten. Da nun aber dieser einträgliche Andenkenhandel aus natürlichen Gründen hätte rasch zum Erliegen kommen müssen, hielt man es für angebracht, dass das wundertätige Holz über eine heimliche Wachstums-Kraft verfüge; und dass seine Substanz, obschon beständig verkleinert, weiterhin vollständig und unvermindert blieb. Diese Vermehrung wird uns von Paulinus bestätigt (Epistulae 36; siehe Dupin, Bibliothèque ecclésiastique, Band 3, p. 149), welcher eine rhetorische Figur von Cyrillos zu einer physikalischen Tatsache gemacht zu haben scheint. Das gleiche übernatürliche Vorrecht muss dann aber auch der Jungfrauen-Milch zuteil geworden sein (Erasmus, Colloquium de peregrinatione religionis, Opera, Band 1, p. 778), den Köpfen der Heiligen und noch anderen Reliquien, welche sich in so vielen verschiedenen Kirchen immer wieder finden.

Man hätte nun annehmen können, dass die Heiligkeit eines Platzes und der Glaube an ein Dauer-Wunder sich heilsam auf Moral und Glauben des Volkes ausgewirkt hätten. Aber selbst die angesehensten Kirchenschriftsteller sahen sich zu dem Eingeständnis genötigt, Hieronymos (Opera Band 1, p. 103), der im benachbarten Bethlehem lebte, schildert die Laster von Jerusalem aus seiner persönlichen Erfahrung. dass die Straßen von Jerusalem beständig mit dem Lärm der Händler und der Spaßmacher angefüllt waren und dass das Laster in allen seinen Spielarten, dass Ehebruch, Diebstahl, Bilderverehrung, Giftmischerei und Mord den Bewohnern der heiligen Stadt durchaus geläufig waren. Gregorius von Nyssa, bei Wesseling, Itineraria, p. 539. Der ganze Brief, welcher die Sitte und die Unsitte religiöser Fahrten verurteilt, ist katholischen Gottesgelahrten schmerzlich zu lesen, während er unseren protestantischen Glaubenskämpfern lieb und wert ist. Der Reichtum und die gehobene Stellung der Kirche von Jerusalem weckte die Gelüste arianischer und auch rechtgläubiger Bewerber; und die Tugenden eines Cyrillos, dem nach seinem Tode der Titel eines Heiligen zuerkannt wurde, äußerten sich in der Ausübung und weniger in der Erlangung seiner bischöflichen Würde. Er widerruft seine Ordinierung nach orthodoxem Ritus, als er den Rang eines Diakons innehatte, und wurde von arianischer Hand neuerlich ordiniert. Aber danach wandelte Cyrillos seine Auffassung allmählich noch einmal und fügte sich in kluger Weise dem nicäischen Glaubensbekenntnis. Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 8) der sein Andenken mit zärtelnder Ehrfurcht behandelt, hat seine Tugenden im Text ausgebreitet und seine Verfehlungen in das schickliche Halbdunkel der Anmerkungen am Schluss des Bandes verbannt.

 

EIN JÜDISCHER TEMPEL NEBEN DEM KREUZESWEG

Julian mochte in seinem Ehrgeiz darnach trachten, den vergangenen Ruhm des Tempels von Jerusalem zu erneuern ›Imperii sui memoriam magnitudine operum gestiens propagare.‹ […im Wunsche, die Erinnerung an seine Regierung durch großmächtige Bauten zu mehren] Ammian. 23,1. Der Tempel von Jerusalem war sogar unter den Heiden berühmt. Sie hatten deren viele, in jeder Stadt (in Sichem 5, in Gaza 8, in Rom gar 424); aber die Pracht und die Religion des jüdischen Volkes war auf eine einzige Stelle zentriert. Und da es für die Christen zuversichtliche Gewissheit war, dass das ganze Gebäude des mosaischen Gesetzes infolge göttlichen Beschlusses für immer zugrunde gegangen war, hätte der kaiserliche Sophist den Erfolg seines Unternehmens zu einem handfesten Argument gegen den Glauben an die Propheten und gegen die Wahrheit der Offenbarung machen können. Die heimlichen Entwürfe des Julian werden durch den verstorbenen Bischof von Gloucester enthüllt, den gelehrten und glaubensstarken Warburton; welcher mit der Autorität eines Theologen die Motive und das Verhalten eines obersten Seienden festsetzt. Sein Essay mit dem Titel Julian (2. Auflage, London 1751) trägt unverkennbar die Besonderheiten, die man der Schule Warburtons nachsagt. Ihm missfiel der Dienst in der Synagoge; aber er billigte die Vorschriften Moses', welcher sich nicht zu schade gewesen war, viele Riten und Zeremonien Ägyptens zu übernehmen. Ich verschanze mich an dieser Stelle hinter Maimonides, Marsham, Spencer, Le Clerc, Warburton und anderen, welche die Ängste, die Torheiten und die Irrtümer mancher abergläubischer Theologen verhöhnt haben. Siehe Warburton, Divine legation, Band 4, p. 25ff. Der lokale und nationale Gott der Juden wurde von einem Polytheisten, der nur die Zahl der Götter vermehren wollte, aufrichtig verehrt; Julian nennt ihn respektvoll ›Großer Gott‹ und erwähnt ihn an anderer Stelle mit noch größerem Respekt (Epistulae 63). Die Christen verurteilt er aus zwei Gründen: dafür, dass sie die Religion der Juden glaubten und zugleich zurückwiesen. Und: ihre Gottheit war der ›wahre‹, aber nicht der ›einzige‹ Gott.; und so groß war Julians Lust auf Blutopfer, dass er sich von Salomons Frömmigkeit angespornt fühlte, welcher am Tage der Tempelweihe immerhin zweiundzwanzigtausend Ochsen und einhundertundzwanzigtausend Schafe hatte opfern lassen. Könige 1, 8,63; Chronik 2,7,5; Iosephos, Antiquitates Iudaica 8,4. Da der Rauch und das Blut so vieler Hekatomben unpassend erscheinen könnten, entfernt der christliche Rabbi Lightfoot sie mit Hilfe eines Wunders, Le Clerc (ad loca) ist kühn genug, die Zuverlässigkeit der Zahl zu bezweifeln.

Dies alles könnte auf seine Pläne eingewirkt haben; aber die Aussicht auf einen unmittelbaren und wichtigen Vorteil verstellte dem ungeduldigen Monarchen nicht den Blick auf den bevorstehenden, ungewissen Perserkrieg. So beschloss er, ohne Verzug auf der beherrschenden Höhe des Berges Morija einen prachtvollen Tempel zu errichten, welcher vielleicht sogar den Glanz der Auferstehungskirche auf dem benachbarten Kalvarienhügel zu verdunkeln imstande war; eine Priestervereinigung ins Leben zu rufen, deren durch Glauben befeuerter Eifer die Ränke ihrer christlichen Rivalen ausspähen und ihre Bestrebungen dämpfen könnte; und endlich eine zahlenstarke Kolonie Juden anzusiedeln, deren strenger Fanatismus sich immer vorbereitet finden würde, die feindlichen Maßnahmen einer heidnischen Regierung nicht nur zu unterstützen, sondern sogar noch vorwegzunehmen.

Unter den Freunden des Kaisers (wenn denn die Substantive Kaiser und Freund überhaupt kompatibel sind) wurde die erste Stelle, und zwar durch Julian persönlich, dem brillanten und gelehrten Alypius zugewiesen. Julian, Epistula 29f. La Bléterie hat es unterlassen, den zweiten Brief zu übersetzen. Seiner Menschlichkeit hielten ein strenger Gerechtigkeitssinn und mannhafte Seelenstärke die Waage; und während er diese Begabungen bei der Zivilverwaltung Britanniens bewährte, empfand er in seinen Gedichten die Harmonie und den Schmelz sapphischer Oden nach. Dieser Minister nun also, den Julian ohne Einschränkung an seinen frivolsten und seinen ernsthaftesten Gedanken teilhaben ließ, erhielt den außergewöhnlichen Auftrag, den Tempel von Jerusalem in seiner vormaligen Schönheit wiederaufzubauen; und die planende Umsicht des Alypius erbat und erhielt die tätige Unterstützung des Provinzverwalters von Palästina. Ihr großer Befreier rief, und die Juden aus allen Provinzen versammelten sich auf dem Heiligen Berge ihrer Väter; ihr Triumphlärm aber schreckte die Christenmenschen von Jerusalem auf und ärgerte sie. Die Sehnsucht, den Tempel wieder zu errichten, war zu allen Zeiten der beherrschende Gedanke der Kinder Israel gewesen. In dieser glückverheißenden Stunde vergaßen die Männer ihre Habsucht und die Weiber ihre Feinfühligkeit; die Eitelkeit der Reichen stellte Spaten und Hacken aus Silber bereit, und der Schutt wurde in Mänteln aus Seide und Purpur fortgeschafft. Jede Börse öffnete sich freigebig, jede Hand fasste mit an bei dem frommen Werk; und die Begeisterung eines ganzen Volkes führte die Anordnungen eines großen Monarchen aus. Über Glaubenseifer und Unduldsamkeit der Juden siehe Gregor von Nazianz (Orationes5,4) und Theodoretos (3,20).

 

DAS VORHABEN WIRD AUFGEGEBEN

Doch erwiesen sich bei dieser Gelegenheit die vereinten Anstrengungen von Macht und Begeisterung als unzureichend; der Boden des jüdischen Tempels, auf dem heute eine mohammedanische Moschee Erbaut von Omar, dem zweiten Kalifen, der im Jahre 644 starb. Diese großartige Moschee steht in vollem Umfang auf dem heiligen Boden des jüdischen Tempels und nimmt ein Viereck von fast 760 toises oder den Umfang von einer römischen Meile ein. Siehe d'Anville, Jerusalem p. 45. steht, bot nach wie vor den gleichen sinistren Aspekt von Untergang und Zerstörung. Vielleicht waren es die Abwesenheit und der frühe Tod des Kaisers sowie die neugefassten Grundsätze der nachfolgenden christlichen Regierungen, mit denen man die Unterbrechung dieses ehrgeizigen Vorhabens erklären kann, eines Vorhabens, welches nur während der letzten sechs Lebensmonate Julians Fortschritte machte Ammianus nennt zunächst die Konsuln des Jahres 363, bevor er fortfährt, die Gedanken Julians zu erzählen. ›Templum ...instaurare sumptibus ›cogitabat immodicis.‹ [Er plante, den Tempel...mit maßlosem Aufwand wieder herzustellen]. Warburton hat den heimlichen Wunsch, diesen Plan zeitlich nach vorne zu verlegen; aber er hat wohl auf Grund anderer Beispiele eingesehen, dass die Durchführung eines solchen Werkes viele Jahre in Anspruch nimmt.

