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JULIANS ›CAESARES‹
Die philosophische Fabel, die Julian unter dem Namen ›Die Caesaren‹ In der Leipziger Ausgabe der Werke Julians findet sich diese Fabel oder Satire in Band 2, p. 306-336. Die französischsprachige Fassung des gelehrten Ezechiel Spanheim (Paris 1683) ist ungeschlacht, flau und fehlerhaft, und seine Fußnoten, Belegstellennachweise und Erläuterungen türmen sich schließlich zu einem Massiv von 557 engbedruckten Seiten im Quartformat. Der Abbé de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 1, p. 241-393) hat Geist und Sinn des Originals viel treffender übertragen, zudem hat er es durch einige knappe und informative Fußnoten kommentiert. abfasste, ist eine der gefälligsten und lehrreichsten Werke antiken Geistes. Spanheim hat in seinem Vorwort mit viel Gelehrsamkeit die Herkunft und Etymologie sowie die Unterschiede und Übereinstimmungen von griechischen Satyren und lateinischen Satiren diskutiert; erstere war eine Dramengattung, die im Anschluss an eine Tragödie gegeben wurde, letztere eine Schrift in Prosa oder Versen in unterschiedlicher Form. Aber Julians Caesaren haben eine derart eigenwillige Anlage, dass die Wissenschaft in Verlegenheit ist, sie einer bestimmten Gattung zuzuordnen. Während der Freiheit und Gleichheit der Saturnalien bereitet Romulus ein Fest für die olympischen Gottheiten, – sie hatten ihn als Standesgenossen anerkannt und unter sich aufgenommen – sowie für die römischen Herrscher, welche über sein kriegerisches Volk und die besiegten Nationen der Erde regiert hatten. Die Unsterblichen erhielten ihren angemessenen Platz und für die Caesaren war die Tafel unterhalb des Mondes in den höheren Luftgefilden bereitet. Die Tyrannen, welche durch ihre Anwesenheit die Gesellschaft der Menschen und Götter beleidigt haben würden, stürzte die unversöhnliche Nemesis kopfüber in den Tartarus. Die übrigen Caesaren erschienen nach und nach an ihren jeweiligen Plätzen: und als sie dann eintrafen, wurden ihre jeweiligen Laster, Fehler und Charaktermängel auf bösartige Weise durch den alten Silen angemerkt, einen lachenden Moralisten, welcher die Weisheit des Philosophen hinter der Maske eines Bacchanals verbarg. Diese schillernden Charakterzüge des Silen werden auch in Vergils sechster Ekloge sehr hübsch ausgemalt.
Nach Beendigung des Festes kündete Merkur den Willen Jupiters, dass dem höchsten Verdienst die Himmelkrone gebühre. Als aussichtsreichste Kandidaten wurden Julius Caesar, Augustus, Trajan und Marc Aurel genannt; der weibische Konstantin Jeder unvoreingenommene Leser wird hier eine Parteinahme Julians gegen seinen Onkel Constantin und die christliche Religion feststellen und ablehnen. Bei dieser Gelegenheit fühlen sich Übersetzer durch ein höherrangiges Interesse bestimmt, ihre Gefolgschaft aufzukündigen und sich von der Sache ihres Autors loszusagen. wurde aus diesem ehrenhaften Wettbewerb nicht eigentlich ausgeschlossen, und auch Alexander der Große ward eingeladen, mit den römischen Heroen sich zu messen. Jedem der Kandidaten wurde erlaubt, seine eigenen Verdienste darzutun; vor dem Richterstuhl der Götter hinterließ das schlichte Schweigen des Mark Aurel den stärksten Eindruck, ganz anders als die ausgefeilten Reden seiner stolzen Gegner. Als die Kampfrichter nun dazu übergingen, das Herz zu prüfen und die Beweggründe ihres Handelns, trat der kaiserliche Stoizismus noch überlegener und überzeugender hervor. Julian verspürte Neigung, einem Griechen gegenüber einem Römer den Vorzug zu geben. Bei einem ernsthaften Vergleich von Held und Philosoph ward er inne, dass die Menschheit einem Sokrates erheblich mehr verpflichtet ist als einem Alexander (Oratio ad Themistium, p. 264). Alexander und Caesar, Augustus, Trajan und Constantin bekannten unter Erröten, dass Ruhm, Macht und deren Befriedigung die eigentlichen Triebfedern ihres Handelns gewesen waren: die Götter aber schauten mit Freude und Zuneigung auf einen tugendreichen Sterblichen, der sich noch auf dem Thron als Philosoph bewährt hatte; und der sogar in einem Augenblick menschlicher Schwäche bemüht war, den moralischen Eigenschaften der Götter nachzueifern. Der Wert dieser lesenswerten Schrift, die Caesares des Julian, wird durch den Rang ihres Verfassers noch erhöht. Ein Herrscher, der ohne Zurückhaltung ein Gemälde der Laster und Tugenden seiner Vorgänger entwirft, gibt damit ausdrücklich auch sein eigenes Verhalten für Kritik oder Lob frei.
JULIAN BESCHLIESST DEN ZUG GEGEN PERSIEN A.D.362
In Augenblicken ruhigen Nachdenkens gab Julian den heilsamen Tugenden des Mark Aurel den Vorzug; aber sein Ehrgeiz entzündete sich am Ruhm von Alexander; und mit vergleichbarer Heftigkeit verlangte es ihn nach der Wertschätzung der Weisen und dem Beifall der Masse. In jenem Lebensabschnitt, in welchem die Geistes- und Körperkräfte in höchster Blüte stehen, beschloss der Kaiser, der durch die Germanenkriege gestählt und durch deren Erfolge beflügelt war, seine Regierungszeit durch fernere Großtaten und Eroberungen merkwürdig zu machen. Die Botschafter östlicher Reiche, von Ceylon ›Inde nationibus Indicis certatim cum donis optimates mittentibus ... ab usque Divis et ›Serendivis‹. [Von dort schickten die indischen Völker um die Wette vornehmste Männer mit Geschenken...bis zu den Diven und ›Serendiven]. Ammianus 22,7. Diese Insel, die nacheinander Taprobana, Serendib und Ceylon genannt wurde, führt uns handgreiflich vor Augen, wie wenig die Römer die Meere und Länder östlich von Kap Comorin kannten. 1. Unter der Herrschaft des Claudius war ein Freigelassener, der die Steuereinnahmen des Roten Meeres gepachtet hatte, durch ungünstige Winde zum ersten Male durch Zufall mit diesen fremden Küsten in Berührung gekommen: sechs Monate lang pflegte er mit den Einwohnern Umgangs; und der König von Ceylon, der zum ersten Male von Rom und seiner Größe hörte, hielt es für aufgezeigt, eine Gesandtschaft zum Kaiser zu schicken (Plinius, Naturalis historia 6,24). 2 Die Geographen (selbst Ptolemäus) haben die Größe dieser neuen Welt um fast das Fünfzehnfache übertrieben, da sie sich nach ihrer Auffassung bis zum Äquator und an die Grenzen Chinas erstreckte. bis zum indischen Kontinent, hatten dem römischen Purpur ihre Aufwartung gemacht. Diese Gesandtschaften wurden zu Constantius geschickt. Ammianus, der hier unpassenderweise in plumpe Schmeichelei verfällt, hat wohl die große Entfernung und Julians kurze Regierungszeit vergessen. Die Völker des Westens respektierten und fürchteten Julians persönliche Tüchtigkeit, in Friedens- wie in Kriegszeiten. Die Trophäen seines Sieges über die Goten achtete er gering, ›Gothos saepe fallaces et perfidos; hostes quaerere se meliores aiebat: illis enim sufficere mercatores Galatas per quos ubique sine conditionis discrimine venundantur.‹ (Ammianus 22,7) [Die Goten, oft tückisch und treulos; da suche er sich bessere Feinde, erklärte er: für jene genügten die Galather, welche sie überall auf den Märkten und unbekümmert um ihren Stand verkauften]. Nach noch nicht einmal fünfzehn Jahren bedrohten diese gotischen Sklaven ihre Herren und unterwarfen sie. und er war damit zufrieden, dass die raublustigen Barbaren des Donaugebietes von inskünftigen Verletzungen der Friedensverträge durch die Furcht vor seinem Namen und durch zusätzliche Grenzbefestigungen zurückgehalten würden.
Die Nachfahren des Cyrus und Artaxerxes waren die einzigen Gegner, die ihm seiner Waffen würdig schienen; und so beschloss er denn, durch die endgültige Niederwerfung Persiens diese hochmütige Nation zu züchtigen, welche so lange Roms Namen geärgert hatte. Alexander erinnert Caesar, der die Bedeutung von dessen asiatischer Eroberung kleinredet, dass Crassus und Antonius die Pfeile der Perser spüren mussten; und dass im Laufe einer dreihundertjährigen Auseinandersetzung die Römer noch nicht einmal eine einzige Provinz Mesopotamiens oder Assyriens erobert hätten. Julian, Caesares p. 324.Sobald der persische Großkönig Kunde davon hatte, dass auf dem Thron des Constantius nunmehr ein Herrscher von ganz anderem Zuschnitt saß, unterbreitete er einige schwer durchschaubare, aber möglicherweise aufrichtige Friedensvorschläge. Doch schon bald erstaunte Sapors Hochmut über Julians Festigkeit, welcher mit Nachdruck erklärte, dass er sich niemals zu einer Friedenskonferenz inmitten der brennenden und zerstörten Städte Mesopotamiens bereit finden würde; und der mit verächtlichem Lächeln hinzufügte, dass Verhandlungen durch Gesandtschaften sinnlos seien, da er sich selbst vorgesetzt habe, schon bald den persischen Hof zu besuchen.
Die Ungeduld des Monarchen beschleunigte die militärischen Vorbereitungen. Die Generäle wurden ernannt; eine gewaltige Armee wurde für diese hochwichtige Angelegenheit aufgestellt; und Julian selbst marschierte von Konstantinopel durch die Provinzen Kleinasiens und erreichte Antiochia acht Monate nach dem Tode seines Vorgängers. Sein brennendes Verlangen, ins Innere Persiens vorzustoßen, wurde allerdings noch durch dringende Staatsgeschäfte aufgehalten; durch sein Verlangen ferner, den Dienst an den alten Göttern zu erneuern; und schließlich durch den Rat bedachterer Freunde, welche ihm die heilsame Wirkung eines Winterlagers darstellten, das geeignet war, die erschöpften Kräfte der gallischen Legionen zu erneuern und die Disziplin und den Geist der Ost-Armee zu beleben. Julian ließ sich überzeugen, bis zum Ende des Frühlings in Antiochia Residenz zu nehmen inmitten einer bösartigen Bevölkerung, die das hastige Vorgehen ihres Herrschers zu verhöhnen und sein Zögern zu tadeln aufgelegt war. Den persischen Feldzugsplan erklären Ammianus (22.7 und 12), Libanios (Oratio parentalis 79f.), Zosimos (3,11) und Sokrates (3,19).
JULIAN IN ANTIOCHIA
Wenn Julian sich eingebildet haben sollte, dass seine persönliche Beziehung zu der Hauptstadt des Ostens hinreichen würde, ein befriedigendes Verhältnis zwischen Herrscher und Volk zu stiften, dann schätzte er sich selbst und die Stimmung in Antiochia durchaus falsch ein. Die Satire von Julian und die Predigten des St. Chrysostomos zeichnen von Antiochia ein vergleichbares Bild. Elegant und zutreffend ist auch die Miniatur des Abbé de la Bléterie (Vie de Julien, p. 332). Das warme Klima machte die Einwohner zu Üppigkeit und Müßiggang besonders geneigt; und die muntere Ausgelassenheit der Griechen harmonisierte mit der angeborenen Weichheit der Syrier. Für die Bewohner Antiochias waren Mode das einzige Gesetz, Vergnügen das einzige Ziel und Üppigkeit von Kleidung und Besitz das einzige Unterscheidungsmerkmal. In hoher Ehre standen die Raffinessen des Luxus; ernste Mannestugenden waren Gegenstand des Spottes; weibliche Zurückhaltung und das ehrwürdige Alter wurden verachtet, was ein zuverlässiges Indiz für die Verderbtheit der Hauptstadt des Ostens war. Öffentliche Darbietungen waren die Vorliebe, wo nicht die Leidenschaft des Syrier: Die besten Könner ihres Gewerbes wurden aus den Nachbarstädten herangezogen; Laodicea stellte Wagenlenker; Tyros und Berytos Komödianten; Heliopolis Sänger; Gaza Gladiatoren; Ascalon Ringkämpfer; und Castabala Seiltänzer. beträchtliche Haushaltsmittel wurden für öffentliche Lustbarkeiten ausgegeben; und der Prachtaufwand, mit dem die Theater- und Zirkusveranstaltungen betrieben wurden, machte Antiochias Ruhm und Größe aus.
Die rustikalen Aufführungen eines Herrschers, dem solcherart Ruhm ferne lag und der für derlei Freuden unempfänglich war, kränkten schon bald den delikaten Geschmack seiner Untertanen; unmöglich war es den verweichlichten Orientalen, die strenge Kargheit nachzuahmen oder zu bewundern, die Julian stets an den Tag legte oder zuweilen auch nur erkünstelte. Nur an hohen Feiertagen, die nach altem Herkommen den Göttern geweiht waren, legte Julian die Maske des strengen Philosophen ab; und genau diese Feste waren die einzigen Tage, an welchen die Syrer Antiochias den Verlockungen der Freude widerstehen konnten. Die Mehrheit des Volkes förderte nämlich den Ruhm des christlichen Namens, den ihre Vorfahren als erste getragen hatten [Ü.a.d.Griech.: Liebt ihr Christus, habt ihr einen Schutzpatron gegen Zeus.] Die Einwohner bekannten sehr erfinderisch ihre Anhänglichkeit an das Chi (Christus) und an das Kappa (Konstantinos). Julian, Misopogon p. 357. Sie hatten keine Probleme damit, moralische Vorschriften zu missachten, aber die Doktrinen ihrer Religion beobachteten sie mit großer Gewissenhaftigkeit. Die Kirche von Antiochia war durch Häresie und Schisma gespalten; aber die Arianer und die Athanasier, die Anhänger des Meletius und des Paulinus Das Schisma von Antiochia, welches fünfundachtzig Jahre (A.D. 330-415) währte, wurde durch die unüberlegte Ordination des Paulinus ausgelöst, als Julian in dieser Stadt residierte. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 7, p. 803 Quartausgabe, aus der ich von nun an zitieren werde. spornte doch derselbe fromme Hass gegen Julian, ihren gemeinsamen heidnischen Feind.
JULIANS SATIRE GEGEN DIE EINWOHNER ANTIOCHIAS
Man hegte den massivsten Vorbehalt gegen diesen Apostaten, der der Feind und zugleich der Nachfolger eines Herrschers war, der die Zuneigung einer mächtigen Sekte gewonnen hatte; und die Verlegung des Grabes von St. Babylas erzeugte einen unversöhnlichen Hass gegen die Person des Julian. Seine Untertanen, beleidigt in ihrem Aberglauben, beklagten, dass eine Hungersnot ihres Herrschers Marsch von Konstantinopel nach Antiochia begleitet habe; und die Unzufriedenheit des hungrigen Volkes wurde noch gesteigert durch den untauglichen Versuch, ihrer Not zu steuern. Wegen ungünstiger Witterung war die Ernte von Syrien dürftig gewesen; und entsprechend der Getreideknappheit war der Brotpreis Julian legt je nach Marktlage für ein Goldstück drei unterschiedliche Mengen Getreide fest, (fünf, zehn oder fünfzehn modii Weizen). Hieraus und aus ähnlich gelagerten Beispielen schließe ich, dass unter den Nachfolgern des Constantin der Weizenpreis ca. 32 Schilling für ein englisches Quarter betrug, was dem Durchschnittspreis der ersten vierundsechzig Jahre unseres (18.) Jahrhunderts entspricht. Siehe Arbuthnot, Tables of Coins, Weights and Measures, p. 88, 89. Plinius, Historia Naturalis, 18,12; Memoires de l'Academie des Inscriptions, Band 28, p. 718-721. Adam Smith, Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Band 1, p. 246. Es erfüllt mich mit Stolz, dieses letzte Werk als das eines Weisen und eines Freundes zu zitieren. auf den Märkten von Antiochia gestiegen. Aber diese anständige und angemessene Steigerungsrate wurde schon bald durch schmutzige Kunstgriffe der Monopole zunichte gemacht.
GETREIDEMANGEL UND ALLGEMEINER UNMUT
Bei diesem ungleichen Wettbewerb, in welchem die Erzeugnisse des Landes von der einen Seite als ihr ausschließliches Eigentum beansprucht, von der anderen als einträgliches Handelsobjekt missbraucht und von der dritten als lebenswichtige tägliche Nahrung benötigt werden: in diesem Wettbewerb werden alle Profite der Zwischenhändler dem hilf- und wehrlosen Konsumenten aufgebürdet. Durch ihre eigene Ungeduld und Besorgtheit verschärften sie ihre Situation noch zusätzlich; und die ängstliche Erwartung einer Knappheit provozierte allmählich die Symptome einer Hungersnot. Als Antiochias verwöhnte Bürger über den Mangel von Geflügel und Fisch Klage führten, ließ Julian öffentlich verlautbaren, dass für eine anständig-karge Stadt die regelmäßige Zufuhr von Wein, Öl und Brot ausreiche; allerdings anerkannte er, dass es zu den Pflichten des Herrschers gehöre, sich um die Versorgung seines Volkes zu kümmern. Mit dieser heilsamen Auffassung wagte der Kaiser den sehr gefährlichen und unsicheren Schritt, den Getreidepreis gesetzlich festzulegen. Er verfügte, dass es in Zeiten der Knappheit zu einem Preis verkauft werden sollte, den man in den Jahren des Überflusses nur selten gekannt hatte; und um durch das eigene Vorbild sein Vorhaben zu bekräftigen, warf er vierhundertundzweiundzwanzigtausend modii auf den Markt, welche er aus den Kornkammern von Hierapolis, Chalcis und selbst noch Ägyptens herbeischaffen ließ.
Die Folgen, die man hätte vorhersehen können, traten denn ja auch unverzüglich ein. Der kaiserliche Weizen wurde von den reichen Händlern aufgekauft; die Eigentümer von Land oder Getreide hielten die Lieferungen zurück; und was an kleinen Mengen doch seinen Weg auf den Markt fand, wurde heimlich, illegal und zu Wucherpreisen verkauft. Julian indessen wurde nicht müde, seine Politik zu loben, tat die Beschwerden des Volkes als albernes und undankbares Nörgeln ab und überzeugte Antiochia davon, dass er zwar die Hartnäckigkeit, aber nicht die Grausamkeit seines Bruders Gallus geerbt habe. ›Nunquam a proposito declinabat, Galli similis fratris, licet incruentius.‹ [Niemals wich er -ähnlich wie sein Bruder Gallus- von einem Vorhaben ab, wenn er auch unblutiger war]. Ammian. 22,14. Die Vorstellungen des städtischen Senates bestärkten ihn lediglich in seiner starren Haltung. Er war davon überzeugt, und vermutlich war er es zu Recht, dass die Senatoren von Antiochia, die ja alle eigenes Land besaßen oder am Handel beteiligt waren, selbst zu der Notlage ihres Landes beigetragen hätten; und so er warf er ihnen ihre dreiste Kühnheit vor, mit dem sie nicht das gemeine Wohl, sondern ihre privaten Interessen verfolgten. Die gesamte Körperschaft, immerhin zweihundert der vornehmsten und wohlhabendsten Bürger, wurde unter strenger Bewachung vom Palast ins Gefängnis verbracht; und obwohl sie noch vor Einbruch der Dunkelheit in ihre jeweiligen Häuser zurückkehren durften, Ihre kurze und leichte Haft wird von Libanios mit Schonung berührt (Oratio parentalis 98) waren sie ihrem Kaiser gegenüber nicht so bald zur Vergebung bereit wie er ihnen gegenüber.
Der gleiche Übelstand war immer noch Gegenstand der gleichen Klagen, welche die leichtfertige Natur der syrischen Griechen vorsätzlich in Umlauf gebracht hatten. Während der tollen Tage der Saturnalien erklangen in den Straßen ungehörige Lieder, mit denen die Gesetze, die Religion, das persönliche Auftreten und sogar der Bart des Kaisers verspottet wurden; und das augenzwinkernde Einverständnis des Senates sowie der lärmende Beifall des Volkes legten ein beredtes Zeugnis von Antiochias Geistesverfassung ab. Libanios (Ad Antiochienos de Imperatoris ira 17-19) tadelt wie ein gelernter Anwalt die Torheit des Volkes, welches für das Verbrechen von ein paar finsteren und betrunkenen Kriminellen leiden musste. Der Schüler des Sokrates war zutiefst betroffen infolge dieses allgemeinen Hohnes; der Monarch indessen, ausgestattet mit rascher Auffassung und absoluter Macht, gestattete sich keine billige Rache. Ein normaler Tyrann hätte unterschiedslos Leben und Vermögen der Bürger Antiochias auf die Proskriptionsliste gesetzt; und die kampfuntauglichen Syrer hätten sich der Gier, Raublust und Grausamkeit der gallischen Legionen mit Seufzen ergeben müssen. Ein milder gestimmtes Gemüt hätte die Hauptstadt des Ostens seiner Ehrenstellung und Privilegien entkleidet; und die Höflinge, vielleicht sogar die Untertanen Julians hätten diesem Rechtsakt zugestimmt, durch welchen das Ansehen der höchsten Machtinstanz des Staates wieder hergestellt worden wäre. Libanios (Ad Antiochienos de Imperatoris ira 7) erinnert Antiochia daran, dass Caesarea erst vor kurzer Zeit gezüchtigt worden war; und selbst Julian (Misopogon, p. 355) erinnert daran, wie schwer Tarent einst für die Verhöhnung der römischen Gesandtschaft gebüßt habe. Anstelle nun die Staatsmacht für die Bestrafung persönlich erlittenen Unrechtes zu missbrauchen oder wenigstens mit ihr zu drohen, verfiel Julian auf eine harmlosere Art der Vergeltung, wie sie wohl nur wenigen Herrschern zu Gebote stehen dürfte.
