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1. Kapitel. Verschiedene Herzensergüsse.

»An Frau Feller, geb. von Hors-Berlin.

»Meine hochverehrte Mama! Nach etwas ermüdender Fahrt bin ich mit meinem inniggeliebten jungen Weibe in Amsterdam gelandet. Ich beeile mich, Dir zu Deiner Beruhigung davon Kunde zu geben. Wie ein lachendes Sonnenland, ein Paradiesestraum scheint mir die ganze Erde! Du wirst über den verliebten Ehegatten lächeln, nicht wahr, hochverehrte Mutter; aber nichts kann mich hindern, mein Glück auszusprechen! Am liebsten jubelte ich es in die Welt hinein. Lotte ist mein, für Zeit und Ewigkeit! Mein Weib und Dein Kind! Liebe es, Mütterlein, wie mich! Lotte ist das einzige weibliche Geschöpf, welches außer Dir auf die Dauer beglücken kann – Deinen Dich innig verehrenden und herzlichst grüßenden Sohn.«

»Hochverehrtes Etepetetchen! Da wären wir in Amsterdam. Schneidig, was? Willi ist außer Rand und Band. Warum hast Du ihn nicht besser erzogen? Ich komme mir neben ihm wie eine reife Tugendtante vor. Dennoch ist er – – – – wonnig, wonnig in die Potenz erhoben! Aber sage ihm das nie wieder, sonst bildet er sich noch was darauf ein. Er hat schon zweimal Tyrannengelüste gezeigt. Das muß ich ihm selbstplaudernd noch austreiben! Kommt Zeit, kommt Rat! Vorläufig küßt Deine schmalen, weißen Hände in treuster Ergebenheit – Deine unverschämt glückliche und wahnsinnig verliebte (Pscht, er kommt) Schwiegertochter Lotte, Frau Doktor Feller!«

Lotte saß im Lesezimmer des Hôtels am Schreibtisch. Neben ihr schrieben noch verschiedene Herren, von denen der eine die junge Frau mit dem kecken Reisehütchen eingehend musterte. Sie warf ihm schon zum zweiten Male abweisende Blicke zu, aber vergeblich. Jetzt trat ihr Gatte in das Gemach. Rasch schrieb sie die letzten Worte, preßte den Bogen auf das Löschblatt und steckte ihn hastig in den Umschlag. Risch rasch fuhr die kleine Zunge über den Leimrand. Ein Druck: der Brief war geschlossen. – – »Nanu, schon wieder zwei Sünden! Ich sehe, es ist die höchste Zeit, daß Du in meine Hände kommst, verwahrlostes Geschöpf!« – flüsterte er ihr in das Ohr und legte kosend seine Rechte auf ihre Schulter. »Was ist denn nun wieder los? Oller Brummbär?« – fragte sie und blickte zu ihm auf. – Er vertiefte sich lächelnd in ihre Züge, ehe er sagte: »Erstens leckt man keine geleimten Umschläge, weil man sich dabei etwas Unangenehmes holen könnte; zweitens verschließt man als brave Frau keinen Brief, ehe man ihn seinem geliebten Eheherrn zur Begutachtung vorgelegt hat!« – – »Das könnte Dir so passen, glaube ich! Is nich', Jungeken! Diese Zeilen gehen an Deine Mama, der ich eine wichtige Meldung machen mußte. Die ist nichts für Kinder!« – – »Zeig' her, Lotte!« – – »Nich' in die Tüte!« – – »Du willst nicht parieren?« – – »Im Gegenteil!« – – »Na warte!« – – »Du, Ehemann, benimm Dich artig, alle Herren sehen schon her. Muß man uns denn durchaus die Hochzeitsreisenden auf tausend Schritt weit ansehen? Ich habe mich im Zuge und in Hannover schon genug geschämt. Alle Kellner grinsten, und das Zimmermädchen wurde ganz rot!« – – Willi lachte. »Warum kommt sie gerade mit ihrem dummen Wasser, als wir uns 'mal einen Kuß geben wollten? Pah, die Hôtelleute sind an solche Sachen gewöhnt!« – – »Ich danke, Herr Franke! Um keinen Preis der Welt möchte ich zur Bereicherung ihrer Erfahrungen beitragen! Warum bestandest Du auf der alten Reiserei? Jetzt trage die Folgen, denn ich erkläre Dir, daß ich mich so würdig benehmen will wie noch nie!« – – »Kannst Du ja garnicht!« – – »Ich? Oho! Ein so weitgereister Mensch wie ich! Pah! Du hättest nur sehen sollen, wie ich den dicken Knopp da, den mit dem Ziegenbarte, in Schach hielt!«

