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Neuntes Kapitel.
Erfolge und Niederlagen.

Dina, welche eines der schönen, gartenumschlossenen Häuser der neuen Mainzer Straße bewohnte, stand am folgenden Morgen schon zu ungewöhnlich [143] früher Zeit, es war noch nicht sieben Uhr, völlig angekleidet am Fenster. Sie hielt in ihren Händen ein kleines, zierlich gefaltetes Billet. Sie hatte es erst eben geschrieben, noch brannte auf ihrem kleinen offenen Schreibtische die rosenrothe Kerze, noch duftete das wohlriechende Lack, mit dem sie es gesiegelt, – aber sie war noch unentschlossen, ob sie es absenden solle, oder nicht.

Da brachte ihr Diener ihr ein eben so zierlich gefaltetes Billet herein, ebenfalls auf schwerem Velin geschrieben, mit leuchtendem Goldrande, ja, was das Merkwürdigste war, mit demselben Wappen, wie das ihrige, gesiegelt, dem Wappen des Grafen von Waterford.

Sie legte ihr eignes Briefchen aus der Hand und erbrach eilig das fremde, von dem der Diener meldete, daß es bereits am gestrigen Abend abgegeben worden, als die Frau Gräfin sich schon in ihr Schlafzimmer eingeschlossen und ihre Kammerfrau fortgeschickt gehabt.

Das Billet war unterzeichnet: Charles Somerville und enthielt die Anfrage, wann es der Gräfin [144] genehm sei, ihren Vetter, der eben aus England eingetroffen und im Russischen Hofe abgestiegen, bei sich zu sehen. Dieser Vetter, der jetzige Graf von Waterford, der von Dina's Gatten die Güter und Titel geerbt, war aus einem armen Schiffslieutenant plötzlich einer der reichsten Peers von England geworden. Dina war nicht begierig auf seine Bekanntschaft und trug ihrem Diener auf, nach dem Russischen Hofe zu gehen und dem Grafen von Waterford zu sagen, daß sie sich freuen werde. Seine Herrlichkeit nach zwölf Uhr bei sich zu sehen. Der Diener wollte gehen, da rief Dina mit leiserer Stimme: »Noch Eins, hier dies Billet geben Sie dem Kammerdiener des Baron Walram, – er soll es augenblicklich seinem Herrn übergeben, – im Nothfalle ihn wecken, es ist dringend eilig.«

Als sie allein war, schlug es wie helle Flammen in ihrem schönen Antlitz auf, es war das erste Mal in ihrem Leben, daß sie Etwas that, was der angenommenen Sitte der großen Welt entgegen war, wenn auch ihre Stellung sie eher als jede Andere dazu berechtigte.

[145] Ein schüchternes Klopfen unterbrach ihr verlegenes Sinnen, schon wollte sie zur Schelle eilen, um ihren Kammerdiener herbeizurufen, – als ihr einfiel, daß es ein Wesen gebe, welches sie selbst zu jener einfachen Art des Eintrittes bei ihr berechtigt hatte. Und dieses Wesen war es auch, – Marie, – ihre Hausgenossin und Pathe, das liebliche sechszehnjährige Kind, das sie einst, selbst noch ein Kind, über die Taufe gehalten.

Marie trug einen großen Blumenstrauß in der Hand, um der Frau Pathe zu gratuliren, deren Geburtstag heute war, was diese selbst über die Duellgeschichte ganz vergessen. Das junge Mädchen war sehr stolz, daß sie es war, die die Frau Pathe daran erinnerte.

»Aber Du selbst, Kind, siehst traurig aus,« sagte Dina, die Wangen der Kleinen streichelnd, »man sollte meinen, Du habest geweint, so roth sind Deine Augen.«

Des Mädchens Lippen zitterten, sie wollte reden, aber die Scheu vor der Dame hielt sie noch zurück.

