Friedrich Gerstäcker
Die Regulatoren in Arkansas
Friedrich Gerstäcker

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14. Brown auf dem Rückweg – Die geheimnisvolle Zusammenkunft – Der Indianer – Der alte Farmer – Kanufahrt

Es war in der Dämmerung des im letzten Kapitel beschriebenen Abends, als das Pittsburger Fährboot, von zwei kräftigen Negern über den Arkansas gerudert, an dem gegenüberliegenden südlichen Ufer des Flusses landete. Es setzte dort den einzigen Passagier, einen jungen blassen Mann, ab, der sein kleines rauhhaariges Pony im Boot am Zügel gehalten. Der Reisende bezahlte das verlangte Fährgeld und ließ sein Pferd, dem er den Zügel über den Nacken warf, allein aus dem Boot springen. Es bewerkstelligte dies auch sehr geschickt mit einem kurzen Satz, lief dann etwa zwanzig Schritt weiter die Uferbank hinauf, und hielt dort, an den Wurzeln einzelner Birken das dem sandigen Boden sparsam entkeimende Gras abzureißen und zu verzehren.

»Aber, Massa«, sagte einer der Fährleute, »ich hab' Euch schon drüben gesagt, daß es hier kein Haus auf sieben Meilen gibt, und Massa wird die Nacht im Freien und im Regen zubringen müssen.« Während er diese Worte sprach, schob er den erhaltenen halben Dollar Fährgeld in eine kleine schmutzige lederne Tasche und barg diese dann wieder mit großer Vorsicht in der einen weiten Tasche seiner baumwollenen Hose.

»Ich weiß das«, erwiderte der Fremde, »seit wann aber ist die Hütte nicht mehr bewohnt, die, nicht weit von hier, am Rande der Prärie steht? Früher waren Leute darin – Ansiedler aus Illinois.«

»Oh, schon sehr lange, Massa«, entgegnete der Neger, »die Frau starb und die beiden Kinder auch. Da zog denn der Mann wieder fort, verkaufte aber das kleine Stück Land mit der Hütte vorher an meinen Master in Pittsburg, und wie ich drüben hörte, soll er den Mississippi hinauf nach Hause gegangen sein.«

»Das Haus steht noch?«

»Ja, Massa – aber...«

»Nun – aber? Ist kein Dach drauf?«

»O ja, Massa, ein gutes Dach, alles in Ordnung noch – aber – die Leute drüben erzählen – es wäre nicht ganz richtig in dem Hause.«

»Nicht richtig, wieso?«

»Nun – die Frau, die sie dort unter den fünf Pfirsichbäumen begraben haben, die soll...«

»... etwa noch gar ihr Wesen treiben?« ergänzte lächelnd der Fremde.

»Ahem!« nickten die beiden Schwarzen und sahen ängstlich die öde Uferbank hinauf und hinunter.

»Weshalb glaubt man das?« fragte der Weiße, indem er sich zum Gehen wandte, »hat jemand den Geist gesehen?«

Wieder nickten die beiden Neger kräftig mit den Köpfen. Übrigens bedurfte es einer zweiten Frage, um etwas Näheres über die gespenstische Wohnung zu erfahren, und der, welcher zuerst gesprochen, sagte dann aus, daß man sich allerlei entsetzliche Geschichten von jener Stelle erzähle, worunter die häufigste die sei: Der Mann habe zuerst seine Frau, die er los zu sein wünschte, und nachher die beiden Kinder ermordet und sich dann auf einem Dampfschiff den Fluß hinunter begeben; wohin, wisse man nicht. Das Grab hätten jedoch nach seiner Abreise zwei Doktoren in Gegenwart von Gerichtspersonen geöffnet und ihren Verdacht bestätigt gefunden; einer der Doktoren solle übrigens die beiden Kinderleichen gestohlen haben, und die Mutter suche nun nachts ihre Kleinen und kehre erst mit der Morgendämmerung in das Grab zurück.

Der Neger glaubte jetzt wahrscheinlich zuviel über einen so schaurigen Gegenstand gesprochen zu haben, als sich mit der Nähe des Ortes und der mehr und mehr einbrechenden Dunkelheit vertrug, stieß daher, ohne eine weitere Antwort abzuwarten, vom Ufer, wünschte dem Fremden eine gute Nacht, und gleich darauf glitt, unter den langsamen, aber kräftigen Ruderschlägen, das breite Fahrzeug über den Strom zurück.

Brown, denn kein anderer als unser junger Freund war der Fremde, der sich auf seinem Rückweg nach dem Fourche la fave befand, schaute dem Boot noch lange sinnend nach. Weiter und weiter verschwand es in dem feuchten Nebel, der sich auf der Wasserfläche lagerte, und schien endlich nur noch ein unbestimmter dunkler Punkt, von welchem aus jedoch die abgemessenen Schläge der Ruder scharf und deutlich herübertönten. Endlich verstummten auch diese – das Boot hatte sein Ziel erreicht, und wie aus einem Traum erwachend, seufzte der junge Mann schwer und sorgenvoll, stieg dann zu seinem grasenden Tier empor, ergriff dessen Zügel und schritt langsam den schmalen Fußsteig hinauf, der von der Fährbootlandestelle zu der oben liegenden Fläche führte.