– – Willis schöne Stirn furchte sich: »Hat er Dich belästigt?« – – »I wo, war mir sogar schmeichelhaft!« – – »Hat er etwa gewagt, Dich anzusprechen?« – – »Erst recht nicht'! Angestarrt und angegrinst hat er mich! Ich schien ihm zu gefallen, selbstverständlich!« – – »Ich hätte die größte Lust, dem Galgengesicht ein Beinchen zu knicken! Er hat meine Frau absolut nicht anzuglotzen!« – – »Rowdy!« – – »Lern' mich nur erst kennen!« –

Lotte drehte ihren Stuhl um: »Deine Mama ist erledigt, jetzt kommt meine Mieze dran. Die beiden kriegen natürlich Briefe, die andern nur Ansichtskarten. Nachher wollen wir gleich welche kaufen!« – – »Hat es nicht bis morgen früh Zeit, Schatz?« – meinte er lächelnd. – »Gewiß, Liebster! Aber mach' Dich darauf gefaßt, die ersten Wege in jeder Stadt gelten stets den Postkartenbesorgungen!« – – »So huldigst Du auch diesem unseligen Sporte, Lotte?« – – »Ja, kann man denn anders? Die Sammler machen einen ja rein toll mit ihrem Quälen. Schließlich kommt man sich förmlich unaufmerksam vor, wenn man nicht überall an sie denkt! Aus allen Reisen litt ich darunter. Zuletzt absolvierte ich die Massenschreiberei resigniert wie eine unabweisbare Pflicht! Man muß allen Lieben Grüße senden, als Zeichen, daß man ihrer gedacht! Und man muß die Sammlungen vergrößern helfen! Paß nur auf, mein armer Liebster, wie ich das Reisebudget belaste!« – – »Davor habe ich weiter keine Angst, – meinte er lustig – es wird schon langen! Aber die Schreiberei dulde ich nicht. Dazu ist die Zeit zu kostbar und zu schade! Wir wollen unser Tagebuch führen, das wird manche Stunde ohnehin beanspruchen; aber – tu l'as voulu!« – – »Na ob, denke mal, wie schön das wird, wenn wir als Mummelgreise gebrechlich am Kamin hocken!« – – »Allerliebste Aussicht! Du bist mir heute lieber, ich bin nicht für Petrefakten!« – – »So, also Du willst nicht mit und neben mir alt werden?« – – »Gewiß, kleiner Herzensdieb, aber wozu in der Maienzeit unseres Glückes an Nachtfrost denken? Genießen wir das herrliche Heute!« – – »Gewiß, Du gräßlicher Kerl, dafür bin ich auch. Aber der kluge Mann baut vor! Darum müssen wir jetzt ein quietschiges, seliges Tagebuch führen. Wenn dann die Mummelei losgeht, lese ich es Dir vor, und wir genießen unser gegenwärtiges Glück von neuem!« – –