JULIAN VERFASST EINE SATIRE AUF ANTIOCHIA
Man hatte ihn durch Satiren und Schmähschriften beleidigt; so verfasste er seinerseits unter dem Titel der Barthasser ein ironisches Bekenntnis seiner Fehler, das zugleich eine giftige Satire auf die weibischen und zügellosen Sitten von Antiochia war. Diese kaiserliche Replik wurde an den Palasttoren für jedermann zugänglich ausgehängt; und noch heute ist der misopogon Über den Misopogon sehe man: Ammianus (22,14), Libanios (Oratio parentalis 99), Gregor von Nazianz (Orationes 4) und die Chronik von Antiochia von Johannes Malala (Band 2, p.5f.) Besonders bin ich der Übersetzung und den Anmerkungen des Abbé de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 2, p. 1-138) verpflichtet. ein einzigartiges Dokument von Julians Denken, seinem Witz, seiner Humanität und seiner Rücksichtslosigkeit. Wenn er auch zu lachen vorgab, so konnte er dennoch nicht vergeben. Ammianus 22,14 merkt mit gutem Recht an, ›coactus dissimulare pro tempore ira sufflabatur interna.‹ [Zeitweilig zum Schweigen genötigt, nährte er doch insgeheim seinen Zorn]. Aus Julians ausgefeilter Ironie werden schließlich ernsthafte und direkte Vorwürfe. Seine Verachtung drückte sich aus und seine Rachegelüste waren wohl befriedigt, als er einen zu diesen Untertanen durchaus passenden Statthalter Ipse autem Antiochiam egressurus, Heliopoliten quendam Alexandrum Syracae iurisdictioni praefecit, turbulentum et saevum; dicebatque non illum meruisse, sed Antiochensibus avaris et contumeliosis huiusmodi iudicem convenire. [Er selbst aber setzte noch kurz vor seiner Abreise den bösartigen und jähzornigen Alexander von Heliopolis als obersten Richter von Syrien ein und sagte zu Erläuterung, dieser habe diesen Posten zwar nicht verdient, doch gäbe es für die habgierigen und schmähfreudigen Einwohner Antiochias keinen besseren]. Ammianus 23,2. Libanios (Epistulae 722, p. 346 f.), der Julian gestand, auch er habe an der allgemeinen Unzufriedenheit seinen Teil gehabt, bemerkt doch, dass Alexander ein nützlicher, wenngleich ruppiger Reformer von Sitte und Religion zu Antiochia gewesen sei. einsetzte: der Kaiser selbst, der sich für immer von dieser undankbaren Stadt lossagte, erklärte, den bevorstehenden Winter im kilikischen Tarsus verbringen zu wollen. Julian, Misopogon, p. 364; Ammianus, 23,2, und Valesius ad locum. Libanios lädt Julian in einer förmlichen Rede ein, zu seiner pflichttreuen und reuigen Stadt Antiochia zurückzukehren.
VERSÖHNUNG DURCH DEN SOPHISTEN LIBANIOS
Indessen besaß Antiochia einen Bürger, dessen Genius und Talent nach Auffassung Julians die Laster und Dummheit seiner Vaterstadt aufwog. Libanios, der Sophist, war in der Hauptstadt des Ostens auf die Welt gekommen; er übte das Amt eines öffentlichen Lehrers der Rhetorik und der Deklamation in Nikäa aus, in Konstantinopel, in Athen und gegen Schluss seines Lebens in Antiochia. Griechenlands Jugend suchte seine Schule mit Vorliebe auf; seine Schüler – es waren ihrer oft mehr als achtzig – verehrten den Unvergleichlichen; und die neidischen Nachstellungen seiner Rivalen, die ihn von einer Stadt in die andere trieben, bestätigte nur die günstige Meinung, die Libanios von seinen hohen Verdiensten hegen durfte. Julians christliche Lehrer hatten ihm einst das Zugeständnis abgenötigt, niemals bei ihrem Kontrahenten Stunden zu nehmen; naturgemäß wurde die Neugier des königlichen Zöglings durch dieses Verbot erst recht geweckt: er verschaffte sich unter der Hand die Schriften dieses unheimlichen Sophisten und übertraf durch genaue Nachahmung seines Stils den bemühten Sprachduktus seiner Mitschüler. Libanios, Oratio parentalis 7.
Als Julian dann den Thron bestiegen hatte, verkündete er sein Verlangen, endlich diesen syrischen Sophisten umarmen und belohnen zu wollen, welcher im Zeitalter des allgemeinen Niederganges imstande gewesen war, die Reinheit des griechischen Geschmacks, der Sitten und der Religion zu bewahren. Des Kaisers vorgefasste Meinung wurde bestätigt und sogar noch bestärkt durch den zurückhaltenden Stolz seines Günstlings. Er drängte sich nicht zusammen mit anderen und in der ersten Reihe in den Palast von Konstantinopel, sondern erwartete in aller Bescheidenheit seine Ankunft in Antiochia; verließ den Hof bei den ersten Anzeichen von Entfremdung oder Gleichgültigkeit; verlangte für jeden Besuch eine offizielle Einladung; und lehrte seinen Herrscher die wichtige Lektion, dass er zwar dem Gehorsam eines Untertanen gebieten könne, dass er sich aber um die Anhänglichkeit eines Freundes bemühen müsse. Die Sophisten, die zu allen Zeiten die zufälligen Unterschiede der Geburt und des Vermögens Eunapius (Vitae Sophistarum, p. 135) erzählt, dass Libanios den Rang eines Prätorianerpräfekten ablehnte, da er weniger bedeute als der Titel eines Sophisten. Gelehrte haben in einem der Briefe des Libanios (Epistulae 18, ed. Wolf) eine vergleichbare Auffassung entdeckt. verachteten oder zu verachten vorgaben, sparen sich ihre Wertschätzung für Träger höherer Geistesgaben auf, mit denen sie selbst in Überfülle ausgestattet sind. Julian mochte wohl den Beifall eines käuflichen Hofes gering schätzen, welcher den Kaiserpurpur anbetete; aber er war zutiefst angetan durch das Lob, den Ansporn, die Freiheit und die Eifersucht eines unabhängigen Philosophen, welcher seine Gunst verschmähte, ihn persönlich jedoch schätzte, seinen Ruhm mehrte und der sein Gedächtnis in Ehren hielt.
Die umfänglichen Schriften des Libanius sind auf uns gekommen: zum größten Teil sind sie das müßige und unfruchtbare Geschreibe eines Redners, welcher Wortkunst betreibt; eines Stubenhockers, der unbeschadet vom Geschehen der Gegenwart unverdrossen vom Trojanischen Krieg und Athens Großmachtstellung träumt. Bisweilen gestattete sich der Sophist von Antiochia einen Abstieg aus seiner luftigen Höhe; er unterhielt eine vielseitige und sorgfältig ausgearbeitete Korrespondenz; Fast 2000 Briefe des Libanios sind uns überliefert und mittlerweile veröffentlicht, die alle in einem Stil gehalten sind, in welchem Libanios nach allgemeiner Auffassung Großes leistete. Die Gelehrten loben wohl seine geschliffene und geschmackvolle Knappheit; doch Dr. Bentley (Dissertation, p. 487) hat wohl zu Recht, wenn auch augenzwinkernd angemerkt, dass ›man wegen ihrer Leere und Leblosigkeit das Gefühl hat, sich mit einem verträumten Schulmeister zu unterhalten, der, gestützt auf seine Ellenbogen, nur am Schreibtisch hockt.‹ er lobt die Tugenden seiner Zeit; mit kühnem Mut klagt er die Liederlichkeiten des öffentlichen und privaten Lebens an; und mit viel Beredsamkeit verteidigt er die Sache Antiochias gegen die gerechte Bestrafung durch Julian und Theodosios. Es ist nun einmal die Tragik des Alters, Er ist geboren im Jahre 314. Er erwähnt sein 67. Jahr (A.D. 390) und scheint auf einige spätere Ereignisse anzuspielen., alles das nicht zu erhalten, was es hätte begehrenswert machen können; aber Libanios hatte das einmalige Missgeschick, die Religion und die Wissenschaften zu überleben, denen er sein Leben geweiht hatte. Dieser Freund Julians blickte mit Abgunst auf den Sieg des Christentums; und sein blindes Frömmeln, das ihm den Blick auf die eigentliche Welt trübte, lohnte es Libanios auch nicht mit der geringsten Aussicht auf Ruhm und himmlische Seligkeit. Libanios hat eine weitschweifig-eitle, aber immer noch bemerkenswerte Autobiographie hinterlassen, über die Eunapios (Vitae Sophistarum p. 130-135) einen knappgefassten und ungünstigen Bericht gegeben hat. Von den Neueren haben Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 4, p. 571-576), Fabricius (Bibliotheca Graeca, Band 7, p. 376-414) und Lardner (Heathen Testimonies, Band 4, p. 127-163) Persönlichkeit und Schriften dieses berühmten Sophisten ins Licht gerückt.
VORMARSCH ZUM EUPHRAT
Julians kriegerischer Tatendurst bestimmte ihn bereits im Frühjahr zum Aufbruch; und mit Verachtung und Ungnade entließ er den Senat von Antiochia, welcher den Kaiser noch über die Grenzen ihres Landes begleitete, in welches niemals zurückzukehren er fest entschlossen war. Nach einem Gewaltmarsch von zwei Tagen Die Straße von Antiochia nach Litarbe auf dem Gebiet von Chalcis führt über Hügel und durch Sümpfe und ist in einem elenden Zustand; das Pflasterung lag unbefestigt im Sand (Julian, Epistula 27). Es ist erstaunlich, dass die Römer diese große Verbindungsader zwischen Antiochia und dem Euphrat sollten so vernachlässigt haben. Siehe Wesseling, Itineraria p. 190 und Bergier, Histoire des grands chemins, Band 2, p. 100. machte er am dritten Halt bei Beroea oder Aleppo, wo er zu seinem Verdruss einen fast vollständig zum Christentum übergetretenen Senat antraf; welcher sich kalt und pflichtgemäß-respektvoll anhörte, was der Verkünder des Heidentums etwa zu sagen hätte. Der Sohn eines der mächtigsten Bürgers von Borea hatte aus Eigennutz oder Gewissenszwang die Religion des Kaisers angenommen und war von seinem zornigen Erzeuger enterbt worden. Vater und Sohn wurden zur kaiserlichen Tafel geladen. Julian nahm zwischen ihnen Platz und versuchte – natürlich vergeblich –, die Lehre der Toleranz zu vermitteln; trat sogar mit bemühter Gelassenheit für den Glaubenseifer des betagten Christenmenschen ein, welcher die natürlichsten Empfindungen und die Pflichten eines Untertans vergessen zu haben schien; und wandte sich schließlich an den unglücklichen jungen Mann und sagte: ›Da du nun einen Vater verloren hast um meinetwillen, ist es an mir, seine Stelle einzunehmen.‹ Julian (Epistulae 27) spielt auf diesen Vorfall an, von dem Theodoretos (3,22) eingehender berichtet; Tillemont (Histoire des empereurs, Band 4, p. 534) und selbst la Bléterie (Vie de Julien, p. 413) versagen der Intoleranz des Vaters nicht ihren Beifall.
Ein seinen Vorstellungen besser entsprechender Empfang ward dem Kaiser in Batnae zuteil, einer kleinen Stadt, welche etwa zwanzig Meilen von Hierapolis entfernt in angenehmer Lage inmitten eines Zypressenhaines liegt. Die Opferrituale wurden von den Einwohnern Batnaes mit aller Feierlichkeit vollzogen, da sie ihren Titulargottheiten Apollo und Jupiter immer noch zugeneigt schienen; aber Julians ernste Frömmigkeit wurde gekränkt durch ihren johlenden Beifall; und schon bald erkannte er, dass der Rauch von ihren Altären aus dem Feuer der Unterwürfigkeit und nicht der Frömmigkeit emporstieg. Der alte, prachtvolle Tempel, der seit alters die Stadt Hieropolis geheiligt hatte, Siehe die lesenswerte Studie ›De dea Syriae‹, die sich unter Lukians Schriften findet (Opera, Band 3, p. 451-490). Der sonderbare Beiname Ninus verus (Ammianus, 14,8) legt die Vermutung nahe, dass Hierapolis der Sitz der alten assyrischen Könige gewesen ist. war nicht mehr; und zusätzlich hat der geweihte Schatz, aus welchem mehr als dreihundert Priester ein reichliches Auskommen fanden, seinen Untergang beschleunigt. Julian hatte immerhin die Genugtuung, einen Philosophen und Freund umarmen zu können, dessen religiöse Standfestigkeit den drängenden und wiederholten Lockungen des Constantius und Gallus widerstanden hatte, sooft diese Herrscher auf ihren Reisen durch Hieropolis in seinem Hause Quartier genommen hatten. In der Hektik der militärischen Vorbereitung wie in der behaglichen Vertraulichkeit einer Privatkorrespondenz ist Julians religiöses Bemühen gleichbleibend und lebendig geblieben. Er stand nun am Beginn eines bedeutsamen und schweren Feldzuges; und die Sorge um den Ausgang bestimmte ihn, noch aufmerksamer als zuvor auf jene läppischen Vorzeichen zu achten, aus denen sich gleichwohl im Einklang mit den Gesetzen der Wahrsagekunst Kenntnisse des Künftigen gewinnen ließen. Julian (Epistulae 28) führte über die günstigen Omen pedantisch Buch, verschwieg aber die ungünstigen, die seinerseits Ammianus (23,2) sorgfältig verzeichnet hat. Er berichtete Libanios in einem eleganten Brief Julian, Epistulae 27, p. 399-402. von seinem Feldzug bis vor Hierapolis, in welchem sein Genius ebenso erkennbar ist wie seine Freundschaft zu dem Philosophen von Antiochia.
SEIN FELDZUGSPLAN TIRANUS VERWEIGERT GEFOLGSCHAFT
Hierapolis, das schon fast am Euphratufer Ich ergreife die erste Gelegenheit, mich Herrn d'Anville für seine jüngst erschienene Geographie von Euphrat und Tigris verpflichtet zu erzeigen (Paris 1780, Quarto), zumal sie besonders eingehend Julians Feldzug erläutert. liegt, war zum Sammelplatz der römischen Truppen bestimmt worden, welche denn auch unverzüglich den gewaltigen Fluss auf einer Schiffsbrücke überquerten, die man schon vorher angelegt hatte. Im Abstand von nur wenigen Meilen gibt es drei Flusspassagen: 1. Zeugma, welches die Alten rühmten; 2. Bir, das die neueren Reisenden benutzen; 3. die Brücke von el Manbedsch oder Hierapolis, etwa vier Parasangen (Wegstunde, ca. 5,6km) von der Stadt entfernt. Wären die Neigungen Julians ähnlich denen seiner Vorgänger gewesen, dann hätte er die günstige Jahreszeit gewiss im Zirkus von Samosata oder in den Kirchen von Edessa vertändelt. Da sich der kriegstüchtige Kaiser aber nicht Constantius, sondern Alexander zum Vorbild gewählt hatte, marschierte er ohne Verzug nach Karrhae Haran oder Karrhae war der alte Wohnort der Sabaeaner und des Abraham. Vergleiche hierzu den Index Geographicus von Schulten (Vita Saladin am Ende), ein Werk, dem ich viele Kenntnisse des Orients danke, besonders aber die alte und gegenwärtige Geographie Syriens und seiner benachbarten Länder. weiter, einer sehr alten mesopotamischen Stadt, etwa achtzig Meilen von Hierapolis entfernt. Julian entschloss sich, im Tempel der Mondgöttin anzubeten; im Wesentlichen aber diente der kurze Aufenthalt dazu, die gewaltigen Zurüstungen für den Perserkrieg zu vollenden. Die Feldzugsplanung war bis dahin sein persönliches Geheimnis geblieben; da sich aber in Karrhae die zwei großen Heerstraßen trennen, konnte es nicht länger ein Geheimnis bleiben, ob er den Angriff auf Sapors Reich am Tigris oder am Euphrat beginnen wollte. Der Kaiser bildete ein Detachement von dreißigtausend Mann unter der Führung seiner Vertrauten Prokopios und Sebastian, des ehemaligen dux von Ägypten. Sie hatten Auftrag, direkt nach Nisibis zu marschieren und die Frontlinie vor der Überquerung des Tigris gegen die sporadischen Angriffe des Feindes zu schützen. Die jeweiligen Maßnahmen waren in das Ermessen der Generäle gestellt; allerdings erwartete Julian von ihnen, dass sie nach der Verwüstung der fruchtbaren Regionen von Media und Adiabene möglichst zeitgleich mit ihm vor den Toren Ktesiphons ankommen mögen, um vereint mit ihm, der er im gleichen Tempo am Euphratufer voranzukommen beabsichtigte, die Hauptstadt der persischen Monarchie zu belagern.
KÖNIG VON ARMENIEN IST ABGENEIGT
Der Erfolg dieses wohldurchdachten Planes hing im großen Umfang von der tatkräftigen und bereitwilligen Hilfe des armenischen Königs ab, welche den Römern eine Armee von viertausend Mann Kavallerie und zwanzigtausend Infanteristen zur Verfügung stellen sollte, Siehe Xenophon, Kyrupaideia 1,3. Artavasdes hat Marcus Antonius mit vermutlich 16.000 Reitern unterstützt, die nach parthischer Art ausgebildet und bewaffnet waren (Plutarch, Marcus Antonius 50). ohne dass dabei die Sicherheit seines eigenen Reiches vernachlässigt wurde. Aber der erbärmliche Arsaces Tiranus, Moses von Choren (Historia Armenica, p. 242) datiert seine Thronbesteigung in Constantius' 17. Jahr. König der Armenier, hatte sich noch beschämender als sein Vater Chosroes von der mannhaften Stärke des großen Tiridates entfernt; und da nun der hasenherzige Monarch allen gefährlichen oder ruhmvollen Unternehmungen abhold war, verbarg er seine ängstliche Schwäche hinter schicklichen Ausflüchten aus dem Bereich von Religion und Dankbarkeit. Er schützte eine fromme Anhänglichkeit an das Gedächtnis des Constantius vor, aus dessen Händen er Olympias zur Frau erhalten hatte, die Tochter des Praefekten Ablavius; und die Verbindung zu einer Frau, die als designierte Frau des Kaisers Constans erzogen worden war, erhöhte natürlich die Stellung eines Barbarenkönigs. Ammianus 20,11. Athanasius sagt (Band 1, p. 856) ganz allgemein, dass Constantius die Witwe seines Bruders den Barbaren gegeben habe, welcher Ausdruck eher zu einem Römer als zu einem Christen passt. Tiranus bekannte sich zur christlichen Religion; er regierte über Christen; und er untersagte es sich aus Prinzip und Eigennutz, zu einem Sieg beizusteuern, der gegebenenfalles den Untergang der Kirche bedeutet hätte. Der widerspenstige Tiranus wurde zusätzlich durch Julians direkte Art aufgebracht, welcher den König von Armenien als seinen Sklaven ansah und zugleich als einen Feind der Götter. Der hochfahrende, fast schon drohende Ton der kaiserlichen Anordnungen Ammianus (23,3) verwendet das für den Anlass viel zu sanfte Wort ›monuerat‹ (er mahnte). Muratori (Fabricius Bibliotheca graeca, Band 7, p. 86) hat einen Brief Julians an den Satrapen publiziert: frech, gemein und vermutlich (obwohl er Sozomenos 6,5 täuschen konnte) gefälscht. La Bleterie übersetzt und verwirft ihn (Histoire de Jovien, Band 2, p. 339). erweckten des Prinzen heimlichen Zorn, da er sich trotz seines demütigenden Abhängigkeitsverhältnisses seiner königlichen Abstammung aus dem Hause der Arsaciden immer noch bewusst war, die sämtlich Herren des Ostens und Feinde Roms gewesen waren.
WEITERE MILITÄRISCHE VORBERTEITUNGEN
Die militärischen Dispositionen Julians waren darauf berechnet, die Späher Sapors in die Irre zu führen und seine Aufmerksamkeit abzulenken. Die Legionen schienen nach Norden auf Nisibis und den Tigris zu marschieren. Plötzlich jedoch schwenkten sie nach rechts; überquerten die flache und baumlose Ebene vor Karrhae; erreichten am dritten Tage den Euphrat, wo die stark befestigte Stadt Nicephorion oder Kallinikos lag, eine Gründung der makedonischen Könige. Von dort aus marschierte man etwa neunzig Meilen den windungsreichen Euphrat entlang, bis der Kaiser schließlich, einen Monat nach seinem Abmarsch aus Antiochia, die Türme von Circesium erblickte, des äußersten Vorpostens des römischen Reiches. Julians Armee, die größte, die jemals ein Caesar gegen Persien aufgestellt hatte, bestand aus fünfundsechzigtausend gut ausgebildeten und hochdisziplinierten Soldaten. Die Veteranenverbände der Kavallerie und der Infanterie waren aus Römern und Barbaren verschiedener Provinzen zusammengestellt worden; und unter diesen beanspruchten die starken Gallier, die die Leibwache ihres geliebten Herrschers bildeten, zu Recht eine Sonderstellung in puncto Ergebenheit und Kampfesmut. Eine furchteinflössende Schar von skythischen Hilfstruppen war aus einer anderen Region, fast schon aus einer anderen Welt dazu gestoßen, um in ein entlegenes Land einzufallen, von dem sie kaum den Namen und die geographische Lage kannten. Die Aussicht auf Beute und Kämpfe hatte verschiedene Stämme der Sarazenen (oder nomadisierender Araber) unter die kaiserliche Standarte gelockt, die Julian zwar befehligte, die er aber mit den üblichen Subsidien zu bezahlen sich entschieden weigerte.