Aber die Christen hegten die naheliegende und fromme Erwartung, dass ein bedeutendes Wunder die Ehre ihrer Religion retten müsse. So bestätigen einige zeitgenössische und anerkannte Autoren. Die Reihe der Zeugen -Sokrates, Sozomenos, Theodoretos, Philostorgios u.a.- liefern mehr Widersprüche als Zuverlässiges. Vergleiche die Einwürfe von Basnage (Histoire des juifs Band 8. P. 157-63) mit Warburtons Entgegnungen (Julian, p. 174-258). Der erfindungsreiche Bischof erklärt die wunderbaren Kreuze, die auf der Kleidung der Menschen erschien, mit einem vergleichbaren Fall und mit der natürlichen Wirkung des Blitzes. wenn auch in unterschiedlichen Lesarten, dass ein Erdbeben, ein Wirbelwind und eine Feuersbrunst über die Tempel-Neugründung hereingebrochen waren. Diese Ereignisse werden in einem Brief an den Kaiser Theodosius von Ambrosius, Ambrosius, Epistulae 40. Opera, Band 2, p. 649. Er schrieb diesen verbissenen Brief, (A.D. 388), um einen Bischof zu rechtfertigen, der von der Obrigkeit verurteilt worden war, weil er eine Synagoge angesteckt hatte. dem Bischof von Mailand, beschrieben, was ihm zuverlässig die geballte Abneigung der Juden eingebracht hat; sie werden ausgemalt durch die Beredsamkeit des Chrysostomos, Johannes Chrysostomos, Contra Iudaeos et gentiles. Opera, Band 1, p. 580; De Sancto Babyla, Band 2, p. 574. Ich habe mich der verbreiteten und naturgemäßen Auffassung angeschlossen, aber der gelehrte Benediktiner, der die Abfassungen dieser Predigten in das Jahr 383 verlegt, ist davon überzeugt, dass sie niemals von der Kanzel gehalten wurden. der sich auf das Gedächtnis der älteren Mitglieder seiner Kirchenversammlung berufen mochte; und endlich durch Gregor von Nazianz Gregor von Nazianz, Orationes 5,2ff. [Ü.a.d.Griech.: Das allbekannte und nicht nur von den Gottlosen beargwöhnte Wunder zu besprechen bin ich gekommen]. der seine Darstellung des Wunders noch vor Ablauf des Jahres publizierte. Der zuletzt genannte Zeuge erklärte mit gutem Mut, dass dieses übernatürliche Ereignis auch von den Ungläubigen nicht angezweifelt wurde; und seine Aussage, so befremdlich sie auch klingen mag, wird durch das unverwerfliche Zeugnis des Ammianus Marcellinus bekräftigt Ammianus 23,1: ›Cum itaque rei fortiter instaret Alypius, iuvaretque provinciae rector, metuendi globi flammarum prope fundamenta crebris assultibus erumpentes fecere locum exustis aliquoties operantibus inaccessum; hocque modo elemento destinatius repellente, cessavit inceptum.‹ [Als Alypius das Werk betrieb, unterstützt vom Provinzstatthalter, stießen aus den Fundamenten unversehens und wiederholt Feuerkugeln hervor, versengten sogar Bauwerker und machten den Ort unzugänglich; da sich das Element selbst auf solche Weise widersetzte, gab man das Vorhaben endlich auf].

Dieser Philosoph in Uniform, der die Tugenden seines Herren schätzte, ohne zugleich seine Vorurteile zu teilen, hat in seiner ausgewogenen und unparteiischen Geschichte seiner Zeit die außerordentlichen Schwierigkeiten festgehalten, die sich dem Wiederaufbau des Tempels von Jerusalem entgegenstellten. ›Während Alypius, unterstützt noch vom Provinzgouverneur, mit Nachdruck und Umsicht die Durchführung des Vorhabens vorantrieb, machten grässliche Feuerkugeln, die in der Nähe des Fundamentes häufig und wiederholt ausbrachen, die Baustelle für die verletzten und versengten Handwerker völlig unzugänglich; und da das siegreiche Element auf diese Weise hartnäckig und entschlossen fortfuhr, sie auf Distanz zu halten, wurde das Unternehmen aufgegeben.‹ Eine solche Autorität sollte ein gläubiges Gemüt zufrieden stellen, während es ein ungläubiges in Verwirrung stürzen muss. Aber ein denkendes Gemüt wird allemal das Zeugnis eines unparteiischen und intelligenten Zuschauers vorziehen. Bei einer so bedeutenden Gelegenheit wird jedes Naturereignis den Anschein eines echten Vorzeichens von böser Bedeutung erwecken und die entsprechende Wirkung hervorrufen. Dieses berühmte Vorkommnis dürfte dann durch die frommen Künste des Klerus von Jerusalem und die assistierende Leichtgläubigkeit der christlichen Welt vergrößert worden sein; und im Abstand von zwanzig Jahren kann dann ein römischer Historiker, unbekümmert um theologische Zänkereien, sein Werk mit diesem Wunderbericht ausschmücken. Dr. Lardner scheint der einzige christliche Gelehrte zu sein, der den Wahrheitsgehalt dieses berühmten Wunders zu bezweifeln sich unterfängt. (Jewish and heathen testimonies, Band 4, p. 47-71). Das Schweigen des Hieronymos könnte zu der Vermutung Anlass geben, dass ein und dieselbe Geschichte, welche sich in großem Abstand wunderbar ausnimmt, aus der Nähe lächerlich erscheint.

 

RELIGIONSFREIHEIT BLEIBT UNANGETASTET

Die Wiedererrichtung des jüdischen Tempels stand in einem unausgesprochenen Zusammenhang mit der Vernichtung der christlichen Kirche. Julian gewährte nach wie vor die Freiheit der Religionsausübung, wobei es keinen Unterschied machte, ob diese allgemeine Duldung eine Frucht seines Gerechtigkeitssinnes oder seiner Milde war. Zwar erkünstelte er Mitleid mit den armen Christenmenschen, welche bei der wichtigsten Angelegenheit ihres Lebens einen Fehlgriff getan hatten; aber sein Mitleid wurde durch Verachtung entwertet, und seine Verachtung durch Hass verbittert; und Julians wahre Gefühle kamen in einer Art von Sarkasmus zum Ausdruck, welcher tödlich verwundet, wenn er aus dem Munde des Herrschers kommt. Als er sich bewusst wurde, dass die Christen stolz waren auf den Namen ihres Erlösers, förderte er den Gebrauch des Schmähnamens Galiläer Gregor von Nazianz, Orationes 3. Dieses Gesetz erhielt zusätzliche Bestätigung dadurch, dass Julian es selbst unverändert anwandte. Warburton hat zu Recht angemerkt (Julian, p. 35), dass die Platoniker an die geheimnisvolle Tugend der Worte glaubten; und Julians Abneigung gegen den Namen Christ kann ebenso dem Aberglauben entspringen wie der Missachtung. und freute sich womöglich noch daran. Er ließ verlauten, dass durch die Torheiten der Galiläer, die er als eine Sekte von Fanatikern beschrieb, die den Menschen verächtlich und den Göttern verhasst sei, das Reich an die Schwelle des Unterganges geraten sei; und in einer öffentlichen Ankündigung lässt er durchblicken, dass ein von Wahnsinn befallener Patient zuweilen nur durch heilsame Gewaltanwendung zu kurieren sei Julian, Fragmente p. 288. Er macht sich über die [Ü.a.d.Griech.: Torheit der Galiläer] lustig und entfernt sich soweit von den Grundsätzen der Toleranz, dass er sich wünscht (Epistulae 42) [Ü.a.d.Griech.: sie möchten gegen ihren Willen geheilt werden].

In Julians Denken und Planen setzte sich die wenig rühmliche Unterscheidung fest, dass entsprechend ihren religiösen Auffassungen ein Teil seiner Untertanen seine Gunst und Freundschaft verdient habe, während der andere nur auf die staatlichen Leistungen Anspruch hatte, die einem immerhin gehorsamen Teil des Volkes abzuschlagen ihm sein Sinn für Gerechtigkeit untersagte. [Ü.a.d.Griech.: Denn es ziemt mir nicht, zu bewirten, noch weiter zu senden/einen Mann, den die Rache der seligen Götter verfolget. J.H.Voß]. Homer, Odyssee 10, 73f. Diese zwei Zeilen, die Julian (Epistulae 49) ganz im Sinne eines Frömmlings verändert und verdreht hat, stammen aus der Rede des Aeolus, der sich weigert, Odysseus günstige Winde zu gewähren. Libanios (Oratio parentalis 59) sucht dieses parteiische Verhalten mit einer Verteidigung zu rechtfertigen, bei welcher Verfolgungssucht durch die Maske der Biederkeit hindurch blickt.