»Gut und schön, Weib meines Herzens, aber komme jetzt aus diesem Zimmer an die Luft oder in unser Gemach, verstanden? Ich halte es, inmitten dieser Fremden, nicht mehr aus!« – – »Ich kann mir nicht helfen, Willi, so mußt Du es eben aushalten lernen! Ich muß doch an Mieze schreiben!« – – »Thue das bei uns. Ich lasse Feder, Tinte und Papier bringen!« – – Lotte drehte sich energisch um: »Das kenne ich! Oben läßt Du mich doch nicht in Ruhe! In zehn Minuten bin ich so Weit – – – –« – – »Liebstes, wenn Du nicht parierst, geschieht ein Malheur!« – – »Ich vertraue Dame Fortuna!« – erwiderte sie und tauchte die Feder ein. – – Er beugte sich vor und flüsterte ihr zu: »Ich zähle bis drei, Lotte! Und wenn Du Dich dann nicht sofort erhebst, küsse ich Dich hier vor all den Leuten ab, wie noch nie in Deinem Leben! Mein heiliges Ehrenwort darauf!« – – Sie erschrak ein wenig und blickte sich hastig um. Schon wurden sie beide beobachtet. – – »Dazu bist Du hoffentlich zu wohlerzogen!« – raunte sie halb empört, halb ängstlich. – – »Oho, fordere es nicht heraus! Ich bin jetzt schon durch mein Wort verpflichtet! Lotte!« – Sie versuchte, zu schreiben. »Eins!« – Sie fuhr trotzig fort. – »Zwei!« klang es da recht energisch. »Ich warne, Dich, liebe Frau!« – – Ehe er noch die letzte Zahl aussprechen konnte, erhob sie sich. Sie kannte ihn und wußte, daß er sein Versprechen halten würde. Und ein Schauspiel ihres jungen Glückes zu geben, das haßte sie. Also mußte sie schon gehorchen. –

Widerwillig, brummend und doch lachend, durchquerte sie den langen Raum. Er folgte ihr. Auf seinem lächelnden Gesicht leuchtete eine große Befriedigung. Das Treppenhaus lag totenstill, kein Mensch war zu erblicken. Feller schaute ringsum, hinauf, hinab – – – dann beugte er sich blitzschnell vor, hob die nichtsahnende Lotte mit starken Armen empor und trug sie treppauf. – Sie wehrte sich, strampelte, schalt, bat und beschwor: »Du verhebst Dich! Du thust Dir Schaden! Wirste wohl loslassen! Du, ich – – – – ich – – reise ab!« – – »Ich lasse es darauf ankommen, Kleine, Du kehrst auf der nächsten Station ja doch um und bist froh, wenn Du nur erst wieder bei mir bist! Artig, Kindchen, wenn Du so ausschlägst, kriege ich blaue Flecke!« – – Sie rührte sich nicht mehr, aber ihre Augen blitzten ihn zornvoll an. Es störte ihn wenig. Mit Sturmschritt durchmaß er den Korridor, drückte mit dem Ellbogen die Klinke nieder und trug sie hinein ins Zimmer. Dann stieß er die Thür ins Schloß und trat in ihr großes, schön ausgestattetes Gemach. Mit der geliebten Last ließ er sich jetzt schwer atmend in den Diwan sinken: »So! So macht man es! Du Süßes!« – – Bei Lotte überwog die Angst die Wut. »Siehst Du, Deine Puste is weg! Wie schwer Du atmest, Du wirst dir 'was verletzt haben! Und ich bade es aus!« – – »Nanu – stieß er hervor – wenn ich mir weh thue?« – – »Natürlich! Als ob ich es dann nicht dreifach spürte! Zehntausendmal lieber will ich Schmerzen haben, als Dich leiden sehen! – rief sie, und Thränen traten in ihre Augen. – Aber so seid Ihr Männer alle – – – so rücksichtslos und so frech! Sobald Ihr uns einmal habt, seid Ihr sicher und kommandiert wie die Unteroffiziere, und obendrein diese Unvernunft! Es ist zum aus der Haut fahren!« – – Trotz ihres Scheltens ließ sie seinen Zärtlichkeitsausbruch über sich ergehen und hielt seinen Küssen stand.