Der gewaltige Euphrat ›Latissimum flumen Euphraten artabat.‹ [Sie engte den gewaltigen Euphrat ein]. Ammianus, 23,3. Etwas flussaufwärts bei der Furt von Thapsakos ist der Fluss vier Stadien oder 800 Yard, also fast eine halbe englische Meile breit (Xenophon, Anabasis 1,4, und Foster, Observations p. 29 im zweiten Band von Spelmans Übersetzung). Wenn nun der Fluss bei Bir und Zeugma nicht breiter als 130 Yard ist (Niebuhr, Voyages, Band 2, p. 335), dann ist dieser gewaltige Unterschied wesentlich durch die Tiefe des Flussbettes verursacht. war mit einer Flotte von elfhundert Schiffen bevölkert, die die römische Armee begleiten und sie gegebenenfalles unterstützen sollte. Fünfzig Galeeren bildeten den militärischen Kern dieser Flotte; begleitet wurde sie durch die gleiche Anzahl flachgehender Boote, die sich bei Bedarf zu einer Behelfsbrücke zusammenfügen ließen. Die übrigen Schiffe, die teilweise nur aus Balken gezimmert waren und mit Tierhäuten gedeckt waren, transportierten eine ungeheure Masse an Waffen und anderem Kriegsgerät sowie Gebrauchsgüter und Vorräte. Julians umsichtige Herzensgüte hatte für die Soldaten Essig und Zwieback in Mengen verladen lassen, sittenlockernden Wein aber streng verboten; und unerbittlich wies er eine lange und überflüssige Karawane von Kamelen zurück, welche der Nachhut der Armee zu folgen sich anschickte.
VORMARSCH IN PERSISCHES GEBIET 7. APRIL
Bei Circesium mündet der Chaboras in den Euphrat; ›Monumentum tutissimum et fabre politum, cuius moenia Abora (die Orientalen sprechen es wie Chaboras oder Chabour aus) et Euphrates ambiunt flumina, velut spatium insulare fingentes.‹ [Eine sehr stark und geschickt gebaute Festung, deren Mauern die Flüsse Abora und Euphrat umfließen und so gleichsam eine Insel bilden]. Ammianus 23.5. und sobald das Horn das Signal gegeben hatte, durchquerten die Römer den kleinen Fluss, welcher zwei feindliche Weltreiche trennt. Der Brauch forderte eine militärische Ansprache; und Julian ließ keine Gelegenheit ungenutzt, seine Eloquenz leuchten zu lassen. Er befeuerte die ungeduldigen und erwartungsfrohen Legionen, indem er Beispiele des unbeugsamen Mutes und ruhmreicher Triumphe ihrer Vorfahren in Erinnerung rief. Er entwarf ein lebhaftes Bild der persischen Dreistigkeit und steigerte dadurch ihre Stimmung; und er ermahnte sie, ihn selbst zum Vorbild zu nehmen, der er entweder diese perfide Nation zu vertilgen oder sein Leben dem Dienste der Republik zu opfern fest entschlossen war. Die Wirkung seiner Rede verstärkte er noch durch eine Schenkung von einhundertunddreißig Silberstücken für jeden Soldaten; und die Brücke von Chaboras wurde augenblicklich abgerissen, um den Truppen anschaulich zu machen, dass sie ihre Hoffnungen einzig auf den Erfolg ihrer Waffen setzen mussten. Dennoch bestimmte die Umsicht den Herrscher, eine entferntere Grenze zu sichern, die beständig feindlichen Araberüberfällen ausgesetzt war. Viertausend Mann wurden in Circesium zurückgelassen, um die reguläre Garnison dieser wichtigen Festung auf zehntausend Mann aufzustocken. Julians hat seinen Feldzug und die Vorbereitungen selbst beschrieben (Epistulae 27), ferner Ammianus (23,3-5), Libanios (Oratio parentalis 108f.), Zosimos (3,12), Sozomenos (6,1) und Joannes von Malala (Band 2, p.17).
DURCH DIE MESOPOTAMISCHE WÜSTE
Von dem Augenblick an, als die Römer feindliches Land betreten hatten, das Land eines wehrhaften und kriegskundigen Feindes. Noch vor dem Einmarsch in Persien beschreibt uns Ammianus (23,6) sehr eingehend die 18 persischen Satrapien oder Provinzen, (bis zu den serischen und chinesischen Grenzen), die den Sassaniden untertänig waren. verteilten sie sich auf drei Marschkolonnen Ammianus (24,1) und Zosimos (3,13) haben uns diese Marschordnung genau dargelegt. Die Hauptmasse der Infanterie und folglich der ganzen Armee befand sich im Zentrum unter dem Kommando des Generals Victor. Zur Rechten führte der tapfere Nevitta eine Marschsäule aus einigen Legionen am Euphrat entlang, fast immer in Sichtweite der Flotte. Die linke Flanke wurde durch Reiterschwadronen gedeckt. Zu Reitergenerälen hatte man Hormisdas und Arinthaeus ernannt; und die einzigartigen Erlebnisse des Hormisdas Die Abenteuer des Hormisdas werden stets mit märchenhaften Zutaten gewürzt (Zosimos 8,27; Tillemont, Hiostoire des Empereurs, Band 4, p.98). Es ist doch nachgerade unmöglich, dass er der leibliche Bruder (frater germanus) eines ältesten und nach des Vaters Tode geborenen Kindes war: ich entsinne mich auch nicht, dass Ammianus ihn jemals so bezeichnet. verdienen durchaus unsere Aufmerksamkeit. Er war ein persischer Prinz aus dem Königshaus der Sassaniden, welcher in den Wirren zur Zeit von Sapors Minderjährigkeit aus dem Gefängnis und an den gastlichen Hof des großen Constantin entkommen war. Zunächst gewann Hormisdas das Mitleid, anschließend aber auch die Wertschätzung seines neuen Herren; durch Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit diente er sich in den militärischen Rängen empor; und obwohl er Christ war, genoss er die stille Genugtuung, seinem undankbaren Lande beweisen zu können, dass ein beleidigter Untertan zum gefährlichsten Feind werden kann.
Dies war also die Marschordnung der drei Kolonnen. Front und Flanke der Armee wurden durch Lucillianus mit einer schnellen Abteilung leichtbewaffneter Infanterie gedeckt, deren unermüdete Wachsamkeit die entferntesten und schwächsten Anzeichen feindlicher Bewegungen feststellten. Dagalaiphus und der dux von Osrhoene, Secundinus, kommandierten die Nachhut; der Tross befand sich zwischen den Marschsäulen; und die Reihen selbst waren aus praktischen Erwägungen oder um des Eindrucks willen so locker angeordnet, dass die Heersäule fast zehn Meilen lang wurde. Julian befand sich üblicherweise an der Spitze der mittleren Kolonne; da er aber die Pflichten eines Generals der Stellung eines Monarchen vorzog, eilte er mit einer kleinen Eskorte leichter Kavallerie an die Spitze, zur Nachhut, an die Flanken, wo immer seine Anwesenheit den Marsch der römischen Armee befeuern oder decken mochte.
Das Land zwischen Chaboras und dem bebauten Teil Assyriens, durch das sie zogen, darf man wohl als einen Teil der Arabischen Wüste betrachten, eine trockene und unfruchtbare Ödnis, die auch angestrengtester menschlicher Fleiß nicht kultivieren kann. Julian marschierte über den gleichen Boden, den siebenhundert Jahre vor ihm Kyros der Jüngere überquert hatte und den ein Begleiter seiner Expedition, der weise und tapfere Xenophon, beschrieben hatte. Man sehe hierzu das erste Buch der Anabasis, c.5. Dieses anmutige Werk ist echt und historisch korrekt. Vielleicht hat aber Xenophons Erinnerung ihn, Jahre nach dem Feldzug, bisweilen getäuscht. Denn die Wegstrecken, die er angibt, sind oftmals länger, als ein Soldat oder Geograph ihm zugestehen würde. ›Das Land war durchweg eben wie das Meer und überwachsen mit Wermut; alles andere Buschwerk oder Ried, das dort noch wuchs, hatte einen aromatischen Geruch. Bäume gab es keine. Bussarde und Strauße, Antilopen und Wildesel Herr Spelman, der englische Übersetzer der Anabasis (Band 1, p.51) verwechselt die Antilope mit dem Rehbock und den Wildesel mit dem Zebra. waren offenbar die einzigen Bewohner der Wüste. Allenfalls wurden die Beschwernisse des Marsches gelegentlich durch die Freuden der Jagd erleichtert.‹ Hin und wieder wirbelte der Wind den lockeren Wüstensand zu Staubwolken auf: und nicht wenige Soldaten Julians wurden mitsamt ihrer Zelte durch die Gewalt eines unvermutet losbrechenden Sturmes zu Boden gerissen.
VON CIRCESIUM NACH MACEPRACTA
Die Sandebenen Mesopotamiens überließ man getrost den Antilopen und Wildeseln; aber an den Ufern des Euphrat und auf den Inseln, die dieser Fluss gelegentlich bildete, lagen in angenehmer Lage zahlreiche bevölkerungsstarke Städte und Dörfer. Die Stadt Annah oder Anatho, Siehe Voyages de Tavernier, Teil 1, p. 316, und besonders Viaggi di Pietro della Valle, Band 1, Brief 17, p. 671. Den alten Namen und den Zustand von Annah kannte er nicht. Unsere blinden Reisenden haben nur selten Vorkenntnisse über die von ihnen aufgesuchten Länder. Shaw und Tournefort sind hier löbliche Ausnahmen. heute der Sitz eines arabischen Emirs, besteht aus zwei langen Straßen, welche innerhalb eines natürlichen Schutzwalles in ihrer Mitte eine kleine Insel und zwei fruchtbare Landstriche an beiden Seiten des Euphrat umschließen. Die streitlustigen Einwohner von Anatho machten Anstalten, den Vormarsch des römischen Kaisers aufzuhalten; dann aber brachten die milden Ermahnungen des Prinzen Hormusdas und der Anblick der heranrückenden Armee sie von solcherlei selbstmörderischem Unterfangen ab. So baten sie denn erfolgreich Julian um Milde, welcher den Einwohnern zu einem günstigen Siedlungsgebiet nahe Chalkis in Syrien und dem Herrscher Pusaeus zu einer ehrenhaften Stellung in seiner Umgebung verhalf. Aber die uneinnehmbare Feste Thilutha konnte einer Belagerung spotten; und der Kaiser musste sich denn auch mit der leeren Drohung begnügen, dass nach der Unterwerfung der persischen Provinzen Thilutha nicht länger sich sträuben werde, den Triumphzug des Siegers zu zieren. Die Einwohner der ungeschützten Städte waren unfähig, sich zu verteidigen und unwillig, sich zu ergeben und flohen in Eile; und ihre Häuser, angefüllt mit Beute und Lebensmitteln, wurden von Julians Soldaten besetzt, welche ohne Reue und ungestraft einige hilflose Frauen ermordeten.
Während des Marsches umkreisten der persische General Surenas und Malek Rodosakes, der bekannte Emir vom Stamme Gassan, Famosi nominis latro [ein Räuber von Rang], sagt Ammianus; für einen Araber ein großes Lob. Der Stamm von Gassan siedelte an der Grenze von Syrien und wurde von Damaskus aus von einer Dynastie von einunddreißig Königen oder Emiren regiert, beginnend in den Zeiten eines Pompeius bis zu denen des Kalifen Omar. D'Herbelot, Bibliotheque Orientale, p. 360. Pococke, Specimen Historiae Arabum, p. 75-78. In dieser Liste kommt der Name Rodosaces allerdings nicht vor. beständig die Armee: jeder Nachzügler wurde gefangen genommen; und der kühne Hormisdas entkam ihnen nur mit genauer Not. Aber die Angriffe der Barbaren wurden vollständig zurückgeworfen; das Gelände allerdings wurde für die Manöver der Kavallerie mit jedem Tage ungünstiger; und als die Römer in Macepracta ankamen, sahen sie die Ruinen der Wallanlagen, welche die früheren Könige Assyriens hatten anlegen lassen, um ihr Gebiet gegen die Übergriffe der Meder zu schützen. Dieses Vorspiel zu Julians eigentlichem Feldzug dauerte etwa fünfzehn Tage; und wir können die Entfernung zwischen der Feste Circesium und den Mauern von Macepracta auf etwa dreihundert Meilen schätzen. Siehe Ammianus (24,1 und 2), Libanios (Oratio Parentalis, c. 110f.); Zosimos (3,15, p. 164-168).
DAS FRUCHTBARE ASSYRIEN
Die fruchtbare Provinz Assyrien, Die Beschreibung Assyriens bietet Herodotos (1,192), der allerdings mal für Kinder und mal für Philosophen schreibt; ferner Strabo (16, p.1070-1082) und Ammianus (23,6). Die ergiebigsten der Neueren sind Tavernier (Teil 1, p. 226-258), Otter (Band 2, p. 35-69 und 189-224), und Niebuhr (Band 2, p. 172-288). Ich bedaure es sehr, dass eine Übersetzung von ›Irak Arabi‹ des Abu al-Fida nicht vorliegt. welche sich vom Tigris bis zu Mediens Ammianus bemerkt dazu, dass das ursprüngliche Assyrien, welches Ninive und Arbela in sich begriff, die neuzeitliche Benennung Adiabene erhalten hat: und wie es scheint, zählt er Teredon, Vologesia und Apollonia zu den äußersten Städten der wirklichen Provinz Assyrien. Bergen erstreckt, hatte von den alten Stadtmauern von Macepracta bis nach Basra eine Ausdehnung von etwa vierhundert Meilen, wo sich die vereinten Ströme von Euphrat und Tigris in den Golf von Persien ergießen. Die beiden Ströme vereinigen sich bei Apamea oder Corna (100 Meilen vor der Mündung) zu dem gewaltigen Pasitigris oder Shat-ul-Arab. Vormals erreichte der Euphrat die See durch einen eigenen Lauf, den die Bewohner der Stadt Ochroe, etwa zwanzig Meilen südöstlich vom heutigen Basra, verstopften und ableiteten. D'Anville, in den Memoires de l'Acadademie des Inscriptions, Band 30, p. 170-191.
Das ganze Land hätte auf den Namen Mesopotamien Anspruch erheben können; denn die beiden Ströme, die sich niemals mehr als fünfzig Meilen voneinander entfernen, kommen sich zwischen Bagdad und Babylon auf weniger als fünfundzwanzig Meilen nahe. Eine Vielzahl von Kanälen, die man ohne große Mühe in das sandige und gefügige Erdreich gegraben hatte, verbindet beide Flüsse und unterteilt die Ebene Assyriens. Der Nutzen dieser künstlichen Wasserstraßen ist vielfältig und beträchtlich. Sie helfen, überschüssiges Wasser von einem Fluss in den anderen zu lenken, wenn die Zeit ihrer jeweiligen Schwemme gekommen ist. Sie teilen sich immer weiter und feiner auf, erquicken das trockene Land und kommen so für den Mangel an Regen auf. Für den Handel stellen sie eine Erleichterung dar; und da sich die Dämme rasch abbrechen lassen, geben sie den Assyrern in schlimmer Not die Mittel an die Hand, einem eindringenden Feind mit plötzlichen Überschwemmungen zu begegnen.
Zwar haben der Boden und das Klima Assyrien ihre kostbarsten Gaben verweigert, den Wein, die Olive und die Feige; aber die wirklich lebensnotwendigen Getreidesorten, Weizen und Gerste, gedeihen hier in ungemessener Fruchtbarkeit; und der Landmann, welcher dem Boden die Saat anvertraut, wird oft mit zwei- und dreihundertfachem Ertrag beschenkt. Haine mit zahllosen Palmen liegen über das Land verstreut; Das Thema ›Palmen‹ hat der gelehrte Kaempfert als Botaniker, Altertumsforscher und Reisender ausführlich behandelt. und die Einwohner feiern mit Genauigkeit, in Versen oder Prosa, die dreihundertundsechzig Nutzanwendungen, welche der Stamm, die Zweige, der Saft und die Frucht bieten. Manufakturen, besonders für Leder und Leinen, beschäftigen den Gewerbefleiß vieler Menschen und stellen wertvolle Stoffe für den auswärtigen Handel bereit; welcher allerdings, so scheint es, in der Hand von Landesfremden lag. Babylon selbst wurde zu einer königlichen Parkanlage umgestaltet; aber in der Umgebung der Ruinen dieser alten Hauptstadt blühten neue Städte empor, und die Bevölkerungsdichte des Landes ließ sich leicht ablesen an den zahlreichen Dörfern und Städten, welche aus sonnengetrockneten und mit Bitumen fest verfugten Ziegeln gebaut wurden, einem natürlichen und ganz eigentümlichen Produkt des babylonischen Bodens.
Solange die Nachfahren des Kyros über Asien regierten, lieferte die Provinz Assyrien allein während eines Drittels des Jahres die üppige Fülle für des Königs Tafel und Haushalt. Vier bedeutende Dörfer mussten für seine indischen Hunde aufkommen; achthundert Zuchthengste und sechzehntausend Stuten wurden – auf Kosten des Landes – in dauernder Pflege gehalten; und da die täglichen Steuern, die an den Satrapen geliefert werden mussten, sich auf ein englisches Bushel Silber beliefen, können wir die jährlichen Steuern Assyriens auf mehr als zwölfhunderttausend Pfund Sterling berechnen. Assyrien lieferte dem Satrapen täglich ein Artaba Silber. Das wohlbekannte System von Gewichten und Maßen, das spezifische Gewicht von Wasser und Silber und der Wert des Metalles kann nach einigen Rechenoperationen die jährliche Steuer ergeben, die ich festgestellt habe. Doch der Großkönig erhielt nicht mehr als 1000 Euböische oder Tyrische Talente (252.000 Pfund) aus Assyrien. Der Vergleich zweier wichtiger Abschnitte bei Herodot (1,192 und 3,89-96) offenbart den wichtigen Unterschied zwischen den Brutto- und Nettosteuereinnahmen Persiens: zwischen der Summe also, die die Provinzen zahlten und dem Gold und dem Silber, welches am Ende in der königlichen Schatzkammer eingelagert wurde. Der König dürfte von den 17 oder 18 Millionen Pfund, die das Volk aufzubringen hatte, jährlich vielleicht nur noch 3.600.000 Pfund erhalten haben.
DIE ASSYRER ÜBERSCHWEMMEN DAS LAND MAI 363
Assyrien nun also sollte nach Julians Beschluss und Befinden die Nöte des Krieges erleiden; der Philosoph ließ ein unschuldiges Volk den Raub und Brand vergelten, den ihre hochfahrenden Herren römischen Provinzen angetan hatten. In ihrer Not riefen sie ihre Flüsse zur Hilfe herbei; und vollendeten mit eigener Hand den Untergang ihres Landes. Die Straßen wurden unbenutzbar; das Lager wurde überschwemmt; und mehrere Tage lang befanden sich Julians Truppen in verzweifelter Lage. Aber jede Schwierigkeit wurde durch die Beharrlichkeit der Legionäre überwunden, die an Strapazen ebenso gewöhnt waren wie an Gefahr und die sich durch den Geist ihres Feldherrn belebt fühlten. Die Schäden wurden allmählich ausgebessert; die Wassermassen flossen in ihre angestammten Kanäle zurück; ganze Palmenhaine wurden niedergeholzt und am Rande von beschädigten Straßen ausgelegt; und über die tieferen oder breiteren Kanäle gelangte die Armee mit Hilfe von Flößen, die durch Luftsäcke stabilisiert wurden.
BELAGERUNG VON PERISABORA
Zwei Städte waren kühn genug, den Waffen des römischen Kaisers Widerstand zu leisten; beide mussten bitter dafür büßen. Etwa fünfzig Meilen von der königlichen Residenz zu Ktesiphon liegt Perisabora oder Anbar, die zweite unter den Städten der Provinz; eine Stadt, groß, reich an Volk und wohlbefestigt, umgeben von einer doppelten Mauer, von einem Seitenarm des Euphrat nahezu umschlossen und von einer starken Garnison zuverlässig geschützt. Die guten Ratschläge von Hormisdas wies man mit Verachtung zurück; und die Ohren des Prinzen klangen wegen des berechtigten Vorwurfes, dass er, seiner königlichen Geburt ohngeachtet, die Armee eines Fremden gegen seinen König und sein Land anführte. Die Assyrer blieben loyal und verteidigten sich mit Geschick und besonnenem Mut; bis dann der Glücks-Stoß eines Rammbockes eine Bresche in die Mauer schlug, woraufhin sie sich eilig in die Verteidigungsanlagen der inneren Festung zurückzogen. Julians Soldaten brachen mit Ungestüm in die Stadt ein, und Perisabor ward zu Asche; auf den rauchenden Trümmern der Häuser wurden die Kriegsmaschinen in Stellung gebracht, die Zitadelle zu bestürmen. Der Kampf wurde fortgesetzt durch heftiges und beiderseitiges Feuer von Fernwaffen; und die Überlegenheit, die den Römern die bewährte Konstruktion ihrer balistae und catapultae einbrachte, wurde ausgeglichen durch den sicheren Boden, auf dem die Belagerten standen.
Aber sobald ein Kriegsturm oder Helipolis gezimmert worden war, der es an Höhe noch mit den größten Festungsmauern aufnehmen konnte, packte die Verteidiger Entsetzen beim Anblick dieses beweglichen Turmes, der weder den Gedanken an Widerstand noch an Gnade aufkommen ließ, so dass sie ihre Zuflucht zu demütiger Unterwerfung nahmen; und so ergab sich Perisabor nur zwei Tage, nachdem Julian vor ihren Mauern erschienen war. Zweitausendfünfhundert Menschen beiderlei Geschlechtes, der kümmerliche Überrest eines blühenden Volkes, durfte abziehen: die üppigen Magazine von Getreide, Waffen, Ausrüstung verteilte man unter die Soldaten oder behielt sie zu fernerer Verwendung: was nutzlos war, verbrannte man oder man warf es in den Euphrat; und so ward Amidas Untergang gerächt durch die vollständige Zerstörung von Perisabor.
BELAGERUNG DER FESTE MAOGAMALCHA
Die Stadt oder besser Festung Maogamalcha, welche durch sechszehn große Wehrtürme verteidigt wurde sowie durch einen tiefen Graben und zwei mächtige und massive Mauern aus Ziegeln und Erdpech, war zum Schutz der persischen Hauptstadt etwa elf Meilen von ihr entfernt gebaut worden. Da der Kaiser eine so bedeutende Festung nur ungern in seinem Rücken hatte, bereitete er unverzüglich die Belagerung von Maogamalcha vor; zu diesem Zweck wurde die römische Armee in drei Einheiten unterteilt. Viktor erhielt den Befehl, an der Spitze der Kavallerie und einem Detachement schwerer Infanterie das Land bis zum Tigris und den Vororten von Ktesiphon freizuhalten. Die eigentliche Belagerung leitete Julian selbst, welcher sein ganzes Vertrauen auf die Belagerungsmaschinen zu setzen schien, die er gegen die Wallanlagen auffahren ließ; während er zugleich auf wirksamere Methoden sann, mit seinen Truppen ins Innere der Stadt zu gelangen.