Im Einklang mit einem von Abgunst und Strenge geschwängerten Grundsatz übertrug der Kaiser den Oberpriestern seiner Religion die Verwaltung der großzügigen Zuschüsse aus den Staatseinkünften, welche die Frömmigkeit Constantins und seiner Söhne der christlichen Kirche zugesprochen hatte. Das ganze Gebäude der kirchlichen Ehren und der kirchlichen Immunität, welches mit so vieler Mühe und Delikatesse errichtet war, lag am Boden zerstört; die Hoffnung auf testamentarische Hinterlassenschaften wurde durch strenge Gesetze zunichte gemacht; und die Priester der christlichen Sekten wurden den niedrigsten und verworfensten unter den Menschen gleichgestellt. Diejenigen Regularien, welche geeignet schienen, den Ehrgeiz und die Habgier kirchlicher Würdenträger zu dämpfen, wurden wenig später von der Weltklugheit rechtgläubiger Herrscher aufgegriffen und nachgeahmt. Die besonderen Auszeichnungen, die die Politik dem geistlichen Stand verleiht und die der Aberglauben an ihn verschwendet, müssen auf die Priester beschränkt bleiben, die die offizielle Religion des Staates bekennen. Aber der Wille des Gesetzgebers war nicht frei von Vorurteil und Leidenschaft; und es war das Ziel von Julians politischen Nachstellungen, die Christen aller irdischen Ehren und Vorrechte zu berauben, welche sie in den Augen der Welt achtbar machte. Diese Gesetze, die die Geistlichkeit direkt betreffen, kann man in beiläufigen Andeutungen von Julian selbst (Epistulae 53), in nebulösen Deklamationen Gregors (Orationes 3) und in ausdrücklichen Feststellungen von Sozomenos (Historia ecclesiastica 5,5 auffinden.

 

BERUFSVERBOT FÜR CHRISTEN

Zu Recht und mit Nachdruck wurde das Gesetz getadelt, welches den Christen untersagte, Grammatik und Rhetorik zu unterrichten. ›Inclemens . . . perenni obruendum silentio‹. [Ohne Gnade mit ewigem Schweigen verhüllen]. Ammianus 22,10 und 25,5. Die Gründe, die der Kaiser zur Rechtfertigung dieser einseitigen Zwangsmaßnahme vorschob, vermochten zu seinen Lebzeiten allenfalls Sklaven zum Schweigen und Schmeichler zum Beifall zu veranlassen. Julian bedient sich des Doppelsinnes eines Wortes, welches man unterschiedslos für die Sprache und die Religion der GRIECHEN verwenden kann: mit Geringschätzung bemerkt er, dass Männer, welche für sich das Verdienst des bedingungslosen Glaubens reklamierten, untauglich sein müssen, die Segnungen der Wissenschaft in Anspruch zu nehmen oder sich ihrer überhaupt zu erfreuen; und er behauptet ohne Begründung, dass sie, wenn sie denn die Götter Homers oder Demosthenes' anzubeten sich weigerten, sie wohl damit zufrieden wären, in den Kirchen der Galiläer Lukas und Matthäus auszulegen. Man vergleiche den Erlass selbst, der unter Julians Briefen (42) auf uns gekommen ist, mit den zügellosen Invektiven von Gregor (Orationes 3). Tillemont (Mémoires eccléstiastiques Band 7, p. 1291-94) hat die scheinbaren Unterschiede zwischen den Alten und der Gegenwart zusammengestellt. Sie lassen sich leicht in Einklang bringen. Den Christen wurde es direkt untersagt zu lehren und damit indirekt, zu lernen; denn die Schulen der Heiden hätten sie sicherlich nicht aufgesucht.

In sämtlichen Städten der römischen Welt lag die Erziehung der Jugend in den Händen von Grammatik- und Rhetoriklehrern; diese wurden vom Magistrat ernannt, aus der Staatskasse bezahlt und durch allerlei einträgliche Vorrechte ausgezeichnet. Julians Erlass scheint auch die Ärzte und die Lehrer der artes liberales mit einbezogen zu haben; und der Kaiser, der sich selbst die Ernennung der Kandidaten vorbehielt, war von Rechts wegen autorisiert, die Glaubensfestigkeit der gelehrten Christen zu erschüttern oder sogar zu bestrafen. Codex Theodosianus, 13,3, de medicis et professoribus (veröffentlicht am 17. Juni, angenommen am 29. Juli 363 zu Spoleto, Italien), nebst Gothofreds Kommentaren, Band 5, p. 31. Sobald nun die Amtsenthebung Orosius rühmt ihren edelmütigen Entschluss: ›Sicut a majoribus nostris compertum habemus, omnes ubique propemodum ... officium quam fidem deserere maluerunt,‹ [Wie wir von unseren Vorfahren wissen, wollte überall fast jeder eher sein Amt als seinen Glauben aufgeben]. 7,30. Proaeresius, ein christlicher Sophist, weigerte sich, die parteiische Begünstigung des Kaisers anzunehmen. Hieronymos, Chronicum Eusebii, p. 185, ed. Scaliger; Eunapius, Prohairesios, p. 126. der bekennenden Lehrer das ausschließliche Unterrichtsmonopol der heidnischen Sophisten sichergestellt hatte, lud Julian die nachwachsende Generation zum Besuch der öffentlichen Schulen ein in der begründeten Hoffnung, dass sie in ihrem zarten Alter für die Eindrücke der Literatur und Idolatrie empfänglich seien. Wenn die christliche Jugend mehrheitlich auf Grund ihrer oder ihrer Eltern Skrupeln vor dieser heiklen Form der Erziehung zurückschrecken sollte, dann hätte sie gleichzeitig auch auf alle Segnungen einer liberalen Erziehung verzichten. Julian erwartete aus gutem Grund, dass die Kirche nach wenigen Jahren in ihre archaische Schlichtheit zurück sinken werde und dass den Theologen, deren Gelehrsamkeit und Eloquenz durchaus auf der Höhe der Zeit war, eine Generation von blinden und einfältigen Fanatikern nachfolgen werde, die dann außerstande seien, die Wahrheit ihrer eigenen Grundsätze zu verteidigen oder die diversen Torheiten des Heidentums zu offenbaren. Sie behalfen sich damit, Bücher für ihre eigenen Schulen zu verfassen. Innerhalb weniger Monate brachte Apollinaris seine christliche Adaptation des Homer hervor (eine Heiligengeschichte in vierundzwanzig Gesängen), des Pindar, Euripides und Menander; und Sozomenos stellt zufrieden fest, dass sie das Original erreichten, wo nicht sogar übertrafen.

 

CHRISTEN UNTERDRÜCKT

Es war ohne Zweifel der Wunsch und der Plan Julians, den Christen alle Vorteile des Wohlstandes, der Bildung und der Macht zu entziehen; aber das Unrecht, sie von allen einträglichen und verantwortungsvollen Posten zu entfernen, scheint eher die Frucht seiner allgemeinen Politik als die unmittelbare Folge eines positiven Gesetzes gewesen zu sein. Es war die Anweisung Julians an seine Verwaltungsbeamten (Epistulae 7): [Ü.a.d.Griech.: ...notwendig, auf jeden Fall die Gottesfürchtigen vorzuziehen]. Sozomenos (5,18) und Sokrates (3,13) müssen durch die Angaben bei Gregor von Nazianz (Orationes 3) zurückgeschnitten werden; dieser neigte zwar ebenso der Übertreibung zu, musste sich aber wegen der unmittelbaren Zeugenschaft seiner zeitgenössischen Leser Zurückhaltung auferlegen. Hervorragende Verdienste durften einige Vorzugsbehandlungen erwarten und erhalten; aber das Gros der christlichen Beamten wurde nach und nach aus ihrem Dienst im Staat, der Armee und den Provinzen entfernt. Die Hoffnung künftiger Anwärter wurde zuschanden an der erklärten Abneigung eines Herrschers, welcher sie in boshafter Weise daran erinnerte, dass es dem Christen verboten sei, das Schwert der Gerechtigkeit oder des Krieges zu führen; eines Herrschers, welcher eifersüchtig Militärlager und Gerichte mit den Symbol des Götzendienstes bewachte. Die Regierungsgewalt wurde den Heiden anvertraut, die denn ja auch einen glühenden Eifer für die Religion ihrer Vorfahren bekannten; und da die Wahl des Kaisers oftmals von den Regeln der Wahrsagekunst bestimmt wurde, besaßen seine Favoriten, die zwar in der besonderen Gunst der Götter standen, nicht notwendig die ungeteilte Zuneigung der Menschen. [Ü.a.d.Griech.: Mit dem Stimmstein der Götter gebend und nicht gebend]. Libanios, Oratio parentalis 88, p. 314.

Unter der Regierung ihrer Feinde hatten die Christen viel auszustehen und noch mehr zu befürchten. Julian empfand tiefe Abneigung gegen Grausamkeit; und die Sorge um seine Reputation, die vor den Augen der Welt ausgebreitet lag, hielt den philosophisch veranlagten Monarchen davon ab, ausgerechnet die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Toleranz zu verletzen, die er selbst erst kurz zuvor aufgestellt hatte. Die Beamten in den Provinzen, die seine Autorität nur vertraten, waren in einer weniger heiklen Lage. In der Ausübung ihrer Macht orientierten sie sich eher an den Erwartungen als an den tatsächlichen Vorgaben ihres Herren; und so gingen sie in aller Härte, aber nur heimlich, gegen die christlichen Sektierer vor, da sie sie nicht zu Märtyrer-Ehren kommen lassen durften. Der Kaiser, der sich gegenüber dieser Art von Unrecht solange wie möglich blind stellte, drückte seine wahren Gefühle gegen diese Vorgehensweise seiner Beamten durch gelinde Rüffel und handgreifliche Belohnungen aus. Gregor von Nazianz, Orationes 3; Sokrates, 3,14; Theodoretos, 3,6. Einiges hiervon sollte man jedoch auf Rechnung ihres Eifers setzen, der nicht weniger parteiisch war als der Julians.

 

ERNEUERUNG DER HEIDNISCHEN TEMPEL

Die wirkungsvollste Unterdrückungsmaßnahme in ihrem Arsenal war ein Gesetz, das die Christen verpflichtete, vollständigen und umfassenden Schadensersatz für die von ihnen unter der vorangegangenen Regierung zerstörten Tempel zu leisten. Der Glaubenseifer der triumphierenden Kirche hatte Sanktionen der weltlichen Behörden nicht zu gewärtigen gehabt; und die Bischöfe, die sich vor Strafverfolgung sicher wähnen durften, waren häufig an der Spitze ihrer Gemeinden marschiert, die Festungen des Fürsten der Finsternis anzugreifen und zu demolieren. Das geweihte Land, welches den Grundbesitz des Kaisers oder der Kirche vermehrt hatte, war wohlbekannt und rasch zurückgegeben. Aber auf eben diesem Land und auf den Trümmern des heidnischen Aberglaubens hatten die Christen häufig genug ihre eigenen Glaubensburgen errichtet: und da es nun einmal unumgänglich war, die Kirchen abzureißen, bevor ein Tempel an ihrer Stelle errichtet werden konnte, fanden der Gerechtigkeitssinn und die Frömmigkeit des Herrschers den Beifall der einen Partei, während die andere seine gottesfeindliche Gewalttätigkeit beweinte und verfluchte. Vergleichen wir die sanfte Redeweise des Libanios (Orationes parentalis 60) mit Gregors wüster Polemik, dann fällt es uns schwer, die Texte der beiden Redner für den Bericht identischer Ereignisse zu halten.

