Christian Fürchtegott Gellert
Fabeln und Erzählungen
Christian Fürchtegott Gellert

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Der gehoffte Ruhm.

                               

Voll von sich selbst und von der That,
Die er vollführt, ging Tullius entzücket
Itzt aus Sizilien, wohin ihn der Senat
Vor einem Jahr als Quästor abgeschicket;
Er ging zurück nach Rom und teilte zum voraus
Im Namen Roms sich die Belohnung aus.
»Wer ist wohl itzt des Volks Verlangen?
Wen«, dacht' er, »nennt man itzt, als mich?
Wen wird man jauchzender empfangen,
Als dich, o Tullius, als dich?
›Das ist er‹, ruft man dir entgegen,
›Der aus Sizilien der Teurung abgewehrt,
Der uns mit einem reichen Segen
Von Korn ein ganzes Jahr ernährt.‹«
In diesen schmeichelnden Gedanken
Stieg bei Puteoli der Quästor an das Land,
Wo er ganz unverhofft vornehme Römer fand,
Die damals gleich den Brunnen tranken.

Schnell ließ er sich vor seinen Gönnern sehn
Und suchte schon sein Lob in ihren Mienen.
»Ist das nicht Cicero?« rief einer unter ihnen.
»Ja, ja, er ist's; o, das ist schön!
Wie lange haben wir schon nichts von Rom vernommen.
Wie steht's in Rom? Wenn reisten Sie von da?« –
»Wie«, rief er ganz erzürnt, »wie könnt' ich daher kommen?
Ich komm aus der Provinz.« – »Vielleicht ans Afrika?«
Versetzt' ein andrer hurtig wieder.
Hier zitterten dem Quästor alle Glieder.
»Nein, aus Sizilien komm' ich als Quästor wieder.« –
»Ja«, fuhr nunmehr ein Dritter fort,
»Er kömmt daher; verlaßt euch auf mein Wort!«
Mit diesem Ruhm schlich Tullius sich fort.


Du, der du denkst, daß alle von dir wissen,
Von dir itzt alle reden müssen,
Und dich im Herzen stolz erhebst:
Von Tausenden, die dich nach deiner Meinung kennen
Und dich und deine Thaten nennen,
Weiß oft kaum einer, daß du lebst.


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