Unter der Aufsicht von Nevitta und Dagalaiphos wurden in einiger Entfernung Laufgräben angelegt und allmählich bis an die Vorderkante der Festungsgräben vorangetrieben. In Eile wurden die Stadtgräben mit Erdreich gefüllt; und in unermüdlicher Arbeit legten die Truppen eine Mine unter die Fundamente der Mauern und stützten sie in gehörigen Abständen mit hölzernen Streben. Drei ausgewählte Kohorten, die in Reihe hintereinander vorrückten, erkundeten die dunkle und gefährliche Passage; bis ihr furchtloser Anführer die Nachricht zurückflüsterte, dass er bereit sei, seine Beengung zu verlassen und die Straßen der feindlichen Stadt zu stürmen. Julian hielt sie noch zurück, um ihren Erfolg zu sichern; dann lenkte er die Aufmerksamkeit der Garnison durch Lärm und Geschrei wie bei einem allgemeinen Angriff ab. Die Perser, die sich von der Höhe ihrer Wälle mit Verachtung dies sinnlose Tun besahen, feierten mit Triumphgejohle Sapors Größe; und waren so kühn, dem Kaiser zu versichern, er würde eher zu der sternereichen Wohnstatt des Ormusd emporklimmen, als dass er sich Hoffnungen machen könne, die unbezwingbare Stadt Maogamalcha einzunehmen.
Indessen: die Stadt war schon eingenommen. Die Geschichte hat den Namen eines Rekruten überliefert, welcher als erster aus den Minen in einen der verlassenen Türme emporstieg. Seine Gefährten erweiterten die Öffnung und drängten mit Ungeduld nach. Schon waren fünfzehnhundert Feinde inmitten der Stadt. Die überraschte Garnison gab die Mauern preis und damit ihre einzige Hoffnung auf Sicherheit; die Stadttore wurden gewaltsam erbrochen; und die Rachegelüste der Soldaten kühlten sich in einem wüstem Gemetzel, sofern dies nicht durch Raub und Vergewaltigung geschah. Der Statthalter, der sich ergeben hatte, nachdem ihm Gnade zugesichert war, wurde ein paar Tage später lebend verbrannt, weil man ihn angeklagt hatte, gegen Hormisdas ein paar Despektierlichkeiten im Munde geführt zu haben. Die Festung wurde dem Erdboden gleichgemacht; und nicht eine Spur wies darauf hin, dass Maogamalcha vormals hier gewesen war.
Die Nachbarschaft der persischen Hauptstadt zierten drei mächtige Palastanlagen, aufwendig ausgeschmückt mit allem, was sich die Luxusbedürfnisse eines persischen Monarchen nur wünschen mochten. Die liebliche Lage der Gärten am Tigrisufer erhielt, persischem Geschmack entsprechend, durch symmetrische Anordnung der Blumen, Quellen und schattige Wandelgänge noch zusätzlichen Reiz; und großflächige Parkanlagen waren angelegt, um Bären, Löwen und Wildeber zu hohen Kosten für die königliche Jagd bereitzuhalten. Die Parkmauern wurden niedergerissen, das Jagdwild überließ man den Pfeilen der Soldaten, und die Paläste Sapors wurden auf Befehl Julians zu Asche. Julian zeigte bei dieser Gelegenheit Unkenntnis oder vielleicht auch nur Gleichgültigkeit gegenüber den Gesetzen der Humanität, welche die Klugheit kultivierterer Epochen zwischen feindlichen Herrschern festgeschrieben hatte. Indessen braucht dieses zügellose Plündern in uns keinerlei Gefühl des Bedauerns oder des Zornes hervorzurufen. Eine schlichte nackte Statue aus der Hand eines griechischen Meisters besitzt mehr künstlerischen Wert als alle diese plumpen und kostspieligen Monumente barbarischen Mühens: und wenn wir uns mehr über die Zerstörung eines Palastes erregen als über das Abbrennen einer Hütte, dann ist unsere Humanität in ihrer Auffassung von menschlichem Leid entschieden in die Irre gegangen. Die Operationen des Assyrischen Krieges werden in allen Einzelheiten beschrieben von: Ammianus (24, 2-5), Libanios, (Oratio Parentalis 112-123,) Zosimos (3,18) und Gregor von Nazianz, (Orationes 4). Die ›militärischen‹ Kritikpunkte‹ dieses Heiligen werden von seinem getreuen Sklaven Tillemont frommergeben abgeschrieben.
PERSIEN BEBT VOR JULIANS NAMEN SEIN PERÖNLICHES VERHALTEN
So wurde Julian den Persern ein Schrecknis und ein Gegenstand des Hasses: und die Beschreiber dieses Landes stellten ihn als zornigen Löwen dar, welcher verzehrendes Feuer aus seinem Rachen spie. Libanios, De ulciscenda Juliani nece 13, p.162. Seinen Freunden und Soldaten erschien dieser philosophische Kriegsheld in einem liebenswerteren Lichte; und seine wahren Tugenden traten nirgends deutlicher in Erscheinung als in dieser letzten und aktivsten Periode seines Lebens. Er übte sich gewohnheitsmäßig, ohne jede Anstrengung und fast ohne eigenes Verdienst, in Zurückhaltung und Nüchternheit. Im Einklang mit den Vorgaben jener erkünstelten Weisheit, die die absolute Herrschaft über Geist und Körper anstrebt, untersagte er es sich mit Strenge, auch den allernatürlichsten Wünschen nachzugeben. Die berühmten Vorbilder Cyrus, Alexander und Scipio handelten pflichtgemäß. Julians Keuschheit war freiwillig und nach seiner Auffassung verdienstlich. In Assyriens warmem Klima, welches ein luxusverwöhntes Volk zur Erfüllung aller sinnlichen Genüsse einlädt, Sallustius (bei Vet. Scholiast, Juvenal, Satiren 1,104) bemerkt, dass ›nihil corruptius moribus.‹ Frauen und Jungfern von Babylon mischten sich bei üppigen Gelagen nach Belieben unter die Männer; wenn sie nun der Wirkung von Wein und Brunst erlagen, warfen sie nach und nach und schließlich vollständig die lästigen Kleider vom Leibe [ad ultimum ima corporum velamenta proiiciunt]. Q. Curtius Rufus, 5,1. bewahrte der jugendliche Eroberer seine Keuschheit rein und unbeschädigt: auch fühlte Julian sich niemals versucht, und sei es nur aus Neugierde, die weiblichen, ausgesucht schönen Gefangenen ›Ex virginibus autem, quae speciosae sunt captae, ut in Perside, ubi feminarum pulchritudo excellit, nec contrectare aliquam voluit nec videre.‹ [Von den wunderschönen Jungfrauen aber, die gefangengesetzt wurden – in Persien ist Frauenschönheit besonders ausgeprägt – wollte er keine berühren oder auch nur ansehen]. Ammianus, 24,4. Die persische Ethnie ist kleinwüchsig und unansehnlich; aber sie ist durch beständige Beimengung von tscherkessischem Blut verfeinert worden. (Herodot 3,97; Buffon, Histoire naturelle, Band 3, p. 420) aufzusuchen, welche sich ihm nicht nur nicht widersetzt, sondern sich die Ehre seiner Umarmung sogar gegenseitig geneidet hätten.
Mit der gleichen Festigkeit, mit der er den Verlockungen des Liebeslebens widerstand, ertrug er auch die Fährnisse des Krieges. Als die Römer durch die überschwemmte Ebene marschierten, teilte der Herrscher, zu Fuß und an der Spitze mit ihnen die Strapazen, munterte sie sogar noch auf. Bei allen praktischen Arbeiten war Julian unermüdlich dabei; der Kaiserpurpur war nass und besudelt, wie die grobe Kriegstracht noch des gewöhnlichsten Infanterist. Die beiden Belagerungen hatten ihm Gelegenheiten zur Demonstration persönlicher Tapferkeit gegeben, was unter den höher entwickelten Kriegskünsten einem besonnenen General nur selten möglich ist. Der Kaiser stand vor der Zitadelle von Perisabor ohne Bewusstsein für die unmittelbare Gefahr und befahl seinen Soldaten, die eisernen Tore zu sprengen, bis er plötzlich unter einer Wolke von Geschossen und schweren Steinen fast begraben wurde, die nach ihm geschleudert wurden. Als er die äußeren Befestigungsanlagen von Maogamalcha inspizierte, sprangen plötzlich zwei Perser vor ihm auf, die sich ihrem Lande geweiht hatten, die Krummsäbel gezückt; der Kaiser wehrte raschbedacht ihre Hiebe mit erhobenem Schild ab; und nach einem sicheren und gezielten Stich lag einer seiner Gegner tot zu seinen Füßen.
Die Wertschätzung eines Herrschers, der über die Tugenden verfügt, die er selbst hochschätzt, ist für den Untertanen die höchste Belohnung; und das Ansehen, das sich Julian durch seine persönliche Tapferkeit erwarb, erlaubte ihm sogar die Erneuerung und Durchsetzung strenger archaischer Disziplin. Mit dem Tode oder Ehrlosigkeit wurde das Fehlverhalten von drei Schwadronen bestraft, welche bei einem Scharmützel mit den Surenas ihre Ehre und eine ihrer Standarten eingebüßt hatten; und mit der Belagerungskrone ›Obsidionalibus coronis donati.‹ [...beschenkt mit Belagerungskronen] Ammianus 24,4. Julian oder sein Historiograph waren wohl nicht firm in der Altertumskunde. Er hat wohl die ›Mauer‹krone verliehen; die ›Belagerungs‹krone war die Auszeichnung für einen Feldherren, der eine belagerte Stadt entsetzt hatte. (Aulus Gellius, Noctes Atticae 5,6) zeichnete er den Mut des Soldaten aus, welcher als erster in die Stadt von Maogamalcha eingedrungen war. Nach der Belagerung von Perisabor wurde die Seelenstärke des Kaisers durch die dreiste Habgier der Armee auf die Probe gestellt, welche sich lauthals beklagte, dass ihre Dienste lediglich durch kümmerliche hundert Silberstücke belohnt würden. Seiner berechtigten Empörung gab er in der ernsten und männlichen Sprache eines Römers Ausdruck.
›Reichtümer sind der Gegenstand eurer Begierde? Diese Reichtümer sind in den Händen der Perser; und die Beute in diesem fruchtbaren Land sind eurer Tapferkeit und Disziplin ausgesetzt. Glaubt mir,‹ fügte Julian hinzu, ›die römische Republik, die vormals die gleichen unfassbaren Reichtümer besaß, leidet heute Mangel und Elend; denn frühere Herrscher haben, durch schwache und selbstsüchtige Minister übel beraten, den Frieden mit den Barbaren durch Gold erkauft. Der Staatsschatz liegt erschöpft; die Städte sind bankrott; die Provinzen entvölkert. Das einzige, was ich für meinen Teil von meinen Vorfahren geerbt habe, ist eine Seele, die keine Furcht kennt; und solange ich davon überzeugt bin, dass jeder wahre Nutzen von seelischer Art ist, werde ich nicht darüber erröten, die ehrbare Kargheit zu schätzen, welche in den früheren Tagen den Ruhm der Fabricier ausmachte. Wenn ihr auf die Stimme des Himmels und die eures Feldherren hört, dann kann dieser Ruhm auch euch gehören. Wenn ihr jedoch vorschnell darauf beharrt, wenn ihre entschlossen seid, die beschämenden und verderblichen Beispiele früherer Meutereien zu erneuern, so fahrt nur fort. Wie es sich für einen Kaiser geziemt, der die oberste Stellung unter den Menschen einnimmt, so bin ich vorbereitet, aufrecht zu sterben; und ein ängstliches Leben zu verachten, welches zu jeder Stunde durch ein zufälliges Fieber beendet werden kann. Wenn ich des Kommandos für unwürdig befunden werde, dann gibt es jetzt unter euch (ich sage es mit Stolz und Freude) viele Befehlshaber, deren Verdienste und Erfahrung den Anforderungen dieses äußerst wichtigen Krieges gewachsen sind. Meine Regierung war so geartet, dass ich mich ohne Bedauern und ohne Angst jederzeit ins Privatleben zurückziehen kann.‹ Ich teile diese Rede mit, da sie original sein muss. Ammianus konnte sie hören und mitschreiben, aber unmöglich erfinden. Ich habe mir ein paar kleine Freiheiten genommen und schließe sie mit dem wirksamsten Satze ab.
Julians bescheidene Ansprache wurde mit einhelligem Beifall und freudigem Gehorsam der Römer beantwortet; die ihre Siegeszuversicht bekannten, solange sie denn nur unter diesem heldenhaften Herrscher fochten. Ihr Mut wurde durch häufige und vertrauliche Versicherungen entzündet. ›So kann ich also die Perser unterjochen!‹ ›Auf diese Weise kann ich Macht und Glanz der Republik erneuern!‹ Ruhmbegier war die treibende Leidenschaft seiner Seele: aber erst als er durch die Ruinen von Maogamalcha gegangen war, gestattete er sich zu sagen: ›So haben wir also den Sophisten in Antiochia mit einigem Material versorgt.‹ Ammianus 24,3; Libanios, Oratio Parentalis 122.
DIE FLOTTE WIRD VOM EUPHRAT AUF DEN TIGRIS VERLEGT
Julians siegreiche Armee hatte nunmehr alle Hindernisse beseitigt, die ihm auf seinem Marsch gegen die Mauern von Ktesiphon entgegenstehen mochten. Bis zur Eroberung oder wenigstens Belagerung von Persiens Hauptstadt war es noch ein weiter Weg: auch können wir die militärischen Maßnahmen des Herrschers nur unvollständig verstehen, solange wir nicht das Land kennen, welches die Bühne für seine kühnen und geschickten Unternehmungen abgab. Herr d'Anville (Memoires de l'Academie des Inscriptions, Band 28, p. 246-259) hat die wirkliche Lage von Babylon, Seleukia, Ktesiphon, Bagdad, etc. bestimmt. Der römische Reisende Pietro della Valle (Band1, Brief 17, p. 650-780) war wohl der scharfsichtigste Beobachter dieser berühmten Provinz. Er ist ein Gentleman und ein Gelehrter, aber unerträglich eitel und schwatzhaft. Zwanzig Meilen südlich von Bagdad, am Ostufer des Tigris, kann der interessierte Reisende einige der Palastruinen des alten Ktesiphon besichtigen, das zu Julians Zeiten eine mächtige und bevölkerungsreiche Stadt war. Der Name und der Ruhm des benachbarten Seleukia war für immer dahin; das einzige verbliebene Viertel der Griechen hatte, zusammen mit der Sprache der Assyrer, den ursprünglichen Namen Coche angenommen. Coche lag am Westufer des Tigris; aber es wurde als eine Art Vorstadt von Ktesiphon angesehen, denn es war, soweit wir wissen, durch eine Bootsbrücke dauerhaft mit ihr verbunden. Diese so vereinigten Stadtteile erhielten dann den gemeinsamen Namen Al Modain, die Städte, mit welchem die Orientalen die Winterresidenz der Sassaniden bezeichneten; und die ganze Umgebung der persischen Hauptstadt war geschützt durch den Fluss, durch hohe Wälle und schwergängiges Sumpfgelände.
Dicht bei den Ruinen von Seleukia wurde Julians Lager aufgeschlagen und durch Wall und Schanzen gegen die Ausfälle der starken und beherzten Garnison von Coche gesichert. In diesem fruchtbaren und freundlichen Lande standen den Römern Wasser und Futtermittel in Fülle zur Verfügung; und mehrere Festungswerke, die die Bewegung der Armee hätten in Verlegenheit bringen können, unterwarfen sich nach kurzem Widerstand ihren Angriffen. Die Flotte fuhr vom Euphrat in eine künstliche Wasserstraße, welche sich mit starkem und schiffbarem Strom in den Tigris ergießt, und zwar kurz unterhalb jener großen Stadt. Wären sie diesem königlichen Kanal gefolgt, der übrigens den Namen Nahar-Malch Der Königskanal ( Nahar-Malcha) ist wohl mehrmals erneuert, umgelenkt und geteilt worden (Cellarius, Geographia Antiqua, Band 2, p. 453); diese Veränderungen lassen uns die offenkundigen Widersprüche der Alten verstehen. In Julians Zeiten jedenfalls muss er unterhalb von Ktesiphon in den Euphrat gemündet sein. trug, dann hätte Coche mit seiner vermittelnden Lage die Flotte und die Armee Julians voneinander getrennt; und der unbesonnene Versuch, den Tigris anzusteuern und dabei die Passage durch die feindliche Hauptstadt zu erzwingen, hätte den Untergang der römischen Flotte zur Folge gehabt. Julian war besonnen genug, diese Gefahr vorauszusehen und auf Gegenmittel zu sinnen. Da er die Operationen Trajans in Persien sehr genau studiert hatte, erinnerte er sich schon bald daran, dass sein kriegskundiger Vorgänger einen neuen und schiffbaren Kanal hatte graben lassen, welcher Coche zur Rechten ließ und das Wasser des Nahar-Malcha etwas oberhalb der Städte in den Tigris leitete. Mit Hilfe der Landbevölkerung machte Julian Reste dieser alten Anlage ausfindig, welche man, absichtlich oder zufällig, schon fast vergessen hatte. Die ununterbrochene Arbeit der Soldaten stellte einen breiten und tiefen Kanal fertig, der das Wasser des Euphrat aufnehmen sollte. Ein starker Damm ward aufgeschüttet, den üblichen Weg des Nahar-Malcha zu unterbrechen: Massen von Wasser rauschten in ihr neues Bett; und die römische Flotte, die im Triumph Kurs auf den Tigris nahm, mochte spotten über die vergeblichen und nutzlosen Hindernisse, welche die Perser aus Ktesiphon errichtet hatten, ihr Fortkommen aufzuhalten.
DIE ÜBERQUERUNG DES TIGRIS
Da es sich als notwendig erwies, die römische Armee an das andere Tigrisufer zu bringen, ergab sich die nächste Schwierigkeit ganz von selbst, die zwar weniger Anstrengung, dafür aber wesentlich mehr Gefahr in sich barg. Der Strom war breit und reißend; der Zugang steil und schwierig; und die Verschanzungen, die man auf der Höhe des gegenüberliegenden Ufers angelegt hatte, waren vollbesetzt mit schweren Panzerreitern, erfahrenen Bogenschützen und riesigen Kriegselephanten; welche (um den ausgefallenen Vergleich des Libanios zu bemühen) mit der gleichen Leichtigkeit ein Kornfeld niedertrampeln konnten wie eine römische Legion. Oratio parentalis 125 ›Rien n'est beau que le vrai‹. (Nichts ist so schön wie die Wahrheit), welche Maxime jeder Redner auf sein Pult schreiben sollte. Mit einem solchen Feind vor Augen war der Bau einer Brücke unmöglich; und der furchtlose Kaiser, der das in dieser Situation einzig Zuträgliche tat, hielt seine Entwürfe bis zum Augenblick, da sie umgesetzt werden sollten, vor den Barbaren, seinen eigenen Soldaten und sogar noch vor seinen Generälen geheim. Unter dem durchsichtigen Vorwand, dass der Zustand der Vorräte überprüft werden müsse, wurden nacheinander achtzig Schiffe geleichtert; und eine Abteilung ausgewählter Soldaten, die ersichtlich für eine geheime Operation bestimmt waren, erhielten Order, sich jederzeit bereit zu halten. Julian selbst verbarg seine Unruhe und gab sich fröhliche und unbesorgte Miene; und unterhielt seine kriegslüsternen Hilfstruppen mit Kampfspielen, die er zu allem Überfluss unter den Mauern von Coche abhielt.
Es war ein Tag der Freude; nach dem Abendessen aber versammelte der Kaiser seine Generäle in seinem Zelt; und machte sie mit dem Gedanken vertraut, dass er die bevorstehende Nacht für die Tigris-Überquerung vorgesehen habe. Man stand in schweigendem und höflichem Erstaunen; als dann aber der allseits respektierte Sallust sich auf das Vorrecht seines Alters und seiner Erfahrung besann, nahmen sich auch die anderen Befehlshaber die Freiheit, seinen klugbedachten Gegengründen zusätzliches Gewicht zu geben. Libanios spielt nur auf den angesehensten Feldherren an. Ich habe es gewagt, ihn – Sallustius – mit Namen zu nennen. Ammianus (24,6) sagt von allen Truppenführern, ›quod acri metu territi duces concordi precatu fieri prohibere tentarent.‹ [...dass sie in heftiger Sorge mit vereinten Bitten das Vorhaben verhindern wollten]. Julian begnügte sich mit dem Hinweis, dass Sieg und Sicherheit immer eine Frage des Versuchs seien; dass sich die Zahl der Feinde nicht vermindern, sondern vergrößern werde; und dass längeres Verweilen weder den Strom schmaler noch die Uferhöhe flacher machen werde.
