Friedrich Gerstäcker
Die Regulatoren in Arkansas
Friedrich Gerstäcker

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23. Die Verbrecher – Unerwartete Gäste – Ein neuer Plan

Wir müssen noch einmal zu der Dämmerungsstunde dieses Abends, und zwar in eine kleine, aber wohnliche Blockhütte zurückkehren, die im dichten Wald lag und durch keinen, wenigstens keinen leicht erkennbaren Weg mit den übrigen Wohnungen des Countys in Verbindung stand. Johnson hauste hier und hatte den Platz vor etwa Jahresfrist von einem Jäger für zwanzig Dollar bares Geld, eine wollene Decke und ein Bowiemesser erstanden. Später hatte er zwar den Anfang zu einem kleinen Feld gemacht, dieses aber gar bald wieder liegenlassen und dann nur einen kleinen Hofraum eingefenzt, um die wild umherstreifenden Schweine und Kühe von seiner Tür abzuhalten, oder auch ein Pferd, das er bei sich zu behalten wünschte, daran zu hindern, das Weite zu suchen. Da er übrigens nur selten in seiner Hütte anzutreffen war, und diese selbst, wie schon gesagt, in einer abgelegenen Gegend stand, so verlor sich nicht oft ein Ansiedler, höchstens ein Jäger in diese Gegend, und der Eigentümer sah schon dadurch seinen Wunsch voll erfüllt, allein und ungestört leben zu können.

Der einzige, mit dem er in dieser Nachbarschaft Umgang pflegte, war Atkins und dessen Mulatte, der, in das Geheimnis seines Herrn eingeweiht, oft Botschaft herüber- und hinübertrug. Jetzt aber sah es in der sonst so einsamen Hütte keineswegs leer und öde aus. In dem Kamin knisterte ein helles Feuer, über dem ein großer eiserner Topf hing. Vor dem Kamin saßen auf niederen Stühlen Cotton und Johnson in eifrigem Gespräch begriffen und hin und wieder sehnsüchtig in den Topf blickend.

»Seht, Johnson, jetzt steigen Blasen auf«, sagte endlich Cotton ungeduldig, »macht schon, daß ich meinen Trunk bekomme, ich muß eilen, sonst find' ich Atkins vielleicht nicht mehr zu Hause.«

»Wartet noch ein paar Sekunden, das Getränk wird flau, wenn das Wasser nicht ordentlich siedet«, erwiderte der Gefährte, »aber halt – jetzt fängt es an; nun reicht Euren Becher her, ich will Euch nicht länger aufhalten.«

»Donnerwetter, das ist heiß!« fluchte jener, als er ungeduldig den Blechbecher an die Lippen brachte, »in den verwünschten Geschirren kühlt es auch gar nicht ab.«

»Ja, das läßt sich nicht ändern«, entgegnete Johnson lachend, »Glas und Porzellan können wir hier nicht... alle Teufel, wer kommt da?«

»Wo?« rief Cotton und sprang mit einem Satz die Hälfte der kleinen Leiter hinauf, die den unteren Teil des Hauses mit dem oberen verband.

»O bleibt hier«, sagte Johnson, der durch eine Ritze in der Brettertür hindurchgesehen hatte, »es ist Dan – Atkins Mulatte.«

»Nun, was zum Henker will der?« rief Cotton verwundert, indem er zurückkam und seinen Sitz wieder einnahm, »doch hoffentlich keine böse Nachricht?«

»Da ist er selbst und kann für sich sprechen«, sagte Johnson, die Tür öffnend und den Mulatten einlassend. »Nun, Dan, was bringst du?«

»Massa Cotton soll dableiben«, antwortete dieser, den Hut abnehmend, »Massa Brown ist oben und wird dort schlafen.«

»Brown? Was, in drei Teufels Namen, führt den hierher?« rief Cotton ärgerlich. »Ich hätte gerade heute so Wichtiges mit Atkins zu bereden.«

»Hat morgen Regulatorenversammlung bei Bowitt«, sagte der Mulatte, indem er seinen alten Kautabak in den Kamin spuckte und mit ziemlicher Vertraulichkeit ein neues Priemchen von dem Stück abschnitt, das nebst einem Messer auf dem kleinen viereckigen Tische, dicht neben dem einen Bett, lag.

»Regulatorenversammlung – Pest!« knirschte Cotton, »wenn ich könnte, wie ich möchte, so sollten die Kerle schön tanzen morgen. Aber wartet, eure Zeit kommt auch, und kann man euch nichts im Ganzen anhaben, so wird's eines Tages mit den einzelnen desto weniger Schwierigkeiten machen, denke ich.«

»Hat dein Herr sonst noch etwas zu bestellen?« fragte Johnson.

»Nein, Massa – nichts weiter, er wird wohl selbst morgen früh herüberkommen.«

»Dann sag ihm, wir würden ihn erwarten – hörst du? Nun, was stehst du noch und gaffst?«

»Danke, Massa«, sagte Dan, trank das heiße Getränk in einem Zuge aus, nickte den beiden Männern noch einen kurzen Gruß zu und rannte im nächsten Augenblick auch schon wieder durch die dichten, den Platz umgebenden Sassafrasbüsche, um so rasch wie möglich nach Hause zurückzukehren.