War der Boden erst einmal bereinigt, so warfen doch die Wiederherstellung der Bauwerke, die im Staub gelegen hatten und der Verzierungen, die man zu christlichem Gebrauch umgewidmet hatte, gewaltige Schadenssummen auf. Die Urheber dieser Zerstörungen waren weder imstande noch überhaupt gemeint, für diese angesammelte Schuldenlast aufzukommen: und ein Gesetzgeber hätte überparteiische Weisheit bewiesen, wenn er die gegenseitigen Rechtsansprüche durch gerechte und maßvolle Entscheidungen austariert hätte. Aber das gesamte Reich und ganz besonders der Osten war durch Julians stürmisches Vorgehen in Konfusion geraten; und die heidnischen Magistrate, durch Eifer für ihre Sache ebenso entflammt wie durch Verlange nach Rache, missbrauchten eine strenge Bestimmung des römischen Rechtes, welches sich bei unzureichenden Vermögensverhältnissen direkt an die Person des insolventen Schuldners hält.

Unter der vorigen Regierung hatte Marcus, der Bischof von Arethusa, Restan oder Arethusa liegt auf halber Strecke zwischen Emesa (Homs) und Epiphania (Hama) und wurde von Seleucus Nicator gegründet oder doch wenigstens benannt. Glaubt man den Medaillen der Stadt, dann beginnt seine besondere Ära im Jahre 685 a.u.c. Als das Geschlecht der Seleukiden unterging, wurden Emesa und Arethusa durch den Araber Sampsiceramus annektiert, dessen Nachkommen, die Vasallen von Rom, unter der Regierung des Vespasian noch existierten. Siehe d'Anvilles Karten und seine Geographie acienne, Band 2, p. 134, Wesseling, Itineraria p, 188 und Noris, Epochae Syro-Macedonum, p. 80 und 481f. bei der Bekehrung seines Volkes mit Zwangsmaßnahmen größeren Erfolg als mit Überzeugungsarbeit gehabt. Sozomenos, 5,10. Es ist überraschend, dass Gregor und Theodoret einen Umstand verschweigen, welcher in ihren Augen die religiösen Verdienste des Bekenners vermehrt haben muss. Die Magistrate verlangten nun den vollständigen materiellen Wert für einen Tempel, den er in seinem Eifer hatte abreißen lassen; als sie sich aber von seiner Armut überzeugt hatten, verlangten sie nur noch danach, seinen unnachgiebigen Geist mit dem Versprechen einer unbedeutenden Wiedergutmachung zu beugen. Sie ergriffen den betagten Prälaten, geißelten ihn in unmenschlicher Weise, zerfetzten sein Bart; dann beschmierten sie seinen nackten Körper mit Honig, hingen ihn in einem Netz zwischen Himmel und Erde auf und setzten ihn schutzlos den Insektenstichen und der Sonne Syriens aus. Die Leiden und die Standhaftigkeit des Markos, das Gregor von Nazianz so ergreifend geschildert hat (Orationes 4,88), sind auch durch das unbestreitbare Zeugnis bestätigt, das Libanios sich abgerungen hat. [Ü.a.d.Griech.: Jener Markos, aufgehängt, gegeißelt, mit ausgerissenem Bart, ertrug alles tapfer, ist nun in gottgleichen Ehren, und wenn er irgendwo erscheint, gleich umstritten]. Epistulae 730, p.350f. Aber noch in seiner freischwebenden Stellung fuhr Marcus fort, sich seines Vergehens zu berühmen und des ohnmächtigen Zornes seiner Verfolger zu spotten. Endlich ward er erlöst und entlassen, die Früchte seines gottgewollten Triumphes zu genießen. Die Arianer feierten die Tugend ihres frommen Bekenners; die Katholiken in ihrem Eifer reklamierten ihn für sich; Certatim eum sibi (Christiani) vindicant. [Um die Wette beanspruchen die Christen ihn für sich]. So habe la Croze und Wolfius (ad locum) ein griechisches Wort ausgelegt, dessen frühere Interpreten die eigentliche Bedeutung verfehlt haben, selbst le Clerc (Bibliothéque ancienne et moderne, Band 3, p. 371). Tillemont (Mémoires eccléstiastiques Band 7, p. 1398) kann jedoch durchaus nicht begreifen, wie Gregor und Theodoretos einen Semi-Arianischen Bischof für einen Heiligen ausgeben konnten. und die Heiden, die des Scham- und Reuegefühls noch nicht völlig ermangelten, schreckten vor der Wiederholung solch nutzloser Grausamkeit zurück. Siehe den möglichen Rat von Sallustius bei Gregor von Nazianz (Orationes 3, 90f.). Libanios setzt sich für einen ähnlichen Missetäter ein, damit sich nicht mehrere ›Markusse‹ finden möchten; indessen räumt er ein, dass Orion, falls er denn wirklich den geheiligten Schatz entwendet haben sollte, er die Strafe des Marsyas verdient habe: bei lebendigem Leibe gehäutet zu werden (Epistulae 730, p. 349ff. Julian schenkte ihm das Leben: da aber der Bischof von Arethusa dem Julian im Kindesalter das Leben gerettet hatte, Gregor (Orationes 4,91) ist sich dessen gewiss, dass Markos durch die Rettung des Apostaten weit mehr verdient hatte, als er erlitten hatte., so wird sich die Nachwelt eher bereit finden, die Undankbarkeit des Kaisers zu verurteilen anstatt seine Milde zu rühmen.

 

TEMPEL UND HEILIGER HAIN DER DAPHNE

Etwa fünf Meilen von Antiochia entfernt hatten die makedonischen Könige von Syrien dem Apollo einen der schönsten Andachtsplätze der heidnischen Welt geweiht. Den Hain und Daphnetempel haben beschrieben: Strabon, (16, p.1089f.), Libanios, (Naenia, p. 185 und 188, Antiochikos, Orationes 11, p. 380f.) und Sozomenos (5,19). Eine Erläuterung dieses interessanten Gegenstandes bieten Wesseling, (Itineraria, p. 581) und Casaubon (zur Historia Augusta, p. 64). Ein großartiger Tempel erhob sich zu Ehren des Lichtgottes; und seine Statue ›Simulacrum in eo Olympiaci Iovis imitamenti aequiparans magnitudinem.‹ […die hierin aufgestellte Götterstatue war ebenso groß wie das in Olympia errichtete Zeusbildnis]. Ammianus 22,13. Der Jupiter zu Olympia war 60 Fuß hoch und sein Gewicht kam dem von eintausend Menschen gleich. Siehe die lesenswerte Abhandlung des Abbé Nicolas Gedoyn in den Mémoires de l'Académie des Inscriptions, Band 9, p. 198, 1744. erfüllte fast vollständig das Allerheiligste, welches die Meisterschaft griechischer Künstler mit Gold und Edelgestein ausgeschmückt hatte. Der Gott selbst war kniend dargestellt, wie er aus einem goldenen Becher der Erde ein Trankopfer darbrachte; so, als bäte er die ehrwürdige Mutter, ihm die kalte und schöne Daphne auszuliefern: denn der ganze Ort war sagendurchwoben; hatte doch die Phantasie der syrischen Dichter diese Liebesmär vom Peneusufer an den Orontes verlegt. Die althergebrachten griechischen Gebräuche wurden durch die königlichen Kolonen von Antiochia nachgeahmt. So floss ein Strom von Orakeln, welche es in ihrem Treffsicherheit und ihrem Ansehen mit dem Delphischen aufnehmen konnten, aus der castalischen Quelle der Daphne. Hadrian las sein künftiges Schicksal auf einem Blatt, welches in die castalische Quelle getaucht worden war; dies ist ein Kunstgriff, den man, wie der Arzt van Dale (De oraculis, p. 281f.) versichert, mit chemischen Mitteln leicht ausführen kann. Der Kaiser verstopfte die Quelle von so heiklem Wissen; allerdings hat sie Julians fromme Neugier neuerlich geöffnet. In der benachbarten Ebene wurde ein Stadion gebaut auf Grund eines besonderen Privilegs, Es wurde im Jahre 44 A.D. (im Jahre 92 der antiocheischen Zeitrechnung, Noris, Epochae Syro-Macedonicum, p. 139–174) für die Dauer von neunzig Olympiaden gekauft. Aber die Olympischen Spiele von Antiochia wurden bis in die Zeit des Commodus nicht regelmäßig abgehalten. Siehe die merkenswerten Einzelheiten in der Chronik des Johannes Malala (Band 1, p. 290, 320, 372–381), eines Autoren, dessen Verdienste und Wirkungskreis auf die Grenzen seiner Geburtsstadt beschränkt sind. welches man Elis abgekauft hatte; die Olympischen Spiele wurden auf Kosten der Stadt begangen; und dreißigtausend Pfund Sterling wurden jährlich dieser öffentliche Lustbarkeit zugeschossen. Fünfzehn Talente Gold, ein Vermächtnis des Sosibius, welcher unter Augustus gestorben war. Die Verdienste um das Theaterwesen in den syrischen Städten im Zeitalter Konstantins werden in der Expositio totius mundi, p. 6 miteinander verglichen.