So wurde also das Angriffssignal gegeben und gehört: die ungeduldigsten Legionäre sprangen in fünf Boote, die dem Ufer am nächsten lagen; gewaltig legten sie sich in die Riemen und waren bald darauf vom Dunkel der Nacht verschluckt. An anderen Ufer loderte ein Feuer auf; und Julian, der nur zu genau begriff, dass der Feind die ersten Boote beim Landungsversuch in Brand gesetzt hatte, machte geistesgegenwärtig aus ihrer unmittelbaren Gefahr ein Zeichen von günstiger Vorbedeutung. ›Unsere Kameraden,‹ rief er mit Kampfeseifer aus, ›haben bereits das Ufer erobert; seht, sie geben das verabredete Signal: auf denn, wir wollen ihren Mut noch unterstützen.‹ Die gemeinsame und rasche Fahrt der großen Flotte benahm der Strömung die Gewalt, und sie erreichten das östliche Tigrisufer, rechtzeitig genug, um die Flammen zu löschen und ihre kühnen Gefährten zu retten. Der steile und lange Anstieg wurde durch das Gewicht der Waffen und die Dunkelheit noch erschwert. Ein Schauer von Pfeilen, Steinen und Brand ging auf die Angreifer nieder; schließlich aber standen sie nach hartem Kampf als Sieger auf der Schanze. Sobald sie günstigeres Gelände besetzt hielten, musterte Julian, der mit leichter Infanterie den Angriff geführt hatte, ›Hinc Imperator ... (so Ammianus) ipse cum levis armaturae auxiliis per prima postremaque discurrens,‹ [...darauf eilte der Kaiser selbst mit den leichtbewaffneten Hilfstruppen zwischen dem ersten und letzten Treffen hin und her]. Sein Freund Zosimos lässt ihn erst zwei Tage nach der Schlacht den Fluss überqueren. mit fachkundigem Blick die Stellung: seine tapfersten Soldaten bildeten, wie schon bei Homer vorgesehen, ›Secundum Homericam dispositionem.‹ (Entsprechend der Anordnung bei Homer.) Eine vergleichbare Aufstellung wird dem weisen Nestor im vierten Gesang der Ilias zugeschrieben, und Homer ist Julian stets gegenwärtig. die Spitze und die Nachhut; und so bliesen alle Signalhörner der kaiserlichen Armee zum Angriff. Die Römer ließen ein Schlachtengeschrei vernehmen und marschierten mit ruhigem Schritt zu den befeuernden Klängen kriegerischer Musik vorwärts; schleuderten ihre fürchterlichen Wurfgeschosse; und stürmten mit gezücktem Schwert voran, um den Barbaren im Nahkampf den Vorteil ihrer Fernwaffen zu nehmen.
Zwölf Stunden dauerte das Gefecht; schließlich aber wurde der schrittweise Rückzug der Perser zur ungeordneten Flucht, bei der sich in beschämender Weise ihre Befehlshaber besonders hervortaten. Bis vor die Tore Ktesiphons trieb man sie zu Paaren; und die Sieger hätten wohl auch noch die bebende Stadt erobert ›Persas terrore subito miscuerunt, versisque agminibus totius gentis, apertas Ctesiphontis portas victor miles intrasset, ni major praedaram occasio fuisset, quam cura victoriae.‹ (Festus, de Provinciis, 28). [Doch plötzliche Panik brachte die persischen Reihen durcheinander, und nachdem die Heerhaufen vollständig in die Flucht geschlagen waren, hätte der Soldat siegreich die offenen Stadttore von Ktesiphon durchschritten, wenn nicht die Gelegenheit zum Beutemachen verlockender gewesen wäre als die Sorge um den Sieg]. Ihre Habgier bestimmte sie möglicherweise, Victors Rat zu folgen., wenn nicht ihr General Viktor, den ein Pfeilschuss gefährlich verwundet hatte, sie beschworen hätte, von dem unbedachten Angriff abzustehen, der im Falle eines Misserfolges zum Verhängnis werden musste. Die Römer zählten auf ihrer Seite fünfundsiebzig Gefallene; während sie zugleich feststellten, dass die Barbaren ihrerseits zweitausendfünfhundert oder sogar sechstausend ihrer tapfersten Soldaten auf dem Schlachtfeld gelassen hatten. Die Beute fiel so aus, wie man es sich bei dem Reichtum und Luxus eines orientalischen Lagers erwarten durfte; große Mengen an Silber und Gold, schmuckverzierte Waffen und ebensolches Zaumzeug, Betten und Tische aus massivem Silber. Der siegreiche Kaiser verteilte als Anerkennung für besondere Tapferkeit Ehrengeschenke, Bürger-, Mauer- und Schiffskronen; denen er mehr Wert beimaß als allen Reichtümern Asiens. Auch dem Gott des Krieges wurde ein Opfer gebracht, aber der Anblick der geschlachteten Tiere war von übler Vorbedeutung; und Julian entdeckte anhand weniger zweifelhafter Anzeichen schon bald, dass er nunmehr auf dem Gipfel seines Glückes angelangt war. Die Arbeiten am Kanal und die Tigrisüberquerung bechreiben Ammianus (24,5 und 6), Libanios (Oratio parentalis, 124-128), Gregor von Nazianz (Orationes 4), Zosimos (3,24f.) und Festus (de Provinciis,28).
JULIAN BLEIBT UNNACHGIEBIG
Am übernächsten Tage nach dem Gefecht wurden die Jovianer, die Herculianer sowie die restlichen Truppen, etwa zwei Drittel der Armee, ohne Fährnisse über den Tigris geschifft. Flotte und Armee waren in drei Abteilungen gegliedert, von denen lediglich die erste während der Nacht den Fluss überquert hatte. Die Leibwache, die nach Zosimos (3,26) am dritten Tage übersetzte, bestand wohl aus den Abteilungen, in denen auch der Historiker Ammianus und der spätere Kaiser Jovianuns dienten, außerdem einigen Abteilungen der Palastwache und den Jovianern und Herculianeern, welche oft die Leibwache stellten. Während die Perser von den Mauern Ktesiphons nur das Elend des umliegenden Landes betrachteten, hielt Julian oft nach Norden Ausschau in der bangen Hoffnung, dass der Marsch und die Vereinigung seiner beiden Generäle Sebastian und Prokopios mit der gleichen Energie und der gleichen Umsicht geschähen. Aber seine Erwartungen wurden enttäuscht durch den Verrat des Königs von Armenien, welcher seinen Hilfstruppen erlaubt hatte, – vermutlich hatte er sie sogar dazu aufgefordert – aus dem römischen Lager zu desertieren; Moses von Choren (Historia Armenia 3,15, p. 246) hat uns eine Volkssage und einen unechten Brief aufbewahrt. Ich habe ihm nur den Hauptumstand entlehnt, der mit der Wahrheit, der Wahrscheinlichkeit und Libanios (Oratio parentalis 131) am besten harmoniert. und durch die Uneinigkeit seiner beiden Generäle, welche eigentlich sogar unfähig waren, irgendeinen Plan zu fassen oder auszuführen. Als der Kaiser die Hoffnung auf diese wichtigen Verbündeten fahren lassen musste, entschloss er sich zu einem Kriegsrat und stimmt nach langer Debatte den Generälen zu, die von der Belagerung Ktesiphons abrieten, da dies ein nutzloses und gefährliches Unternehmen sei. Für uns ist es nicht recht erkennbar, durch welche Festungsbaukünste eine Stadt, die immerhin dreimal von Julians Vorgängern belagert und erobert worden war, für eine Armee von sechzigtausend Römern unter dem Kommando eines tapferen und erfahrenen Generals und mit Schiffen, Proviant, Belagerungsmaschinen und Waffen wohl versehen, nunmehr uneinnehmbar geworden sein sollte. Aber wir können uns bei dem Gedanken beruhigen, dass Julians Ruhmbegier und seine Geringschätzung der Gefahr, die seine hervorstechenden Charaktereigenschaften waren, nicht zugelassen hätten, dass er sich wegen irgendwelcher eingebildeten oder banalen Schwierigkeiten hätte entmutigen lassen. ›Civitas inexpugnabilis, facinus audax et importunum.‹ [Die Stadt war uneinnehmbar, der Versuch verwegen und zeitlich unpassend]. Ammianus, 24,7. Sein Kriegsgefährte Eutropius (10,16) umfährt das Problem: ›Assyriamque populatus, castra apud Ctesiphontem stativa aliquandiu habuit: remeansque victor...‹ [...und Assyrien wurde verwüstet, bei Ktesiphon wurde vorübergehend ein Standlager aufgeschlagen, auf dem siegreichen Rückmarsch..]. Zosimos gibt Schlauheit oder Ignoranz zu erkennen und Sokrates ist ungenau. Genau zu dem Zeitpunkt, als er den Gedanken an die Belagerung Ktesiphons verwarf, wies er auch mit stolzer Verachtung ein höchst schmeichelhaftes Verhandlungsangebot zurück.
PERSISCHES FRIEDENSANGEBOT WIRD ABGELEHNT
Sapor, der sich seit langem an das wirkungsarme Fuchteln des Constantius gewöhnt hatte, war über den zielstrebigen Eifer seines Nachfolgers unangenehm überrascht. Bis zu der indischen und skythischen Grenze erhielten die Provinzsatrapen Weisung, ihre Truppen zu sammeln und ohne Verzug ihrem bedrängten Monarchen zu Hilfe zu eilen. Aber ihre Vorbereitungen waren schleppend und ihre Marschbewegungen saumselig; und bevor Sapor auch nur eine einzige Armee ins Feld hatte stellen können, erhielt er die betrübliche Zeitung von der Verwüstung Assyriens, der Zerstörung seiner Paläste und dem Untergang seiner tapferen Männer, welche den Tigrisübergang verteidigt hatten. Sein Königtum lag erniedrigt im Staub; er nahm seine Mahlzeiten vom Erdboden; und sein zerrauftes Haar ließ die Trauer und Sorge seines Herzens erraten. Vermutlich hätte er sich nicht einmal dagegen gesträubt, mit der einen Hälfte seines Königreiches für die Sicherheit der anderen einzutreten: und mit Freuden hätte er in einen Friedensvertrag eingewilligt, der ihn zum treuen und abhängigen Verbündeten des römischen Eroberers gemacht hätte. Unter dem Vorwand einer privaten Angelegenheit wurde ein ranghoher und vertrauenswürdiger Minister in aller Heimlichkeit entsandt, die Knie des Hormisdas zu umfassen und in der Sprache des Bittflehenden um die Gunst einer Audienz beim Kaiser zu nachzusuchen. Ob der Sassanidenspross nun auf die Stimme der Hoffahrt oder der Menschlichkeit hörte, ob ihn Rührung bestimmte oder die Pflicht – auch er neigte dazu, heilsame Maßnahmen zu befördern, welche die Not Persiens beendet und gleichzeitig den Sieg Roms sichergestellt hätten. Er war überrascht von der unbeugsamen Festigkeit eines Helden, welcher sich zu seinem eigenen und seines Landes Unglück daran erinnerte, dass auch Alexander das Friedensangebot des Dareius abgelehnt hatte. Und da Julian zugleich befürchtete, die Aussicht auf einen ehrenhaften Sieg-Frieden möchte den Kampfeseifer seiner Soldaten dämpfen, bat er Hormisdas mit Nachdruck darum, Sapors Minister ebenfalls privat zu entlassen und sein verführerisches Anerbieten dem Lager zu verheimlichen. Libanios, Oratio Parentalis, 130 und 139 und Socrates, 3,21. Die Kirchenhistoriker schieben die Ablehnung des Friedensvorschlages dem Einfluss des Maximus zu. Ein solcher Rat war eines Philosophen unwürdig; aber der Philosoph war darüber hinaus noch ein Hellseher, welcher den Hoffnungen und Leidenschaften seines Herren zu schmeicheln verstand.
JULIAN LÄSST DIE FLOTTE VERBRENNEN
Seine Interessen verboten es Julian, weiterhin seine Zeit vor Ktesiphons unüberwindlichen Mauern zu verschwenden; auch seine Ehre verbot es ihm, denn sooft er die Verteidiger der Stadt forderte, sich mit ihm in offener Feldschlacht zu messen, erhielt er die weise Antwort, wenn es ihn danach gelüste, seine Kräfte zu erproben, möge er die Armee des Großkönigs fordern. Er fühlte den verborgenen Hohn und nahm den Rat an. So bewegten sich seine Truppen nicht länger brav zwischen den Ufern von Euphrat und Tigris, vielmehr entschloss er sich, Alexanders eroberndem Geist zu folgen und kühn in das Landesinnere vorzudringen, bis er seinen Gegner gezwungen hatte, sich mit ihm, etwa in den Ebenen von Arbela, um die Vorherrschaft in Persien zu streiten. Julians emporstürmender Geist wurde unterstützt und verraten durch die Kunstgriffe eines Persers von Adel, der es auf sich genommen hatte, im Interesse seines Landes ein höchst gefährliches, falsches und schandbares Spiel zu spielen. Die Trickereien dieses neuen Zopyros (Gregor von Nazianz, Orationes 4) werden durch das Zeugnis zweier Kompilatoren (Festus und Victor) bestätigt; ferner gibt es gelegentliche Andeutungen bei Libanios (Oratio parentalis 134) und Ammianus (24,7). Die Chronologie der Ereignisse wird durch eine sehr ärgerliche Lücke im Text von Ammianus unterbrochen.
Mit einem ganzen Tross treuer Anhänger floh er in das kaiserliche Lager; erzählte die bewegende Geschichte des Unrechts, das er erlitten hatte; überzeichnete die Grausamkeit Sapors, die Unzufriedenheit des Volkes und die allgemeine Schwäche der Monarchie; und diente sich unaufgefordert als Gastgeber der Römer und Anführer ihres Marsches an. Hormisdas' Weisheit und Erfahrung äußerte die allervernünftigsten Verdachtsgründe, indessen vergeblich; der arglose Julian, der den Verräter an sein Herz gedrückt hatte, ließ sich zu einem raschen Befehl verleiten, welcher nach der Meinung der Menschheit seine Vernunft in Zweifel stellte und seine Sicherheit gefährdete: Er ließ in einer einzigen Stunde die gesamte Flotte zerstören, die man fünfhundert Meilen mit soviel Schweiß, Kosten und Blut mitgeführt hatte. Zwölf, höchstens zweiundzwanzig kleine Schiffe ließ man bestehen, damit sie den Marsch der Soldaten begleiten und bei Gelegenheit als Brücke dienen könnten. Verpflegung für zwanzig Tage hob man für die Soldaten auf; der Rest der Magazine wurde zusammen mit einer Armada von elfhundert Booten, die auf dem Tigris vor Anker lagen, auf ausdrücklichen Befehl der Kaisers den Flammen überantwortet.
Die christlichen Bischöfe Gregor und Augustin machen hier den Wahnsinn des Apostaten verantwortlich, welcher das Gottesurteil mit eigener Hand ausführte. Ihre Autorität, in militärischen Fragen von eher geringem Gewicht, erfährt durch das kühle Urteil eines erfahrenen Soldaten Unterstützung, welcher Augenzeuge der Verbrennung war und der sich nicht dazu verstehen konnte, das empörte Murren der Legionen zu missbilligen. Siehe Ammianus (24,7), Libanios, (Oratio Parentalis, 132 und 133), Zosimos (3,26), Zonaras (Band 2,13,13), Gregor vo Nazianz (Orationes 4) und Augustinus (De Civitate Die 4,29 und 5,21). Von diesen unternimmt alleine Libanios eine matte Verteidigung seines Helden, welcher, folgt man Ammianus, sich selbst das Urteil sprach, indem er einen verspäteten und wirkungslosen Befehl zum Feuerlöschen gab. Allerdings gibt es einige vordergründig einleuchtende und vielleicht sogar gute Gründe, die Julians Anordnung rechtfertigen können. Der Euphrat kann oberhalb von Babylon und der Tigris oberhalb von Opis nicht befahren werden. Man vergleiche Herodotos (1,194), Strabo (16, p. 1074), und Tavernier (Voyages, Teil 1, p.52). Die Entfernung zwischen der letztgenannten Stadt und dem Römerlager war unbedeutend; und Julian hätte schon bald den vergeblichen und undurchführbaren Versuch einstellen müssen, die große Flotte flussaufwärts gegen diesen raschfließenden Strom zu zwingen, ›A celeritate Tigris incipit vocari, ita appellant Medi sagittam.‹ [Wegen seiner Schnelligkeit erhält der Tigris dann einen Namen, der bei den Medern ›Pfeil‹ bedeutet]. Plinius, Historia Naturalis 6,31. dessen Passage an einigen Stellen darüber hinaus mit künstlichen oder naturgegebenen Stromschnellen erschwert war. Tavernier (Teil 1, p. 226) und Thevenot (Teil 2, 1, p. 193) beschreiben einen dieser Deiche, durch die ein künstlicher Katarakt oder Wasserfall entsteht. Die Perser oder Assyrer waren bemüht, die Schiffahrt auf dem Fluss zu unterbinden (Strabo 15, p. 740; d'Anville, L'Euphrat et le Tigre, p. 98f.). Ruder oder Segel hätten nur unzureichende Kräfte entfaltet; man hätte die Boote schon gegen die Strömung treideln müssen; diese mühselige Sklavenarbeit hätte die Kräfte von zwanzigtausend Soldaten erschöpft; und hätten die Römer ihren Marsch entlang des Tigrisufers fortgesetzt, dann hätten sie nur noch hoffen können, nach Hause zurückzukehren, ohne zugleich in irgendwelche Unternehmungen verwickelt zu werden, welche den Genius oder das Glück ihres Feldherren strapaziert hätten. Wenn es andererseits geraten schien, ins Landesinnere vorzustoßen, dann war die Verbrennung der Flotte und der Magazine die einzige Maßnahme, welche diese wertvolle Beute vor dem Zugriff der zahlreichen beutelüsternen Feinde hätte schützen können, die gewiss aus den Toren von Ktesiphon hervorgebrochen wären. Hätte Julian obsiegt, dann würden wir heute das Verhalten und den Mut eines Helden bewundern, der seinen Soldaten jede Aussicht auf Rückzug benahm und ihnen so nur die Wahl zwischen Tod oder Sieg ließ. Wir erinnern uns an die glückhafte und hochgelobte Entschlossenheit des Agathokles und Cortez, welche ebenfalls ihre Schiffe an der Küste Afrikas bzw. Mexikos verbrennen ließen.
DIE RÖMER FINDEN NUR NOCH VERWÜSTUNG
Der beschwerliche Transport von Artillerie und Bagage, der den Operationen der modernen Armeen so beschwerlich fällt, war den römischen Streitkräften weitgehend unbekannt. Man sehe die einsichtsvollen Betrachtungen des Autors von ›Essai sur la Tactique‹, Band 2, p. 287-383 und die kluggelehrten Ausführungen von Herrn Guischardt, Nouveaux Memoires Militaires, Band 1,p. 351-382, über Tross und Versorgung der römischen Heere. Doch die Verpflegung von sechzigtausend Mann muss zu allen Zeiten die erste Sorge für einen umsichtigen General gewesen sein; und Nahrung konnte nur das Feindesland bereitstellen. Wäre es Julian möglich gewesen, auch die Verbindung über den Tigris zu sichern und das eroberte Assyrien zu halten, so hätte die zerstörte Provinz keine nennenswerten und regelmäßigen Nahrungsmengen bereitstellen können, zumal in einer Jahreszeit, als das Land vom Euphrat überschwemmt Der Tigris entspringt im Süden und der Euphrat im Norden der armenischen Berge. Ersterer hat seine Überschwemmung im März, der Letztgenannte im Juli. Diese Umstände werden in den geographischen Erläuterungen von Foster sehr gut erklärt, welche Spelmans ›Expedition of Kyrus‹ von Xenophon (Band 2, p. 26) beigegeben sind. und die ungesunde Luft mit Myriaden von Insekten verdunkelt war. Ammianus (24,8) schildert so, wie er sie erlebt hatte, die Kalamitäten durch die Überschwemmung, die Hitze, die Insekten. Das assyrische Land, von den Türken unterdrückt und von den Kurden oder Arabern ausgeplündert, erbringt zehn-, fünfzehn- und zwanzigfachen Ertrag der Saat, die der arme und ungeschickte Landmann dem Boden anvertraut. Niebuhr, Voyages, Band 2, p. 279-85.
Da war das Erscheinungsbild des Feindeslandes deutlich einladender. Das riesige Gebiet zwischen Tigris und den medischen Bergen ist übersät mit Dörfern und Städten; und auch der fruchtbare Boden befand sich in einem ausgezeichneten Zustand. Julian erwartete vermutlich, dass die beiden stärksten Waffen der Überredungskunst, Eisen und Gold, der Furchtsamkeit und der Habgier der eingeborenen Bevölkerung hinreichende Mengen an Vorrat abschmeicheln würden. Aber beim Anmarsch der Römer wurde diese optimistische Erwartung zu Nichts. Wo immer die Römer auftauchten, verließen die Einwohner die offenen Dörfer und nahmen ihre Zuflucht in den befestigten Städten; das Vieh wurde in Sicherheit gebracht; Heu und reifes Korn wurden verbrannt; und sobald das Feuer sich gelegt hatte, gaben sie Julian den Blick frei auf eine nackte, rauchende Ödnis. Zu dieser verzweifelten, wenngleich wirkungsvollen Art der Verteidigung ist nur der Patriotismus eines Volkes imstande, das seine Freiheit dem Wohlstand vorzieht; oder die Brutalität einer Willkürherrschaft, welche sich um die öffentliche Sicherheit besorgt gibt, ohne die Freiheit einer Wahl zu lassen.
In diesem Falle waren die Neigungen der Perser und die Anordnungen Sapors gleichen Sinnes; und so war Julian schon bald auf karge Kost gesetzt, welche sich unter seiner Regie zusehends verringerte. Bevor sie ganz aufgezehrt war, hätte er mit einem direkten Marsch Isidor von Carax (Mansiones Parthicae, p. 5, 6, in Hudson, Geographiae Minores Band 2.) rechnet mit 129 Schoeni von Seleucia, Thévenot (Voyages, Teil 1,1 und 2, p. 205-245) mit 128 Stunden Marsch von Bagdad nach Ekbatana. Diese Strecke ist kürzer als eine gewöhnlichen Parasange oder drei römischen Meilen. die kriegsuntüchtigen und wohlversorgten Städte Ekbatana und Susa erreichen können; aber seine Unkenntnis des Weges und die Perfidie seiner Führer brachte ihn auch noch um diese letzten Ressourcen. Die Römer gingen einige Tage östlich von Bagdad in die Irre; der persische Deserteur, der ihn so arglistig in die Falle gelockt hatte, entkam ihrer Rache; und seine Anhänger gestanden unter der Folter augenblicklich das Geheimnis ihrer Verschwörung. Die Visionen einer Eroberung von Hyrcania und Indien, die Julian lange Zeit erfreut hatten, wurden nun zum Alptraum. Im Bewusstsein, dass seine Torheit die Ursache der gegenwärtigen Not war, erwog er angstvoll die Aussichten auf Erfolg oder Rettung, ohne von Göttern oder Menschen eine zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Schließlich fasste er den in dieser Lage einzig sinnvollen Entschluss und ordnete einen Eilmarsch zum Tigris in das Gebiet von Carduene an; diese Provinz war fruchtbar, freundschaftlich gesonnen und anerkannte Roms Oberherrschaft. Die entmutigten Truppen traten unverzüglich den Rückmarsch an, nur siebzig Tage, nachdem sie den Chaboras überquert hatten mit der zuversichtlichen Hoffnung, Persiens Thron zu stürzen. Den Marsch Julians nach Ktesiphon beschreiben ausführlich, doch nicht eben verständlich Ammianus (24,7f.), Libanios (Oratio Parentalis 134) und Zosimos (3,26). Die beiden letzten scheinen gar nicht zu wissen, dass sich ihr Eroberer auf dem Rückzug befindet, und Libanios lässt ihn sich absurderweise nicht von den Ufern des Tigris entfernen.
