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Fünfzehntes Kapitel.
Die Büßende.

In einem wohldurchheizten Zimmer des Albergo dell' Europa in Civita Vecchia lag, umgeben von Aerzten und Dienern, der bleiche Felix, – noch immer kein Lebenszeichen von sich gebend.

Der Lombardo war nach kurzem Halt weiter gesegelt, und Stanislaus, als er seines Herrn Effecten holen ging und ihn unter der Obhut des Arztes zurückließ, konnte Dina auch noch keine beruhigende Nachricht mitgeben. Paul saß in dumpfem Brüten da. Als er Felix in das Meer gestürzt, war er zu Lori geeilt und hatte ihr triumphirend den Tod ihres Geliebten verkündigt, aber mit einem Schreckensrufe war sie aus der Cabine gestürzt, und sobald der Lombardo die Anker senkte, war sie die [246] Schiffstreppe hinabgeflogen in das Boot, das einige Passagiere nach dem Lande brachte.

Und so fuhren denn Paul und Dina und selbst Joseph mit der Ueberzeugung von Felix' Schuld weiter nach Neapel.

Paul's That hatte für ihn keine weiteren üblen Folgen. Es wurde stillschweigend als ein unglücklicher Zufall angenommen, daß Felix über Bord gestürzt, der Capitän inquirirte nicht und die Polizei erfuhr Nichts davon.

Als der Abend sich niedersenkte, schlich eine kleine, bleiche Gestalt sich in das Zimmer des kranken Liefländers und kniete neben seinem Bett und bohrte die großen, dunkeln Augen wie ein Gespenst in die Züge des Ertrunkenen, der in heiße Decken gehüllt war, und von dem weiter Nichts sichtbar geblieben, als das bleiche Gesicht.

Der Arzt befreite seine Hand und fühlte den Puls. – Nach einer langen Pause sagte er endlich: » Respira! Er athmet!«

Da liefen dem braunen Stanislaus die Thränen über die Wangen, und jetzt hörte er ein [247] leises Schluchzen und bemerkte erst die Gestalt am Bette.

»Wer sind Sie?« frug er auf Französisch.

Das Weib aber sagte mit tiefer Stimme: »Seine Mörderin, wenn er nicht erwacht!«

Stanislaus, der sie nicht kannte, hielt sie für verrückt und bat leise die Leute aus dem Hause, sie zu entfernen; aber Lori, denn sie war es, bemerkte das, stand auf und ging zu Stanislaus.

»Lasse mich nicht verjagen, ich gebe mir augenblicklich den Tod, wenn ich das Zimmer verlassen muß, – denn ich bin die Ursache, daß Paul Philipps Deinen Herrn in's Wasser stieß. Hat Dir Niemand von Lori gesprochen?«

»Doch! Ich hörte meinen Herrn und besonders Herrn Huber öfter diesen Namen nennen.«

Lori lachte bitter: »Ja, die Lori, die Herr Huber nannte, die bin ich!«

Als Felix das Bewußtsein wieder erlangte, fiel sein erster Blick auf Lori. Unwillig wandte er das Gesicht ab, aber Lori rief, auf den Knieen vor seinem Bette liegend:

[248] »Zürne mir nicht! Mein ganzes Leben will ich büßen, was ich an Dir verschuldet habe!«

»Entfernen Sie das Mädchen!« sagte Felix, statt aller Antwort, zu Stanislaus, »ihr Anblick ist mir unerträglich!«

Lori stand auf, das Haupt gesenkt, und verließ das Krankenzimmer, aber im Vorzimmer holte sie sich einen Stuhl an die halboffene Thüre und setzte sich dahin

Felix sah sie nicht und war beruhigt.

Als er am folgenden Morgen sich wieder erhob und ankleidete, konnte doch Stanislaus nicht länger schweigen: »Da draußen vor der Thüre steht das Mädchen!«

Felix stampfte mit dem Fuße, so zornig hatte ihn sein Diener noch nicht gesehen.