Dort angelangt, blieb er einen Augenblick stehen und überschaute schweigend die vor ihm ausgebreitete, mit düsteren Regenwolken überhangene Landschaft. Wenige hundert Schritt vom Fluß entfernt schien der Boden durch das Steigen des mächtigen Stromes aufgewühlt und mit dem weißen, ihm eigentümlichen Sand viele Fuß hoch bedeckt zu sein. An manchen Stellen waren sogar Birken und Baumwollholzstämme halb von ihm verschlungen, und die Erde selbst glich mit ihren langen, wellenförmigen Erhöhungen einem wogenden Meer. Weiter hinten aber, wo die Gewalt des angeschwollenen Stromes durch Dickichte von Papaos und Platanen gehemmt worden, lag die weiße, blendende Sandschicht wie eine ebene Schneedecke und dehnte sich bis dorthin aus, wo das Land, höher steigend, dem gierigen Strom einen Damm entgegengestellt hatte. Dort bildete grünes, üppiges Gras den weichen Teppich einer Art Prärie, an den sich ein weiter, ungeheuer großer wilder Pflaumengarten schloß. Solche Pflaumengärten findet man in den westlichen Staaten nicht selten, und ihre buschig niederen Fruchtstämme sind sämtlich in früheren Zeiten von den Indianern, besonders den Cherokesen, gepflanzt worden. Die früheren Eigentümer dieses Landstrichs hatte man jetzt freilich von ihrem Grund und Boden vertrieben und weiter westlich transportiert, und der Garten war zur Wüste geworden.

Am Rande dieses »Cherokesischen Pflaumengartens«, wie der Ort von den Bewohnern jener Gegend noch immer genannt wurde, lag nun das erwähnte kleine Haus, das, nach des Negers Aussagen, solche unheimlichen Gäste beherbergen sollte. Brown wandte sich aber nichtsdestoweniger jener Stelle zu und erreichte mit einbrechender Dunkelheit den verrufenen Ort.

Es war eine jener kleinen Niederlassungen, wie sie sich zu Tausenden in dem fernen Westen Amerikas finden; eine niedere Blockhütte, mit jetzt umgeworfenem Lehmkamin, ein kleines, verwildertes, etwas zwei Acker großes Feld, dessen Umzäunung teils niedergefault, teils verbrannt war, ein halbverfallenes Seitengebäude, das wahrscheinlich als Küche oder Vorratskammer gedient hatte, und ein umgestürzter Brunnen, dessen Öffnung das abgesägte Stück eines hohlen Baumes bedeckte. Der Platz schien seit langen Jahren nicht mehr bewohnt; aber etwas so Wildes, Unheimliches ruhte auf der verödeten Stätte, daß Brown unwillkürlich, als er eben die niederliegende Fenz übersteigen wollte, innehielt und nach der benachbarten Baumgruppe hinüberschaute, gleichsam mit sich zu Rate gehend, ob ein Nachtlager im Freien, unter den grünen Bäumen des Waldes, nicht dem in der, wenn auch trockenen, doch keineswegs traulichen Wohnung vorzuziehen sei. Ein stärkerer Windstoß von Westen her, der ihm den Nebel in dünnem, kaltem Sprühregen entgegenwarf, machte aber seiner Unschlüssigkeit schnell ein Ende, denn er zog jetzt, ohne weiteren Zeitverlust, das Tier in die innere Umzäunung und zu dem kleinen Nebengebäude hin, das er vor allen Dingen untersuchte und als noch benutzbar fand. Zwar sah er sich genötigt, ein paar keineswegs leichte Balken aus dem Wege zu heben, um seinem Pony den Durchgang zu gestatten; dann aber hatte er auch die Genugtuung, das wackere Tier, das ihn heute schon eine lange Strecke getragen, trocken und vor den kalten Nordwestwinden ziemlich geschützt zu wissen. Jetzt sehr zufrieden damit, die Unterkunft erreicht zu haben, schob er einen in der Ecke lehnenden Trog herbei, holte den kleinen Sack, den er, an seinen Sattel geschnallt, mit sich führte, und schüttete dem freudig wiehernden Pony seine Mahlzeit geschälten Mais hinein.

Nachdem das besorgt war, dachte er nun auch an sein eigenes Lager und trat in das Haus, um zu rasten und sich für neue Anstrengungen zu stärken. So wüst und unbewohnt die Hütte aber auch von außen her erscheinen mochte, so fand der junge Jäger doch bald, daß sie erst noch vor kurzer Zeit einem Wanderer Schutz und Obdach gewährt haben mußte, denn in dem Kamin lag Asche, und unter dieser glimmten sogar noch einige dicke Holzscheite. Angenehmeres hätte ihm nicht begegnen können, und schnell trug er einen Arm voll abgebrochener Fenzstangen herbei, schnitzte mit seinem Jagdmesser dünne Späne und sah bald darauf zu seiner Genugtuung ein helles, wärmendes Feuer emporlodern.

Sattel und Decken hatte er mit hereingebracht; die letzteren breitete er jetzt vor der freundlichen Glut aus, verzehrte ein kleines Stück getrocknetes Hirschfleisch und warf sich dann auf das harte, doch ihm völlig genügende Lager nieder.