DIE RÖMISCHE ARMEE IN BEDRÄNGNIS
Solange die Römer erkennbar ins Landesinnere marschierten, wurden ihre Marschbewegungen nur von ein paar Einheiten persischer Kavallerie beobachtet und gelegentlich gestört; sie ließen sich manchmal in lockerer, manchmal in fester Formation blicken und griffen halbherzig die Vortrupps an. Allerdings standen zur Unterstützung dieser Detachements weitaus größere Streitkräfte bereit; und kaum waren die römischen Marschkolonnen in Richtung auf den Tigris eingeschwenkt, als über der Ebene eine Staubwolke aufstieg. Die Römer, denen es jetzt nur noch um einen sicheren und raschen Rückzug zu tun war, versuchten sich einzureden, dass die Ursache dieser drohenden Erscheinung eine große Herde von Wildeseln sei oder ein paar befreundete Araber. So machten sie Halt, schlugen ihre Zelte auf, befestigten ihr Lager und waren die ganze Nacht in Alarmbereitschaft; und mussten bei Sonneaufgang entdecken, dass sie von einem persischen Heer eingekreist waren. Auf diese Armee, die man für den Vortrab gehalten haben mochte, folgte bald die Hauptstreitmacht aus schweren Panzerreitern, Bogenschützen, Elephanten, welche der angesehene und bewährte General Meranes kommandierte. Zwei Prinzen begleiteten ihn und viele hochrangige Satrapen; Gerüchte und ängstliche Erwartungen vergrößerten die Stärke der restlichen Truppen, die unter Sapors höchstpersönlichem Kommando sich allgemach einfanden.
Als dann die Römer ihren Zug fortsetzten, bot ihre langgestreckte Marschordnung, die gemäß den Anforderungen des Geländes dichter oder gelockerter war, ihren wachsamen Feinden häufige und günstige Gelegenheit zum Zuschlagen. Wiederholt und mit Eifer griffen die Perser an; ebenso oft wurden sie zurückgeschlagen; und Marongas einzige Maßnahme, die die Bezeichnung eines Gefechtes verdiente, zeichnete sich durch einen beträchtlichen Verlust von Elephanten und Satrapen aus, in den Augen ihres Königs vermutlich gleichgewichtige Einbußen. Aber auch die Römer mussten für diese Erfolge zahlen: verschiedentlich wurden Offiziere von Rang getötet oder verwundet; und der Kaiser selbst, der in allen Gefahrensituationen seine Männer beseelte und anführte, war genötigt, seine Person der Gefahr auszusetzen und alle Kräfte anzustrengen. Das Gewicht ihrer Angriffs- und Verteidigungswaffen, welche nach wie vor die Schlagkraft und die Sicherheit des römischen Heeres ausmachten, behinderten andererseits jede längere und nachdrücklichere Verfolgung; und da die Reiter des Ostens geübt waren, in vollem Galopp und in jede Richtung ihre Lanzen zu schleudern und ihre Pfeile zu schießen, Chardin, der einsichtsvollste der neueren Reisenden, beschreibt (Voyage en Perse, Band 3, p. 57ff.) die Ausbildung und die Geschicklichkeit der persischen Reiter. Brissonius (De regno Persico, p. 650, 661 u.a.) hat die Zeugnisse des Altertums zusammen getragen. war Persiens Kavallerie auf rascher, ungeordneter Flucht am fürchterlichsten.
Doch am meisten wog für die Römer die verlorene Zeit. Die hartgesottenen Veteranen, durch das kalte Klima Galliens und Germaniens abgehärtet, wurden in Assyriens schwülem Sommer zusehends ausgelaugt: die zermürbende Gleichförmigkeit, mit der sich Marsch und Gefecht abwechselten, zehrte an ihren Kräften; und die Marschleistung wurde zusätzlich gemindert durch die Vorsichtsmaßnahmen, die ein langsamer und wohlüberlegter Rückzug in Gegenwart eines aktiven Feindes erforderlich machte. Mit jedem Tag, mit jeder Stunde, in denen die Vorräte zur Neige gingen, stiegen im römischen Lager Bei dem Rückzug von Marcus Antonius wurde ein attisches Choenix für fünfzig Drachmen verkauft oder, anders gesagt, ein Pfund Mehl kostet zwölf bis vierzehn Schilling. Man kann unmöglich diese interessante Erzählung bei Plutarch studieren (Vitae, Band 5, p.102-116), ohne daran zu denken, dass Marcus Antonius und Julian durch den gleichen Feind angegriffen wurden und sich in der gleichen Notlage befanden. der Wert und der Preis der Nahrung. Julian selbst, der sich immer mit einem Essen begnügt hatte, das selbst noch ein hungriger Soldat zurückgewiesen haben würde, verteilte unter die Truppen Proviant, der für den königlichen Haushalt bestimmt war, und was etwa von den Lastpferden der Generäle und Tribunen erübrigt werden konnte. Aber diese schwache Hilfestellung bewirkte eigentlich nur, dass die Notlage noch fühlbarer wurde; und allmählich begannen sich die Römer ernstlich zu sorgen, dass sie vor Erreichen der Reichgrenzen allesamt verderben müssten, verhungert oder vom feindlichen Schwert getötet. Ammianus, 24,8, 25,1; Zosimos, 3,27ff.; Libanios, Oratio Parentalis, 134f. Dem Sophisten von Antiochia scheint es zu entgehen, dass die Truppen Hunger litten.
ÜBLE VORZEICHEN IN TRÄUMEN UND AM HIMMEL JULIAN TÖDLICH VERWUNDET
Während Julian mit diesen fast unüberwindlichen Schwierigkeiten kämpfte, waren die stillen Stunden der Nacht weiterhin den Studien und der Betrachtung gewidmet. Wenn er die Augen zu kurzem und unruhigem Schlummer schloss, wurde er von qualvollen Sorgen heimgesucht; eine Überraschung wird es nicht sein, wenn der Genius des Reiches ein weiters Mal vor ihm erschien und sein Haupt und sein Füllhorn mit einem Leichentuch verhüllte und sich langsam von kaiserlichen Zelt zurückzog. Der Kaiser schreckte von seinem Lager empor, trat hinaus, sein trauriges Gemüt in der Kühle der Mitternacht zu erfrischen, als er einen feurigen Meteor gewahrte, der quer über den Himmel zog und verglühte. Julian war überzeugt, dass er den drohenden Wink des Kriegsgottes gesehen habe; Ammianus 25,2. Julian hatte einst geschworen, ›numquam se Marti sacra facturum.‹ [dass er dem Mars nie ein Opfer bringen werde]. Derlei grillenhafte Zänkereien zwischen den Göttern und ihren hoffährtigen Bekennern waren durchaus üblich; und selbst der weise Augustus verweigerte Neptun alle öffentlichen Prozessionen, nachdem seine Flotte zweimal Schiffbruch erlitten hatte. Siehe Hume, Philosophical Reflections, Essays, Band 2, p. 418. das Konsilium, zu dem er die Haruspices Sie hatten nach wie vor das Monopol auf diese leere, aber einträgliche Wissenschaft inne, die einst in Etrurien ersonnen worden war; und sie bestanden darauf, dass sie ihre Kenntnisse von Zeichen und Omen aus den alten Büchern des tuskischen Weisen Tarquitius bezögen. aus Tusculum lud, befand einstimmig, dass er von allen militärischen Maßnahmen abstehen solle: aber wenigstens bei dieser Gelegenheit überwanden Not und Vernunft die Mächte des Aberglaubens: In der Morgendämmerung wurde zum Aufbruch geblasen.
Die Armee marschierte durch hügeliges Gelände; und die Perser hatten in aller Stille die Hügel besetzt. Julian führte die Vorhut mit der Umsicht eines vielerprobten Generals; da erhielt er die Meldung, dass die Nachhut angegriffen wurde. Die Hitze hatte ihn verleitet, seinen Panzer abzulegen; aber rasch hatte er den Schild von einem seiner Begleiter an sich gerissen und eilte an das Ende der Kolonne der Nachhut zur Hilfe. Die gleiche Gefahr rief den Furchtlosen, die Front zu schützen; und als er zwischen den Marschsäulen galoppierte, wurde das linke Zentrum durch die persische Kavallerie und Kriegselephanten machtvoll angegriffen und beinahe überrannt. Aber schon kurz darauf war diese kampfstarke Abteilung durch eine wohlabgestimmte Entwicklung der leichten Infanterie aufgerieben, welche mit viel Geschick und Wirkung ihre Waffen gegen die Rücken der Pferde und die Beine der Elephanten einsetzten. Die Barbaren flohen; und Julian, in jeder Gefahr der Erste, feuerte mit Rufen und Gesten die Verfolgung an. Seine Leibwache, eingeschlossen und in ihrer Bewegung behindert durch das regellose Durcheinander von Freund und Feind, erinnerte ihren furchtlosen Feldherren daran, dass er ohne Rüstung war; und beschworen ihn, den drohenden Untergang zu vermeiden.
Noch als sie es riefen, Clamabant hinc inde ›candidati‹ (siehe die Anmerkung von Valesius) quos disjecerat terror, ut fugientium molem tanquam ruinam male compositi culminis declinaret. [Von da und dort rief ihm seine Leibwache, die sich zerstreut hatte, er möge vor der Masse der Fliehenden ausweichen wie vor den Trümmern eines einstürzenden Hauses]. Ammianus 25,3. schoss eine fliehende Schwadron einen Schauer von Pfeilen und Speeren ab; und ein Speer, der ihm am Arm die Haut ritzte, durchbohrte die Rippen und blieb im unteren Teil der Leber stecken; Julian versuchte, die tödliche Waffe aus seiner Seite zu ziehen; aber der scharfe Stahl zerschnitt ihm die Finger und er fiel bewusstlos von Pferd. Seine Wache stürzte ihm zur Hilfe; und der verwundete Herrscher wurde vorsichtig vom Boden aufgehoben und aus dem Schlachtengetümmel in ein Zelt getragen. Die Nachricht von dem schlimmen Ereignis ging durch alle Abteilungen; aber die Trauer der Römer wandelte sich schon bald in Stärke und unwiderstehliches Racheverlangen. Der blutige und zähe Kampf zwischen den beiden Heeren dauerte, bis die Dunkelheit sie trennte. Die Perser zogen sich auf dem linken Flügel einigermaßen ehrenvoll aus der Affäre, wo der magister officium Anatolius fiel und der Präfekt Sallust nur knapp entkam. Aber der Tag gehörte den Römern. Die Barbaren räumten das Feld, und ihre beiden Generäle Meranes und Nohordates, Sapor erklärte sich den Römern dahin, dass es seine Gewohnheit war, die Familien gefallener Satrapen dadurch zu trösten, dass er ihnen die Köpfe der Wachsoldaten und Offiziere schickte, die nicht an der Seite ihres Herren gefallen waren. (Libanios, de ulciscenda nece Iuliani 13, p.163). fünfzig Edle oder Satrapen sowie ungezählte ihrer tapfersten Krieger deckten das Feld: und der Erfolg der Römer wäre, hätte Julian überlebt, zum kriegsentscheidenden Sieg geworden.
JULIANS STIRBT ALS SOLDAT UND PHILOSOPH 26. JUNI 363
Die ersten Worte, die Julian stammelte, als er aus der Ohnmacht erwachte, in die er infolge des starken Blutverlustes gesunken war, sprachen für seinen kriegerischen Geist. Er rief nach seinem Pferd und seinen Waffen und verlangte danach, in die Schlacht zu eilen. Seine verbliebenen Kräfte erschöpften sich durch diese schmerzhafte Anstrengung; und die Wundärzte, die seine Verletzung untersuchten, entdeckten die Anzeichen des nahen Todes. Mit der Standhaftigkeit eines Helden und eines Weisen verbrachte er diese qualvollen Stunden; die Philosophen, welche ihn auf diesem verhängnisvollen Feldzug begleitet hatten, verglichen das Zelt Julians mit der Todeszelle des Sokrates; und die Zuschauer, die die Freundespflicht oder die Neugierde bestimmt hatten, sich um sein Lager zu versammeln, lauschten ehrfurchtsvoll und bekümmert auf die letzten Worte ihres sterbenden Kaisers. Julians Charakter und seine Stellung legen den Verdacht nahe, dass er die ausgefeilte Rede, die Ammianus gehört und niedergeschrieben hat, schon im Voraus ausgearbeitet hatte. Die Übersetzung des Abbé de la Bléterie ist zuverlässig und anmutig. Ich bin ihm bei der Darstellung der platonischen Ideenlehre gefolgt, die im Original nur mit unbestimmten Worten angedeutet wird.
›Freunde und Kampfgefährten, der geeignete Zeitpunkt für meinen Abschied ist nun gekommen; ich sterbe. Ich habe von der Philosophie gelernt, um wie viel wertvoller die Seele ist als der Körper; und dass es Gegenstand der Freude und nicht des Kummers sein sollte, wenn sich das Bessere abtrennt. Ich habe von der Religion gelernt, dass ein früher Tod oftmals die Belohnung für Frömmigkeit war; Herodot (1,31) hat diese Auffassung in einer schönen Erzählung ausgeführt. Aber Jupiter, der im 16. Gesang der Ilias mit blutigen Tränen den Tod seines Sohnes Sarpedon beweint, hat einen sehr unvollkommenen Begriff von der Glückseligkeit und dem Ruhm über das Grab hinaus. und ich nehme den tödlichen Streich als Gunst der Götter, da er mich vor der Gefahr bewahrt, einen Schatten auf die Person zu werfen, die bisher von Tugend und Tapferkeit geleitet wurde. Ich sterbe ohne Reue, denn ich habe ohne Schuld gelebt. Ich freue mich, dass ich auf ein unbeflecktes privates Leben zurückblicken kann; und ich kann wohl behaupten, dass die höchste Autorität, dass die Ausstrahlung der göttlichen Macht in meiner Hand rein und unversehrt geblieben ist. Ich habe die verderbten und verderblichen Grundsätze des Despotismus immer verachtet und das Glück des Volkes immer als das eigentliche Ziel jeder Regierung angesehen. Ich habe mein Handeln den Geboten der Klugheit, der Gerechtigkeit und der Mäßigung unterstellt, aber den Ausgang immer der Vorsehung anvertraut. Friede war das Ziel meiner Ratschlüsse, solange sich denn der Frieden mit der öffentlichen Wohlfahrt vereinbaren ließ; wenn aber die gebietende Stimme meines Landes mich zu den Waffen rief, dann habe ich mich den Gefahren des Krieges ausgesetzt in dem klaren Wissen (welches ich mir durch divinatorische Künste erwarb), dass ich durch das Schwert fallen könne. Ich zahle nunmehr meine Dankesschuld an das Ewige Sein, welchem es nicht gefiel, dass ich durch die Grausamkeit eines Tyrannen, den Dolch der Verschwörung oder die Foltern einer schleichenden Krankheit verderben sollte. Es hat mir mitten in einer glanzvollen Laufbahn einen ruhmreichen Abschied von dieser Welt vergönnt; und ich halte es für gleichermaßen abwegig und verächtlich, dem Schicksalsschlag auszuweichen oder ihn zu erbitten.‹
›Dies wollte ich sagen; aber die Kräfte schwinden mir, und ich fühle die Nähe des Todes. Ich werde jedes Wort unterlassen, das eure Wahl eines neuen Kaisers beeinflussen könnte. Meine Wahl könnte unklug oder ungerecht sein; und wenn die Zustimmung der Armee ausbleibt, dann könnte es für die Person verhängnisvoll werden, die ich empfohlen habe. Ich will nur als ein guter Bürger meine Hoffnung ausdrücken, dass die Römer mit der Regierung eines tüchtigen Herrschers gesegnet sein mögen.‹
Nach diesen Ausführungen, die Julian mit fester und ruhiger Stimme vortrug, verteilte er in einem militärischen Testament Die Soldaten, welche ihr Testament mündlich (nuncupavit) kurz vor der Schlacht (in procinctu) machten, waren von den Formalien des römischen Rechtes ausgenommen. Siehe Heiniccius, Antiquitatum Romanorum iurisprudentiam syntagma, Band 1, p. 504 und Montesquieu, Esprit des lois, Buch 27. sein verbliebenes Privatvermögen; danach fragte er, warum Anatolius fehle und begriff nach Sallusts Antwort, dass er gefallen sei; mit liebenswürdiger Inkonsequenz beweinte er den Verlust eines Freundes. Zugleich aber missbilligte er den maßlosen Kummer der Anwesenden; und beschwor sie, nicht durch unziemliche Tränen das Schicksal eines Herrschers zu beweinen, der sich in kurzer Zeit mit dem Himmel und den Sternen vereinigen werde. Diese Vereinigung der menschlichen Seele mit der göttlich-ätherischen Substanz des Universums ist die altüberlieferte Doktrin von Pythagoras und Plato; aber sie scheint jede persönliche oder bewusste Unsterblichkeit auszuschließen. Siehe Warburtons gelehrte und durchdachte Bemerkungen. Divine legation, Band 2, p. 199-216. Die Anwesenden schwiegen; und Julian begann mit den Philosophen Priscus und Maximus eine metaphysische Debatte über die Natur der Seele. Die psychischen und physischen Anstrengungen, die er dabei machte, beschleunigten vermutlich seinen Tod. Seine Wunde begann erneut und stark zu bluten; seine Atmung geriet wegen der anschwellenden Blutgefäße ins Stocken: er verlangte nach einem Trunk kalten Wassers, und sobald er es ausgetrunken hatte, verschied er, etwa um die Stunde der Mitternacht.
So starb dieser außergewöhnliche Mann in seinem zweiunddreißigsten Lebensjahr nach einer Regierungszeit von einem Jahr und etwa acht Monaten seit dem Tod des Constantius. In seinen letzten Stunden demonstrierte er, vielleicht mit etwas Berechnung, die Liebe zur Tugend und zum Ruhm, die immer die beherrschenden Leidenschaften seines Lebens gewesen waren. Ammianus, ein intelligenter Beobachter, gibt von Julians Tod einen vollständigen Bericht (25,3). Libanios, der sich mit Grauen von der Szenerie abwendet, bringt immerhin einige Nebenumstände (Oratio parentalis 136-140. Mit schweigender Verachtung wollen wir über die bösartigen Verdrehungen Gregors und die Legenden neuzeitlicher Heiliger hinweggehen.
JOVIAN ZUM KAISER GEWÄHLT 27. JULNI 363
Der Sieg des Christentums und die Notlage des Reiches können bis zu einem gewissen Umfange Julian angelastet werden, da er es verabsäumt hatte, die künftige Durchführung seiner Entwürfe durch die rechtzeitige und unanfechtbare Ernennung eines Bundesgenossen und Nachfolgers sicherzustellen. Aber das Königsgeschlecht des Constantius Chlorus existierte nur noch in seiner Person weiter; und wenn er wirklich ernsthaft mit dem Gedanken umgegangen war, etwa den würdigsten Römer mit dem Kaiserpurpur zu bekleiden, so hielten ihn die Schwierigkeiten der Wahl von diesem Vorhaben ab, die Lust an ungeteilter Macht und die naturgegebenen Vorzüge der Gesundheit, der Jugend und des Glücks. Sein unerwarteter Tod hinterließ das Reich ohne Herren und ohne Erben, in einem Status der Lähmung und Gefahr, wie man es seit achtzig Jahren, seit der Wahl Diokletians, nicht mehr erlebt hatte. In einer Regierungsform, in welcher man die Bedeutung des reinen und adligen Blutes fast vergessen hatte, galt erlesene Herkunft nur wenig; die Ansprüche einer offiziellen Stellung waren willkürlich und widerruflich; und etwaige Thronaspiranten konnten allenfalls auf ihr persönliches Verdienst oder ihre Popularität hoffen.
Aber die Lage eines verhungernden Heeres, das von allen Seiten von Barbarenmassen eingekreist war, ließ wenig Raum für Trauer und langes Nachdenken. In dieser bedrängten und fast tödlichen Situation wurde der Leichnam des gefallenen Herrschers seinen Weisungen gemäß angemessen einbalsamiert; und bei Morgengrauen fand sich die Heeresleitung zu einem Militär-Senat zusammen, zu dem die Kavallerie- und Infanteriegeneräle sowie die Legionskommandanten geladen wurden. Noch keine drei oder vier Stunden der Nacht gingen ohne heimliches Ränkespiel vorüber; als man zur Wahl eines Kaisers schreiten wollte, wurde die Versammlung vom Geist des Parteienhaders heimgesucht.
Victor und Arinthaeus versammelten um sich, was noch von Hofstaat des Constantius übrig war; Julians Freunde scharten sich um die gallischen Kommandeure, Dagalaiphus und Nevitta; und die schlimmsten Folgen standen von dem Zerwürfnis dieser zwei Faktionen zu befürchten, die in ihrem Eigenarten und ihren Interessen, in ihren Regierungsmaximen und auch in ihren religiösen Grundsätzen so entgegengesetzt waren. Nur die überlegene Persönlichkeit des Sallust konnte noch die Spaltung verhindern und ihre Abstimmung bündeln; und dieser ehrwürdige Präfekt wäre wohl auch ohne Verzug zum Nachfolger Julians ernannt worden, wenn er nicht bescheiden, aber bestimmt sein Alter und seine Gebrechen angeführt hätte, die dem Gewicht des Diadems so gar nicht gewachsen seien. Die Generäle waren durch diese Weigerung zunächst überrascht und verblüfft und zeigten dann Neigung, dem heilsamen Rat eines Offiziers von Rang Honoratior aliquis miles; vielleicht sogar Ammianus selber. Der bescheidene und unparteiische Historiker beschreibt die Wahl, bei welcher er mit Sicherheit anwesend war (25,5). zu folgen, dass sie handeln sollten, als ob der Kaiser nur abwesend sei; dass sie nämlich alle ihre Kräfte zusammennehmen sollten, um die Armee aus ihrer gegenwärtigen Notlage zu befreien; und dass sie anschließend, wenn sie denn Mesopotamien glücklich erreicht hätten, fortfahren sollten, gemeinsam und wohlüberlegt einen rechtmäßigen Herrscher zu erwählen.