»Nun«, brummte Cotton, indem er sich behaglich wieder am Kamin niederließ, »dann kann ich's mir wenigstens heute abend bequem machen und brauche mich nicht abzuhetzen. Aber dieser Brown und die Regulatoren – Gift und Klapperschlangen über die Kerle...«

Seine Rede wurde in diesem Augenblick durch deutliches Pferdegetrappel kurz abgebrochen, und mit einem Satz stand er wieder, diesmal jedoch mit dem gefüllten Becher in der Hand, auf der Leiter, um, wenn es not täte, sich jedem unberufenen Auge entziehen zu können. Aber wiederum war seine Vorsicht unnötig gewesen, denn »Rowson!« rief Johnson, der nachgesehen hatte, erstaunt aus, und ehe noch Cotton zum Feuer zurückkehren und Johnson den Pflock vor der Tür wegziehen konnte, rüttelte der würdige Mann auch schon an der nur schlecht verwahrten Pforte und verlangte Einlaß.

»Höll' und Teufel, so laßt einen nicht eine Stunde hier draußen warten!« rief er ungeduldig aus.

»Hallo da«, begrüßte Cotton lachend den Prediger, als die Tür aufging, »das klingt christlich – Ihr habt's ja verdammt eilig. Wenn wir nun zufällig fremde Gesellschaft hier hätten, he? Würde sich da der ehrbare Mr. Rowson mit dem Mund voller Flüche nicht sehr wunderbar ausgenommen haben?«

»Hol die Pest sie alle!« zürnte der andere, »es wird bald sehr gleichgültig sein, ob die Leute hier glauben, daß ich bete oder fluche. – Ich muß fort!«

»Was?« rief Johnson, erschrocken wieder von dem Stuhle aufspringend, auf dem er sich eben niedergelassen hatte, »fort? Haben sie entdeckt, daß...?«

»Unsinn«, unterbrach ihn Rowson ärgerlich, »wahre lieber deine Zunge. Noch ist nichts entdeckt, aber es kann in jedem Augenblick geschehen. – Der Indianer ist zurück.«

»Daß ihn unterwegs der Teufel geholt hätte«, grollte Cotton, »mir ist die Rothaut ein Dorn im Auge, und ich wollte was drum geben, wenn ich sie aus dem Wege schaffen könnte.«

»Nun, der Indianer wird das Kraut noch nicht fett machen«, erwiderte Johnson verächtlich, indem er einen Becher füllte und ihn Rowson hinüberreichte, der ihn mit einem Zuge leerte, »die Spuren sind lange vertilgt, und ohne die kann der kupferfarbene Schuft nichts ausrichten.«

»Das ist's nicht allein«, fuhr Rowson fort, »der Böse ist auch in das Gesindel hierherum gefahren und der alte Regulatorenteufel spukt einmal wieder unter ihnen. Morgen ist große Versammlung, und es leben einige Verdächtige hier in der Gegend, die sie aufgreifen und natürlich peinlich verhören wollen. Wie gefällt euch das?«

»Alle Wetter!« rief Johnson, »dann wird mir ebenfalls eine Luftveränderung ganz zuträglich sein. Zu diesem Neste hier kommen sie zuerst; aber ich weiß nicht, was du dabei zu fürchten hast? Auf dich kann doch niemand auch nur den mindesten Verdacht geworfen haben.«

»Der Indianer ist's, der mich besorgt macht«, knirschte Rowson; »wenn ich nur wüßte, wie ich den skalplockigen Halunken beiseite schaffen könnte.«

»Das wird schwerhalten«, sagte Cotton nachdenkend, »aber möglich ist's.«

»Und bringen dann das Land erst recht in Aufruhr, nicht wahr? Nein, es ist hier Blut genug geflossen, und das beste wird sein, wir suchen sobald als möglich das Weite. Das Ungewitter kann sich sehr schnell über unseren Köpfen entladen.«

»Es müßte nur vorsichtig betrieben werden«, fuhr Cotton, ohne Rowsons Einwand zu beachten, fort. »Man behauptet hier allgemein, der Indianer habe in seinem Stamm einen Häuptling erschlagen und sei dann entflohen; nichts ist natürlicher, als daß ihm von dort aus ein Verwandter des Getöteten gefolgt sein könnte, um die Blutschuld zu sühnen. Um so etwas aber sicher auszuführen, würde er natürlich auch nichts anderes als einen vergifteten Pfeil benutzt haben, und da müßte man nicht jahrelang in Texas und dem Arkansas-Territorium gelebt haben, wenn man nicht so einen Pfeil zurechtmachen könnte.«

»Versteht Ihr die Zubereitung des Giftes?« fragte Rowson schnell.