[146] »Sage mir, Kind, was betrübt Dich? bin ich nicht Deine Pathe, habe ich nicht ein Recht, Dein Vertrauen zu fordern?«

Da wollte das Kind reden, – aber in demselben Augenblicke wurde die Thüre geöffnet und Philipp, der Kammerdiener, trat mit der Meldung ein: »Der Herr Baron von Walram.«

Dina wurde dunkelroth. »Geh' jetzt, mein Kind!« sagte sie zur erschrockenen Marie, »ich werde Dich später wieder zu mir rufen lassen. Ich habe den Baron gebeten, zu mir zu kommen, aber ihn so rasch nicht erwartet. Gehe jetzt!«

Marie ging, aber die Unterredung mit Walram, die nun folgte, ließ Dina ihr Versprechen, die Kleine rufen lassen zu wollen, ganz vergessen, und das arme Kind fand Niemand, dem es sein bedrängtes Herz ausschütten konnte. Doch ja, es fand Jemand, – doch Jemand, den es besser nicht gefunden hätte. Dies war Demoiselle Hermione, des jungen Mädchens eigne Gouvernante, eine alte, intriguante Französin, die des harmlosen, geängstigten und verlassenen Kindes Vertrauen an sich zog, um – es zu [147] mißbrauchen. Auf welche Weise sie das that, wollen wir später zeigen; wir müssen jetzt Mariechen, die von nichts anderem als dem Befehle ihrer Eltern, einem Weinhändler in Mainz, der ihr Großvater hätte sein können, die Hand zu reichen, auf das Tiefste gebeugt war, verlassen, um zu Dina zurückzukehren, die in ihrer Unabhängigkeit und ihrem aufgeregten Wesen gar nicht begriff, daß solche Hülflosigkeit und Rathlosigkeit, wie die ihrer armen Pathe, in der Welt sei.

»Verzeihen Sie, Baron,« sagte Dina zu dem jetzt eintretenden Walram, »daß ich Sie so früh aus Ihrer Ruhe stören ließ.«

»Ich bitte recht sehr, gnädige Frau,« antwortete er, sie in der größten Spannung, was sie von ihm verlangen werde, ansehend, »ich pflege immer früh aufzustehen, und freue mich zu sehr, daß Sie dieselbe Regel befolgen, und nicht, wie die übrigen eleganten Damen, die beste Zeit, die schönste und ruhigste Zeit des Tages gar nicht kennen.«

»Durch einen höchst merkwürdigen Zufall, Herr von Walram, bin ich in den Besitz eines Sie betreffenden Geheimnisses gekommen.«

[148] »Es ist mir schmeichelhaft, daß Sie von irgend Etwas Notiz nehmen, was mich betrifft. Aber ich begreife nicht, –«

»Sie werden sehr bald begreifen, und« – setzte sie lachend hinzu – »dann sich auch nicht mehr so geschmeichelt fühlen. Ich weiß, daß Sie um acht Uhr – es ist jetzt halb acht – nach Wilhelmsbad reiten wollen, um sich mit dem Manne meiner besten Freundin zu schlagen.«

»Das wissen Sie, – so hat Lavallon geplaudert?«

»Er nicht! Aber nun zur Sache! Das Ganze beruht auf einem höchst einfältigen Mißverständniß. Lavallon glaubt mich von Ihnen beleidigt und will mich rächen. Schreiben Sie ihm eine Zeile: nur daß er sich irrt, und ich will dann schon dafür sorgen, daß er Sie wegen seiner brüsken Anfrage um Verzeihung bittet.«

»Die Anfrage war mehr als brüsk, gnädigste Frau, ich kann nicht an den Legationsrath schreiben, kann unmöglich auf eine Zumuthung, mich zu rechtfertigen, die in dieser Weise gestellt worden, anders [149] als mit einem Cartel antworten, – so leid es mir auch thut, um seiner Frau willen, die ich ganz besonders verehre, und dann auch, weil mir Duelle überhaupt verhaßt sind.«

»Wollen Sie es denn nicht mir zu Gefallen thun?« sagte Dina nach einer Pause und streckte ihm die Hand entgegen, mit einem Blicke, vor dem er, roth werdend, die Augen niederschlug.

»Ich kann nicht!« stammelte er verlegen.

»Walram, mir zu Gefallen!«

»Ich kann Ihren besten Freund nicht schonen, gnädige Frau!«

»O, Walram, Lavallon ist nicht mein bester Freund, – obgleich dieses Duell gerade das Leben meines besten Freundes bedroht, – verstehen Sie mich nicht, Walram, – verstehen Sie nicht, wen ich dafür halte?« frug sie so leise, so zitternd – mit beiden weichen Händen seine Hand umschließend, daß Walram überwunden wurde.

Er preßte seine freie Hand vor die Augen und flüsterte so leise, daß sie es kaum verstehen konnte: »O Gräfin! was beginnen Sie mit mir! Warum [150] zeigen Sie mir ein Glück, das nicht für mich auf Erden besteht? Warum öffnen Sie mir das Thor des Himmels, da ich doch die Schwelle nicht übertreten darf? O, das ist grausam, unmenschlich von Ihnen!«

Dina ließ seine Hand los und trat einen Schritt zurück, ihr schönes Antlitz, das eben noch im dunkelsten Purpur geglüht, bleich von Schrecken.