Die beständige Anwesenheit von Pilgern und Zuschauern ließ allmählich in der Nähe des Tempels die üppige und volkreiche Siedlung von Daphne entstehen, welche dem Glanz einer Provinzstadt nacheiferte, ohne den zugehörigen Titel zu erhalten. Tempel und Dorf lagen tief verborgen in einem dichten Lorbeer- und Zypressenhain, der einen Umfang von fast zehn Meilen besaß und noch in den schwülsten Sommern kühlenden und undurchdringlichen Schatten spendete. Ungezählte Quellen reinsten Wassers, die von jedem Hügel herabflossen, hielten die Erde grün und die Temperatur konstant; die Sinne erfreuten sich lieblicher Geräusche und aromatischer Düfte; und der friedvolle Hain war bestimmt für Gesundheit und Frohsinn, für Luxus und Liebe. Die lebenskräftige Jugend stellte, genau wie Apollo, dem Gegenstand ihres Verlangens nach; und die errötende Jungfer fühlte sich durch Daphnes Schicksal der Torheit überhoben, zur falschen Zeit die Spröde zu spielen. Der Soldat und der Philosoph mieden klüglich die Versuchungen dieses sinnenfrohen Lustgartens, ›Avidio Cassio Syriacas legiones dedi luxuria diffluentes et ›Daphnicis‹ moribus.‹ [Dem Avidius Cassius habe ich die syrischen Legionen unterstellt, da sie dem Luxus und der daphnischen Sitte unmäßig ergeben waren]. Dies ist in einem Brief des Kaisers Marcus Aurelius zu lesen, dessen Originaltext sein Biograph in der Historia Augusta (Avidius Cassius) bewahrt hat. Cassius entließ oder bestrafte jeden Soldaten, der sich in Daphne blicken ließ. in welchem das Verlangen unter dem Deckmantel der Religion unmerklich auch die stabilsten Mannestugenden ins Wanken brachte. Dennoch versüßten die Haine der Daphne lange Zeit die Andacht von Einheimischen und Fremden; zahlreiche Herrscher vermehrten noch die Vorrechte des heiligen Gebietes; und jede Generation fügte dem Glanz des Tempels neue Schmuckstücke hinzu. ›Aliquantum agrorum Daphnensibus dedit (Pompeius), quo lucus ibi spatiosior fieret; delectatus amoenitate loci et aquarum abundantia.‹ [Den Daphnern verrößerte er (Pompeius) ihr Gebiet etwas, um dadurch einen Hain zu erweitern; die Annehmlichkeiten des Ortes und sein Wasserreichtum gefielen ihn besonders]. Eutropios, 6,14; Sextus Rufus, de Provinciis,16.p.

 

JULIAN IM HAIN DER DAPHNE

Als Julian am Tage des Jahresfestes nahte, um zu huldigen, hatte seine Verehrung für Apollo von Daphne den äußersten, höchsten Gipfel erreicht. Seine lebhafte Phantasie nahm den Prunk von Opfertieren, Trankopfern und Weihrauchbränden im Geiste vorweg; den langen Festzug von Knaben und Jungfrauen, in weiße Gewänder gehüllt, dem Symbol ihrer Unschuld; und die unübersehbaren Zuschauermassen. Indes: Antiochias religiöser Eifer wandelte seit dem Sieg des Christentums andere Bahnen. Anstelle der Hekatomben fetter Ochsen, die die Bevölkerung einer reichen Stadt ihrer Titulargottheit opferte, erblickte der Kaiser, wie er sich beklagte, eine einzige Gans, die der Priester auf eigene Kosten bereitgestellt hatte, er, der blasse und einsame Bewohner dieses zerfallenden Tempelbezirkes. Julian (Misopogon, p. 361) offenbart seinen Charakter mit jener naïvité, jener unbewussten Treuherzigkeit, welche immer symptomatisch für den angeborenen Humor ist. Der Altar stand verlassen, das Orakel war verstummt, und der heilige Boden war entweiht durch die Einführung christlicher Bräuche und Begräbnisrituale. Nachdem Babylas(ein Bischof von Antiochia, welcher während der Verfolgungen des Decius im Gefängnis gestorben war) Eusebios nennt Babylas in der Nachfolge der Bischöfe von Antiochia (Historia cclesiastica 6,29 und 39). Sein Sieg über zwei Kaiser (von denen einer Fiktion und der zweite historisch ist) wird von Chrysostomos ausgiebig gefeiert (Band 2, p. 536–579). Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 3, Teil 2, p.287–302 und 459–465) mutiert fast zum Skeptiker. fast ein Jahrhundert in seinem Grabe geruht hatte, wurde sein Körper auf Weisung des Caesars Gallus mitten in den Daphne-Hain verbracht. Über seine Gebeinen wurde eine prachtvolle Kirche errichtet; ein Teil des geweihten Landes wurde für den Unterhalt des Klerus und als Begräbnisstätte für die Christen von Antiochia beschlagnahmt, welche darnach verlangten, zu Füßen ihres Bischofs zu ruhen; und die Priester Apollos entfernten sich, zusammen mit ihren entsetzten und verbitterten Anhängern. Sobald nun eine neue Wende das Glück der Heiden wiederherstellte, wurde die Kirche von St. Babylas verwüstet, und neue Gebäude wurden dem verfallenden Tempel hinzugefügt, welchen dereinst die Frömmigkeit der Könige Syriens errichtet hatte. Aber Julians erste und wichtigste Sorge war es, seine bedrängte Gottheit von der verhassten Gegenwart der toten und lebenden Christen zu befreien, welche so wirkungsvoll die Stimme des Betruges und des Enthusiasmus unterdrückt hatten. Kirchenhistoriker, zumal die Liebhaber von Reliquien, jauchzen über das Geständnis des Julian (Misopogon, p.361) und Libanios (Naenia, p. 185), dass nämlich Apollo sich gestört fühlt durch die Nachbarschaft zu einem einzigen toten Manne. Aber bei Ammianus (22.12) wird der ganze Boden gemäß den Riten gesäubert, welche die Athener früher auf der Insel Delos ausgeübt hatten.

 

ÜBERFÜHRUNG DER GEBEINE BRAND DES TEMPELS

Die entweihe Stelle wurde nach überkommenen Ritus gereinigt; die Körper wurden mit Anstand entfernt; und den Kirchendienern erlaubte man immerhin, die Überreste von St. Babylas an ihre frühere Ruhestätte in Antiochia zu überführen. Bescheidenes Auftreten, das in solchen Fällen den Neid einer abgünstigen Regierung gelindert haben könnte, lag dem christlichen Glaubensfanatismus fern: ein unübersehbare Menge folgte, begleitete und empfing den Wagen mit den Reliquien des Babylas; man sang unter donnerndem Beifall diejenigen Psalmen Davids, in welchen die Verachtung für Götzen und Götzendiener am stärksten zum Ausdruck kommt. Die Rückkehr des Heiligen wurde zum Triumphzug; und der Triumph wurde zum Spott über die Religion des Herrschers, der seinen Stolz anstrengen musste, um seinen Verdruss zu verbergen.

In der Nacht, die auf den Triumphzug folgte, ging der Tempel zu Daphne in Flammen auf; die Apollostatue lag zerstört; und nur die Mauern des Gebäudes blieben stehen, nackt und schäbig anzusehen. Den Christen von Antiochia galt mit religiöser Gewissheit als ausgemacht, dass die wirkmächtige Fürsprache von St. Babylas die Blitze des Himmels gegen das verruchte Gemäuer gelenkt habe: Julian indessen, der vor die Wahl gestellt war, an kriminelle Brandstiftung oder an ein Wunder zu glauben, entschloss sich ohne Zögern und ohne einen Beweis, allerdings mit einiger Wahrscheinlichkeit, das Feuer in Daphne den Rachegelüsten der Galiläer zuzuschreiben. Julian (Misopogon p.361) deutet ihre Schuld an, aber behauptet sie nicht. Ammianus (22,13) behandelt die Beschuldigung als levissimus rumor [völlig haltloses Gerücht] und erzählt den ganzen Vorgang mit großer Unbefangenheit. Hätte ihr Delikt ausreichend bewiesen werden können, hätte dies die Vergeltungsmaßnahmen gerechtfertigt, welche Julian denn auch unverzüglich anordnete: die Kathedrale von Antiochia ward geschlossen und ihr Besitz konfisziert. Um die Buben zu entdecken, die den Tumult, das Feuer und das Verstecken des Schatzes zu verantworten hatten, wurden verschiedene Vertreter der Kirche gefoltert; ›Quo tam atroci casu repente consumpto, ad id usque imperatoris ira provexit, ut quaestiones agitari iuberet solito acriores (dennoch tadelt Julian die Nachsicht des Magistrates von Antiochia), et majorem ecclesiam Antiochiae claudi. [Die plötzliche und unerwartete Zerstörung erregte den kaiserlichen Zorn in einem solchen Maß, dass er strenge Untersuchungen anordnete und die Hauptkirche von Antiochia zu schließen befahl]. Ammianus 22,13. Diese Schließung erfolgte unter einigen unwürdigen und religionsfeindlichen Begleitumständen; und der -zeitlich passende- Tod des Hauptakteurs, Julians Onkel, wird vom Abt de la Bleterie mit viel abergläubischem Wohlgefallen mitgeteilt (Vie de Julien, p. 362-369). und ein Presbyter mit Namen Theodoretos wurde vom Gerichtshof des Ostens hingerichtet. Dieses überhastete Vorgehen fand indessen nicht den kaiserlichen Beifall; er beschwerte sich mit echter oder erheuchelter Sorge, dass der törichte Eifer seiner Minister seine Regierung mit dem Makel der Willkür verdunkeln werde. Neben den Kirchenhistorikern, die mehr oder minder unter Generalverdacht stehen, können wir uns auf die Passion des hl. Theodoretos in den Acta sincera von Ruinart, p. 605ff berufen. Julians Klage verleiht ihnen atmosphärische Originalität und Echtheit.