»Ach, was hilft uns das!« rief Johnson ärgerlich dazwischen, »der Indianer ist immer nur eine Person, die wir uns leicht vom Halse halten können; die Gefahr liegt tiefer. Wenn diese hündischen Regulatoren wirklich auf die rechte Spur kämen und einen von denen faßten, die das Herz nicht, sondern nur das Maul auf der rechten Stelle haben, so könnte der Teufel bei uns Gevatter stehen. Nein, in dem Falle hat Rowson recht, dann wär es besser, wir befänden uns alle jenseits der Grenze von Onkel Sams Grund und Boden; doch können wir es ja abwarten. Noch sind Leute unter uns, auf die kein Verdacht gefallen ist, wie zum Beispiel du, Rowson, und selbst Atkins, ihr müßt euch den Versammlungen anschließen, und hört ihr dort etwas, das euch verdächtig scheint, nun, dann frisch gesattelt und scharf geritten. Ein Arkansas finden wir überall wieder.«

»Das möchte ich bezweifeln«, entgegnete Rowson, »und überdies habt ihr ledigen Leute gut reden, ihr werft eure Büchse auf die Schulter, und in dem Augenblick, wo ihr das rechte Bein über den Sattel hebt, seid ihr freie Menschen, aber ich?«

»Du bist auch noch ledig«, warf Johnson ein.

»Ja – heute noch – morgen abend nicht mehr.«

»Ihr seht die Sache zu schwarz, Rowson«, meinte Cotton. »Gott verdamm' mich, wenn ich einen solchen Namen hier in der Nachbarschaft hätte wie Ihr und so bei den Frauen angesehen wäre, mich brächten keine zehn Pferde aus diesem County. Wenn Ihr übrigens solche Angst habt, warum heiratet Ihr denn? Schiebt doch die Sache noch auf. Es wird überhaupt ledern, wenn man nachher zu Euch kommt und auf jedes Wort achten muß, das man über die Zunge bringt.«

»Ich kann, ohne Verdacht zu erregen, nicht mehr zurück«, sagte der Prediger, unruhig im Zimmer auf und ab gehend, »hätt' ich das alles nur heute morgen gewußt, da war es noch möglich, die Sache wenigstens aufzuschieben; aber – Pest und Gift, wenn ich erst verheiratet bin, muß mir meine Frau auch folgen, wenn ich gehe, und das kann in sehr kurzer Zeit geschehen. Ein Brief von meiner alten Tante in Memphis, die mich vor ihrem Tode noch einmal sehen will, wird hinlängliche Entschuldigung sein, und bin ich erst einmal fort, dann können sie mir nachreden, was sie wollen. Daß sie mich nicht wiederfinden, sei meine Sorge. Nur der Indianer! Vor der verwünschten Rothaut ist mir bange.«

»I nun«, brummte Cotton, »wenn der einmal zu gefährlich werden sollte, dann ist dem schnell abzuhelfen. Jetzt aber würde es, wie Ihr ganz richtig bemerkt, nur noch mehr böses Blut unter den Ansiedlern machen, die durch die letzten Ereignisse schon überdies aufmerksamer wurden, als gerade nötig ist; aber vorbereiten...

»Laßt doch nur den verwünschten Indianer aus dem Spiel«, unterbrach ihn Johnson wütend, »die Regulatoren sind's, die wir zu fürchten haben; das ist die Seite, von der uns Gefahr droht, nach der Richtung hin müssen wir also auch wirken. Kannst du der Versammlung beiwohnen, Rowson?«

»Ja – ich hoffe es«, erwiderte dieser, »es gibt wenigstens keinen gewichtigen Grund, den sie bis jetzt gegen meine Anwesenheit haben könnten. Ich will es auf jeden Fall versuchen.«

»Gut – dann ist auch für jetzt noch keine Ursache vorhanden, weshalb wir uns ängstigen sollten. Leicht wird es dir sein, dich von jeder wichtigen Verhandlung in Kenntnis zu setzen, und wir brauchen nicht mehr zu fürchten, überrascht zu werden.«

»Ich kann es aber unmöglich jetzt wagen, Atkins' Haus und Land zu kaufen«, sagte Rowson, »der Teufel kann seine Finger im Spiel haben, und dann wär' ich schändlich gebunden.«

»Es kommt darauf an, wie's mit deiner Kasse steht«, erwiderte Johnson. »Liegen dir die zweihundert Dollar, die jener dafür verlangt, nicht so besonders am Herzen, dann bringst du schon durch den Kauf manchen zum Schweigen, der im andern Falle vielleicht hier und da Verdacht geschöpft hätte. Ist das aber...«

»Ja, du hast recht!« stimmte Rowson entschlossen zu, »ich kaufe den Platz, und zwar gleich am Montag; übrigens sage ich mich von heute an los von jedem Anteil an neuen Unternehmungen. Ich will es wenigstens einmal versuchen, als ehrlicher Mann zu leben und ruhig zu schlafen.«

»Zeit wär's«, meinte Cotton verächtlich lächelnd; »da würde ich aber dem Herrn Prediger raten, mit seiner jungen Frau nach der Insel zu ziehen – das wäre ein herrlicher Platz für einen Missionar.«

Rowson wandte sich finster ab, Johnson nahm jedoch das Gespräch wieder auf und sagte:

»Da Cotton gerade die Insel erwähnt, so denke ich, wär's wohl auch an der Zeit, mich einmal mit deren Verhältnissen genau bekannt zu machen. Zwar weiß ich, daß sie im Mississippi liegt, auch in welcher Gegend, bin aber, obgleich ich selbst zweimal Pferde dahin abgeliefert habe, noch nie darauf gewesen. Die Schufte, die sie in Empfang nahmen, taten immer so geheimnisvoll, daß nichts aus ihnen herauszubekommen war.«

