Friedrich Gerstäcker
Die Regulatoren in Arkansas
Friedrich Gerstäcker

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21. Wilsons Geständnis – Die Wäscherin

Roberts hatte noch nicht lange Harpers Hütte verlassen, als sich Brown ebenfalls rüstete, zu Bowitt hinaufzureiten, vor dessen Haus am nächsten Morgen die Versammlung der Regulatoren stattfinden sollte. Cook begleitete ihn ein Stück Weges, ritt jedoch dann links weiter, um in seinem eigenen Hause zu übernachten und mit Tagesanbruch nachzufolgen, während Bahrens bei dem Rekonvaleszenten zu bleiben versprach. Harper schwor übrigens hoch und heilig, daß das der letzte Tag gewesen sein sollte, den er sich habe in dem verwünschten Hause einsperren lassen.

»Ich muß wieder einmal Laub und Moos unter den Füßen fühlen«, rief er aus, »muß wieder einmal das grüne Blätterdach über mir sehen, eher werde ich nicht gesund.« Es wurde also verabredet, daß er am nächsten Tage mit zu Bahrens reiten und dort eine Woche zubringen solle. Da der Weg aber für einen durch Fieber Geschwächten auf einmal zu weit wäre, so wollten die Männer die erste Nacht bei Roberts übernachten, der sie schon lange eingeladen hatte.

Brown trabte indessen auf seinem feurigen kleinen Pony den schmalen, im Laub kaum erkennbaren und nur durch abgeschälte Stücke Baumrinde bezeichneten Pfad entlang und erreichte in etwa anderthalb Stunden die kleine Farm von Wilson, der ebenfalls gerade im Begriff war sein Pferd zu besteigen.

»Hallo, Wilson – wohin soll die Reise gehen? Auch zur Regulatorenversammlung?« rief Brown ihm freundlich entgegen.

»Ja!« sagte der junge Mann, wurde aber merklich verlegen und schnallte mit verzweifeltem Eifer am Sattelgurt. Der war indessen schon angespannt und veranlaßte nur das Pferd, einige ungeduldige Bewegungen zu machen, während es mehrere Male nach Luft schnappte.

»Was macht Ihr denn, Wilson?« fragte ihn Brown lachend, »Ihr schnürt ja dem armen Tier die Seele aus dem Leibe. Wollt Ihr denn an einem Wettrennen teilnehmen, daß Ihr so nach diesem Zeuge seht?«

»Nein, das gerade nicht«, murmelte der andere, »welchen Weg reitet Ihr?«

»Ich wollte zu Euch – und Ihr?«

»Ich? – Ich gedachte zu Atkins...«

»Nun, das ist schön, dann komm' ich ein andermal zu Euch und reite heute abend mit zu Atkins. Ich habe überdies dort eine Bestellung von Roberts auszurichten.«

Wilson wollte noch etwas einwenden, Brown achtete aber nicht darauf oder mußte es überhört haben, denn er rief dem Freund nur flüchtig zu, aufzusitzen, und lenkte dann sein Pferd dem neu bestimmten Lagerplatze zu.

Wilson war bald an seiner Seite und fragte endlich, wahrscheinlich nur, um das Schweigen zu brechen:

»Ihr habt also einen Auftrag von Roberts – wohl für Rowson? Der will ja Atkins Farm kaufen, wie man sagt wenn Atkins nämlich wirklich fortzieht.«

»Ist denn das noch nicht bestimmt?«

»Wer weiß es? Der alte Bursche ist finster und verschlossen wie das Grab. Mir sagt er's schon gar nicht.«

»Warum denn Euch nicht ebensogut wie jedem andern?« fragte Brown lächelnd, während Wilson auf einmal ganz unerwartet ein Lied zu pfeifen anfing und mit der Reitgerte, die er sich von einem Busche gebrochen, seine Leggins klopfte. Auch schien er eine Weile die Antwort auf diese Frage schuldig bleiben zu wollen, bis sie Brown wiederholte, dann aber zügelte er sein Pferd, streckte dem jungen Mann sie Hand herüber und sagte mit herzlichem Ton:

»Ihr sollt meine Geschichte erfahren, Brown, mit ein paar Worten ist sie gesagt, und – Ihr meint es gut – vielleicht könnt Ihr mir einen Rat geben.«

»Nun, laßt hören«, entgegnete der Freund, »vielleicht, vielleicht auch nicht; es ist nicht oft, daß ich um Rat gefragt werde, und noch dazu in – Herzensangelegenheiten.« Er lächelte zu Wilson hinüber, als er sah, wie diesem das Blut in Wangen und Schläfe stieg.

»Ja – Ihr habt recht«, flüsterte dieser endlich, »es ist eine Herzensangelegenheit, doch – keine glückliche. Seid Ihr in Atkins Haus bekannt?«

»Ich war nie dort.«

»Er hat ein Kind – eine angenommene Waise – ein Mädchen – ach, Ihr würdet mich auslachen, wenn ich von ihr reden wollte, wie's mir ums Herz ist. Ja, ich weiß wohl, wenn Ihr auch schon mir zuliebe an Euch hieltet, inwendig machtet Ihr Euch doch über mich lustig. Nun, ich will Euch die Beschreibung erlassen; ich liebe das Mädchen schon seit einem Jahr, als sie mit Atkins an den Fourche la fave zog; aber der Vater will sie mir nicht geben. Er ist zwar nur ihr Pflegevater, hat sie aber erzogen und eine wackere Dirne aus ihr gemacht. Jetzt jedoch will er ihr einen Mann aufdrängen, den sie nicht mag und den sie unter keiner Bedingung nehmen will, aber – er quält sie doch.«

»Das ist freilich schlimm«, sagte Brown, »wie alt ist sie?«

»Ach, leider erst siebzehn Jahre«, seufzte Wilson, »wäre sie einundzwanzig, so brauchten wir den Alten nicht zu fragen.«

»Hat sie Euch denn recht von Herzen lieb?«

»Sie hat es mir mehr als tausendmal gestanden.«

»Nun, worin besteht denn da eigentlich die große Not? Das Herz der Eltern wird sich doch wohl noch mit der Zeit erweichen lassen«, tröstete ihn Brown.

»Ja, wenn es nur Zeit hätte!« rief Wilson ungeduldig aus; »Rowson hält morgen Hochzeit, und da soll Ellen hinüberkommen und den jungen Leuten die Wirtschaft führen helfen.«

»Morgen?' flüsterte Brown erbleichend.

»Ja – am Nachmittag«, fuhr Wilson, ohne es zu bemerken, fort. »Hat Atkins dann verkauft, so will er nach Texas und – das Mädchen muß mit.«

»Nun, so geht Ihr mit ihm«, sagte Brown, der kaum noch hörte, was der andere sprach.

»Das ist nicht möglich«, erwiderte dieser, »ich habe meine alte Mutter in Tennessee, nicht weit von Memphis, und die müßt' ich auf jeden Fall erst holen. Sie lebt jetzt bei fremden Leuten, und dort soll sie mir einmal nicht sterben.«

»Da werd ich freilich wenig für Euch tun können«, seufzte Brown etwas zerstreut, »ich kenne Atkins gar nicht, habe ihn erst einmal gesehen, und es ist doch höchst unwahrscheinlich, daß er auf meine Fürsprache auch nur das geringste Gewicht legen würde.«

»Das sollt Ihr auch nicht bei Atkins versuchen, sondern bei jemand ganz anderem.«

»Und bei wem?«

»Bei Mrs. Rowson. – Ihr seid mit Roberts gut bekannt, und Marion hält viel auf Euch, das weiß ich. Wenn Ihr sie recht schön für mich bitten wolltet, sie tät es Euch sicherlich zu Gefallen.«

»Mrs. Rowson«, sagte Brown leise und wie in tiefen Gedanken, »Mrs. Rowson – kann sie helfen?«

»Oh, sie gilt sehr viel bei Atkins«, beteuerte Wilson. »Als Atkins' Frau im letzten Sommer so lange und gefährlich krank lag, hat sie ganze Wochen lang mit Ellen an ihrem Bette gewacht. Ihr tun sie alles zuliebe, sie ist ein gar so gutes Mädchen.«

»Ja – ja!« seufzte Brown tief auf.