 

ALEXANDRIA UND ÄGYPTEN

Dieses Stirnrunzeln ihres Herren dämpfte alsgleich den Eifer von Julians Ministern; wenn sich allerdings der Vater eines Landes selbst zum Anführer einer Faktion ernennt, kann die Aufsässigkeit des Volkes nur mit Mühe gezügelt oder angemessen bestraft werden. In einem öffentlichen Schriftstück belobigt Julian die Gottesfürchtigkeit und Anhänglichkeit der heiligen Städte Syriens, deren fromme Einwohner beim ersten Aufruf die Gräber der Galiläer zerstört hätten; und beklagt sich in Andeutungen, dass sie das Unrecht an ihren Göttern heftiger, als von ihm empfohlen, gerächt hätten. Julian. Misopogon, p. 361. Dieses unvollständige und zögernde Eingeständnis scheint die Darstellungen der Kirchenschriftsteller zu bestätigen, dass nämlich in den Städten Gaza, Ascalon, Caesarea, Heliopolis &c die Heiden besinnungslos und ohne Reue den Augenblick ihrer Stärke ausgebeutet hätten; dass die unglückseligen Opfer ihrer Grausamkeit erst durch den Tod von der Folter erlöst wurden; dass sie anschließend, als ihre verstümmelten Körper durch die Straßen gezerrt wurden, von Bratspießen und Spinnrocken aufgebrachter Weiber durchbohrt wurden (soweit war der allgemeine Wahnsinn gediehen); und dass die Eingeweide christlicher Priester und Jungfrauen, nachdem die Fanatiker an ihnen erst einmal Blut geleckt hatten, mit Gerste durchmischt und den unreinen Tieren der Stadt zum Fraße vorgeworfen wurden. Siehe Gregor von Nazianz, Orationes 4, 86. Man kann hier Sozomenos als einen unmittelbaren, wenn auch nicht unvoreingenommenen Zeugen ansehen. Er stammt aus Gaza und war zusammen mit Zeno dem Bekenner konvertiert, der als Bischof von Maiuma fast hundert Jahre alt geworden war (7,28). Philostorgos (7,4 nebst Gothofreds Anmerkungen p. 284) fügt noch einige betrübliche Einzelheiten hinzu, etwa über Christen, welche im buchstäblichen Sinne am Altar der Götter geopfert wurden, &c. Solche Szenen religiösen Irrsinns liefern das verächtlichste und elendste Bild der menschlichen Natur; aber das Massaker von Alexandria erregt noch mehr unsere Aufmerksamkeit, weil die Fakten hier abgesichert und die Opfer hochrangig sind und weil Ägyptens Hauptstadt so hochberühmt ist.

 

GEORGIOS VON KAPPADOKIEN

Georgios, Leben und Sterben des Georgios von Kappadokien werden von Ammianus (22,11), Gregor von Nazianz (Orationes 21,16ff.) und Epiphanios (Haereses76) beschrieben. Die Schmähreden der beiden Heiligen wären nicht eben glaubwürdig, würden sie nicht durch das herzenskühle Zeugnis des Ungläubigen bestätigt. der wegen seiner Herkunft oder Erziehung den Beinamen ›von Kappadokien‹ trug, wurde in Epiphania in Kilikien geboren, im Hause eines Walkmüllers. Aus dieser dunklen und niedrigen Herkunft arbeitete er sich durch seine Begabung zum Parasiten empor: der Patron, dem er so dienstfertig zu schmeicheln verstand, besorgte für den würdelosen Abhängigen den einträglichen Auftrag, die Armee mit Schweinespeck zu beliefern. Diese Tätigkeit war unbedeutend; durch Georgios wurde sie ehrlos. Durch ordinärsten Unterschleif und Durchstecherei häufte er Reichtümer an; aber die Veruntreuungen waren derart notorisch, dass sich Georgios den Nachstellungen der Justiz zu entziehen genötigt sah. Nach diesem Ungemach, bei dem er sein Vermögen wesentlich auf Kosten seiner Ehre gerettet zu haben scheint, bekehrte er sich aus Überzeugung oder Opportunismus zum Arianismus. Wegen seiner Liebe zur Wissenschaft oder auch nur wegen ihrer Inszenierung sammelte er eine wertvolle Bibliothek mit historischer, rhetorischer, philosophischer und theologischer Literatur; Nach der Ermordung des Georgios gab Julian wiederholt Befehl, die Bibliothek zu seinem eigenen Gebrauch sicher zu stellen und alle Sklaven zu foltern, die etwa im Verdacht ständen, Bücher beiseite zu schaffen. Er lobt die Vorzüge der Sammlung, aus der er während seiner Studien in Kappadokien verschiedene Manuskripte geliehen und abgeschrieben hatte. Er konnte zwar wünschen, dass die Schriften der Galiläer verdürben; aber er verlangte eine genaue Aufstellung selbst dieser theologischen Schriften, damit nicht andere, wertvollere Schriften mit ihnen untergingen. Julian, Epistulae 9 und 36. und die Hinwendung zu der derzeit mächtigsten Faktion brachte Georg von Kappadokien auf den Thron des Athanasius. Der Einzug des neuen Erzbischofs entsprach dem eines ausländischen Eroberers; jede Stunde seiner Regierung war angefüllt mit Gewalttat und Räuberei. Die Katholiken von Alexandria und Ägypten sahen sich einem Tyrannen ausgeliefert, den Natur und Erziehung bestimmt hatten, das Amt des Verfolgers auszuüben; er aber unterdrückte unterschiedslos sämtliche Bewohner seiner weitläufigen Diözese.

 

UNTERDRÜCKT ALEXANDRIA UND ÄGYPTEN

Der Primas von Ägypten schmückte sich mit dem Pomp und der Üppigkeit seiner gehobenen Stellung; aber immer noch verriet er die Laster seiner niedrigen und elenden Herkunft. Die Kaufleute von Alexandria verarmten infolge der illegalen und nahezu allumfassenden Monopole, welche er für Salpeter, Salz, Papier und Beerdigungen an sich gerissen hatte; und die geistlichen Väter dieses großen Volkes fanden sich bereit, das erbärmliche und verderbliche Amt der Zuträgerei auszuüben. Die Bewohner Alexandriens konnten niemals die Steuern vergessen geschweige denn vergeben, die er auf alle Häuser der Stadt gelegt hatte; mit der aberwitzigen Begründung, der königliche Gründer der Stadt habe seinen Nachfolgern, den Ptolemäern und Caesaren, den dauerhaften Besitz des städtischen Bodens übertragen. Die Heiden, die man mit der Aussicht auf Freiheit und Toleranz geködert hatte, erweckten seine aufrichtige Habgier; und so wurden die reichen Tempel Alexandrias von diesem arroganten Prälaten entweder geplündert oder verhöhnt, indem er bei einer Gelegenheit laut und drohend ausrief: ›Wie lange noch wird man diese Gräber stehen lassen?‹ Unter der Herrschaft des Constantius prügelte ihn der Zorn oder besser der Gerechtigkeitssinn des Volkes aus der Stadt; und es ging auch nicht ohne Gewalt ab, dass militärische und zivile Mandatsträger ihn wieder einsetzten und ihm seine Rache ermöglichten. Erst der Bote, der in Alexandria die Inthronisation des Julian ausrief, verkündete auch den Untergang dieses Erzbischofs.

 

30. NOVEMBER A.D. 360

Georgios wurde zusammen mit seinen engsten Vertrauten, den comes Diodorus und Dracontius, den Aufsehern über die Münze, in Schande und Ketten in das öffentliche Gefängnis geworfen. Nach Ablauf von vierundzwanzig Tagen wurde das Gefängnis durch die Volkswut aufgebrochen, welche die schleppenden Abläufe eines ordentlichen Gerichtsverfahrens nicht mehr abwarten mochte. Die Feinde der Götter und Menschen gingen unter höhnischen Beleidigungen elend zugrunde. Die Körper des Erzbischofs und seiner Komplizen wurden auf dem Rücken von Kamelen im Triumph durch die Stadt geführt; die feindlichen Anhänger des Athanasius verhielten sich still, Philostorgos (7,2) deutet mit dosierter Bösartigkeit ihre Schuld an, [Ü.a.d.Griech.: …auch des Athanasios' Meinung zu diesem Vorgang zu beherrschen]. Gothofredus, p. 267. was als schönes Beispiel christlicher Geduld gelten mochte. Das, was von diesen Verbrechern übrig blieb, wurde ins Meer geworfen; und die Anführer des Tumultes verkündeten ihre Entschlossenheit, die Verklärung durch die Christen zu enttäuschen und ihnen keine Märtyrerehren zuteil werden zu lassen wie ihren Vorgängern, die angeblich durch die Feinde der Religionen umgekommen waren. ›Cineres projecit in mare, id metuens ut clamabat, ne, collectis supremis, aedes illis exstruerentur ut reliquis, qui deviare a religione compulsi, pertulere cruciabiles poenas, adusque gloriosam mortem intemerata fide progressi, et nunc martyres appellantur. [Die Asche verstreute man im Meer in der Befürchtung, dass nach dem Einsammeln der Überreste – wie überall zu hören war – ihnen sonst (Kirchen)gebäude errichtet würden wie den übrigen, die, zum Abfall von ihrer Religion gezwungen, grausame Qualen erduldet und in unerschütterten Glaubenstreue bis zum glorreichen Tode ausgeharrt hätten und dafür nun Märtyrer genannt werden]. Ammianus 22,11. Epiphanios beweist den Arianern, dass Georg gar kein Märtyrer war. Die Sorgen der Heiden waren berechtigt, aber ihre Vorsorge wirkungslos.

 

ALS HEILIGER UND MÄRTYRER VEREHRT

Das verdienstvolle Sterben des Erzbischofs löschte die Erinnerung an sein voriges Leben. Der Feind des Athanasios musste den Arianern lieb und heilig sein, und die scheinbare Bekehrung jener Sektierer machte, dass er bald auch im Schoße der katholischen Kirche verehrt wurde. Einige Donatisten (Optatus von Mileve, p. 60 und 303 und Tillemont, Mémoires ecclésiastiques Band 6, p. 713, Quartausgabe) und Priscillianisten (a.a.O., Band 8, p.517) haben sich auf gleiche Weise katholische Heilige angeeignet. Der verhasste Fremde, erhielt die Larve eines Märtyrers, eines Heiligen und eines christlichen Helden; Die Heiligen von Kappadokien, Basilius und Gregorios, kannten ihren heiligen Gefährten überhaupt nicht. Papst Gelasius (494 A.D.), der erste Katholik, der St. Georg überhaupt anerkennt, rechnet ihn unter die Märtyrer, ›qui Deo magis quam hominibus noti sunt.‹ [die Gott besser als den Menschen bekannt sind]. Er verwirft die Prozessakten als häretische Fälschung. Einige, wenn auch wohl nicht die ältesten dieser Akten existieren noch, und wir können, wenn auch nur durch eine Wolke aus Erdichtetem, den Streit erkennen, welchen St. Georg von Kappadokien in Gegenwart der ›Königin Alexandria‹ gegen den ›Zauberer Athanasios‹ durchfocht. und der infame Georgios von Kappadokien wurde zu dem wohlbekannten St. Georg von England, Diese Umwandlung gilt nicht als völlig sicher, aber als hochwahrscheinlich. Siehe die Longueruana, Band 1, p. 194., den Patron der Landsknechte, der Ritter und des Hosenbandordens. Die bemerkenswerte Geschichte der Verehrung von St. Georg seit dem VI. Jhd. (als er bereits in Palästina, Armenien, Rom und Trier verehrt wurde) mögen man aus den Schriften des Dr. Heylin und der Bollandisten entnehmen. Sein Ruf und seine Volkstümlichkeit in Europa und ganz besonders in England stammen aus der Zeit der Kreuzzüge..