»Ich verstehe Sie nicht, Baron Walram!«

»Und ich kann mich nicht erklären!« sagte er mit tiefem Schmerz.

Beide schwiegen. Dina ertrug aber dies Schweigen nicht länger, und frug beklommen, nur um die Pause zu endigen:

»Und wie ist es mit dem Duelle?«

»Ich werde sogleich an Herrn von Lavallon schreiben! Was liegt mir daran, was dieser Mann von mir denkt, – es ist die einzige Gelegenheit, wo es mir möglich ist, Ihnen zu zeigen, daß Sie mir über Alles stehen.«

»Ueber Alles?« sagte Dina zornig, »pfui, Baron Walram, lügen Sie nicht!«

[151] »Ja, über Alles, was zu überwinden ist! Ein Wort, das sich ein Mann selber gab, ist aber etwas Unübersteigliches.«

»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, ich verstehe Sie nicht,« sagte, sich abwendend, Dina.

Walram aber richtete sich auf und versetzte mit innigem Ausdruck: »Gott behüte Sie, Gräfin! Leben Sie wohl! Beklagen Sie mich, aber zürnen Sie mir nicht!«

Sie sagte nichts mehr, – sie blieb abgewandt von ihm stehen, – er wartete und wartete auf ein Wort, auf einen Blick, aber umsonst, die Frau, die vor ihm stand, war zu tief von ihm gekränkt worden! Ihre erste, einzige Liebe hatte sie ihm entgegengetragen und er hatte sie von sich gestoßen, – es war ihr, als sei ihr das Herz in der Brust erstarrt, als sei sie todt.

Als sie immer unbeweglich blieb, drang auch in Felix's Herz die Ahnung, daß hier eines von den Gefühlen rege sei, die man durch Schweigen ehren müsse. Er ging leise, lautlos. Aber Dina hörte doch ihn sich entfernen, und als er draußen war, [152] fiel sie in die Kniee, und das Haupt in ihrem Fauteuil vergrabend, blieb sie liegen. –

 

Walram schrieb wirklich an Lavallon, und zwar, daß er heute Morgen plötzlich abreisen müsse, aber bei seiner Rückkehr zu seinen Diensten sein werde, wenn der Legationsrath noch immer auf einem Duell bestehe, zu dem er, Walram, durchaus keine Veranlassung gegeben, indem er weder ihn, noch die Gräfin Waterford beleidigt und selbst der allein beleidigte Theil sei. Wolle ihm aber der Legationsrath eine Entschuldigung gewähren, so sei er zur Aussöhnung bereit.

Der Legationsrath empfing das Billet, als er gerade in seinem Cabinet beschäftigt war, an seine Frau einen sehr salbungsreichen Abschiedsbrief, für den Fall, daß er im Duell bleibe, zu schreiben. Das einzige Bemerkenswerthe und wirklich Naive in dem Briefe war, daß er seiner Frau auftrug, der Gräfin Leopoldine von Waterford zu sagen: daß er für sie sein Leben gelassen! Man mußte Elisens harmlose Natur kennen, um diesen Zug ihres Mannes zu begreifen.

[153] Glücklicherweise hatte sie aber nicht nöthig, so viel Edelmuth an den Tag zu legen. Lavallon wurde eben so wenig erschossen, als das Duell Statt fand und der Brief in die Hände seiner Frau kam. Er verbrannte selbst dies Prachtstück von Stylistik mit einem stolzen Blick, indem er vor sich hin murmelte: »So sind sie alle, diese Dandy's! Impertinent und feig!« Uebrigens war er recht froh, mit Ehren aus einer Sache zu kommen, in die ihn doch nur eine augenblickliche Aufwallung von Eifersucht und die Lust, zu prahlen, gestürzt.

 

Walram ging wirklich einige Tage nach Straßburg, wo ein Jugendfreund und Landsmann von ihm sich den Winter aufhielt.

Dann konnte er es eben diesem Freunde nicht abschlagen, ihn für kurze Zeit nach Paris zu begleiten, und so waren vier Wochen verflossen, als er nach Frankfurt zurückkehrte.