Während man dies noch debattierte, begrüßten einige Stimmen Jovian, der nichts mehr war als der erste Der primus oder primicerius hatte den Rang eines Senators; und wenn er auch nur ein Tribun war, kam er an Rang den militärischen duces gleich. Codex Theodosianus 6,24. Diese Privilegien stammten möglicherweise aus der Zeit nach Jovian. Hofbeamte, als den Kaiser und Augustus. Die geräuschvolle Akklamation wurde unverzüglich von der Garde aufgegriffen, welche das Zelt umstand, und durcheilte binnen Kurzem das ganze Heer. Der neue Herrscher, der sein eigenes Glück noch gar nicht fassen konnte, wurde in Eile mit dem Purpur bekleidet und nahm den Treueid von den Generälen entgegen, um deren Schutz und Gunst er sich selbst noch vor Kurzem bemüht hatte. Die nachdrücklichste Empfehlung Jovians war sein verdienstvoller Erzeuger, der comes varronianus, der in ehrbarem Ruhestand der Früchte einer langen Dienstzeit genoss. In seinem nachgeordneten, aber ungefährdeten Stellung hatte sein Sohn seiner Vorliebe für Wein und Weiblichkeit gefrönt, aber zugleich mit viel Überzeugungskraft die Rolle eines Soldaten Christi gespielt. Sokrates (3,22), Theodoretos (4,1) und Sozomenos (6,3), die Verfasser von Kirchengeschichten, schreiben Jovian das Verdienst zu, unter der vorangegangenen Regierung ein Bekenner gewesen zu sein; und geben sich dem frommen Wahn hin, dass er die Annahme des Purpurs verweigerte, solange nicht die Armee sich einstimmig zu Christus bekannt hatte. Ammianus, der seine Darstellung in aller Ruhe fortsetzt, widerlegt diese erbauliche Legende mit einem einzigen Satz: ›Hostiis pro Ioviano caesis, extisque inspectis pronuntiatum est...(25,6) [Nachdem man Tiere für Jovian geopfert und die Innereien betrachtet hatte, wurde verkündet, dass...]. Wenn er auch weit davon entfernt war, auch nur eine der Eigenschaften zu besitzen, die die Bewunderung und den Neid der Menschheit erregen, so hatte Jovian gleichwohl durch sein gefälliges Äußeres, sein fröhliches Gemüt und seine Schlagfertigkeit die Zuneigung seiner Kameraden gewonnen; und die Generäle der beiden Parteiungen schwiegen zu der Wahl, da sie wenigstens nicht durch die Umtriebe ihrer jeweiligen Feinde zustande gekommen war.
Die Zufriedenheit mit dieser unerwarteten Erhebung wurde allerdings durch die berechtigte Sorge getrübt, dass dieser eine Tag zugleich auch der letzte im Leben und in der Regierungszeit des neuen Kaisers sein möchte. So hörte man denn ohne Verzug auf die Stimme der Vernunft; und die ersten Anordnungen Jovians, die er nur ein paar Stunden nach dem Ende seines Vorgängers erließ, betrafen den Abmarsch, der alleine noch den Römern aus ihrer gegenwärtigen Not helfen konnte. Ammianus (25,10) hat von Jovians Leben ein objektives Bild gezeichnet; zu welchem der jüngere Victor noch ein paar kräftige Striche hinzugefügt hatte. Der Abbé de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 1, p. 1.238) hat über seine kurzen Regierungszeit eine gründliche Darstellung verfasst; es ist dies ein Werk, welches ausgezeichnet ist durch seinen eleganten Stil, seine kritischen Forschungen und seine religiöse Borniertheit.
GEFAHR UND SCHWIERIGKEIT DES RÜCKZUGES 27. JUNI - 1. JULI
Der Respekt eines Feindes drückt sich am zuverlässigsten durch seine Furcht aus; und das Ausmaß der Furcht kann am genauesten an der Freude ermessen werden, mit welcher er seine Erlösung bejubelt. Die hochwillkommene Post vom Tode Julians, die ein Überläufer im Lager Sapors verbreitete, erfüllte den verzagenden Großkönig mit neuerlicher Siegeszuversicht. Sofort schickte er die Königs-Kavallerie ins Feld, vermutlich die zehntausend Unsterblichen, Regius equitatus . Glaubt man Prokopios, dann wurden die Unsterblichen, die unter Kyros und seinen Nachfolgern so hochberühmt waren, durch die Sassaniden, man gestatte den unpassenden Ausdruck, wieder zum Leben erweckt. Brisson, de regno Persico, p. 268ff. um den Römern nachzusetzen; und die ganze Wucht des Angriffs seiner vereinten Streitkräfte galt der römischen Nachhut. Diese nun geriet in Unordnung; die bewährten Legionen, die ihre Titel noch auf Diocletian und seine kriegskundigen Mitregenten zurückführten, wurden von den Elephanten nachgerade niedergetrampelt; bei dem Versuch, die Flucht der Soldaten zu hemmen, verloren drei Tribunen ihr Leben. Dennoch wurde die Schlacht durch den unerschütterten Kampfesmut der Römer allmählich wieder hergestellt. Mit starken Verlusten an Elephanten und Soldaten wurden die Perser zurückgeschlagen; und die Armee, die einen ganzen Sommertag gefochten hatte und marschiert war, kam am Abend in Samara am Tigrisufer an, hundert Meilen von Ktesiphon entfernt. Die obskuren Dörfer des flachen Landes sind für immer untergegangen; auch das Schlachtfeld, auf welchem Julian fiel, können wir nicht genau bestimmen; aber Herr d'Anville hat wenigstens die genaue Lage von Sumere, Carche und Dura am Tigrisufer nachgewiesen (Géographie ancienne, Band 2, p. 248, und L'Euphrat et le Tigre, p. 95 und 97.) Im neunten Jahrhundert wurde Sumere oder, mit leichtem Ablaut, Samara, die Königsresidenz der Kalifen aus dem Hause der Abbasiden.
Am folgenden Tage griffen die Barbaren nicht die Marschkolonnen, sondern das Lager an, welches Jovian in einem tiefen und abgelegenen Tal hatte aufschlagen lassen. Die persischen Bogenschützen fielen von den Hügelkuppen aus den erschöpften Römern beschwerlich; schließlich wagte es sogar eine Reiterabteilung mit Todesmut, die Wache anzugreifen, wurde aber in der Nähe des kaiserlichen Zeltes nach schwankendem Kampfe schließlich in Stücke gehauen. In der folgenden Nacht schützten hohe Flussdeiche das Lager bei Carche; und vier Tage nach dem Tod von Julian schlugen die Römer ihre Zelte bei Dura Während der Kriege des Antiochus gegen die aufständischen Meder und Perser war Dura eine Festung. Polybios 5,48 und 52. auf, obwohl ihnen die Sarazenen mit beständige Attacken zusetzten. Den Tigris hatten sie nach wie vor zu ihrer Linken; Hoffnungen und Proviant waren nahezu erschöpft. Und die Soldaten, die sich geradezu einfältig an den Glauben geklammert hatten, dass die Grenzen des Reiches nahe seien, bedrängten ihren neuen Herrscher, er möge ihnen erlauben, die Überquerung des Flusses zu riskieren.
Jovian unternahm es, mit Hilfe der einsichtigsten Offiziere ihrem Drängen zu steuern; er stellt ihnen dar, dass sie selbst dann, wenn sie durch genügend Geschick und Mut den Wassern dieses tiefen und reißenden Stromes zu gebieten imstande wären, sich doch nackt und schutzlos den Barbaren ausliefern würden, welche das andere Ufer besetzt hielten.
Schließlich jedoch willfahrte er ihrem geräuschvollen und anhaltenden Drängen und gestattete, wenn auch widerstrebend, dass fünfhundert Gallier und Germanen, die ja von Kindesbeinen mit den Wassern des Rheins und der Donau vertraut seien, das kühne Stück wagen sollten, welches dann dem Rest der Armee zur Warnung oder Ermutigung dienen mochte. In der Stille der Nacht schwammen sie über den Tigris, überrumpelten einen unbewachten Vorposten des Feindes und gaben in der folgenden Morgendämmerung das verabredete Siegeszeichen. Der Erfolg dieses Kommandounternehmens bewog den Herrscher, sich die Vorschläge seiner Baumeister anzuhören, welche zu einer Schwimmbrücke rieten, die auf aufgeblasenen Schafs-, Ochsen- und Ziegenhäuten befestigt und mit Erdreich und Faschinen gedeckt werden sollte. Ein ähnlicher Versuch wurde den Feldherren der Zehntausend vorgeschlagen und klüglich abgelehnt. Xenophon, Anabasis 3, Opera, Band 1, p. 255ff. Unsere modernen Reisenden berichten, dass Flöße auf Luftschläuchen Handel und Wandel auf dem Tigris ermöglichen. Zwei wertvolle Tage gingen über diese wenig förderliche Arbeit hin; und die Römer, die bereits hungern mussten, blickten verzweiflungsvoll über den Tigris und auf die Barbaren; deren Zahl und Angriffslust proportional zu der Not der kaiserlichen Armee zu wachsen schien. Von Jovians ersten Waffentaten geben Ammianus (25,6), Libanios (Oratio parentalis 146) und Zosimos (3,30) Bericht. Wenn wir auch zu der Aufrichtigkeit des Libanios kein rechtes Zutrauen haben, so lässt doch der Augenzeugenbericht des Eutropius 10,17 (›uno a Persis atque altero proelio victus,‹ [nach der einen und anderen Niederlage gegen die Perser] den Verdacht aufkeimen, dass Ammianus um den Ruhm der römischen Waffen besorgt gewesen sei.
VERHANDLUNGEN UND FRIEDENSSCHLUSS
In dieser hoffnungslosen Situation wurden Roms entschwindende Hoffnungen durch Friedenssondierungen neuerlich belebt. Sapors gehobene Stimmung war nur vorübergehend gewesen und schwand: Er bemerkte mit besorgter Anteilnahme, dass ihn die wiederholten und zweifelhaften Gefechte seine treuesten und tapfersten Edlen gekostet habe, seine wackersten Krieger und den größten Teil der Elephanten: und der kriegerfahrene Monarch trug Bedenken, Verzweiflungstaten, Wechselfälle des Schicksals und die unerschöpflichen Kräfte des römischen Imperiums herauszufordern; welche schon bald sich nahen mochten, den Nachfolger des Julian zu unterstützen oder ihn wenigstens zu rächen. Surenas selbst, begleitet von einem weiteren Satrapen, erschien also im Lager Jovians; Festus (De provinciis 29) nimmt eine billige Zuflucht zur nationalen Eitelkeit: ›Tanta reverentia nominis Romani fuit, ut a Persis ›primus‹ de pace haberetur.‹ [So groß war die Achtung der Perser vor Roms Namen, dass sie zunächst nur über den Frieden reden wollten]. und verkündete, dass seines Herren gnadenreicher Sinn nicht abgeneigt sei, über die Bedingungen zu verhandeln, zu denen er allenfalls sich bereit finden könnte, den Caesar und den Rest seiner gefangenen Armee zu schonen und zu entlassen.
Die Aussicht auf Rettung untergrub die Standfestigkeit der Römer; der Kaiser sah sich infolge des Zuredens seiner Generäle und des Lärmens seiner Truppen genötigt, das Friedensangebot anzunehmen. Und der Praefect Sallust wurde unverzüglich mit dem General Arinthaeus entsandt, des Großkönigs Willen zu vernehmen. Der ränkefreudige Perser verzögerte mit den unterschiedlichsten Vorwänden die endgültige Übereinkunft; machte Schwierigkeiten, verlangte Begründungen, gebrauchte Ausflüchte, widerrief Zugeständnisse, erhöhte seine Forderungen und brachte so vier Tage mit fruchtlosen Verhandlungen hin, bis schließlich die restlichen Vorräte im Römerlager aufgezehrt waren. Wäre Jovian von kühner und kluger Entschlussfreudigkeit gewesen, dann hätte er seinen Marsch mit unvermindertem Eifer fortgesetzt; wegen der fortdauernden Friedensverhandlungen wäre es zu keinen Angriffen der Barbaren gekommen; und noch vor Ende des vierten Tages hätte er unbehelligt die fruchtbare Provinz Corduene erreicht, die nur einhundert Meilen entfernt war. Es wäre vermessen, die Auffassung des Ammianus zu bestreiten, der immerhin Augenzeuge und Soldat war. Dennoch ist es nur schwer zu verstehen, wie denn die Berge von Corduene sich über die Ebene von Assyrien bis zum Zusammenfluss des Tigris mit dem großen Zab ausdehnen konnten; oder wie eine Armee von sechzigtausend Mann innerhalb von vier Tagen einhundert Meilen hätte bewältigen können. Unschlüssig und in sein Schicksal ergeben konnte sich der Herrscher nicht dazu entschließen, die Fallstricke seiner Feinde zu durchschlagen; und fügte sich schließlich in die demütigenden Friedensbedingungen, da er keine Möglichkeit mehr besaß, sie zurückzuweisen.
DIE FRIEDENSBEDINGUNGEN
Die fünf Provinzen jenseits des Tigris, die der Großvater Sapors hatte abtreten müssen, wurden erneut der persischen Monarchie zugesprochen; Nisibis, die unbezwingbare, wurde mit einem einzigen Federstrich drangegeben; Singara und die Festung der Mauren, einer der stärksten Plätze Mesopotamiens überhaupt, wurden insgleichen ausgegliedert. Es wurde sogar noch als großes Entgegenkommen angesehen, dass die Bewohner die Festungen mitsamt ihrer Habe noch verlassen durften; aber der Sieger beharrte mit Nachdruck darauf, dass die Römer für alle Zeiten Armenien und den armenischen Könige verlassen sollten. Ein Frieden oder genauer: ein langer, dreißigjähriger Friedensvertrag wurde zwischen den beiden verfeindeten Nationen abgeschlossen; die Unverbrüchlichkeit des Vertrages wurde mit feierlichem Eidschwur und religiösen Begleithandlungen bekräftigt; und Geiseln von erlesener Stellung wurden getauscht, die Einhaltung des Vertragswerkes sicherzustellen. Über den Vertrag von Dura berichten schmerzlich berührt oder ungehalten: Ammianus (25,7); Libanios (Oratio Parentalis l42, p. 364); Zosimos (3,31); Gregor von Nazianz (Orationes 5,15), der Julian die Notlage und Jovian die Rettung zuschreibt, und endlich Eutropios 10,17). Dieser zuletzt genante Autor nennt den Friedensschluss ›necessariam quidem sed ignobilem.‹ [sicherlich notwendig, aber auch unwürdig].
UNFÄHIGKEIT UND SCHANDE JOVIANS
Der Sophist von Antiochia, der mit Widerwillen das Szepter seines Helden in die Hand eines schwachen Christenmenschen übergehen sah, gibt an, das kluge Augenmaß Sapors zu bewundern, der sich mit einem so kleinen Stück vom römischen Reich zufrieden gegeben habe. Hätte sein Ehrgeiz bis über den Euphrat gereicht, dann hätte er, so Libanius, mit Widerspruch ernstlich nicht zu rechnen brauchen. Hätte er als persische Grenzen den Orontes festgelegt, den Cydnus, den Sangarius oder sogar noch den thrakischen Bosporus, dann wäre am Hofe Jovians an Einbläsern kein Mangel gewesen, den furchtsamen Monarchen davon zu überzeugen, dass die verbleibenden Provinzen übergenug Möglichkeiten für Luxus und Machtentfaltung bereithielten. Libanios, Oratio Parentalis 143. Wir wollen uns diese bösartigen Insinuationen in ihrer ganzen Schwere gar nicht zu eigen machen, müssen aber zugeben, dass der Abschluss eines solchen Schmach-Vertrages durch Jovians persönliche Pläne begünstigt wurde. Dieser unbekannte Palast-Subalterne, dem der Zufall und keinerlei persönliches Verdienst zum Thron verholfen hatte, wünschte nichts sehnlicher als aus dem Machtbereich der Perser zu entkommen; den Plänen des Prokop zuvorzukommen, welcher die mesopotamische Armee befehligte; und seine unsichere Herrschaft über die Legionen und Provinzen zu festigen, welche von der überhastet und mit viel Geräusch vollzogenen Wahl im Lager jenseits des Tigris noch gar nichts erfahren hatten. ›Conditionibus ... dispendiosis Romanae reipublicae impositis ... quibus cupidior regni quam gloriae Jovianus, imperio rudis, adquievit.‹ [Es wurden...dem römischen Staat nachteilige Bedingungen auferlegt,...mit denen sich Jovianus zufrieden gab, unerfahren im Regieren und auf die Macht begieriger als auf Ruhm]. Festus, De provinciis 29. La Bleterie hat diese Überlegungen über öffentliches und individuelles Interesse in einer längeren und eindeutigen Rede vorgetragen. (Histoire de Jovien, Band 1, p. 39ff.) In der Nähe dieses Flusses, unfern der verhängnisvollen Stadt Dura, Die Generäle wurden am Ufer des Zabatus oder Großen Zab ermordet, einem assyrischen Fluss, welcher, 400 Fuß breit, vierzehn Stunden unterhalb von Mosul in den Tigris mündet. Die Griechen nannten den Großen Zab Wolf (lykos) und Geiß (kapros). Sie schufen diese Tiernamen, auf dass sie den Tiger (tigris) des Ostens begleiteten. standen einst die Zehntausend Griechen, verloren, ohne Generäle, ohne Proviant, zwölfhundert Meilen von ihrer Heimat entfernt und einem siegreichen König ausgeliefert, der sie mit seinem Hass verfolgte. Ihr unterschiedliches Verhalten und ihr Erfolg lagen sehr viel mehr in ihrem Charakter begründet als in den äußeren Gegebenheiten. Anstelle sich gefasst-resigniert in die geheimen Wünsche und persönlichen Ansichten einer Einzelperson zu fügen, erhielt die Heeresversammlung der Griechen fast das Gepräge einer Volksversammlung; in welcher das Gemüt eines jeden Bürgers erhoben ist durch Liebe zum Ruhm, Stolz auf die Freiheit und Geringschätzung des Todes. Im Bewusstsein ihrer technischen und taktischen Überlegenheit über die Barbaren verweigerten sie die Kapitulation; jedes Hindernis wurde überwunden, durch Geduld, Mut und Können; und der berühmte Rückzug der Zehntausend wurde zugleich eine Demonstration der Schwäche von Persiens Monarchie. Die Cyropaedia ist verschwommen und ermüdend: die Anabasis detailliert und lebendig. Dies ist der ewige Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit.
RÜCKZUG NACH NISIBIS FORTGESETZT
Als Gegenleistung für sein schimpfliches Nachgeben hätte der Kaiser sich ausbedingen können, dass das Lager mit den ausgehungerten Römern hinreichend Lebensmittel erhalten sollte; Nach Rufus' war die unverzügliche Proviantlieferung sogar Vertragsbedingung; und Theodoretos bekräftigt, dass diese Verpflichtung von den Persern auch getreulich eingehalten wurde. Dies ist wohl denkbar, hier aber zweifelsohne falsch. Siehe Tillemont, Histoire des empereurs, Band 4, p. 702. und dass sie den Tigris auf der von den Persern erbauten Brücke überqueren durften. Als jedoch Jovian sich unterfing, diese angemessenen Zugeständnisse einzufordern, da verweigerte sie der hochfahrende Tyrann des Ostens mit Strenge; das Maß seiner Milde habe sich erschöpft, nachdem er Pardon für den Einfall in sein Land gewährt habe. Bisweilen ergriffen die Sarazenen noch einige Nachzügler; aber die Generäle und Truppen Sapors respektierten doch die allgemein Waffenruhe; und Jovian durfte die geeignetste Flusspassage erkunden. Die Kleinfahrzeuge, die den Brand der Flotte überlebt hatten, leisteten jetzt die besten Dienste. Zuerst einmal brachten sie den Kaiser und seine Günstlinge hinüber; danach dann in ungezählten Pendelfahrten das Gros der Armee. Da nun aber ein Jeder um seine persönliche Sicherheit besorgt war und ungern nur an feindlicher Küste allein zurückblieb, vertrauten sich die Soldaten, die die Rückkehr der schwerfälligen Boote nicht abwarten mochten, Faschinen oder aufgeblasenen Tierhäuten an; und mit ihren Pferden an den Zügeln versuchten sie mit unterschiedlichem Erfolg den Fluss zu durchschwimmen. Viele dieser kühnen Wagehälse wurden von dem Wellen verschlungen; viele andere, die die reißende Strömung abgetrieben hatte, fielen der Raub- und Mordgier nomadisierenden Araber zum Opfer: Die Verluste der Armee am Tage der Tigrisüberquerung waren nicht geringer als die am Tage der Schlacht.