Etwa um die Zeit, als Julian von dem Tumult in Alexandria hörte, erhielt er auch Nachricht aus Edessa, dass die anmaßende und wohlhabende Faktion der Arianer die schwächlichen Valentinianer gekränkt habe, und er betrachtete derlei Übergriffe als etwas, was in einem wohlregierten Staate nicht straflos hingenommen werden dürfe. Der aufgebrachte Herrscher wartete daher den schleppenden Gang der Justiz gar nicht erst ab, sondern übertrug dem Magistrat zu Edessa Julian, Epistulae 43. kaiserliche Vollmacht, der dann auch den gesamten Kirchenbesitz beschlagnahmte: das Geld ließ er unter die Soldaten verteilen, während der Boden zur kaiserlichen Domäne wurde; und diesem Willkürakt gab er durch schimpfliche Ironie noch zusätzliche Bitterkeit. ›Ich erweise mich,‹ sagte Julian, ›als der wahre Freund der Galiläer. Ihr vorzügliches Gesetz hat den Armen das Himmelreich verheißen; und gewiss werden sie mit größerer Treue auf dem Pfade der Tugend und des Heils wandeln, wenn sie dank meiner Hilfe befreit sind von der Last des irdischen Besitzes. Hütet Euch,‹ fährt er in ernsterem Tone fort, ›hütet Euch davor, dass meine Geduld und Menschlichkeit sich an Euch ärgern. Wenn diese Unruhen fortbestehen, werde ich am Magistrat die Verbrechen des Volkes rächen; und ihr werden Grund finden, nicht nur Beschlagnahme und Exil zu fürchten, sondern Feuer und Schwert.‹

Die Unruhen in Alexandria waren ohne Zweifel blutiger und von ernsterem Zuschnitt; aber hier war ein christlicher Bischof von der Hand der Heiden ums Leben gekommen; und der öffentliche Brief Julians liefert einen sehr anschaulichen Beweis für die Voreingenommenheit seiner Verwaltung. Er tadelt zwar die Bevölkerung von Alexandria, aber der Tadel ist untermischt mit Ausdrücken der Wertschätzung und Billigung; und er meint sogar, dass sie zumindest bei dieser Gelegenheit von der humanen und erhabenen Gesittung hätten Abstand nehmen dürfen, die ihnen ihre griechische Herkunft ansonsten nahe legte. Ernstlich rügt er, dass sie gegen Gerechtigkeit und Humanität verstoßen hätten; aber mit spürbarer Genugtuung erinnert er an die unerträglichen Beleidigungen des Georgios von Kappadokien, die sie so lange hatten hinnehmen müssen. Julian steht auf dem richtigen Standpunkt, dass eine weise und handlungsfähige Regierung den Übermut des Volkes strafen solle: aber in Ansehung ihres Gründers Alexander und ihrer Titulargottheit Serapis gewährt er der schuldigen Stadt großherzigen Pardon, für die er erneut wie ein Bruder empfinde. Julian, Epistulae 10; er erlaubte seinen Freunden, seinen Zorn zu besänftigen. Ammianus, 22,11.

 

ATHANASIUS ERNEUT EINGESETZT 21. FEBRUAR 362

Nachdem sich die Unruhen in Alexandria gelegt hatten, nahm Athanasius unter öffentlichem Beifall erneut auf dem Bischofsstuhl Platz, von dem man seinen unwürdigen Mitbewerber hinabgestoßen hatte; und da der Eifer des Bischofs von Umsicht gemäßigt wurde, lag es in seinem Sinne, die Gemüter des Volkes nicht zu entzweien, sondern auszusöhnen. Auch blieben seine seelsorgerischen Bemühungen nicht auf das enge Ägypten beschränkt. Die christliche Welt stand seinem unternehmenden und ausgreifenden Gemüt offen; und das Alter, die Verdienste und das Ansehen des Athanasius erlaubten ihm, in einem Augenblick der Gefahr das Amt eines Kirchendiktators Siehe Athanasios, Ad Rufinum, Opera, Band 2, p.40f. und Gregor von Nazianz, Orationes 21; welcher ganz zu Recht den kontrollierten Glaubenseifer des Primas für verdienstvoller ästimiert als seine Gebete, Fasten, Verfolgungen. zu übernehmen.

Es war noch nicht drei Jahre her, dass die Bischöfe des Westens aus Unkenntnis oder mit Sträuben das Glaubensbekenntnis von Rimini unterschrieben hatten. Sie bereuten es, sie hatten auch wieder zum richtigen Glauben zurück gefunden, aber zugleich fürchteten sie, dass sie der große Zorn ihrer Glaubensbrüder treffen möchte, während andere, deren Stolz stärker war als ihr Glauben, sich den Arianern in die Arme werfen konnten, um einer beschämenden öffentlichen Abstrafung zu entgehen, welche sie in die Stellung eines schlichten Laien zurück geworfen hätte. Zur gleichen Zeit wurden die internen Streitigkeiten, die die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der göttlichen Personen betraf, unter den katholischen Gottesgelahrten mit einiger Hitze ausgefochten; und im weiteren Verlauf dieser metaphysischen Kontroverse drohte eine dauernde Trennung der griechischen und lateinischen Kirchen. Die Weisheit einer Synode, die der Name und die Anwesenheit des Athanasius in den Rang eines allgemeinen Konzils erhoben hatte, nahm die Bischöfe, die unaufmerksamerweise vom rechten Wege abgeirrt waren, wieder in den Schoß der Kirche auf zu der einfachen Bedingung einer Unterschrift unter das Nikäische Glaubensbekenntnis; irgend ein offizielles Schuldbekenntnis oder eine genaue Bestimmung ihrer Schulmeinung war nicht erforderlich. Der Rat des Primas von Ägypten hatte inzwischen auch den Klerus von Spanien, Gallien, Italien und Griechenland vorbereitet, dieser heilsamen Maßnahme beizutreten; und ungeachtet des Widerspruches einiger Hitzköpfe: Ich habe jetzt nicht die Muße, die blinde Halsstarrigkeit des Lucifer von Cagliari nachzuzeichnen. Man vergleiche hierzu die Darstellung seiner Abenteuer bei Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 7, p. 900-926); und man beachte, wie der Tenor der Erzählung sich ändert, als aus dem Bekenner ein Schismatiker wird.: die Furcht vor dem gemeinsamen Feind beförderte Frieden und Eintracht unter den Christen. ›Assensus est huic sententiae Occidens, et, per tam necessarium concilium, Satanae faucibus mundus ereptus.‹ [Dieser Lehrmeinung ist das Abendland beigetreten, und mit Hilfe dieses so notwendigen Konzils wurde die Welt dem Schlunde Satans entrissen]. Hieronymos' anschaulicher und kunstvoller ›Dialog gegen die Luciferaner‹ (Opera,Band 2, p. 135–155) gewährt uns einen unverstellten Blick auf die Kirchenpolitik jener Zeit.

 

JULIAN VERBANNT ATHANASIUS 23. OKTOBER 362

Das Geschick und die Umsicht des Primas von Ägypten hatten sich friedensstiftend ausgewirkt, bevor dann dieser Zustand durch die gezielten Erlasse des Kaisers gestört wurde. Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 8, p. 360), der mutmaßt, die Ermordung des Georgios habe im August stattgefunden, versammelt die Handlungen des Athanasius auf sehr engen Raum. Ein Originalfragment aus der alten Stiftsbibliothek, publiziert von Marchese Maffei (Osservazioni Letterarie, Band 3, p. 60–92), liefert zahlreiche relevante Datierungen, welche durch Berechnungen mit ägyptischen Monaten bestätigt werden. Julian, der die Christen lediglich verachtete, widmete Athanasius seine ganz besonderen und aufrichtigsten Hassgefühle. Nur um seinetwillen führte er eine willkürliche Unterscheidung ein, die dem Geiste seiner früheren Ankündigungen mindestens widersprach. Er verfügte, dass die aus dem Exil zurückgerufenen Galiläer durch diese allgemeine Gnade keineswegs wieder in die Leitung ihrer jeweiligen Kirchen eingesetzt seien: und er zeigte sich erstaunt, dass ein Verbrecher, den die Kaiser mehrfach für schuldig befunden hatten, es wagen könne, die Majestät der Gesetze zu kränken und den Thron des Erzbischofs von Alexandria zu usurpieren, ohne die Anordnungen seines Kaisers abzuwarten.

Zur Strafe für dieses angebliche Vergehen verbannte er Athanasius neuerlich aus der Stadt: und schon die Vorstellung, dass dieses Urteil seinen frommen Untertanen lieb sein müsse, freute ihn. Indessen belehrten ihn die drängenden Bitten des Volkes darüber, dass die Mehrheit der Bewohner Alexandrias Christen war; und dass den Christen in ihrer Mehrheit die Sache ihres Primas' Herzensangelegenheit war. Aber die Kunde von ihren Gefühlen bestimmte ihn nun keineswegs zum Widerruf seines Erlasses, sondern reizte ihn dazu, das Verbannungsurteil auf ganz Ägypten auszudehnen. Der Eifer der Masse machte Julian nachgerade verstockt: ihn schreckte die Gefahr, an der Spitze dieser aufsässigen Stadt einen wagemutigen und volkstümlichen Anführer zurückzulassen: und die Sprache, mit denen er seine Weigerung begründete, verrät deutlich die Meinung, die er für den Mut und die Begabung des Athanasius hegte.