»Das dürfen wir auch! – jubelte er endlich – Gewalt geht bekanntlich vor Recht! Ihr kleinen Weiberlein seid uns brutalen Barbaren eben mit Haut und Haaren ausgeliefert. Du mir ganz besonders! Du hast nur still zu halten und lieb mit mir zu sein, wenn Du das gut machen willst, was Du in der letzten Zeit an mir gesündigt. In dieser Erkenntnis kann man Dich jetzt endlich ungeniert herzen und kosen. Alle kleinen Zuwiderwurzen kommen nach der Hochzeit auf den Geschmack und ziehen die Stacheln ein! – Fast hatte ich an Dir schon verzweifelt; aber man muß nie die Fahne sinken lassen, jetzt hast Du es schon dreimal fertig gebracht!« – – »Ich etwas fertig gebracht? Was denn?« – fragte sie erstaunt. – »Du hast mich gestern in Hannover und heute in der Bahn und vorhin hier schon von selbst angefallen und geküßt. Du – mich, – nicht ich – Dich, wohlverstanden? So lange ich Dich kenne, war das noch nicht passiert. Das Unerwartete – »hier ward's Ereignis!« – – Sie schmiegte sich an ihn und legte die Arme um seinen Hals: »Oller Schwindler!« – – »Oho, es ist wahr, entsinne Dich nur!« – – »So – – – – dann geschah es unbewußt!« – – »So muß es auch sein! Mehr will ich garnicht!« – – »Ich schäme mich auch dessen nicht! Jetzt habe ich das Recht, es Dir zu sagen, Du bist jetzt mein Mann! Da kann ich – – – –« – – »Nein, Du mußt, sollst sogar, hast die heilige Verpflichtung!« – – »Wenn Du es derart auffaßt, dann hört es auf! Verpflichtungen giebt es in der Liebe nicht. Da ist jede Gabe freiwillig!« – – »So? Seit wann?« – – »Seit Urväter Zeiten! – widersprach sie erregt – Ich nehme jedes Liebeszeichen von Dir auch jetzt noch als Gnadengeschenk, und ich verlange von Dir zum mindesten das Gleiche!« – – »Sieh Einer an! Man lernt nie aus!« – – »Stimmt, geliebtes Vieh! Nun laß mich aber an Mama schreiben, damit wir hinauskommen und etwas sehen!« – – Sie wollte von seinen Knieen gleiten. Er hielt sie fest: »Wozu denn sehen, Liebstes? Hier ist es so schön, und Amsterdam läuft uns nicht weg!« –

Sie küßte ihn noch einmal zärtlich auf jeden Teil seines Gesichtes, dann machte sie sich sanft frei und stand vor ihm. »Aha, da haben wir's! So habe ich es mir gedacht! Nein, mein Jungeken! Wärst Du mir gefolgt, so hätten wir keine Hochzeitsreise gemacht, sondern uns in den stillsten Winkel von Rügen zurückgezogen oder wir wären ganz daheim geblieben. Jetzt sind wir hier, haben ein Riesenpensum in beschränkter Zeit abzuklappern. So leicht kommen wir nicht wieder nach Holland, ich wenigstens verzichte!« – – » Bon, Schatzlieb! Aber – – – das Schlimmste ist, wir sehen etwas nicht oder weniger genau!« – meinte er gleichmütig und zog eine Zigarettentasche hervor. – – »Oho, da kennst Du mich noch nicht und hast die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ich bin nun einmal, der Himmel vergebe es, Schulmeisterin gewesen. Da steckt noch ein gut Teil Gewissenhaftigkeit in mir. Jede Reise ist für mich eine zu absolvierende Arbeit. Mich ergreift ein wahres Fieber, alles zu sehen und zu hören. Ich habe nicht eher Ruhe und Genuß, ehe ich fertig bin! Tausendmal habe ich dies Dir daheim versichert, Dir meine unselige Natur erklärt; aber – – – – tu l'as voulu, Georges Dandin!« – – Ernst blickte sie ihn an. Er stieß sinnend die Rauchwölkchen aus und musterte sie zärtlich: »Du bist doch ein ganzer Kerl, Lotte, aber – – – aber – – –« – – »Na, aber?« – ermunterte sie ihn. »Aber Du wirst eine unbequeme, kleine Frau werden!« – – »Schon möglich! Ich kann leider nicht stillsitzen und nicht stillsitzen sehen!« – gab sie zu. – »Die große Dame der Gesellschaft muß auch mit Grazie faulenzen können und, während sie bequem vom Ruhebett aus dirigiert, im süßen Dolce far niente das Gefühl haben, sie fülle die Zeit vortrefflich aus!« – sagte er nachdenklich. – »Es war nie mein Ehrgeiz, diesen Mondainen nachzustreben. Im übrigen bin ich eine Arztfrau geworden und keine Schloßherrin!« – – »Du, ich muß aber zuweilen faul sein, ich muß es direkt!« – entschuldigte er sich im voraus. »Nach der Arbeit – – – natürlich, Willi! Ich bin es dann mit Dir, kleines Schaf! Interessant plaudern, sich etwas vorlesen, gut essen und auf dem Sofa die Gliedmaßen strecken, auf gut berlinisch sich ›rekeln‹ – betrachte ich hie und da auch als heilige Pflicht!« – – »Na, da wären wir ja wieder einig, Liebstes! Komm, zur Besiegelung des neuen Bundes – – – zwei Küsse!«