Bis jetzt hatten die Vorbereitungen zu seiner eigenen Bequemlichkeit wie zu der seines Tieres den jungen Mann ganz in Anspruch genommen. Er war beschäftigt gewesen, und keine Zeit war ihm dabei geblieben, über sich oder seine Lage nachzudenken. Jetzt aber, vor dem knisternden Feuer ausgestreckt, öffnete sich sein Herz. Er sah sich im heißen Kampfe mit den mexikanischen Söldlingen, die Freiheit einer jungen Nation verteidigend; er sah sich unter dem Donner der Tod und Vernichtung herüberschleudernden Geschütze anstürmen gegen die feindlichen Batterien – er sah sich blutend im Todeskampf unter den Gefallenen, aber auf siegreich gewonnenem Schlachtfeld liegen, und ein fast triumphierendes Lächeln überflog seine bleichen Züge, während er krampfhaft die neben ihm ruhende Büchse erfaßte und, mit stolzem, todesmutigem Blick sich halb von seinem Lager erhebend, durch den eingestürzten Kamin hinausstarrte in die finstere, sternenlose Nacht. Da plötzlich drängte sich das Bild der Geliebten vor seine Seele, wie sie ihre Hand in die des ihr bestimmten Gatten legte – er sah, wie sie ängstlich nach Hilfe – nach ihm umherschaute, und der stolze, kräftige Mann barg das Gesicht in den Händen und weinte.

Aber auch dieser wilde, tobende Schmerz gab bald einer weichen, besänftigenden Wehmut Raum, und endlich schlief der junge Mann, von Müdigkeit überwältigt, ein.

Mitternacht mußte vorüber sein, als er aus seinen Träumen erwachte und sich in der traurigen Wirklichkeit nicht mehr vor dem wärmenden Feuer, sondern vor dem offenen Kamin befand, durch den ihm der wilde Sturm den kalten, schneidenden Wind hereinjagte. Das Holz war gänzlich niedergebrannt – kein Funke mehr zu finden, und fröstelnd rückte er sein Lager zurück in die mehr gegen Sturm und Wetter geschützte hintere Ecke der Hütte, um hier die Morgendämmerung zu erwarten.

Kaum war dies jedoch geschehen, als ihm vorkam, als ob er an der Außenseite des Hauses Stimmen hörte. Schnell rief ihm dies die Erzählung des Negers, die er fast schon vergessen, ins Gedächtnis zurück, und auf den rechten Ellbogen gestützt, fühlte er erst sorgfältig nach Büchse und Messer und lauschte dann mit angehaltenem Atem und gespannter Aufmerksamkeit dorthin, von woher er die Töne vernommen zu haben glaubte. Aber nichts ließ sich weiter hören, und schon wollte er mit einem Lächeln über seine eigene Gespensterfurcht zurück auf das Lager sinken, als er wieder, und zwar ganz in der Nähe, menschliche Laute unterschied. Fast in demselben Augenblick riß jemand die Tür auf und betrat den engen Raum, während eine rauhe Stimme rief:

»Verdammtes Nest! Ich glaubte schon, ich würde es in der dunklen Nacht nicht wiederfinden. – Ist das ein Wetter – gut für Geschäfte übrigens!«

»Doch nicht naß genug«, erwiderte ein zweiter, »verwischt zwar die Spuren ein bißchen, aber nicht hinlänglich.«

»Hol' mich der Böse, wenn's nicht für mich wenigstens hinlänglich ist. Mich schüttelt's, daß mir die Zähne im Munde zusammenschlagen; wenn wir nur ein Feuer anzünden könnten.«

»Mit was denn?« fragte der andere, »alles ist naß und aufgeschwemmt, und ich habe nicht einmal einen Tomahawk bei mir, um trockene Späne zu bekommen. Als ich heute nachmittag hier war, hatt' ich zwar ein kleines Feuer, hab's auch, wie ich fortging, mit Asche bedeckt, um Glut zu haben, jetzt aber«, sagte er, in dem Kamin mit der Fußspitze herumstochernd und die Asche beiseite schiebend, »ist alles dunkel wie die Nacht. Wir dürfen uns übrigens gar nicht so lange hier aufhalten, ich wenigstens nicht, denn ich muß morgen abend wieder zu Hause sein, da sich unsere Nachbarschaft in der nächsten Woche ein wenig in Aufregung befinden wird. Sobald das Wetter nur etwas nachgelassen hat, gehe ich.«

»Unsere Pferde werden sich doch indessen nicht losreißen? Wir hätten sie besser mit herbringen sollen.«

»Die denken gar nicht dran, in solchem Wetter stehen sie still und rühren sich nicht. Nein, ich habe sie absichtlich nicht in diese Gegend geführt, da ich hier nicht gern Pferdespuren haben will. Doch jetzt zu unserer Verabredung; die Zeit ist kostbar, und das uns vergönnte halbe Stündchen müssen wir nutzen. Wann gedenkt Ihr wieder zurück zu sein?«

Brown, für den die erste Überraschung im Anfang etwas Lähmendes gehabt hatte, wurde noch mehr durch die dunklen Worte stutzig gemacht, die dieses Wetter als »gut für Geschäfte« priesen, und er wußte nicht gleich, was er tun, ob er sich zu erkennen geben oder ruhig liegenbleiben sollte. Der Gedanke, den Horcher zu spielen, war ihm aber zu fatal, und schon wollte er sich bemerkbar machen, als ihn die Äußerung des einen in seinem Vorsatz wankend machte. Der Widerwille des einen Fremden gegen Pferdespuren in der Nähe dieser Hütte machte ihn stutzig.

