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5. Kapitel. Warum Lotte nicht nach Dublin gelangte und Willi Geld herausbekam!

 

Brief aus Liverpool an Frau Geheimrat Bach.

»Meine alte Mieze! Mein Wonnchen! – Mein Mann weiß garnicht, welch Glück er hatte, als mich der Storch zu Euch brachte und Gott Amor ihm zu einer Bekanntschaft mit mir verhalf. Denke bloß, wenn der Willi eine Andere geheiratet hätte! – – – Wozu soll man sich solche Scheußlichkeiten ausmalen? Wir beide sind froh, daß er mich hat. Was nicht ausschließt, daß er froh ist, daß ich ihn habe! – – Wir haben das englische Seeengebiet schneller verlassen, als wir beabsichtigten. Es gab dort verschiedentlich schlechtes Wetter, der Wind drehte sich plötzlich. Dies machte uns mit verdreht. Bis wir ganz entschlossen die Sonne mit Gewalt in unser Dasein zurückzauberten und abreisten. Doch was verstehst Du, Dickes, in Deinem behaglichen Berliner Nest von englischer Naturphilosophie? –

Es genüge Dir, daß wir im Börsenstations-Hôtel in Liverpool sehr gut untergebracht sind. Der Mersey-Fluß, welcher sich hier in die Irische See ergießt, schlägt große Wellen mit weißen Schaumkronen. Der Wind heult. Ein kalter Regen gießt, durch all den Ruß etwas geschwärzt, zur Erde. Die Schiffe schaukeln in den Docks und auf dem Wasser, daß die Ankerketten ächzen. Und oben am Hafen auf der Wetterstationsstange ist der Sturmball emporgezogen. In dem Schiffsbüreau liegt die Depesche vor: »Irische See sehr bewegt«. – Das Scheusal mit seinen kurzen Stoßwellen hat es überhaupt in sich! – Schon in Ambleside und Windermere-Bowness hatte man uns vor diesem Kanal gewarnt und voller Menschenliebe Schaudergeschichten erzählt. – In Rückerinnerung an »Kotzebues Verzweiflung« bei dem schottischen Ausflug nach Jona und Staffa graute mir vor der Fahrt nach Irland. Nebenbei war mein Magen etwas verkolkst, und eine kleine Erkältung tobte in mir nach. Ich wollte mich aber vor meinem geliebten Herzensmann nicht wieder als so feige zeigen und plauderte tapfer über die geheime Angst und das Herzklopfen fort. So kamen wir hier an und fuhren sogleich in einem Cab nach dem gigantischen Landing Stage, einem gewaltigen Ponton oder schwimmenden Quai, wo die Dampfboote anlegen. Hier lag ja auch das Schiff, welches abends den Liverpooler Hafen verließ, um uns in neun bis elf Stunden nach Dublin zu bringen. – Du kannst Dir denken, wie mir zu Mute war, als ich das tobende Wasser sah und die schlechten Berichte hörte! Ich beklagte innerlich bereits meinen frühen Tod und haßte die Fische, welche sich an meinem Urinnersten mästen sollten. –

Willi wollte sich das Schiff erst als Kenner betrachten und ließ mich in dem Büreau seiner warten. Ich benutzte die Gelegenheit zu gründlichen Informationen und hörte vergnügt, daß die Firma Cook mir durch Stangen, Berlin, sicher die Gelder für nicht benutzte Billete zurückerstatten würde. – Nun war mein Entschluß gefaßt. Mein Gatte erschien und beruhigte mich tröstend mit der Güte und Vortrefflichkeit des Schiffes. Folgender, kurzer Dialog entspann sich zwischen uns:

»Willi, Dir liegt sehr viel an Dublin?« – – »Oh nein, Liebstes, aber Du wolltest doch gern auch Irland sehen!« – – »So? Also um meinetwillen? Wie lange wollten wir drüben verweilen?« – – »Ein bis zwei Tage, da Du ja nicht nach Killarney willst!« – – »So, hör' mal, mein teurer Gatte, die Verantwortung nehme ich nicht auf mich, daß Du um solch kurzer Frist willen hin neun bis elf und zurück drei bis vier Stunden seekrank wirst. Ich verzichte, besonders bei diesem Wetter, endgültig auf Dublin! Willst Du es durchaus und durchum genießen, so fahre hin, und ich bin bereit, Dich in Holyhead zu erwarten! Mehr kann ich nicht thun!« – – – – – – Kurz und gut, mein Willi lachte, und in Erinnerung an die jüngste Vergangenheit verzichtete er auch seinerseits auf Irland. –

Sofort war meine Indisposition verschwunden, und meine Stimmung schnellte vom Nullpunkt auf den höchsten Wärmegrad Reaumur empor. Schnuppe waren mir die fremden Menschen und ihre blöderstaunten Glotzaugen. Ich flog meinem Einzigen um den Hals und küßte ihn halbtot. – So brauchst Du nicht um uns zu zittern, wonniges Altes! – Wasser hat keine Balken. Wir bleiben deshalb auf festem Boden und nähren uns redlich. – – – Giebt es noch so einen Mann wie Willi auf der Welt?! – – Nee, ich schwöre, daß nicht! – Er war erstaunt, als ich einen gemieteten Wagen sofort nach dem Reisebüreau von Cook dirigierte. Ich bat ihn, sitzen zu bleiben, und ordnete allein die ganze Geschichte. Wir erhielten Billete nach London und den ganzen, in Berlin an Stangen zuviel bezahlten Rest des Geldes, d. h. die Fahrt von hier bis Dublin und von dort bis Holyhead, auf das Coulanteste ausbezahlt! – Mein Schatz war baff, als ich ihm die Fahrkarten und die Moneten in seine liebe Vorderflosse schüttete. Ja, die Tochter seiner Schwiegermutter – die Bachstelze – ist ein Hauptkerl. Sie und der Sohn ihrer Schwiegermama werden gleich fortfahren, um sich das ernste, schöne Liverpool mit seinen interessanten Docks und dem wundervollen Georgsplatz genauer anzusehen. Beide wollten Dir nur dies Lebenszeichen senden, Wonnenudel! Sie küssen Dich innigst und umarmen Dich in treuster Liebe! Wi – Lo.« –

»Verehrte Mutter, lache nicht über mich nachgiebigen Pantoffelhelden! Aber konnte ich das totenblasse Hasenherz bei Nacht und Sturm, wenn nicht zwingende Gründe vorlagen, auf das Meer jagen? Nein, das ging nicht! Dafür ist sie jetzt so selig, daß mich ihr geliebtes Gesicht für alle Dublins der Welt entschädigt! – Vielleicht unterrichtest Du Mutter Feller von diesem neusten Stücklein Deiner heldenhaften Kinder Lotte und Willi.«


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