Sie gab gern nach, dann aber sagte sie: »Nun schnell die Nachricht an Mieze, und dann allons !« – – »Bitte, faß Dich kurz, recht kurz!« – flehte er. – Sie machte alles zur Schreiberei zurecht: »Thu' mir den Gefallen, und geh' Zeitungen lesen! Unten liegen Berliner Blätter aus!« – – – Er warf sich auf den Diwan und streckte die Arme lachend von sich: »Ich soll heute schon Zeitungen lesen, zwei Tage nach meiner Hochzeit, Lotte, Du hast das Ereignis doch noch nicht voll erfaßt! Mir ist es heute noch so schnuppe, was in der Welt vorgeht, daß ich nicht einmal erstaunt bin, wenn die Kaiserin von China sich mit dem – – – – na meinetwegen – – – dem Präsidenten von Frankreich verheiratet. Ich juble sogar mein Ja und Amen, denn es geht nichts über das Verheiraten. Ach, herziges, süßes Lieb, ich bin ja so unmenschlich glücklich, daß Du mir dagegen wie ein Marmorblock vorkommst!« – – Hopp, kniete ›der Marmorblock‹ an seiner Seite und jubelte und jauchzte mit; als Beweis, wie selig auch er war. Die Zeit verging nicht, sie raste. –

Als das junge Paar endlich aus seiner Versunkenheit zur Besinnung kam, leierten die heiseren Glockenspiele der nahen Kirche ihren üblichen unreinen Oktavengang ab und gaben in blechern dünnem Klange eine vorgerückte Stunde an. Willi zog seine Uhr. »Donnerwetter – meinte er schmunzelnd – das ist ja spät geworden! Wie das spurlos verfliegt, das Leben, wenn man glücklich ist! Mir war es, als hätten wir hier fünf Minuten getollt! – – – Na, mach' nicht solch bedripstes Gesicht, Lotte, es war schön! Und die Hochzeitsreise, – – – schon der Begriff dieses Wortes bedeutet ja nichts weiter als ›selige Unvernunft sonst vernünftiger Menschenkinder‹ – entschuldigt uns.« – – »Und die dicke Wonne?« – – »Bekommt heute eine Karte, die ihr unsere Ankunft meldet. Du hast ja auch noch nichts gesehen, Schatzlieb! Morgen gönne ich Dir eine ganze Stunde, da schreibst Du ihr gleich ausführlich. Das ist vernünftiger, nicht wahr?« – – »Ehrenwort, daß Du mich morgen in Ruhe schreiben läßt, Willi?« – – »Ich schwöre!« – – »Was wirst Du in der Zeit thun?« – fragte sie noch einmal mißtrauisch. – – »Schlafen, Dich ansehen, träumen, was weiß ich? Sicher – – – bewußt mein Glück empfinden!« – – Lotte schrieb die Karte und reichte ihm den Halter, damit er noch einen Gruß hinzufügen sollte. – Sinnend hatte er auf ihr geneigtes Köpfchen niedergeblickt, nur mit Mühe eine Störung unterdrückend. Während er schrieb, streichelte sie lächelnd seine Haare. »Du, wenn Mieze bloß nicht Etepetetchen trifft, ehe sie unsern Brief hat! Wenn die olle Dame nämlich hört, daß Deine Mama schon einen Schreibebrief hat und sie nur eine Karte, dann macht sie Krakehl vor Eifersucht!« – – »Du, das gewöhnen wir beiden von Anfang an ab! Dafür kriegt mein Altchen das nächste Mal bloß 'ne Karte. Man muß sein Schwiegergemütter nicht im Anfang bereits verwöhnen. Nun sind wir fertig, vergiß Deinen Schirm nicht, Dickes, und komm!« – – » Me voilà! «