Bei seiner Ankunft händigte ihm Huber, der noch immer nicht seine Negociation glücklich zu Stande gebracht, ein sehr künstlich verfaßtes Ent [154]schuldigungsschreiben von Lavallon ein. Außerdem fand er noch in seinem Hotel drei Briefe von den drei Gesandten, denen er seine Pläne mitgetheilt. Die drei Briefe hatten eine wunderbare Aehnlichkeit des Inhalts bei der verschiedensten Form. Keine Zusage, aber freundliche Vertröstungen, und – bei zweien lag ein Orden.

Er beschloß nun, Frankfurt zu verlassen, da hier keine Aussicht für ihn und seine menschenfreundlichen Pläne blühte. Aber er konnte sich nicht entschließen, es zu thun, ohne wenigstens ein Wort über Dina gehört zu haben, deren Haus er nicht mehr zu betreten wagte. Huber versicherte ihm, er habe sie die ganze Zeit über nirgends getroffen, sie müsse sich eingeschlossen haben.

So ging Felix denn zu Elisen, der Zwischenfall mit ihrem Manne kümmerte ihn nicht. Die Legationsräthin empfing ihn mit offenbarer Freude.

Als er sie frug, wie es ihr die Zeit über ergangen, antwortete sie: »Traurig und schlecht, denn meine liebste Freundin ist im Begriff, einen unverantwortlichen Streich zu begehen. Dina Hammer [155]stein, wie ich sie aus alter Gewohnheit nenne, will sich zum zweiten Male vermählen.«

Felix wurde bleich; Elisen entging das nicht, und sie bewunderte die Fassung, mit welcher er frug: »Mit wem denn?«

»Mit dem Vetter und Erben ihres Mannes, dem jetzigen Earl of Waterford, der wahrscheinlich deswegen aus England hierher gekommen ist.«

»Was ist er für ein Mann?«

»Sein Aeußeres ist nicht übel, er ist auch noch jung, aber unbeschreiblich hochmüthig, egoistisch und selbstgefällig. Er ist aus einem Schiffslieutenant auf einmal einer der reichsten Pairs von England geworden, hat aber doch wahrscheinlich immer in dieser Hoffnung gelebt und gewebt. Man sieht ihm an, daß er eine Frau nur nimmt aus all den Ursachen, die einer feinfühlenden Frau eine Erniedrigung scheinen müssen. Nicht bloß, daß er sie nicht lieben wird, sondern ich bin auch überzeugt, daß er die Liebe überhaupt nur für ein Trauerspielmotiv hält. Er gehört zu der fürchterlichen Sorte von Menschen, die Jedermann lobt und Niemand liebt.«

[156] »Und was sagt die Gräfin?«

»Zum ersten Male begreife ich sie nicht. Noch gestern sagte sie zu mir: Ich halte Ehen zwischen Menschen verschiedener Nationen immer für ein Unglück, auch wenn die heftigste Leidenschaft sie vereint. Es ist und bleibt eine Dissonanz, auch wenn sie Anfangs vom Sturme der Liebe übertäubt ward. Nur ein deutscher Mann vermag eine deutsche Frau glücklich zu machen.«

»Und erwähnten Sie da nicht den Lord?«

»Gewiß!«

»Und was antwortete sie?«

»Es ist schade, liebe Elise,« sagte sie, »daß Du immer so subjectiv bist, – ja, sogar meine Objektivität gar nicht fassen kannst!«

»Um Gotteswillen! Gnädige Frau, wenn Sie so überzeugt sind, daß der Engländer Dina nicht liebt, so verhindern Sie diese Ehe!«

»Das werde ich!«

»Lassen Sie mir die Beruhigung, daß Sie als guter Engel sie bewahren! Ich muß Frankfurt schon morgen verlassen, – die Erinnerung an die Lie [157]benswürdigkeit der Gräfin wird mich aber überall hin begleiten.«

»Bis eine andere Erinnerung Sie überall hin begleitet, ich kenne das!«

»Nein, nein, Sie irren sich, gnädige Frau! Mein Loos ist ein trauriges, – ich werde immer einsam sein!«

»Immer einsam? Und weshalb?«

»Ich lebe mir nicht selbst. Ich habe mir das Wort gegeben, mein eignes Glück nicht eher anzubauen, nicht eher um die Liebe einer Frau zu werben, bis ich die Aufgabe meines Lebens, die ich mir selbst gesetzt, gelöst habe.«

»Und ist es eine schwere Aufgabe, die Sie sich gesetzt?«

»Ein Ziel, das mir täglich weiter gerückt wird – und das wohl auch weiter liegen wird, als mein Lebensziel!«