»So ist mir's diesmal auch ergangen«, sagte Cotton wütend; »wären uns die Regulatoren auf den Fersen gewesen, so hätten sie uns erwischt, denn verdammt will ich sein, wenn uns die Kerle in ihr Boot nahmen. Wir mußten die Pferde abliefern, und Weston und ich lagerten an der Uferbank, bis sie nach etwa zwei Stunden wieder zurückkamen und uns das Geld brachten. Weston ist bald vor Neugierde gestorben.«

»So hört denn«, flüsterte Rowson leise, »es kann uns doch niemand belauschen?«

»Nein«, sagte Johnson, »du kannst getrost reden. Ich wollte aber doch, Cotton hätte seinen Hund hier und nicht bei Atkins gelassen.«

»Er ist dort besser aufgehoben«, meinte dieser, »aber macht fort – die Zeit vergeht, und ich bin müde.«

»Nun gut«, sagte Rowson, »ich sehe auch nicht ein, warum ihr nicht ein Geheimnis ganz erfahren solltet, von dem ihr doch schon genug wißt, um es verraten zu können. Die Insel kennt ihr – den Weg dahin wenigstens –, weiter unterhalb liegt aber noch eine zweite, mit mehreren trefflich versteckten Schlupfwinkeln, falls die Bewohner der oberen Insel einmal angegriffen oder überrascht werden sollten. Ein guter Schwimmer kann die untere, besonders bei Nacht, leicht und unbemerkt erreichen. Diese Leute nun standen früher unter Morrels Befehl, der jetzt im Philadelphia-Zuchthaus, ich glaube, Schuster oder sonst irgend etwas geworden ist; er hat dort jedenfalls ein Handwerk gelernt. Augenblicklich ist der Anführer der Leute ein gewisser – doch der Name tut nichts zur Sache – ich habe schwören müssen, ihn zu verschweigen.«

»Ist es denn eine wohlorganisierte Bande?« fragte Cotton.

»Ja, die beste, die es je gab, und fast ganz gesichert vor Entdeckung, denn die, mit denen sie in Verbindung stehen, können nur durch ihre Existenz, nie aber durch Verrat Nutzen gewinnen.«

»Und auf welche Art betreiben sie ihr Geschäft, da ihre Nachbarn nie belästigt werden, ja ihr Vorhandensein nicht einmal ahnen?«

»Das macht der Fuchs eben so«, sagte Rowson lachend, »in den seinem Bau nächsten Farmhöfen stiehlt er nur im äußersten Notfall ein Huhn; wir ähneln ihm in dieser Hinsicht.«

»Laßt Eure moralischen Bemerkungen, wenn's gefällig ist«, brummte Cotton, »zur Sache – zur Sache.«

»Nun gut denn, zur Sache. Mit den Staaten, zwischen denen sie wohnen, haben sie sehr wenig zu tun, ausgenommen mit den östlichen, denn nach Mississippi hinein sind ihre Verbindungen bedeutend, und dafür bedürfen sie auch unserer Pferde, weil sie sich auf jener Seite in dem dichtbebauten Lande gewaltig vorsehen müssen. Von oben herunter kommt aber ihr ganzer Wohlstand. In allen großen Städten nämlich, am Mississippi wie Ohio, am Wabash, Illinois, ja selbst am Missouri, haben sie ihre Agenten, größtenteils junge Burschen aus Kentucky und Illinois, und diese spionieren umher, welche Boote den Fluß hinunterfahren und mit was für einer Ladung. Ist es etwas, was sie haben wollen oder das sie in den südlichen Städten schnell und vorteilhaft glauben verkaufen zu können, so versuchen sie eine Stelle als Steuermann oder als Ruderer auf den Booten zu bekommen, führen diese dann bis zu ihrer Insel und lassen sie dort mit List oder Gewalt auf den Strand laufen. Natürlich muß das nachts geschehen, wenn nur höchstens einer der Bootsleute an Deck ist. Ein vorheriges Zeichen verkündet die Ankunft neuer Beute, und die Mannschaft – muß ins Gras beißen.«

»Hölle und Schwefel!« rief Cotton, »dann wundert's mich auch nicht mehr, woher die vielen Leichen im Mississippi kommen; Anfang Februar war ich in Natchez, da kamen einmal sieben zusammen, und alle ohne die mindeste Verletzung. Wir glaubten damals, es sei ein Boot mit ihnen umgeschlagen.«

»Ja, sie wissen es schon klug einzurichten«, erwiderte Rowson, »das Geschäft ist mir aber zu blutig; ich mag nichts damit zu tun haben.«

»Nein, ich auch nicht«, sagte Cotton schaudernd. »Gott sei uns gnädig, das heißt ja die Sache wie das Fleischerhandwerk betreiben! Wenn nun Frauen in den Booten sind?«

»Junge Frauen werden auf der Insel behalten, und zwar wohl bewacht im Innern derselben, denn jedes Mitglied darf eine Frau haben.«

»Also die schaffen sie nicht beiseite?« fragte Johnson.