Sollten diese Männer zu der Bande gehören, zu deren Vernichtung sich die Regulatoren vereinigt hatten? war sein erster Gedanke, und das fortgeführte Gespräch mußte ihn immer mehr in diesem Verdacht bestärken. Leise zog er deshalb nur das Messer aus der Scheide, denn wenn er entdeckt würde, mußte er auf einen Angriff gefaßt und zur Verteidigung gerüstet sein. Er schmiegte sich dann mit angehaltenem Atem in seine Ecke zurück, um zu vernehmen, welche Pläne diese würdigen Leute hierhergeführt, und ob es ihm vielleicht vorbehalten sei, einen ihrer Anschläge zunichte zu machen.«

»Wann ich zurück sein kann?« antwortete der andere nachdenklich, »ja darüber können immerhin vierzehn Tage bis drei Wochen vergehen. Der Platz ist weit von hier, und ich muß sehr vorsichtig zu Werke gehen.«

»Vergeßt nur nicht, ehe Ihr zu meinem Hause kommt, die Vorsicht an dem kleinen Bach«, ermahnte ihn der andere. »Wenn Spuren auf mein Haus zurückführten und die gottverdammten Regulatoren Wind bekämen, so möchte eine Nachsuchung unvermeidlich werden, und das könnte Euch ebenfalls Schaden bringen.«

»Mir? Wieso denn?«

»Nun, wenn sie Eure Pferde erwischen, glaubt Ihr, ich bezahle Euch nachher den Gewinn oder vielmehr Verlust?«

»Ja so – ich glaubte schon, Ihr meintet es auf andere Art; nein, habt keine Angst, ich kenne die Vorsichtsmaßregeln genau. Aber halt, da fällt mir noch etwas ein: Wahrscheinlich werde ich selbst die Pferde nicht ganz bis zu Euch transportieren können. Ich habe gerade in jener Zeit Geschäfte, die mir hoffentlich mehr einbringen sollen; sind diese beendet, dann kehre ich bei Euch ein, und wir können miteinander abrechnen. Übrigens noch eins: Vertraut dem Mann, der Euch die Pferde bringt, in jeder Hinsicht, nur – nur gebt ihm kein Geld für mich.«

»Habt keine Angst. Wird er aber die Stelle kennen, wo er vor meinem Hause vom Weg abbiegen muß?«

»Genau – er hat sie mir selbst beschrieben.«

»Kenn' ich den Mann?«

»Ich glaube nicht.«

»Wie soll ich aber da wissen, ob der es ist, dem ich vertrauen darf?«

»Hahaha – der weiß Bescheid; doch halt, damit Ihr Euch besser verständigen könnt, so mag er nach dem Fourche la fave fragen. Ihr antwortet ihm darauf, daß der neben dem Hause fließt. Seine nächste Frage hierauf sei: ›Wie steht's mit der Weide in hiesiger Gegend?‹ und wenn er Euch zum drittenmal um einen Trunk Wasser ersucht, so öffnet ihm Tor und Tür – es ist der Rechte.«

»Gut – solche Vorsicht ist allerdings notwendig, denn ich habe nicht allein oft Gäste aus der Nachbarschaft, sondern meine Pflegetochter, die bei mir im Hause wohnt, darf ebenfalls nichts davon erfahren. Der Teufel traue Weiberzungen, 's ist schon gefährlich genug, daß es meine Alte weiß. Doch jetzt gute Nacht – der Regen hat nachgelassen, und ich muß heim. Für Euch wär's auch besser, wenn Ihr diesen Platz so schnell wie möglich wieder verließet. Mich wundert's, daß Ihr, wenn nur die Hälfte von dem wahr ist, was man sich von Euch erzählt, überhaupt noch das Herz habt, hierher zu kommen.«

»Kindergeschichten«, murmelte der andere. »Es wird übrigens nicht lange trocken bleiben, wir bekommen wahrscheinlich einen nassen Morgen.«

»Vielleicht nicht, meiner Meinung nach fängt es an kälter zu werden, und dreht sich der Wind...«

»Nun, was habt Ihr?« fragte der andere, als jener plötzlich in seiner Rede einhielt.

»War mir's doch, als ob ich hier ganz in der Nähe ein Pferd stampfen hörte.«

»Unsinn«, knurrte sein Kamerad, »die Tiere stehen eine Viertelmeile von hier entfernt. – Doch kommt, es scheint wirklich, als ob das Wetter besser werden wollte.«

Die Tür öffnete sich wieder – die Männer traten hinaus, und Totenstille herrschte aufs neue in der verödeten, dunklen Hütte. Lange aber noch lag Brown regungslos in seine Decke gehüllt und lauschte dem Sturm, der jetzt tobend durch die Ritzen und Spalten des Hauses pfiff, mit den losgerissenen Dachbrettern spielte, in den Wipfeln der Bäume rauschte und seine Bahn in tollem Mutwillen die breite Fläche des Arkansas entlang verfolgte.