»Wissen Sie, daß mich das verdrießt? – Ich liebe solche Abnormitäten nicht!«

»Warum wollen Sie nicht einem Menschen gestatten, einmal sich selbst zu vergessen? Diese [158] Schwachheit findet bei der übrigen Welt hinreichendes Gegengewicht!«

»Wenn es nicht zu gottlos klänge, würde ich sagen, der Himmel muß die Egoisten lieber haben, als Diejenigen, die sich aufopfern, denn der Egoismus wird gewöhnlich gekrönt, – die Aufopferung kaum anerkannt, selten belohnt und nie gekrönt!«

Felix aber sagte ernsthaft: »Für meinen Begriff giebt es nur eine Belohnung: die Zufriedenheit mit sich selbst, und die wird der Aufopferung immer zu Theil!«

»Wie dem Egoismus!« sagte lächelnd Elise, »und vielleicht ist ein Egoist, der die Andern zu seinem Vortheil hinter's Licht geführt, noch zufriedener mit sich selbst, als der edelste Menschenfreund.«

Felix schüttelte den Kopf und stand auf.

»Haben Sie der Gräfin Waterford schon Adieu gesagt?« frug Elise.

»Nein, und ich wollte Sie bitten, dies zu übernehmen.«

»Warum gehen Sie denn nicht selbst?«

[159] »Sie kennen meine Passion für Sprüchwörter, gnädigste Frau! Es giebt eins, das heißt: Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, und noch eins heißt: Hochmuth kommt vor dem Falle!«

»Ich verstehe Sie nicht!«

»Verstehen Sie mich auch nicht, wenn ich Ihnen sage: Gebrannte Kinder scheuen das Feuer?«

»Auch nicht, Herr Baron!«

»Dann muß ich verzweifeln!« Und ohne weiter Etwas zu sagen, verbeugte er sich vor Elisen, die ihm bitterböse war, – denn das Glück ihrer Freundin galt ihr höher, als alle Pläne und Entwürfe des sanguinischen Felix.

Am Abend theilte sie ihrer Freundin die Statt gefundene Unterhaltung mit, aber ganz schonend und vorsichtig, denn sie meinte, Felix's Erklärung, daß er die Stimme seines Herzens unterdrücken wolle, bis er seine Mission erfüllt habe, werde sie verletzen. Aber Elise wurde in hohem Grade überrascht, als ihre Worte eine so ganz andere Aufnahme fanden. Dina fiel ihr jubelnd um den Hals und rief: »Ist es das, weshalb er mich flieht? Dann ist Alles [160] gut! Ich glaubte ihn an eine Andere gebunden, – mein Herz ist groß genug, um zurückzutreten, wenn es einer Idee gilt, aber zu stolz, wenn es einer Person gilt!«

Als Elise fort war, eilte sie an ihren Schreibtisch. Sie schrieb die folgenden Zeilen an Felix nieder:

»So eben sagt mir meine Freundin, daß Sie Frankfurt verlassen. Ich kann es mir nicht versagen, Ihnen ein schriftliches Lebewohl mitzugeben für die lange, lange Trennung! So lange wir jung sind, werden wir uns wohl nicht mehr sehen, aber wenn wir älter geworden und das Leben in das reine Gold Ihrer Gesinnung einige Schlacken geworfen und aus meinem Charakter unbarmherzig die Schwächen entfernt hat, die ihn so sehr entstellen, – an guten Vorsätzen fehlt es jetzt schon nicht, – dann werden wir, auf gleicher Stufe stehend, uns, wie ich hoffe und überzeugt bin, in reiner Freundschaft, Eines würdig des Andern, begrüßen! Leben Sie wohl!«

So schrieb eine der stolzesten Frauen an einen jungen Menschen, den die Welt nur als einen [161] Dandy und einige Wenige als Schwärmer kannten. Sie allein würdigte sein selbstloses Herz.

Dies Billet war der Talisman, den Felix mitnahm auf die Reise, und die einzige Befriedigung für so viel verschwendete Anstrengung und verlornes Streben. Tief unten in seinem Koffer lagen die zwei Orden, das Billet Dina's aber trug er auf seinem Herzen.

An demselben Tage, wie er, reis'te auch der Graf von Waterford mit einem wohlverbrämten Korbe seiner schönen Cousine ab, – aber das Billet, worin er enthalten, nahm der Graf nicht mit, die Flamme des Kamins hatte es längst verzehrt!



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