Christian Fürchtegott Gellert
Fabeln und Erzählungen
Christian Fürchtegott Gellert

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Der reiche Geizhals.

             

Ein reicher Greis, vom Tode nicht mehr fern
Und ungeschickt, mehr Schätze zu erwerben,
Ward krank und wollte doch nicht sterben;
Denn welcher Geizhals stirbt wohl gern?
Er wollte nach dem Doktor schicken;
Zum Glücke fiel ihm noch der harte Thaler ein,
Den er genötigt wär', ihm in die Hand zu drücken,
Und also ließ er's lieber sein.

Doch mit dem Tod ist gleichwohl nicht zu scherzen.
Der Alte fühlte neue Schmerzen
Und rief den Priester in sein Haus
Und bat sich zu verschiednen Malen,
Denn dafür durft' er nichts bezahlen,
Trost auf dem Krankenlager aus.
Der Priester wollt' ihn itzt verlassen.
»Ach! bet' Er«, sprach der Greis, »Gott wird's zu Herzen fassen;
Und komm' ich von dem Lager auf,
So geb' ich Ihm die Hand darauf,
Ich will mich dankbar finden lassen.«

Ich weiß nicht, bat er für den Alten,
Und wann er bat, bat er mit Recht?
Genug, das menschliche Geschlecht
Sollt' einen Geizhals mehr behalten;
Es besserte sich mit dem Alten.

Der Priester wird geruft. »Ich weiß wohl«, sprach der Greis,
»Was ich Ihm einst gered't, wenn Er's gleich nicht mehr weiß.
Hier seh' Er selbst, was ich und meine Frau ersparten;
Ich zeig' Ihm nur die seltnen Arten.
Steht Ihm das große Goldstück an?
Da sind sie noch von größerm Werte;
Doch weil sie Gott mir wunderbar bescherte,
So hab' ich ein Gelübd' gethan,
Nicht eins von allen auszugeben,
Und sollt' ich hundert Jahre leben.

»Will Er nunmehr die Silbermünzen sehn?
Ja, lieber Herr, auch die sind schön.
Hier hab' ich, glaub' Er mir's, mehr harte Thaler liegen
Als ich und Er zusammen wiegen;
Allein sie mögen immer liegen,
Sie sollen alle für mein Haus.
Doch laß Er uns noch weiter gehen.
Hier sieht Er die Zweidrittel stehen;
Da les' Er eins für seine Kinder aus
Und bitt' Er Gott um Segen für mein Haus!«


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