»Nicht wahr, das glaubt Ihr auch?«

»Was?«

»Daß sie ihr alles zu Gefallen tun werden.«

»Guter Wilson«, sagte Brown, sich halb von seinem Begleiter abwendend, »Ihr hättet Euch in dieser Sache sicherlich an einen besseren wenden können als an mich. Rowson selbst würde da vielleicht ein nützlicherer Fürsprecher sein.«

»Ja«, sagte Wilson halb ärgerlich, »das weiß ich; aber verdammt will ich sein, wenn ich den Mann leiden kann. Die ganze Nachbarschaft hat ihn gern, die Frauen wenigstens, die ganz versessen auf ihn sind, doch ich, ich weiß nicht, mir wird's immer unbehaglich, wenn ich mit ihm freundlich tun soll. Sonderbar müssen auch seine Verhältnisse sein. Vor einem Jahr kommt er hierher, sagt selbst, daß er arm ist, arbeitet nicht das mindeste, predigt nur und bekommt von keinem Menschen einen Cent dafür, hat aber immer Geld, treibt sich auf solche Art zwölf Monate im ganzen County umher und heiratet auf einmal das schönste Mädchen am Fourche la fave (Ellen ausgenommen, denn, ich weiß nicht, die gefällt mir doch noch besser). Ich selbst habe weiter nichts gegen Rowson, kann nichts gegen ihn einwenden, als daß er feig ist, nun, was kümmert das mich, aber – um eine Gefälligkeit möcht' ich ihn nicht bitten, und wenn mein ganzes Lebensglück auf dem Spiele stünde.«

»Habt Geduld, Wilson«, tröstete ihn Brown, »wenn Euch das Mädchen liebt und der andere Mann ihr Wort noch nicht hat, so wird sich auch alles noch einrichten lassen. Ihr habt viele Freunde hier und seid jung und fleißig – was wollt Ihr mehr?«

»Das Mädchen will ich, Brown«, sagte Wilson treuherzig, »und wenn Ihr auch noch so schön predigt, so seht Ihr mir doch ebenfalls aus, als wenn Ihr den entsetzlichsten Kummer auf der Welt hättet und keinem Menschen ein Wort davon anvertrauen könntet. Nein, so halt' ich's nicht aus. Bis Atkins fortgeht, muß sich mein Schicksal entscheiden, und will oder kann mir bis dahin keiner von Euch helfen, daß ich das Mädchen im guten bekomme, nun so hol mich der Teufel, wenn ich sie nicht entführe – und mit geht sie, das weiß ich.«

»Habt Ihr denn schon bei Atkins um sie angehalten?«

»Ja, und sie – die Alte – ein bitterböses Weib, hat mir gedroht, mich zur Tür hinauszuwerfen, wenn ich dort noch einmal hinkäme.«

»Und jetzt wollt Ihr hin?«

»Allerdings – aber nicht ins Haus«, sagte Wilson verschmitzt lächelnd, »so auf den Kopf gefallen bin ich nicht. Nein, Ellen wäscht heute unten am Bach, ein paar hundert Schritt vom Haus entfernt, im Busch drin, und da das fast die einzige Zeit ist, wo ich ungestört ein Wörtchen mit ihr plaudern kann, so wollt' ich die Minuten wenigstens nutzen. Nachher, wenn sie ihre Arbeit beendet hat, reit' ich noch zu Bowitts hinüber; das Wetter ist ja warm und schön.«

»Kann ich denn Euer Liebchen nicht einmal zu sehen bekommen, daß ich doch wenigstens weiß, welchen Geschmack Ihr habt?« fragte Brown lächelnd.