»Das weiß ich nicht, geht mich auch nichts an«, entgegnete Rowson, das aber ist gerade der Insel größter Schutz, daß sie von uns allen stets als letzter Zufluchtsort betrachtet werden kann. Sind wir in äußerster Gefahr, so werden wir dort aufgenommen und auch beschützt, darauf könnt ihr euch verlassen.«

»Das hab' ich diesmal gesehen!« rief Cotton. »Verderben hätte ich am Ufer können, keiner der Himmelhunde würde eine Hand gerührt haben.«

»Weil Ihr das rechte Zeichen nicht wußtet«, entgegnete Rowson. »Glaubt Ihr, sie holen jeden hinüber, der sich an den Landungsplatz hinstellt und schreit und winkt?«

»Aber welches ist das Notzeichen?«

»Lauft viermal zwischen den beiden Pawcornbäumen, die dort am Ufer stehen, hin und her – nachts natürlich mit einem brennenden Scheit Holz –, und Ihr werdet sehen, wie schnell Bewaffnete mit einem Boot zur Stelle sind!«

»Also viermal?« vergewisserte sich Cotton. »Nun, wer weiß, wie bald wir alle von der Gastfreundschaft jener Leute Gebrauch machen müssen.«

»Einmal aber die Insel betreten«, warnte ihn Rowson«, und Ihr seid unrettbar der Ihrige!«

»Waret Ihr schon darauf?« fragte lauernd der Jäger.

»Nein – noch nicht«, entgegnete kurz der Prediger. »Doch wo ist Weston, wäre es nicht besser, daß er ebenfalls von der uns drohenden Gefahr in Kenntnis gesetzt würde?«

»Atkins hat ihn in die oberen Ansiedlungen geschickt«, warf Johnson ein. »Er wollte morgen wieder bei ihm eintreffen und dann auch zu mir kommen.«

»Meinetwegen«, sagte Cotton gähnend, »ich bin müde und lege mich nun schlafen. Ist noch etwas im Topf, Johnson?«

»Nein, Ihr habt den Rest da im Becher.«

»Nun gute Nacht denn, wer zuerst morgen aufwacht, weckt die anderen.« Damit schob er sich ein paar Hirschhäute, die in der Ecke lagen, zurecht, nahm eine alte wollene Decke über die Schultern, warf sich auf das harte Lager und war in wenigen Minuten fest eingeschlafen.

Johnson und Rowson saßen schweigend nebeneinander und starrten in die Kohlen; beide hatten augenscheinlich noch etwas auf dem Herzen, aber keiner wollte beginnen, und mehrere Male schon war Rowson aufgesprungen, im Zimmer auf und ab gegangen und dann wieder am Kamin stehengeblieben. Endlich brach Johnson das Schweigen und sagte leise:

»Fürchtest du, daß man uns entdeckt hat?«

»Nein«, antwortete mit ebenso vorsichtig gedämpfter Stimme der Prediger. »Nein – aber daß es geschehen wird, fürchte ich.«

»Wie ist das möglich?«

»Möglich? Frage lieber, wie es möglich war, daß es noch nicht geschehen ist.«

»Du bist ein Tor und siehst überall Gespenster.«

»Solche Torheit hat noch niemandem Schaden gebracht«, antwortete Rowson. »Ich fürchte, der Indianer hat Verdacht geschöpft. Der Blick, den er mir heute zuwarf, läßt mich fast mit Gewißheit darauf schließen.«

»Du hast freilich besondere Ursache, den Indianer zu fürchten«, flüsterte Johnson leise.

»Und wer hat dir gesagt...?«

»Pst«, beruhigte ihn der andere, »der da – aber nur ruhig – es ist vielleicht sogar besser für dich, daß ich darum weiß. Überdies war es nötig, und ich hätte ebenso gehandelt. Hast du aber auch vorsichtig alle Spuren getilgt?«

»Die Frage war überflüssig. Meine Kleider wusch ich noch in derselben Nacht, obgleich mir's mit der Wunde am Arm hart genug ankam. Das Loch, das der Tomahawk der kleinen Hexe am Ärmel des Rockes machte, schnitt ich aus und setzte einen andern Fleck darauf, und mein Messer vergrub ich eine ganze Woche lang. Trotz alledem erfaßt mich aber eine unbeschreibliche Angst, wenn ich an jenen Abend zurückdenke, und – ich weiß nicht – bald ist mir's, als ob ich halb und halb bereute.«

»Ach, Unsinn«, sagte Johnson verächtlich. »Wie ist es denn mit dem anderen – hast du das kleine Messer wiedergefunden?«

»Nein«, flüsterte Rowson, noch leiser als vorher, »das ist in Roberts' Händen, ich hab' es selbst gesehen; er fragte mich, ob ich es kenne. Johnson, daß ich mich in dem Augenblick nicht verriet, begreif' ich jetzt noch kaum!«

»Es sollen am Arkansasfluß einem reichen Kerl über tausend Dollar abgenommen sein«, sagte dieser jetzt, indem er einen scharfen Seitenblick auf den Kumpan warf, »du warst ja zu jener Zeit in der Gegend – hast du etwas davon gehört?«