Wer konnten nur die Männer gewesen sein, die hier in solcher Nacht und an solcher Stelle miteinander gesprochen hatten? Das war der Gedanke, der ihn fast einzig und allein beschäftigte. Etwas Gutes lag nicht in ihrem Plan, sonst hätten sie bessere Zeit und Gelegenheit gewählt – wer aber waren sie? Die eine Stimme kam Brown bekannt vor, und er wußte genau, daß er sie schon einmal gehört hatte. Wo aber und wann, hier in Arkansas oder in Missouri oder gar über dem Mississippi drüben, das war ihm nicht möglich zu entscheiden. Im Nachdenken darüber verwirrten sich jedoch seine Gedanken wieder. Er schloß die Augen, zog die Decke über den Kopf, um ungestört von äußeren Eindrücken jene Stimme in seinem Gedächtnis verfolgen zu können, und träumte in wenigen Minuten wieder.

Die beiden Stimmen wurden ihm dabei immer bekannter, immer vertrauter, und zuletzt konnte er sogar die Gestalten erkennen – Marion und Rowson, wie die Geliebte vor der Umarmung des ihr aufgezwungenen Bräutigams zurückfloh – immer weiter und weiter, und ihr Verfolger immer tollere und entsetzlichere Gestalten annahm, ihr immer näher und näher kam – sie zu erfassen drohte und das arme Mädchen endlich in höchster Todesangst um Hilfe schrie.

Entsetzt warf Brown die Decke von sich und sprang empor – der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn, doch – es war ja nur ein Traum gewesen. Draußen aber heulte der Uhu sein monotones, schauriges Morgenlied, ein paar Wölfe antworteten aus weiter Ferne, und ein mattes Licht kündete den nahenden Morgen.

Die Luft war bitterkalt geworden, der Wind hatte sich nach Nordost gedreht, und kein Wölkchen trübte mehr den blauen Himmel. Brown, dem die Vorfälle der Nacht jetzt fast wie ein Traum vorkamen, da sie sich mit den seinigen verschmolzen, blieb sinnend stehen und versuchte aufs neue, aber wiederum vergebens, jene Personen mit von ihm erlebten Szenen zu verbinden. Umsonst – er mußte den Versuch endlich aufgeben und ging nun mit um so größerem Eifer daran, sich in der Beschäftigung des Augenblicks zu zerstreuen und zu vergessen, was er doch nicht ändern oder ergründen konnte. Mit dem letzten Mais, der ihm geblieben, fütterte er sein Pony, führte es dann an eine kleine, durch den Regen gebildete Lache, um seinen Durst zu löschen, sattelte es und war schon im muntern Trabe auf dem Heimweg, ehe noch die Sonne durch einen einzigen Strahlengruß ihr Kommen angekündigt hatte. Die frische Morgenluft und der scharfe Ritt gaben aber seinem Körper wie seiner Seele neue Spannkraft, und das kleine muntere Tier, das er ritt, trabte, von dem leichten Schenkeldruck berührt, mit freudigem Schnauben durch das flache, sumpfige Tal des Arkansas, bis es die ersten niederen Hügelreihen erreicht hatte und nun, festen Boden unter den Hufen fühlend, tüchtig ausgriff, als ob es sich selber danach sehne, die heimische Weide recht bald wieder zu begrüßen.

Da sah der Reiter auf dem breiten, ausgehauenen Wege, dem er folgte, einen Fußgänger schnell daherschreiten und erkannte im Näherkommen zu seinem Erstaunen den Indianer.

»Assowaum!« rief er, indem er dem Pony mit rascher Hand in die Zügel griff, »Assowaum – was in aller Welt führt dich dieses Weges? Wohin willst du?«

»Bis zu dieser Stelle«, antwortete ruhig der Indianer, indem er die ihm dargereichte Hand erfaßte und drückte.

»So hast du mich gesucht? Was ist vorgefallen?«

»Viel – sehr viel – und weiß mein Bruder gar nichts davon?«

»Ich? Woher ich – war ich nicht – und doch – die beiden Männer in der letzten Nacht – ihre geheimnisvolle Zusammenkunft – wer weiß, in welcher Verbindung das mit dem steht, was du mir zu sagen hast. Doch heraus mit der Sprache – ich brenne vor Neugierde.«

»Und wißt Ihr gar nichts?«

»O zum Henker, Assowaum, schneid nicht so ein gewichtiges Gesicht«, rief Brown lächelnd. »Wenn ich am andern Ufer des Arkansas bin, wie kann ich da wissen, was am Fourche la fave vorgeht?«

»Aber vor Eurer Abreise –«

»Mein Streit mit Heathcott?«

»Heathcott ist ermordet!« sagte der Indianer ernst, indem er dem jungen Mann forschend ins Auge sah.