»Du wirst mich doch von ihr befreien können?« sagte er ärgerlich. »Es ist die erste Pflicht eines treuen Dieners, seinen Herrn von aufdringlichen Menschen zu befreien!«

»Wenn ich sie zu gehen bitte, sagt sie: ›Ich weiche nur der Gewalt, und wenn man mich hin [249]ausbringt, springe ich in's Meer!‹ Was soll ich nun mit dem Frauenzimmer thun?«

Felix hatte seinen Anzug in Eile vollendet. Mit raschen Schritten ging er zur Thüre und öffnete sie weit. Lori saß davor, bleich, mit verweinten Augen.

»Gehe hinaus, Stanislaus! Nun sagen Sie mir, was das bedeuten soll, Fräulein Lori! Denken Sie wirklich, mir Ihre Gesellschaft fernerhin ganz zuzuwenden, Tag und Nacht?«

Lori war aufgestanden. Demüthig die Hände über die Brust gekreuzt, stand sie vor ihm.

»Lassen Sie sich meine arme Gegenwart gefallen, – o lassen Sie mich Ihre Dienerin sein!«

»Ein junger Mann kann kein junges Mädchen, selbst nicht als Dienerin, mit sich führen. Wenn Sie sich darüber hinaussetzen, – ich thue es nicht!«

»So sagen Sie, ich sei die Frau Ihres Bedienten; – meine Buße soll sein, daß wirklich mich die Welt für das Weib des braunen Menschen hält, dem ich die Augen auskratzen würde, wenn er mich, nur meine Fingerspitze anrührte. Um bei Ihnen zu bleiben, will ich aber die Schmach tragen.«

[250] »Lori! Lori! Ich glaube, Ihr altes Metier spukt wieder in Ihrem Kopfe und Sie wollen Käthchen von Heilbronn mit mir spielen. Ich bin aber kein Wetter von Strahl.«

»Und ich beider kein Käthchen mehr!« sagte Lori mit so tiefer, schmerzlicher Empfindung, daß Felix, davon überwältigt, stillschwieg.

»Hören Sie mich an, Herr Baron! – Ich habe gehört, daß Sie längere Zeit in Rom verweilen wollen. Lassen Sie mich Ihre Küche besorgen, – ich weiß, Sie lieben italienische Küche nicht. Ich spreche auch etwas Italienisch und Stanislaus versteht kein Wort; – Probiren Sie es einmal eine Woche lang, – ich werde Ihnen nie unter die Augen treten, wenn Sie mich nicht rufen lassen.«

Was sollte Felix thun? Er gehörte nicht zu den Männern, die ein Weib können mißhandeln sehen, und noch weit weniger zu denen, die es selbst thun. Er ließ also zu dem Postwagen, der am Mittage nach Rom abfuhr, drei Billets nehmen und nahm selbst im Cabriolet Platz, während Lori und Stanislaus im Innern fuhren.

[251] In solchem Geleite langte Felix am Abend in der ewigen Stadt an.

In den ersten Tagen, als er im Gasthofe wohnte, bekam er Lori wirklich gar nicht zu sehen. Stanislaus erzählte ihm, daß sie häufig ganz allein in der heiligen Stadt herumstreife und dann bei dem Nachhausekommen, wenn er ihr im Gange oder auf der Treppe begegne, durch Ausrufungen ihre Bewunderung dieser Welt der Schönheit ihm kundthue.

Als Felix eine Wohnung nahm, ließ Lori es sich wirklich nicht nehmen, für ihn zu kochen. So oft dann Stanislaus die Schüsseln heraustrug, frug sie ihn: »Hat der Herr Baron Nichts gesagt, daß das Essen gut sei?« und wenn dann Stanislaus jedesmal sagte: »Nein!« wurde sie immer trauriger und ging oft mit Thränen in den Augen in ihr einsames Mansardenstübchen, bis dann Stanislaus sie wieder aufsuchte, um ihrer kleinen Kenntnisse in der italienischen Sprache willen, die sie auf wunderbare Weise mit ihrer gewöhnlichen Intelligenz binnen acht Tagen in Rom vermehrt hatte.


[252]


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