Arm in Arm zogen sie so fröhlich und selig ab, daß das Stubenmädchen und der Zimmerkellner ihnen kopfschüttelnd nachsahen. »Er hat sie die Treppe hinaufgetragen!« – – »So, das sind wieder die richtigen Hochzeitsreisenden! Bei den Deutschen merkt man es auf tausend Schritt, das sind immer die verliebtesten!« – sagte er, ein phlegmatischer Holländer. – »Ich mag die Deutschen am liebsten!« – erklärte Willemien seufzend und verschwieg, daß sie sich aus oben konstatierten Gründen einen deutschen Gatten wünschte. – Am folgenden Morgen fiel sie aus allen Himmeln. Der Zimmerkellner erzählte ihr heimlich und empört folgende unglaubliche Mär. – Oh, Frau Lotte, was war Dir da passiert? Dir, der sonst so gewandten Berlinerin?! – Kurz, Herr Doktor Feller blieb gar lange in dem herrlichen Krasnapolskyschen Lokal, um sein Bier auszutrinken, während sein Weibchen bereits in ihrem Zimmer war. Wenn es auch nur zehn Minuten waren, so schien es ihr doch eine Ewigkeit. Ihre lebhafte Phantasie malte ihr wieder das Ärgste aus. Sie fing an, sich zu ängstigen, stürzte, schon halb entkleidet, zur Zimmerthür und klingelte verzweifelt. – Da Lotte in ihrer Aufregung einmal zu viel geläutet, erschien statt des erwarteten Mädchens – – – ein Mann und blickte sie verdutzt an. Jetzt fiel ihr plötzlich ihre derangierte Toilette ein und der dumme Argwohn, den er womöglich aus ihrer Frage gegen den geliebten Gatten entnehmen könnte. – Sie verwirrte sich sehr, wurde brennend rot und stotterte endlich befangen: »Ach bitte – – – wissen Sie vielleicht – – – – wo der – – – – Herr ist, – – – mit dem ich heute Nachmittag hier angekommen bin?« – –

Als wohlerzogener Kellner eines streng moralischen Hôtelwesens musterte er die jetzt dunkel Erglühende, welche ihren Lapsus bemerkte, nur von oben bis unten und stieß sein: »Nein!« kurz hervor. – Darum verkündete er der betroffen lauschenden Willemien zornig, daß die Deutschen von Nr. X nicht etwa Hochzeitsreisende wären, sondern – – – – na! Wenn das der Direktor erfuhr? Wenn der Doktor nicht so energisch aufträte und so nach noblen Trinkgeldern aussähe, würde er die Sache sicher anzeigen. So wollte er abwarten, ob sie sich anständig betragen würden? Wer weiß, ob ›die‹ nicht eine Hochstaplerin war? – – Lotte beichtete Willi ihr Mißgeschick voller Trauer und Vorwürfen. Er bekam fast einen Lachkrampf, besonders als sie ihn beschwor, doch zu keinem davon zu sprechen und insbesondere nicht etwa dem Ernst Georgy neuen Stoff damit zu liefern! – – »Warte, Liebstes, nun habe ich Dich in der Hand! – entgegnete er lustig – Sobald Du jetzt unartig bist, wird gepetzt! Also benimm Dich brav! Mir schadet es ja nichts; aber Dein eigener Ruf wird wohl beim Personal begreiflicher Weise etwas gelitten haben!« – – »Na, ich danke!« – seufzte sie betroffen. Er umarmte sie lachend. »Laß gut sein, Geliebtes, wozu bist Du mit einem Herrn gereist, der für Dich mit seinem Namen eintritt!« – sagte er vergnügt. –

Das hinderte aber seine junge Gattin nicht, rot zu werden, sobald sich nur ein Hôtelbediensteter sehen ließ. Von jenem Abend an trug sie auf der rechten Hand keinen Handschuh und kokettierte möglichst augenfällig mit ihrem Trauringe, solange sie noch in Amsterdam weilten.


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