»Oh, die Pest über dein unsinniges Schwatzen!« fluchte der Gefragte. »Soll ich von jedem Mord wissen, der innerhalb des Staates verübt wird? Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten und laß mich aus dem Spiel. Bist du auch sicher, daß Weston reinen Mund hält? Wir hätten ihn nicht mit bis an die Insel schicken sollen.«

»Ich glaube, daß er treu ist«, erwiderte nachdenklich Johnson. »Man kann natürlich den Menschen nicht ins Herz sehen. – Und du willst wirklich morgen heiraten?«

»Ja – freilich unter nicht gerade freundlichen Aussichten, doch ist es das Beste, was ich tun kann. Wird die Sache ruchbar, dann mag der Teufel den ganzen Bettel holen; dann wird meine Sorge um die Frau die geringste sein.«

»Bei solchen Grundsätzen kann dir die Ehe nicht besonders hinderlich sein«, meinte Johnson. »Du machst dir also nichts aus dem Mädchen?«

»Glaubst du, ich würde mich dem allen ausgesetzt haben, sie zu erringen, wenn ich sie nicht liebte?« fragte der Prediger rasch. »Eine wilde, rasende Leidenschaft ist's, die mich zu Marion hinzieht, und ich fühle es recht gut, daß gerade diese Liebe die größte Sünde ist, die ich in meinem Leben begangen.«

»Und doch kannst du jetzt schon daran denken, sie wieder zu verlassen?«

»Zeige mir die Möglichkeit, sie auf der Flucht, gegen ihren Willen, mitzunehmen, und du wirst mich mit Leib und Seele bereit finden – es geht aber nicht an. Jeder Fremde, den sie anspräche, würde ihr Schutz gewähren, und dem wollen wir uns nicht aussetzen. Nein, könnte ich noch zurücktreten – vielleicht tät' ich's – vielleicht auch nicht; aber es geht nicht mehr, also mag sie mein Geschick teilen, solange es möglich ist!«

»Hast du denn in deinem Hause irgendwelche Vorsichtsmaßregeln getroffen, wenn einmal eine Flucht nötig sein sollte?«

»Ich sollte denken, du kenntest mich lange genug«, antwortete Rowson. »In dem kleinen Schilfbruch, gleich unter dem Haus, liegt sorgfältig versteckt ein Kanu, ein kleiner Koffer mit allen nötigen Reisebedürfnissen steht schon seit jener Nacht, in der uns die Indianerin entdeckte, fertig gepackt, und meine Waffen sind stets in Ordnung und bei der Hand – den geheimen Weg kennst du selbst.«

»Wie viele trägt das Kanu?«

»Vier, auch fünf im Notfall – es ist groß genug und vortrefflich gebaut; mit drei Rudern könnten wir in sechs Stunden den Arkansas erreichen.«

»Das ist vorsichtig gehandelt; ich will übrigens wünschen, daß wir's nicht gebrauchen. Können wir diesesmal die Regulatoren von unserer Fährte abbringen, so sind wir geborgen. Doch gute Nacht – leg dich dort auf die Matratze – ich will indessen noch einmal nach deinem Pferd sehen.«

Rowson, sehr ermüdet, folgte gern der Einladung, und für kurze Zeit wurde kein anderer Laut als das tiefe Atemholen der Ruhenden gehört. Da tönte plötzlich der laute, schrille Pfiff einer Eule durch die stille Nacht; jetzt wieder, und nun zum letztenmal. Johnson stand auf und stieg über die beiden anderen hinweg, um zur Tür zu gehen.

»Nun, was kriechst du denn da herum?« fragte Rowson, dem er auf den Arm getreten hatte.

»Hast du die Eule gehört?« fragte leise der andere.

»Nun, Gott sei Dank, du willst wohl Eulen schießen?« brummte Rowson müde, »du hast doch nicht etwa Hühner hier, die...«

»Pst!« rief Johnson, als dieselben Eulenschreie wiederum, und zwar diesmal in vier Abständen, gehört wurden. »Es ist Atkins – bei allen Lebenden! Was mag den hier in Nacht und Nebel hertreiben? – Nur näher!« rief er dann, vor die Tür tretend, »nur näher – es sind Freunde hier!«

»Guten Abend, Johnson«, sagte der breitschultrige Farmer, als er über die kleine Fenz gestiegen war und sich der Tür näherte, »wir sind späte Gäste, nicht wahr?«

»Wir? – Wen bringt Ihr noch?«

»Einen Freund, der Ware abgeliefert hat, er wollte Euch gern vorgestellt werden. Aber wer ist denn überhaupt bei Euch im Haus?«

»Cotton und Rowson.«

»Rowson?' fragte der in seinen dunklen Mantel gehüllte Fremde, jetzt schnell vortretend, »Rowson? Ei, hätt' ich doch nicht gedacht, heut abend noch einen alten Bekannten zu finden!«

»Alter Bekannter?« brummte Rowson vom Kamin her, wo er eben bemüht war, das halb erlöschte Feuer wieder zu neuer Glut anzufachen, »alter Bekannter? Wer mag das sein?«

»Ihr kennt Rowson also?«

»Ob ich ihn kenne!« antwortete der Kleine lachend, »predigt er noch?«

»Das kann er wohl selbst am besten beantworten«, sagte Rowson, nicht eben in der freundlichsten Laune, indem er mit hochgehaltenen flackernden Kienspänen vortrat. Kaum hatte er jedoch nach erstem, fast ungläubigem Starren den jetzt in das Licht tretenden Fremden erkannt, als er fröhlich die Hand ausstreckte und ausrief:

»So wahr ich lebe, Hokker! – Was führt dich denn einmal wieder nach Arkansas? Wurde es dir in Missouri zu warm? Nun, sei uns herzlich willkommen, alter Junge – komm nur herein; der Wind bläst hier die Fackeln aus!«

»Wir dürfen nicht lange bleiben«, sagte Atkins, »denn wir haben uns nur leise von zu Hause fortgestohlen. Sollte...«

»O macht keine langen Umstände«, rief Cotton aus dem Innern des Hauses, »die Zeit vergeht Euch vor der Tür nicht langsamer als hier drinnen, und durch die offene Tür kommt's verdammt kalt herein.« Dagegen ließ sich nichts sagen, und die Männer folgten Rowson zum Kamin, wo noch die leeren Trinkgefäße umherstanden.

»Habt Ihr noch einen Trunk?« fragte Atkins und bog den großen eisernen Topf halb nieder, um das Licht hineinscheinen zu lassen.

»Keinen Tropfen mehr drin gelassen, so wahr ich lebe!«

»Geduldet Euch eine Viertelstunde«, sagte Johnson, »und es soll an dem nicht fehlen.«

»Nein«, warf Atkins ein, »wir müssen gleich wieder fort.«

»Nun, sagt nur erst, was Ihr zu sagen habt«, unterbrach ihn der Wirt, »indessen kocht das Wasser. Das braucht Euch nicht zu hindern.«

»Nun, Hokker, wie sieht's in Missouri aus?« fragte Rowson, diesem noch einmal derb die Hand schüttelnd.

»Vor allen Dingen nicht mehr Hokker«, wehrte der Fremde lachend ab, »ich heiße Jones – J. Jones, wenn dich jemand fragen sollte.«

»Gut, gut«, sagte Rowson schmunzelnd, »das bleibt sich ziemlich gleich – aber was führt dich her?«

Der Fremde, der, wie sich bald aus dem Gespräch ergab, in früheren Zeiten ein ziemlich vertrauter Freund Rowsons gewesen war, erzählte jetzt, daß er Missouri »einiger Mißverständnisse« wegen verlassen und seinen Wohnsitz in Franklin und Crawford County, den westlichen Teilen des Staates, aufgeschlagen habe. Dort allein wäre es nämlich möglich, mit den Indianern wie den Weißen gleichzeitig »in Handelsverbindung« zu bleiben. Gegenwärtig hatte ein »Kompaniegeschäft« ihn veranlaßt, dieses County zu besuchen, da durch »neidische Menschen« der früher beliebte Weg, den Arkansas hinunter, gefährlich gemacht war, und er beabsichtigte nun, sich wenigstens einige Tage hier in der Gegend aufzuhalten. Einesteils wollte er seine Fährten kalt werden lassen, andernteils auch diesen Landstrich, für den er noch von alten Zeiten her eine besondere Vorliebe habe und von dem er in neuester Zeit so viel Rühmliches gehört, einmal näher kennenlernen.

Rowson hatte den Worten seines alten Freundes mit besonderer Aufmerksamkeit und nicht selten mit beifälligem Kopfnicken gelauscht, jetzt aber, als jener geendet und Johnson mit dem indessen wieder frisch gebrauten, süß und kräftig duftenden Getränk die Becher füllte, sprang er auf, streckte Jones die Hand entgegen und rief:

»Willst du der Unsere sein? Willst du augenblicklich deine Rolle in dem Lustspiel, das wir hier aufführen, übernehmen, so schlag ein! Morgen früh schon beginnt dein Geschäft.«

»Das hat eigentlich schon längst begonnen«, erwiderte der andere lächelnd, »und was das Lustspiel anbetrifft, so bin ich sogar seit einiger Zeit mit Vorteil in Intrigenstücken verwendet worden, wie sie in Little Rock beim Theater sagen. Keineswegs habe ich die Zeit, die ich in New Orleans verlebt, ungenutzt vorübergehen lassen. Aber topp, es sei; wenn ich der Sache gewachsen bin und uns oben im Staate vielleicht auch noch dabei nützlich sein kann, so hast du an mit deinen Mann gefunden. Ich weiß nur noch nicht recht, wie?«

»Das sollst du augenblicklich erfahren«, sagte, sich freudig die Hände reibend, Rowson, während er seinen Sitz wieder einnahm. »Morgen ist Regulatorenversammlung.«

»Nun, wenn das die ganze freudige Botschaft ist, die du mir bringen willst«, sagte Jones lachend, »dann hättest du dir die Mühe und Anstrengung sparen können. Das würde eher ein Grund sein, mich meine Reise schneller fortsetzen zu lassen, als ich anfangs beabsichtigte.«

»Nein, das darfst du nicht«, rief Rowson, »du mußt der Versammlung beiwohnen!«

»Ich? Weiter fehlte mir gar nichts!« rief Jones erstaunt aus.