Die Ausführung des Urteils wurde zwar noch hinausgeschoben infolge der Vorsicht oder Nachlässigkeit des ägyptischen Provinzstatthalters Ecdicius, den aber schließlich doch ein scharfer Verweis aus seiner Lethargie aufschreckte. ›Wenn du es auch verabsäumst,‹ sagt Julian, ›mir über irgendeinen Untertanen Bericht zu erstatten, so ist es doch deine Pflicht, mir wenigstens von deinem Verhalten gegenüber dem Athanasius, dem Feind der Götter, zu erzählen. Meine Absichten sind dir längst bekannt. Ich schwöre dir beim großen Serapis: wenn Athanasius nicht bis zu den Kalenden des Dezember aus Alexandria, nein, aus Ägypten verschwunden ist, werden deine Verwaltungsbeamten eine Buße von einhundert Pfund in Gold bezahlen. Du kennst mich: ich verurteile nur langsam, aber noch langsamer vergesse ich.‹ Der Brief wurde noch einmal durch ein Postscriptum aus des Kaisers eigener Hand bekräftigt. ›Die Verachtung, die man allenthalben den Göttern bezeigt, erfüllt mich mit Trauer und Empörung. Nichts, das ich lieber sähe und nichts, wovon ich lieber hörte als von der Verbannung des Athanasius aus Ägypten. Über den Buben! Die Taufe verschiedener griechischer Damen höchsten Ranges unter meiner Regierung: das war sein Werk.‹ Epistulae 6, p.376. Ich habe die Zweideutigkeit des letzten Wortes beibehalten und somit auch die Zweideutigkeit eines Tyrannen, der Schuld finden, oder auch schaffen wollte. Der Tod des Athanasius war zwar nicht ausdrücklich angeordnet; aber der Präfekt von Ägypten hatte schon begriffen, dass es diesmal besser für ihn wäre, über die Anordnung seines aufgebrachten Herren hinaus zu gehen, als sie zu ignorieren. Der Erzbischof seinerseits zog sich klüglich in die Wüstenklöster zurück; vermied auch diesmal wieder mit gewohnter Umsicht die Schlingen des Feindes; und lebte fort, um über die Asche eines Herrscher zu triumphieren, welcher mit Worten von furchtbarer Tragweite den Wunsch geäußert hatte, das gesamte Gift der galiläischen Schule möge in diesem einem Athanasius versammelt sein. Die drei Briefe Julians, welche seine Absichten und seine Empfindungen gegenüber Athanasius darlegen, sollten in der folgenden chronologischen Reihenfolge angeordnet werden: XVI, X, VI. Siehe dazu auch Gregor von Nazianz, Orationes 21; Sozomenos, 5,15; Sokrates, 3,14; Theodoretos, 3,9; and Tillemont, Memoires ecclésiastiques Band 8, p. 361–368, der auch einiges von dem Material benutzt hat, welches die Bollandisten aufbereitet hatten. .

 

ÜBERMUT UND GLAUBENSEIFER DER CHRISTEN

Ich habe mich ernstlich bemüht, das sinnreiche System darzustellen, das es Julian ermöglichte, die Wirkungen einer Christenverfolgung zu erzielen, ohne sich zugleich dem damit verbundenen Schuldvorwurf auszusetzen. Wenn aber nun der mörderische Geist des Fanatismus Herz und Verstand eines verdienten Herrschers pervertierte, muss zugleich eingestanden werden, dass das eigentliche Leiden der Christen sich an menschlichen Leidenschaften und religiösem Enthusiasmus entzündet hatte. Die Sanftmut und die Ergebenheit, welche die frühen Bekenner des Evangeliums ausgezeichnet hatten, gaben ihren Nachfahren Anlass zum Beifall, weniger zur Nachahmung. Die Christen, über vierzig Jahre im Besitz der zivilen und kirchlichen Macht des Reiches, waren den Versuchungen des Wohlstandes erlegen Siehe das offenherzige Geständnis des Gregor von Nazianz, Orationes 3. und glaubten fest daran, dass die Heiligen allein die Herrschaft über die Erde ausübten.

Sobald nun die offene Feindschaft Julians sie der Gerechtsame beraubte, die ihnen Constantins Gunst geschenkt hatte, beklagten sie sich über die grausamste Unterdrückung; und für die Rechtgläubigen war die Tolerierung von Götzenanbetern und Häretikern ein Gräuel und Anstoß. Man höre nur die zornige und absurde Klage des Optatus an! (De schismate Donatistarum 2,16f.) Der religiöse Eifer des Volkes beging weiterhin Gewaltakte, obgleich die Magistrate sie nicht länger hinnehmen mochten. In Pessinus wurde der Altar der Cybele sozusagen im Beisein des Kaisers umgestürzt; und in Caesarea in Kappadokien wurde der Fortuna-Tempel, der einzige den Heiden verbliebene Ort der Anbetung, durch eine marodierende Volksmasse zerstört. Aber selbst bei solchen Gelegenheiten war der Herrscher, der für die Ehre seiner Götter eintrat, nicht gemeint, in den Gang der Justiz einzugreifen; empört war er eigentlich erst dann, wenn er sah, dass die Fanatiker, die ihre wohlverdiente Strafe für Brandstiftung erhalten hatten, auch noch zu Märtyrern verklärt wurden. Gregor von Nazianz, Orationes 3,91. Er rühmt die Rebellen von Caesarea, [Ü.a.d.Griech.: ...diese Erhabenen und in Frömmigkeit Leidenschaftlichen]. Siehe Sozomenos, 5,4 und 11 und Tillemont, Memoires ecclésiastiques, Band 7, p. 649f. Er gesteht ein, dass ihre Vorgehendweise sich nicht dans l'ordre commun [im Rahmen der öffentlichen Ordnung] bewege; aber er hat nichts dagegen zu erinnern, dass der ehrbare St. Basil regelmäßig das Fest dieser seligen Märtyrer beging.

Die christlichen Untertanen waren sich der feindlichen Ränke ihres Herrschers völlig sicher; und nach ihrem bornierten Verständnis lieferte ihnen jedwede Maßnahme seiner Regierung Anlass zur Unzufriedenheit und Argwohn. Nach der gewöhnlichen Gesetzeslage mussten die Christen, die ja auch einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung bildeten, sehr häufig verurteilt werden: aber ihre eifernden Glaubensbrüder behaupteten ohne nähere Prüfung der Umstände deren Unschuld, stellten sich hinter ihre Ansprüche und machten für die Härte der Urteile parteilichen Bösartigkeit und religiöse Intoleranz verantwortlich. Julian brachte einen Prozess mit einem Urteil gegen die neue christliche Stadt Maiuma, den Hafen von Gaza, zu einem Ende; sein Urteil, obschon reichlich scheinheilig, wurde von seinen Nachfolgern niemals aufgehoben. Sozomenos 5,3; Reland, Palaestina, Band 2, p. 791. Diese Misshelligkeiten des Augenblicks, so bitter sie auch waren, sah man nur als ungezwungenes Vorspiel auf die eigentliche Katastrophe an. Für die Christen war Julian ein grausamer und listiger Tyrann, der sich seine Rache bis zum siegreichen Ende seines persischen Feldzuges aufsparte. Sie erwarteten von ihm, dass er, sobald er über die Feinde Roms erst einmal obsiegt habe, die langweilige Maske der Verstellung ablegen werde; dass in den Amphitheatern wieder das Blut der Einsiedler und Bischöfe strömen werde; und dass die Christen, die dennoch ihren Glauben zu bekennen nicht aufhörten, von der Teilhabe an der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen würden. Gregor (Orationes 4) gibt vor, hier Informationen von Julians Vertrauten mitzuteilen, welche Orosius (7,30) aber gar nicht gesehen haben konnte.

Furcht und Hass machten seinen Feinden jede Verleumdung glaubwürdig, Gregor (Orationes 3) zeiht den Apostaten, heimlich Jungen und Mädchen geopfert zu haben und versichert mit vieler Bestimmtheit, dass die Leichen danach in den Orontes geworfen worden seien. Siehe Theodorotos 3,26 und 27 und die fragwürdige Aufrichtigkeit des Abtes de la Bléterie (Vie de Julien, p. 351). Indessen konnte die zeitgenössische Bosheit Julian denn doch nicht die Unmassen von Märtyrern, besonders aus dem Westen, anhängen, die Baronius so gierig herunterschluckt und die Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 7, p.1295-1315) kleinmütig verwirft. wenn sie nur das Ansehen des Apostaten herabzusetzen geeignet war; und ihr unbedachtes Lärmen reizte die Seelenruhe des Herrschers, den zu respektieren ihre Pflicht und mit dem gut zu stehen ihr Interesse war. Natürlich beteuerten sie, dass Gebete und Tränen ihre einzige Waffe seien gegen diesen gottvergessenen Tyrannen, auf dessen Haupt sie die Strafe des beleidigten Himmels herabflehten. Aber zugleich verbreiteten sie, dass ihre Unterwürfigkeit keineswegs nur ein Zeichen von Schwäche sei; und dass bei der Unvollkommenheit der menschlichen Natur die Langmut, die sich auf abstrakte Prinzipien gründet, aufgrund von Verfolgungen irgendwann erschöpft sei. Es lässt sich unmöglich abschätzen, bis zu welchem Grad Julians Gottesbegeisterung seinen gesunden Menschenverstand und seine Humanität noch eingetrübt haben würde: wenn wir aber ernstlich die Stärke und den Geist der Kirche in Erwägung ziehen, können wir uns überzeugt halten, dass der Herrscher noch vor der Ausrottung der christliche Religion sein Land in den Abgrund eines Bürgerkrieges gestürzt hätte. Gregors Ergebung in den Willen der Vorsehung ist wahrhaft erbaulich. Als ein Offizier Julians Anstalten machte, die Kirche von Nazianz zu bestürmen, hätte er sein Leben verloren, wenn er nicht vor des Bischofs und des Volkes Glaubensstärke zurückgewichen wäre (Orationes 19). Siehe die Überlegungen von Chrysostomos, wie sie bei Tillemont, (Memoires ecclésiastiques Band 7, p. 575) angeführt sind.


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