»Warum nicht?« rief freudig Wilson, »sie wird Euch gefallen, und ich brauche mich ihrer nicht zu schämen; aber kommt, wir sind nicht mehr weit von dem Platz entfernt und müssen hier rechts abbiegen, sonst sehen sie uns vom Haus aus. – Halt! Hier laßt Euer Pferd, denn durch die Slew können wir nicht reiten. Mein Pony nehme ich übrigens hinunter in das Schilfdickicht – da ist sein gewöhnlicher Platz.

So«, sagte er, als er schnell wieder zurückgesprungen kam und dem Freund über die schmale Brücke voranlief, »so – dort ist sie, aber leise, wir wollen sie überraschen.«

Die Männer schlichen auf den Zehen einem kleinen offenen Fleck im Wald, gerade in der Biegung des Baches zu, der seine Wasser dem nicht weit entfernten Fourche la fave in vielen Krümmungen entgegenführt, und blieben hier, von dem lieblichen Schauspiel, das sich ihnen bot, überrascht, stehen. Wilson warf dem Freund einen triumphierenden Blick zu, als ob er hätte fragen wollen: Siehst du, daß ich recht habe? Ist das ein Wesen für Texas, und soll ich mir dieses Mädchen nehmen lassen?

Neben dem kiesigen Bachufer, von zwei niederen Holzgabeln gestützt, hing über einem kleinen knisternden Feuer ein mächtiger schwarzer Kessel; mehrere kleine Bänke standen in einem Halbkreis umher und trugen in einzelnen Abteilungen die verschiedenen Wäschearten, farbige und weiße, und vor einem tischähnlich befestigten Brett stand Ellen, schlug mit dem breiten Waschholz die einzelnen Stücke Weißzeug und begleitete mit ihrer hellen Stimme die regelmäßigen Schläge des Klöppels. Dicht neben dem Waschbrett, zwischen zwei schlanken Hickorystämmen befestigt, hing, von dem leichten Südwind geschaukelt, eine Hängematte, in der ein rotbäckiges Kind bis jetzt still und friedlich geschlummert hatte. Nun aber schlug es die großen dunklen Augen auf, tat einen Blick in die Höhe und verzog dann das kleine Gesicht zu einer so entsetzlich sauren Miene, daß alle Anzeichen eines nahenden Wehgeschreis zu fürchten waren. Ellen hatte den kleinen Schläfer aber nicht außer acht gelassen und bemerkte kaum das Erwachen des Kleinen, als sie auch ihren Klöppel schnell fallenließ, die Hängematte in etwas lebhaftere Bewegung versetzte und dem durch ihre Gegenwart sogleich beruhigten Kinde mit leiser, schmeichelnder Stimme ein Wiegenlied vorträllerte.

Plötzlich fuhr sie erschrocken auf, als Wilson, der leise an sie herangetreten war, seine Hand um ihre Hüfte legte. »Ach, du böser Mensch, wie du mich erschreckt hast!«

»Sei nicht böse darüber«, flüsterte Wilson, einen Kuß auf die Lippen der sich nur schwach Sträubenden pressend, »aber sieh, hier hab ich dir einen Freund mitgebracht.«

Ellen wandte sich rasch um. Als ihre Blicke denen des freundlich lächelnden jungen Fremden begegneten, wollte sie eilends fortlaufen. Wilson aber faßte noch rechtzeitig ihre Hand und bat flehend:

»Ellen – er ist ja ein guter Freund, und er weiß, daß wir uns liebhaben; überdies«, fuhr er noch neckend fort, »darf das kleine Fräulein auch gar nicht fortlaufen und den ihr anvertrauten Schutzbefohlenen zurücklassen. Hab' ich recht oder unrecht?«

»Unrecht«, flüsterte lächelnd das Mädchen, indem sie sich, immer noch verlegen, vor dem Fremden verneigte, »unrecht, du weißt, daß du immer unrecht haben mußt.«

»Schöne Gesetze«, sagte Wilson mit ernst-komischer Miene zu Brown, »sehr schöne Gesetze. Da sind unsere Regulatoren noch gar nichts dagegen.«

»Die häßlichen Regulatoren...« rief Ellen.