»Ja, du!« fuhr Rowson, ohne sich irre machen zu lassen, fort. »Keiner der jetzigen Ansiedler kennt dich hier; die, die damals in dieser Gegend lebten, als du Atkins' Haus bautest, sind lange tot oder ausgewandert. Eigentlich wollte ich selbst den Verhandlungen beiwohnen, bei mir hat die Sache aber mehrere Haken. Erstlich erlaubt es morgen kaum meine Zeit, das hätte zwar möglich gemacht werden müssen, wenn du nicht gekommen wärest. Dann aber sind auch einige hier am Fluß mir nicht recht grün und würden sich, wie ich fest überzeugt bin, in meiner Gegenwart über manches zu sprechen scheuen. Dich aber stelle ich morgen früh dem jungen Brown vor, und zwar als einen ›Regulator aus Missouri‹, der hier nach Arkansas gekommen ist, um mit den hiesigen Regulatoren Verbindungen anzuknüpfen, damit beide Staaten in dieser Hinsicht ihre Kräfte vereinigen könnten. Solcherart sei es dann am leichtesten möglich, dem Unwesen zu steuern, das, hinsichtlich des Pferdefleisches, die braven und fleißigen Farmersleute zu ruinieren droht.«

»Herrlich, Rowson! Einfach köstlich!« jubelte Atkins, »das ist ein ganz kapitaler Plan.«

»Der Plan ist recht gut«, sagte Jones sinnend, während er den Becher zum Nachfüllen an den Kessel hielt; »aber wird mir Brown glauben? Ich habe doch heut abend ihm gegenüber nichts davon erwähnt.«

»Du wußtest ja doch auch nicht, daß er Regulator war, und wirst nicht jedem Fremden eine solche Nachricht aufhängen.«

»Allerdings – nicht übel – werden aber die übrigen Regulatoren...«

»Das hat keine Not«, warf Johnson ein, »ich habe schon davon reden hören, daß sie sich mit den angrenzenden Countys in Verbindung setzen wollen, und da wird ihnen ein solches Anerbieten gerade erwünscht kommen.«

»Spion – ein wirklicher Spion!« meinte der Missourier vor sich hin lachend, »und mitten zwischen die Regulatoren hineingeworfen wie ein Veilchen in ein Rosenbukett; ganz amüsantes Abenteuer!«

»Und du gehst es ein?« fragte Rowson.

»Versteht sich«, fuhr der Kleine, immer noch schmunzelnd, fort, »ich werde die einen zum Aufpassen dahinauf und die anderen dorthin sprengen, werde einen sehr guten Namen hier bekommen, und wenn wir einmal einen richtigen Streich führen wollen, nun, dann schicken wir sie alle auf einen Klumpen in die falsche Himmelsgegend und – hahaha – haben alle die Luft rein. Ein guter Einfall!«

»Und Ihr wollt also morgen nicht mit in die Versammlung gehen, Rowson?« fragte Cotton.

»Nein – nun ist es nicht mehr nötig«, erwiderte jener.

»Wie sollen wir aber erfahren, was sie beschlossen haben?«

»Ist etwas Wichtiges im Werke«, sagte Rowson nachdenklich, »so mag Jones, der doch gegen Abend auf jeden Fall zu Atkins zurückkommt, dessen Mulatten herüberschicken und euch Kunde geben. Ich selbst jedoch muß morgen früh noch einige wichtige Geschäfte abschließen und morgen abend bei Roberts zuspringen, will aber Sonntag früh um neun Uhr an der Kreuzeiche sein – Ihr kennt den Baum, Atkins? Nun gut, an der Stelle warte ich, und dahin sendet mir den Mulatten; was auch vorfällt, es ist einerlei, denn möglich wär's, ich hätte selbst eine Botschaft für Euch, und die ganze Strecke zu reiten bleibt mir keine Zeit.«

»Das wäre also abgemacht«, sagte Atkins, »so kommt denn, Jones, damit wir zu Hause nicht etwa vermißt werden. Der Teufel ist heut abend bei mir los, mein Kind ist krank, und meine Frau hat den Mulatten und meinen weißen Arbeiter nach allen Himmelsrichtungen ausgeschickt, um Hilfe herbeizuholen. Drei alte Weiber aus der Nachbarschaft waren schon angekommen, ehe wir den Platz verließen, und ich bin fest überzeugt, morgen haben wir das ganze Haus voll. Es ist mir schon einmal so ergangen.«

»Laßt aber Brown nicht fort, ehe ich dort eintreffe«, ermahnte Rowson noch einmal.

»Nein – habt keine Angst, kommt aber nicht gar so spät, denn wenn ich auch eine halbe Stunde oder so mit dem Frühstück zögern kann, zu lange darf's doch nicht dauern.«

Die Männer riefen sich jetzt leise gute Nacht zu, Atkins und Jones übersprangen die Fenz und verschwanden in der Dunkelheit, und die übrigen suchten aufs neue ihr Lager auf, um jetzt an Schlaf das wieder einzubringen, was sie durch den späten und unerwarteten Besuch versäumt hatten. Cotton brummte aber noch, als er sich wieder in seine Decke einhüllte: »Wer mich heute zum zweitenmal stört, dem dreh' ich den Hals um – das ist sicher« – und war schon im nächsten Augenblick eingeschlafen.


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