»Gerechter Gott!« rief Brown, das Pony zurückreißend, daß es hoch aufbäumte in jähem Schmerz, »das wäre schrecklich!«

»Der Verdacht ruht auf Euch«, fuhr der Indianer, den Blick nicht von ihm wendend, fort, »und man versteht Euch auch völlig. Der Tote hat wilde Drohungen ausgestoßen – hätte sie vielleicht wahr gemacht – war möglicherweise im Begriff, sie wahr zu machen, und Eure Tat wird, wie sie sagen, dadurch gerechtfertigt, nur...«

»Assowaum!« rief, diesen unterbrechend, der junge Mann, indem er aus dem Sattel sprang und neben den Indianer trat, »Assowaum, bei jenem blauen Himmel da droben, der sich über uns ausspannt – bei dem Grabe meines Vaters – bei dieser Hand, die ich rein und frei emporstrecke – ich bin unschuldig an dem Morde. Ich habe den Unglücklichen seit dem Augenblick, wo wir uns vor Roberts' Haus trennten, nicht wieder gesehen. Glaubst du noch, daß ich schuldig sei?«

Der Indianer streckte ihm lächelnd die Hand entgegen und rief mit freudigem Ton: »Assowaum hat es nie geglaubt – wenigstens nicht von dem Augenblick an, wo er hörte, der Ermordete sei beraubt worden.«

»Und auch dessen beschuldigt man mich?« fragte jener entsetzt.

»Böse Menschen – ja, die guten kennen Euch besser. Mr. Harper und Mr. Roberts glauben es nicht.«

Brown barg bei Roberts' Namen das Gesicht in den Händen und stützte sich seufzend auf den Sattelknopf des ruhig neben ihm anhaltenden Tieres.

»Laßt Euren Fuß sehen!« sagte jetzt der Indianer, indem er den Tomahawk aus dem Gürtel zog.

»Weshalb? Hast du die Fährte gemessen?«

Assowaum nickte und hielt den Stiel der Waffe an die Sohle des Freundes.

»Dreiviertel Zoll zu lang«, sagte er dann vergnügt vor sich hin lachend, »dacht' es doch!«

»Ich trug die Stiefel nicht einmal an jenem Morgen, an dem ich den Fourche la fave verließ«, sagte Brown, indem er in die Satteltasche griff: »hier diese Mokassins. Waren es Stiefelfährten, die du beim Tatort entdecktest?«

Der Indianer nickte wieder zustimmend, aber langsamer als vorher, und es schien, als ob ihm ein neuer Gedanke gekommen sei. Er legte den Tomahawk vor sich auf die Erde nieder und schien mit der markierten Länge am Stiel ein anderes Maß zu vergleichen, das er sich durch Ausspannen der Finger gemerkt, dann aber schaute er plötzlich mit einem so wilden und stieren Blick zu dem jungen Amerikaner empor, daß dieser entsetzt einen Schritt zurücktrat und ihn fragte, was er habe – an was er denke.

»Nichts – nichts«, Assowaum lächelte geheimnisvoll, »kommt, wir müssen zurück, die Zeit vergeht. Sie halten Euch für schuldig; böse Menschen sprengen allerlei Gerüchte aus – und der kleine Mann ist krank geworden – er liegt allein; Alapaha hört die Predigt des blassen Mannes und wird erst am Abend zu ihm zurückkehren. Will mein Bruder ihnen nicht selber sagen, daß er schuldlos ist?«

»Aber wo geschah der Mord? Wie erfuhr man das Entsetzliche?«

»Fort – fort, wir können gehen und reden – Assowaum muß an den Fourche la fave.«

Mit schnellen Schritten eilte der Indianer jetzt den Weg, den er eben erst gekommen, zurück, und Brown mußte das Pony fast stets in einem kurzen Trab halten, um an seiner Seite bleiben zu können. Dabei machte jener ihn mit allen den Vorgängen, bei denen er Zeuge gewesen war, bekannt und erfuhr nun auch seinerseits alles, was Brown über das nächtliche Rendezvous der beiden Männer wußte. Der Indianer behauptete dabei, daß ihm heute morgen ein Mann auf großem, braunem Pferde begegnet sei. Er habe aber sein Gesicht nicht erkennen können, da er ganz in seine wollene Decke eingehüllt gewesen wäre und diese beim Anblick des Indianers eher noch fester um sich gezogen hätte.

»Vielleicht, daß dies einer der beiden war«, fuhr Assowaum fort, indem er auf die Hufspuren hindeutete, die vor ihnen herliefen, »vielleicht nicht; aber hier ist die Spur, und wir können ihr folgen.«

Davon wurden sie jedoch abgelenkt, denn als sie in das Fourche-la-fave-Tal kamen, war dies durch den Regen der vorigen Nacht und durch das Übertreten einiger kleiner Gebirgsbäche so sumpfig geworden, daß der Indianer vorschlug, den nicht mehr weit entfernten Fluß in gerader Linie zu erreichen und den Weg in einem Kanu, das er bei einem dort wohnenden Farmer zu erhalten hoffte, fortzusetzen. Bei hohem Wasser schoß der kleine Strom nämlich mit ungeheurer Schnelligkeit dem Arkansas zu, und dehnte sich auch der Weg durch die unzähligen Wendungen der Strömung um manche Meile weiter aus, so konnte er doch in einem leichten Fahrzeuge schneller zurückgelegt werden, als wenn die Wanderer ihren schlammigen Weg Meile um Meile langsam fortsetzen mußten.