»Halt!« unterbrach sie lachend Wilson, »nicht so voreilig, Miß – hier stehen zwei.«

»Du ein...«

»Stop – hier ist unser Hauptmann, und ich...«

»Oh, Sie sind kein Regulator, nicht wahr?« fragte halb ängstlich, halb schmeichelnd das Mädchen Brown, »das glaube ich nicht.«

»Haben Sie einen so fürchterlichen Begriff von diesen Menschen?« Brown lächelte.

»Ach ja – Mutter und Vater haben mir entsetzliche Dinge von ihnen erzählt: Wie sie die unschuldigen Männer nachts aus ihren Betten holen, nur wenn einer von ihnen auf jemand böse ist, und sie dann an einen Baum binden und so lange peitschen, bis sie sterben. Vater hat geschworen, jeden totzuschießen, der nachts in feindlicher Absicht über seine Schwelle käme.«

»Sie sind nicht so schlimm, wie es Ihr Vater wohl glaubt«, meinte Brown, »und wenn auch...«

»Nun bitt' ich aber ebenfalls darum, ein Wort mit einlegen zu dürfen«, rief Wilson. »Ich bin denn doch wahrhaftig nicht hierhergekommen, einer Abhandlung über die Regulatoren zuzuhören. Ellen, hast du noch einmal mit deiner Mutter gesprochen?«

»Ja«, sagte das arme Mädchen, traurig den Kopf senkend, »sie meinte aber...«

»Du brauchst dich vor Mr. Brown nicht zu scheuen, er weiß alles«, beteuerte Wilson, als er bemerkte, wie seine Braut diesem einen ängstlichen Seitenblick zuwarf.

»Ach, es hilft ja auch nichts, es zu verschweigen«, seufzte das arme Mädchen, »ganz Arkansas wird's doch wohl bald erfahren, daß ich den rohen Cotton heiraten soll.«

»Cotton?« fragte Brown erstaunt.

»Ja – leider. Zwar hat es mir die Mutter streng untersagt, den Namen gegen irgend jemand auszusprechen, aber weshalb nicht? Eher sterb' ich, als daß ich den Menschen heirate.«

»Du sollst ihn auch nicht heiraten«, sagte Wilson trotzig. »Verd..., ja so, das darf ich auch nicht«, unterbrach er sich selbst, als ihm das Mädchen einen strafenden Blick zuwarf. »Ich weiß aber schon, was ich tue; haben wir erst die Raubbande entdeckt, die hier ganz in unserer Nähe ihr schändliches Wesen treibt, und will sich Atkins noch immer nicht erweichen lassen, nun gut, dann soll mich dieser und jener holen – das ist nicht geflucht –, wenn ich nicht einen dummen Streich mache und mit dir davonlaufen«

»Und das nennt der Herr einen dummen Streich?« fragte Ellen mit einem wehmütigen Lächeln.

»Du weißt ja, wie ich's meine«, sagte Wilson, »aber was ist Euch, Brown – Ihr seht so gedankenlos oder gedankenvoll, wie man's nehmen will, in die Baumwipfel hinauf?«

»Haben Sie den Mann, den Sie Cotton nannten, kürzlich gesehen?« wandte sich Brown jetzt, ohne Wilsons Bemerkung zu beachten, an das junge Mädchen.