Sobald die Römer am Westufer angelangt waren, blieben die ewigen Angriffe der Barbaren aus; aber während des folgenden mühsamen Marsches von zweihundert Meilen durch Mesopotamiens Ebenen erlitten sie noch einmal das Äußerste an Hunger und Durst. Sie mussten durch eine Sandwüste, welche siebzig Meilen lang nicht einen einzigen Grashalm vorzeigte, keine einzige Quelle, keine Wasserstelle; und die übrige Wüstenei hatten feindliche oder befreundete Füße niedergetreten. Konnte im Lager irgendwo eine kleine Menge Mehl entdeckt werden, wurden für zwanzig Pfund Wir erinnern uns hier einiger Zeilen aus Lucanus, Pharsalia 4,95ff, als er Caesars Heer in Spanien in ähnlicher Notlage beschreibt: ›Saeva fames aderat…Miles eget: toto censu non prodigus emit Exiguam Cererem. Proh lucri pallida tabes! Non deest prolato ieiunus venditor auro.‹ [Bitterer Hunger kommt; der Soldat leidet Not, mit allem Sold kauft er nur wenig Getreide. O der bleichen Gewinnsucht! Zeigt man Gold vor, kommt schon ein dürrer Verkäufer]. Siehe Guichardt (Nouveaux Memoires Militaries, Band 1, p. 379-382). Seine Untersuchung der beiden Feldzüge in Spanien und Afrika ist das würdigste Denkmal, das Caesars Ruhm jemals gesetzt wurde. zehn Goldstücke bereitwillig gezahlt: Lasttiere wurden geschlachtet und verschlungen; die Wüste war übersät mit Waffen und Gepäck der römischen Soldaten, deren zerlumpte Kleidung und abgemagertes Aussehen ihre früheren Strapazen und ihre gegenwärtige Notlage verrieten.
Eine kleine Zufuhr von Verpflegung kam der Armee bis zu der Feste Ur entgegen; und diese Hilfe war umso willkommener, da sie ein Zeichen für die Treue von Sebastian und Prokopius war. Bei Thilsaphata Herr d'Anville (vgl.seine Karten und L'Euphrat et le Tigre, p. 92f.) verfolgt ihren Marschweg und ermittelt die wirkliche Lage von Hatra, Ur und Tilsaphata, welche Ammianus erwähnt hat. Er beschwert sich nicht über den Samiel, den mörderisch heißen Wind, den Thevenot (Voyages, Teil 2, 1, p. 192) so sehr fürchtete. begrüßte der Kaiser herzlich die Generäle Mesopotamiens, und die Reste der einstmals blühenden Armee lagerten sich endlich vor den Mauern von Nisibis. Jovians Boten hatten schon längst in schmeichelhafter Rede von seiner Wahl, seinem Vertragsschluss und seiner Rückkehr gekündet; und der neue Herrscher hatte alle erdenklichen Maßnahmen getroffen, die Gefolgschaft der Armeen und Provinzen Europas sicherzustellen; indem er nämlich die militärischen Kommandos in die Hände derjenigen Befehlshaber legte, die aus Berechnung oder Neigung die Sache ihres Förderers zuverlässig unterstützen würden. Jovian Rückzug wird beschrieben von Ammianus (25,9), Libanios (Oratio parentalis 143) und Zosimos (3,33).
EMPÖRUNG ÜBER DIE VERTRAGSBEDINGUNGEN
Die Freunde Julians hatten ruhmredig den Erfolg seines Feldzuges versprochen. Sie verbreiteten die alberne Überzeugung, die Tempel der Götter würden von der Beute des Ostens überquellen; Persien werde den Status einer tributpflichtigen Provinz einnehmen, regiert von Roms Gesetzen und Magistraten; die Barbaren würden Kleidung, Sitten und Sprache ihrer Bezwinger annehmen; und die Jugend von Ekbatana und Susa werde die Kunst der Rede von griechischen Meistern erlernen. Libanios, Oratio Parentalis 145. Dies waren die naturgegeben Wünsche und Hoffnungen eines Jubelredners. Nach dem Abmarsch Julians brach die Verbindung mit dem Reich ab; und von dem Augenblick an, als er den Tigris überquert hatte, fehlte den liebenden Untertanen jede Kunde vom Schicksal und Erfolg ihres Herrschers. Ihre Träume von angeblichen Siegen wurden aufgestört durch die traurigen Gerüchte von seinem Tod; aber sie zweifelten sie an, bis sie die Wahrheit von dem verhängnisvollen Ereignis nicht länger in Abrede stellen konnten. Das heidnische Volk von Karrhae begrub den Unglücksboten unter einem Steinhaufen (Zosimos 3,34); als Libanios die fatale Nachricht erhielt, warf er einen Blick auf sein Schwert, erinnerte sich aber daran, dass Plato Selbstmord verurteilt hatte; so ertrug er es zu leben und verfasste eine Nachrede auf Julian. De vita sua, Praeludia, Band 2, p.45.
Jovians Boten verbreiteten die Fabel von einem wohlerwogenem und staatsnotwendigem Friedensschluss: die Stimme des Gerüchtes, die diesmal lauter klang und aufrichtiger war, enthüllte allgemach den Unglimpf des Kaisers und die schimpflichen Friedensbedingungen. Die Menschen packte Erstaunen und Fassungslosigkeit, dann aber Empörung und Wut, als ihnen bewusst wurde, dass der unfähige Nachfolger Julians die fünf Provinzen verschenkt hatte, die Galerius siegreich erobert hatte; und dass er den Barbaren fußfällig die wichtige Stadt Nisibis überlassen hatte, das stärkste Bollwerk des Ostens. Ammianus und Eutropius können wir als objektive und glaubwürdige Zeugen für die öffentliche Meinung und Rede gelten lassen. Antiochias Bevölkerung jedenfalls schmähte den Frieden, der sie den Persern an einer nackten und ungeschützten Grenze aussetzte. Excerpta Valesiana, p. 845, aus Ioannes von Antiochia. Man diskutierte deshalb ganz ungeniert, wieweit man an ein öffentlich gegebenes Treueversprechen gebunden sei, wenn es mit der öffentlichen Sicherheit unvereinbar sei; und man hegte sogar die Hoffnung, dass der Herrscher sein erbärmliches Auftreten durch eine kühne Tat patriotischen Vertragsbruches wieder gut machen werde. Des römischen Senates unbeugsamer Geist hatte stets die ungleichen Friedensbedingungen abgelehnt, welche infolge der Notlage gefangener Armeen erzwungen worden waren; und wenn es denn erforderlich gewesen wäre, die Ehre der Nation durch Auslieferung des schuldigen Generals in Feindeshand zu retten, dann hätten sich die Untertanen Jovians mehrheitlich und mit Freuden an den Vorbildern früherer Zeiten orientiert. Der Abbé de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 1, p. 212-227) ist zwar ein strenger Sittenlehrer, meint aber, dass Jovian nicht an sein Versprechen gebunden war; denn er durfte nicht das Reich zerstückeln und die Untertanen ohne ihre Zustimmung von ihrer Untertanenpflicht entbinden. Ich für meinen Teil habe aus derlei politischer Metaphysik noch nie Anregung oder Belehrung geschöpft.
JOVIAN LIEFERT NISIBIS DEN PERSERN AUS HISTORISCHE STELLUNG DES VERTRAGES
Aber der Kaiser war nun einmal der unbeschränkte Herrscher über die Gesetze und Streitkräfte des Staates, wo immer sonst auch die verfassungsmäßigen Grenzen seiner Autorität liegen mochten; und die gleichen Motive, die ihn zur Unterschrift genötigt hatten, drängten ihn jetzt, den Friedensvertrag umzusetzen. Ihn verlangte danach, das Reich auf Kosten von ein paar Provinzen zu sichern; und hinter den wohllöblichen Etiketten von Religion und Ehre konnte Jovian seine persönlichen Ängste und Wünsche verbergen. Der pflichtgemäßen Nötigungen durch seine Untertanen ungeachtet, versagte es sich Jovian aus Bescheidenheit und Klugheit, im Palast von Nisibis sein Nachtquartier zu nehmen; aber am Morgen nach seiner Ankunft trat der persische Gesandte Bineses auf den Plan, entrollte auf der Zitadelle die Standarte des Großkönigs und verkündete in seinem Namen die grässliche Wahlmöglichkeit zwischen Exil und Sklaverei. Die führenden Bürger von Nisibis, die bis zu diesem fatalen Augenblick auf den Schutz durch ihren Patron vertraut hatten, warfen sich ihm zu Füßen. Sie beschworen ihn, doch nicht eine treuergebene Kolonie dem Hass eines barbarischen Tyrannen auszusetzen, welcher durch drei Niederlagen vor Nisibis aufgebracht sei. Sie besäßen allemal Waffen und genug Mut, die Eindringlinge aus ihrem Lande zu jagen; sie bäten nur um die Erlaubnis, zum Zwecke ihrer Verteidigung von beiden Gebrauch machen zu dürfen; sobald sie ihre Freiheit wiedererlangt hätten, würden sie um die Gunst bitten, sich neuerlich zu seinen Untertanen rechnen zu dürfen.
Ihre Argumente, ihre Beredsamkeit, ihre Tränen blieben wirkungslos. Jovian, sichtlich verwirrt, murmelte etwas von der Heiligkeit der Eide; und als er eine ihm angebotene Goldkrone zurückwies und die Bürger so über die Aussichtslosigkeit ihrer Situation belehrte, konnte der Advokat Sylvanus nicht umhin auszurufen: ›O Kaiser! mögest du doch von allen Städten deines Reiches so gekrönt werden.‹ Jovian, der sich in ein paar Wochen wenigstens die imperiale Gebärdensprache In Nisibis handelte er einmal ›königlich‹. Ein wackerer Offizier, sein Namensvetter, den man ebenfalls des Purpurs für würdig gehalten hatte, wurde vom Abendessen fortgeholt, in eine Grube geworfen und zu Tode gesteinigt, ohne dass so etwas wie eine Gerichtsverhandlung stattgefunden oder der Anschein für eine Schuld vorgelegen hätte. Ammianus 25,8. angeeignet hatte, fand an der Freiheit keinen Gefallen und sich selbst durch die Wahrheit beleidigt: und da er mit guten Gründen annahm, dass die Abneigung seiner Untertanen sie sogar bestimmen könnte, der persischen Herrschaft den Vorzug zu geben, gab er ein Edikt heraus, dass sie bei Androhung der Todesstrafe binnen drei Tagen die Stadt zu räumen hätten.
Ammianus hat mit lebhaften Strichen die Szenen der allgemeinen Verzweiflung gezeichnet, welche er mit dem Auge des Mitleids beobachtet hatte. Siehe Ammianus 29,5 und Zosimos 3,33. Die kriegstüchtige Jugend hatte mit ohnmächtiger Wut die Mauern verlassen, welche sie so glorreich verteidigt hatten: der untröstliche Leidtragende vergoss eine letzte Träne über dem Grab des Sohnes oder des Ehegatten, welches schon bald von der rohen Hand des barbarischen Herren entweiht werden würde; der ältere Bürger küsste die Schwelle, klammerte sich an die Tür des Hauses, in welcher er die fröhlichen und sorgenfreien Tage der Jugend verbracht hatte. Die Straßen waren verstopft mit verängstigten Flüchtlingen: die Unterschiede des Standes, des Geschlechtes und des Alters waren aufgehoben infolge der gemeinen Not. Jeder war bemüht, von den Trümmern seines Glücks ein paar spärliche Brocken mitzunehmen; aber da ihnen keine entsprechende Anzahl von Transportwagen oder Pferden zur Verfügung stand, mussten sie notgedrungen das meiste zurücklassen. Eine zusätzliche Belastung für die Flüchtlinge scheint die rigide Gefühlskälte Jovians gewesen zu sein. Immerhin durften sie sich in einem neuerbauten Stadtviertel von Amida niederlassen; und diese emporstrebende Stadt hatte schon bald mit Hilfe dieser beträchtlichen Kolonie seine frühere Größe erreicht und wurde zur Hauptstadt von Mesopotamien. Chronicon paschale, p.300. Man lese auch die Notitia episcoporum. Ähnliche Anordnungen erließ der Kaiser für die Evakuierung von Singara und die Übergabe der fünf Provinzen jenseits des Tigris. Sapor genoss die Früchte und den Ruhm seines Sieges; in der Geschichte des Zerfalles und Unterganges des römischen Reiches aber war dieser erbärmliche Friedensschluss zu Recht denkwürdig: Schon oft hatten die Vorgänger Jovians entlegene und unwirtschaftliche Provinzen aufgegeben; aber noch niemals seit Gründung der Stadt war der Gott Terminus, der Genius Roms, der Wächter der Republikgrenzen, vor dem Schwerte eines siegreichen Feindes zurückgewichen Zosimos, 3, 32; Festus, de Provinciis 29; Augustinus, De civitate Dei 4,29. Solche Allgemeinplätze sind mit Vorsicht anzuwenden und auszulegen..
ÜBERLEGUNGEN ZU JULIANS TOD
Nachdem Jovian diese Amtshandlungen vollzogen hatte, die zu unterlassen ihn die Stimme des Volkes drängen wollte, verließ er den Ort seiner Schmach in Eile und begab sich mitsamt Hofstaat nach Antiochia, den dortigen Luxus zu genießen. Ammianus 25,10; Zosimos 3,34; Mag er auch ›edax, et vino Venerique indulgens‹ [gefräßig, ein Säufer und Hurenbock] gewesen sein. Aber ich schließe mich La Bleterie an (Histoire de Jovien, Band 1, p. 148-154) und verwerfe das alberne Gerücht eines Bacchanals (gem. der Suda), das der Kaiser mit seiner Frau und einer Truppe Beischläferinnen gefeiert haben soll. Ohne sich um religiös Gebotenes zu kümmern, bestimmten ihn Menschlichkeit und Respekt, den sterblichen Resten seines toten Vorgängers die letzten Ehren zu erweisen; Der Abbé de la Bléterie (Histoire de Jovien, Band 1, p. 156, 209) hohnlacht über die ordinäre Andächtelei des Baronius, welcher Julian am liebsten den Hunden vorgeworfen hätte, ne cespititia quidem sepultura dignus. [Noch nicht einmal wert eines einfachen Begräbnisses]. und dem Prokopios, welcher den Tod seines Landsmannes aufrichtig beweinte, wurde das Armeekommando entzogen unter dem schicklichen Vorwand, er werde die Begräbnisfeierlichkeiten leiten. Julians Leichnam wurde in einem Trauerzug von fünfzehn Tagen von Nisibis nach Tarsus überführt; und als er durch die Städte des Ostens kam, begrüßten ihn die feindlichen Faktionen mit bitterer Klage oder geräuschvollen Schmähungen.
Die Heiden hatten ihren geliebten Helden bereits in den Rang einer der Gottheiten erhoben, deren Dienste er erneuert hatte; während der christliche Hass die Seele des Apostaten zur Hölle und seinen Körper in die Grube wünschten. Vergleiche hierzu den Sophisten (Libanios, Monodiae, Band 2, p. 25 und Oratio parentalis 145 und 156) mit dem Heiligen (Gregor von Nazianz, Orationes 5). Der christliche Redner murmelt matte Mahnungen über Maß und Nachsicht; aber er ist höchlich damit zufrieden, dass Julians Leiden die sagenhaften Qualen des Ixion oder Tantalus deutlich übersteigen. Die eine Partei beklagte die jetzt bevorstehende Zerstörung ihrer Altäre; die andere feierte die wundersame Befreiung der Kirche. Die Christen bejauchzten mit hochfahrenden und schrillen Tönen den göttlichen Rachehieb, der schon so lange über Julians schuldbeladenem Haupt gedroht habe. Sie merkten an, dass der Tod des Tyrannen in dem Moment, in welchen er jenseits des Tigris sein fluchwürdiges Leben aushauchte, den Heiligen Ägyptens, Syriens und Kappadokiens geoffenbart wurde; Tillemont (Histoire des Empereurs Bnad 4, p. 549) hat diese Visionen zusammengetragen. Mancher Heilige und mancher Engel, so wurde festgestellt, war in dieser Nacht in geheimer Mission unterwegs. und anstelle ihn von einem persischen Speer zu Tode kommen zu lassen, schreiben sie die Heldentat in ihrer Geschwätzigkeit der unbekannten Hand eines unsterblichen Glaubenskämpfers zu. Sozomenos (6,2) begrüßt hier die griechische Doktrin vom Tyrannenmord ( tyrannicid); aber die ganze Passage, die ein Jesuit übersetzt haben könnte, hat der president Cousin an dieser Stelle klugerweise unterdrückt.
Solche törichten Behauptungen griff die Bösartigkeit oder Leichtgläubigkeit seiner Gegner bereitwillig auf; Unmittelbar nach dem Tode Julians kam das unbestimmte Gerücht auf, telo cecidisse Romano [Er sei von einem römischen Wurfspeer getötet worden]. So wurde es von mehreren Deserteuren im persischen Lager verbreitet; und die Römer zogen sich von Sapor und seinen Untertanen wegen des Mordes an ihrem Kaiser Vorwürfe zu (Ammianus 25,6; Libanios, De ulciscenda Iuliani nece 13, p. 162f.). Als endgültiger Beweis wurde angeführt, dass kein Perser die ausgesetzte Belohnung beansprucht hatte (Libanios, Oratio parentalis 141). Aber der fliehende persische Kavallerist, der den tödlichen Speer geschleudert hatte, mag von dessen Wirkung ja überhaupt nichts gewusst haben; oder er ist kurz darauf selbst gefallen. Ammianus jedenfalls hegt oder nährt keinerlei Verdacht.; in dunklen Andeutungen oder auch mit glaubensgefestigter Offenheit verbreiteten sie, dass die Kirchenfürsten dem Fanatismus eines befreundeten Mörders das Ziel gesetzt hätten Libanios, de ulciscendi Iuliani nece, 5, p. 149. [Ü.a.d.Griech.: Wer immer dem gehorsam ist, der Herrscher ist über sich selbst]. Dieser dunkle und mehrdeutige Satz kann auf Athanasios verweisen, den ersten unter der christlichen Geistlichkeit ohne Nebenbuhler. (Siehe auch La Bléterie, Histoire de Jovien, Band 1, p. 179.) Jedenfalls wurde sechzehn Jahre nach dem Tode Julians in einer öffentlichen Rede ernstlich und heftig Klage geführt, und zwar von Libanios an die Adresse des Kaisers Theodosius. Seine Verdächtigungen können sich allerdings weder auf Fakten noch auf Argumente stützen; wir können eigentlich nur den dankbaren Eifer bewundern, den der Sophist von Antiochia für die kalte und vergessene Asche seines Freundes aufbringt. Der Redner (Fabricius, Bibliotheca graeca, Band 7, p. 145-179) streut Verdächtigungen, verlangt eine Untersuchung und lässt durchblicken, dass Beweise sich schon noch finden würden. Dass die Hunnen siegreich seien, schreibt er dem verbrecherischen Desinteresse an der Bestrafung von Julians Ermordung zu.
JULIANS BEGRÄBNIS CHARAKTERISTIK
Es war ein alter Brauch bei römischen Begräbnissen und Triumphzügen, dass die Stimme des Lobes in der Satire und Lächerlichkeit ihre Gegenstimme hatte; und dass inmitten des Prunks, der den Ruhm des Lebenden oder Toten verherrlichte, ihre Unzulänglichkeiten vor den Augen der Welt nicht verborgen bleiben sollten. Bei der Leichenfeier des Vespasian fragte der Komödiant, der jenen knickerigen Kaiser verkörperte, mit einiger Besorgnis, wie teuer denn diese Veranstaltung sei? – Achtzigtausend Pfund. - Gib mit ein Zehntel der Summe und wirf meinen Körper in den Tiber. (Sueton, Vespasian 19 und Casaubon und Gronovius.) Hiervon wich man auch bei der Beerdigung von Julian nicht ab. Die Schauspieler, welche ihm seine Abneigung gegen das Theater verübelten, entwarfen unter dem Beifall der christlichen Zuhörerschaft ein lebendiges und überzeichnetes Bild von den Fehlern und Torheiten des verewigten Kaisers. Sein schillernder Charakter und seine besonderen Eigenheiten gaben für Spott und Hohn ein dankbares Ziel. Gregor (Orationes 5,16) vergleicht diesen angeblichen Schimpf und Hohn mit den Begräbnisritualen des Constantius, dessen Körper von einem Engelchor über das Taurusgebirge hinweggesungen ward.
Bei der Pflege seiner ungewöhnlichen Neigungen bewegte er sich allerdings oftmals unter der Würde seines Amtes. Alexander verwandelte sich in Diogenes; der kaiserliche Philosoph degradierte sich zum Priester. Überzogener Eifer trübte die Reinheit seiner Tugenden; sein Aberglauben störte den Frieden und gefährdete die Sicherheit eines mächtige Reiches; und seine spontanen Aufwallungen haben umso weniger Anrecht auf Nachsicht, als sie offenbar das Ergebnis von Verstellung, vielleicht sogar von Vorsatz waren. Julians Überreste wurden in Tarsus in Cilicien begraben; aber sein mächtiges Grabmal, das sich in jener Stadt erhob, am Ufer des kalten und klaren Cydnus, Die Üppigkeit der Beschreibungen des Quintus Curtius (3,4) wurde oft getadelt. Aber der Historiker hatte doch geradezu die Pflicht, den Fluss zu beschreiben, welcher Alexander fast zum Verhängnis geworden war. missfiel seinen getreuen Freunden, die das Gedächtnis an diesen außergewöhnlichen Mann liebten und kultivierten.
Der Philosoph äußerte den sehr verständlichen Wunsch, dass ein Schüler Platos im Hain der Akademie begraben werden solle, Libanios, Oratio parentalis 156. Er anerkennt jedoch dankbar, dass die beiden königlichen Brüder Julians Grabstätte freigebig ausgestattet hatten. De ulciscenda Iuliani nece 7, p. 152. während die Soldaten mit grober Betonung verlangten, dass die Asche Julians mit der von Caesar vermengt werden solle, Cuius suprema et cineres, si qui tunc iuste consuleret, non Cydnus videre deberet, quamvis gratissimus amnis et liquidus: sed ad perpetuandam gloriam recte factorum praeterlambere Tiberis, intersecans urbem aeternam, divorumque veterum monumenta praestringens. [Seine sterblichen Überreste und die Asche sollten, recht bedacht, nicht auf den Cydnus blicken, diesen hübschen und klaren Fluss, sondern zur Verewigung seiner edlen Taten sollte vielmehr der Tiber seine Ruhestätte umfließen, der doch die Ewige Stadt teilt und an den Monumenten seiner alten, vergöttlichten Herrscher vorüberströmt.] Ammianus 25,10. auf dem Marsfeld, im Schatten der Denkmäler römischer Größe. Die Geschichte der Könige liefert nicht eben häufig ein Beispiel für einen vergleichbaren Wettbewerb.