Brown gehorchte gern dem Rate des Freundes, da er solcherart Roberts' Wohnung umgehen konnte. Das sumpfige Tal also vermeidend, folgten sie einem sogenannten Ablauf der Berge, der sie trockenen Fußes bis unmittelbar an das Ufer des Flusses brachte, und die Sonne stand noch mehrere Stunden hoch, als sie dort die Wohnung eines der älteren Ansiedler des Fourche la fave, namens Smeiers, erreichten.

Wie der Indianer aber vermutet hatte, so schäumte der Fluß in zorniger Wut gegen die ihn beengenden Felswände an; der Farmer warnte auch die Männer, sich dem kleinen, schwankenden Kahne anzuvertrauen, da sie Stellen zu passieren hätten, in denen sich selbst ein geübter Schwimmer nicht würde retten können. Doch überließ er ihnen gern den Kahn und versprach auch, am nächsten Tage, einem Sonntag, das Pony mit seinem ältesten Knaben nach Harpers Wohnung hinunterzuschicken. Das Kanu aber kaufte ihm Brown gleich ab, da er es im Fluß, an seines Onkels Haus, zu behalten wünschte.

Ihr freundlicher Wirt tischte indessen auf, was in seinen Kräften stand, um die müden Wanderer zu erquicken und zu stärken; wilden Truthahn und Honig, süße Kartoffeln, Kürbismus und Maisbrot sowie einen Becher echten Monongahela-Whiskys, und beide ließen sich nicht lange nötigen, an dem freundlich gebotenen Mahl teilzunehmen.

»'s ist heute wieder einmal alles ausgeflogen«, sagte der alte Mann, als ein kleines Negermädchen die letzte Schüssel hereingetragen und die Gläser der Gäste mit frischer, köstlicher Milch gefüllt hatte.

»Wohin?« fragte Brown, das Glas von den Lippen nehmend.

»Betversammlung ist heute!« unterbrach ihn der Indianer, indem er das Messer neben sich in den Tisch stieß und den Truthahnflügel in die Finger nahm, »der bleiche Mann muß nicht viel von der Tugend der Weißen halten, denn er läßt sie alle Wochen ein paarmal zu ihrem Großen Geiste beten.«

»'s ist wahr!« meinte der Farmer, indem er einen herzhaften Schluck aus dem Whiskybecher getan und diesen dann Brown hinüberreichte, »es wird mir bald zu toll. Mein Nachbar hier, Smith, ist auf einmal mit seiner ganzen Familie religiös geworden, wie sie's nennen, und da half denn weiter gar nichts, meine Alte mußte ebenfalls mit, und schleppt sich nun zur Gesellschaft die armen Mädchen mit hinüber, die doch wahrhaftig noch an was anderes zu denken hätten als nur an Beten.«

»Die Frauen fühlen eher das Bedürfnis, sich zu ihrem Gott zu wenden, als wir Männer«, erwiderte Brown, dachte er doch der Geliebten, wie er sie so oft in kindlich-frommer Andacht gesehen. »Unser ganzes Schaffen und Wirken läßt uns schon zuwenig Zeit übrig, das Herz Gefühlen zu öffnen, die genährt und gepflegt sein wollen. Den auf den engen Kreis ihrer Häuslichkeit angewiesenen Frauen ist die Religion dagegen fast ein Teil ihrer selbst, und ich möchte sie drum nicht tadeln, wenn sie mit einer Innigkeit und Verehrung an jenen kirchlichen Gebräuchen hängen, die der rauhere Mann in dem Grade wohl nicht für sie empfindet.«

»Bester Herr«, sagte der Alte in freundlichem Tone, »der liebe Gott soll mich behüten, daß ich den Frauen gram oder auch nur hinderlich werden sollte, wenn sie beten wollen; aber verdammt will ich sein, wenn ich nicht glaube, daß sie auch noch etwas anderes auf der Welt zu tun haben als nur zu beten. Der Teufel hole die Betschwestern – das sag' ich, und das ist, glaub' ich, das Schlimmste, was man mit gutem Gewissen selber dem Teufel wünschen kann.«

Assowaum nickte lächelnd mit dem Kopf und sagte:

»Ich werde Alapaha hier heraufschicken – solche Predigt täte ihr besser als die des blassen Mannes.«

»Mißverstehen Sie mich nicht«, erwiderte Brown, »Gott weiß es, wie zuwider mir das Frömmeln ist, und es scheint wirklich, als ob es in diesen Ansiedlungen ein wenig überhandnehmen wollte, doch liegt das vielleicht mehr an den Leuten selbst als an dem Prediger. Ich glaube wenigstens, daß Mr. Rowson mit Überzeugung spricht und das im innern Herzensgrunde fühlt, was er predigt.«