»Ja«, sagte diese, »vor etwa vier Tagen kehrte er, ich glaube vom Mississippi, zurück, wohin er vor etwa zwei Wochen aufgebrochen war. Er kommt aber immer nur abends, und ich mag sein heimliches, häßliches Wesen nicht leiden; – kennen Sie ihn?«

»Ich glaube, weiß es aber nicht gewiß; kommt er wohl – aber was ist mit Wilson?«

Brown hatte auch alle Ursache, diesem bestürzt nachzusehen, denn wie eine Schlange glitt der Freund plötzlich ins Dickicht und war in wenigen Sekunden spurlos verschwunden. Die Ursache dieses eigentümlichen Rückzuges blieb aber nicht lange ein Rätsel, denn fast zu gleicher Zeit erschien auf dem zum Hause führenden Pfad die stattliche und selbst noch jugendliche Gestalt der Mrs. Atkins, deren helles, schimmerndes Kleid Wilson noch zur rechten Zeit gewarnt hatte, und der es jetzt dem Freund überließ, mit dem anrückenden Feind fertig zu werden.

»Hallo da, Miß!« rief die sich mit gewaltigen Schritten nähernde Frau, »hallo da – Herrengesellschaft? Ich habe schon seit einer Viertelstunde keinen einzigen Schlag gehört, die Wäsche soll sich wohl allein fertig machen?«

»Das – Kind –«, stotterte Ellen.

»Was da – Kind – das liegt so ruhig wie ein Gotteskäferchen in seinem Neste; leere Ausreden...«

»Ich muß Sie bitten, die junge Dame meinetwegen zu entschuldigen«, unterbrach jetzt Brown hervortretend die Zürnende, indem er sie freundlich grüßte, »ich komme mit einem Auftrag von den Herren Roberts und Rowson und beabsichtigte eigentlich, die Nacht in Ihrem Hause zuzubringen.«

»Dies ist nun freilich der breite Weg nicht«, sagte Mrs. Atkins, jedoch schon merklich besänftigt.

»Allerdings nicht«, erwiderte Brown lächelnd, jetzt nur bemüht, dem armen zitternden Mädchen jedes harte Wort zu ersparen, »ich kam aber ein Stück durch den Wald und wußte an der Slew nicht recht, ob ich hinauf- oder hinunterreiten solle, um das Haus am schnellsten zu erreichen, ging also zuerst über den darüberhinweg liegenden Stamm, um zu rekognoszieren, und fand die junge Dame hier, die ich freilich durch meine Fragen einige Minuten in ihrer Arbeit störte.«

»Junge Dame – hat sich was ›junge Dame‹, setzen Sie dem Mädchen nur keinen Unsinn in den Kopf. Mein Mann ist oben im Hause. wo steht denn Ihr Pferd, ich will den Jungen danach schicken.«

»Gerade dort, wo die Zypresse über der Slew liegt«, erwiderte Brown, dem jetzt daran lag, die zürnende Frau mit zum Haus zurück zu nehmen, um Wilson freien Spielraum zu lassen.

»Gut, so kommen Sie«, sagte Mrs. Atkins, »und du, Mamsell, hältst dich dazu und bist fleißig. Noch nicht die Hälfte von der Wäsche geklopft – es ist eine Schande, und schon an zwei Stunden hier unten! Daß du mir vor Dunkelwerden fertig wirst! Und was macht das Kleine?« wandte sie sich dann mit wahrhaft mütterlicher Zärtlichkeit in der sonst so rauhen Stimme zu dem Kind, das der bekannten Gestalt mit freundlichem Lächeln entgegenstrampelte, »das gefällt dem Kind? Nicht wahr? Schaukeln – den ganzen Tag schaukeln, und nachher schläft's die Nacht nicht, und Ellen muß bis Tagesanbruch mit dir herumlaufen. Aber ja – Sie warten; also Ellen, daß du mir fleißig bist!«

Und mit diesen Worten schritt sie, von Brown gefolgt, dem Wohnhaus zu.


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