»Aufrichtig gesagt, glaub' ich das nicht«, rief der Farmer, ungeduldig auf dem Stuhl umherrückend, »ich habe ihn zwar erst einmal gehört, da hat er mir aber nicht gefallen. Das Augenverdrehen ist ein böses Zeichen. Wenn ein Mensch erst anfängt, wie ein krankes Huhn auszusehn, dann kann ich mir nicht denken, daß er noch imstande ist, große Andacht zu haben. Doch – meinetwegen – ich werde ihm nicht wieder beschwerlich fallen, wünsche aber wirklich, er gebe meinen Frauen, wenigstens nur einer von ihnen, jedesmal Urlaub; daß es doch bei mir auch aussähe, als ob ich eine Heimat hätte. – Aber Sie sind fertig und scheinen Eile zu haben; nun, mein Geschwätz soll Sie nicht länger aufhalten. Nehmen Sie sich übrigens mit der Nußschale in acht, die Strömung ist sehr arg und ein Unglück leicht geschehen

»Keine Angst, Sir«, erwiderte Brown lächelnd. »Wir wissen beide mit solchen Fahrzeugen umzugehen, und ich habe ja einen Indianer, der das Steuer führen wird; in besseren Händen könnt' es nicht sein. Also das Pony kommt sicherlich morgen hinunter?«

»Nach Mr. Harpers Haus – Sie können sich drauf verlassen«, sagte der Farmer. »Ihr Name ist Harper, nicht wahr?«

»Brown! Sir.«

»Brown?« fragte der Alte schnell und erschrocken, indem er das Auge fest auf den jungen Mann heftete, der seinem Blick indessen ruhig begegnete, »Brown? Doch nicht der...«

»... von dem man sagt, daß er den Regulator ermordet habe? Derselbe, Sir«, erwiderte der junge Mann; »aber«, fuhr er fort, indem er einen Schritt vortrat und leichtes Rot seine Wangen färbte, »es ist schändliche Verleumdung, und ich bin jetzt auf dem Wege, das Gerücht Lügen zu strafen. Ich habe den Mann nicht erschlagen.«

»Er hat Euer Leben bedroht«, fuhr der Farmer, noch halb zweifelnd, fort.

»Ja!« rief Brown, »und ich würde ihn getötet und dann frei und offen die Tat bekannt haben, hätte er sich mir im ehrlichen Kampfe entgegengestellt. Der Mann ist aber, wie mir hier der Indianer sagte, von zweien überfallen, gemordet und beraubt, und – sehe ich denn aus wie ein Meuchelmörder?«

»Nein, straf' mich Gott, Ihr nicht«, rief der Landmann, des jungen Mannes Hand ergreifend. »Ich kenne Euch nicht weiter, aber Ihr habt was Ehrliches, Braves im Gesicht, und da Ihr selber sagt, daß Ihr's nicht waret, so will ich verdammt sein, wenn ich's nicht glaube. Meine Mädchen waren gestern unten bei Roberts gewesen, und die meinten auch, Mr. Rowsons Braut hätte Euch sehr in Schutz genommen.«

»Assowaum, wir müssen wirklich fort«, rief Brown, sich plötzlich zu dem Indianer wendend, der schon, seiner harrend, in der Tür stand.

»Ich bin bereit – es wird spät«, erwiderte dieser, und noch einmal drückte der junge Mann dem Farmer herzlich die Hand, dankte ihm nicht allein für seine Freundlichkeit und Güte, sondern noch mehr für das Vertrauen, das er in ihn setzte, und sprach die Hoffnung aus, seine Unschuld bald und völlig ans Tageslicht gebracht zu sehen.

Die Männer bestiegen nun das Boot. Vom Ufer losgebunden, glitt das leichte Fahrzeug, jetzt von den zwei kräftigen und geschickten Männern getrieben, mit großer Schnelligkeit über die kochende, schäumende Flut und verschwand schon in der nächsten Minute um den vorspringenden, eine spitze Landzunge bildenden Felsen, der sich mehrere hundert Schritt unterhalb der Wohnung des Farmers in den Fluß hineinstreckte.

Glücklicherweise aber passierten die beiden Freunde die gefährlichsten Stellen noch bei Tageslicht, besonders solche Plätze, wo in den Fluß hineingeschwemmte Birken und Weiden einem so kleinen Fahrzeug leicht hätten gefährlich werden können. So erreichten sie, als es eben anfing zu dämmern, den seichteren, aber auch breiteren Teil des Stromes.

Schweigend glitten sie jetzt, nicht mehr rudernd, sondern bloß steuernd, mit der Flut hinab, als Assowaum plötzlich mit der Hand nach vorn deutete und seinen Gefährten, der mit dem Rücken zum Bug des Kahnes saß, auf einen hellen, vor ihnen sichtbar werdenden Schein aufmerksam machte.

»Sonderbar – was kann das sein?« sagte Brown, »soweit es die dichten Büsche erkennen lassen, sieht es aus wie viele Lichter oder Fackeln. In welcher Gegend mögen wir uns nur befinden? Ist denn hier ein Haus am Ufer?«

»Ja!« sagte der Indianer leise, den Kahn dort hinübersteuernd, »ja – eine leere Hütte. Alapaha war hier gestern abend – wir wollen landen.« Im nächsten Augenblick schoß auch schon das kleine leichte Fahrzeug an die Uferbank, wo es von den beiden Männern schnell mit einer dünnen, festen Weinrebe am Stamm einer jungen Birke befestigt wurde.


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