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XIX.
Lille.

Reise nach Enghien. Aufenthalt daselbst bei dem Herzog von Aremberg. Ansicht des Hennegaus. Demolition der Festungswerke von Tournai. Verächtliche Miliz daselbst. Kamelotmäntel und schwarze Kappen. Pont-à-Tressan, französische Grenze. Tumult in Lille. Die Stadt und umliegende Gegenden.

In ein paar regnichten Tagen sind wir von Brüssel durch das Hennegau nach dieser Hauptstadt des französischen Flandern gekommen. Einige unbedeutende wogichte Erhöhungen des Erdreichs abgerechnet, läuft die Heerstraße überall in einer schönen ebenen Gegend fort, und ist auch überall so vortrefflich und dauerhaft wie jenseit Brüssel gebaut; der Boden hat völlig dasselbe Ansehen von Ergiebigkeit, und der Anbau verräth eben den Fleiß. Mehrentheils sind die Wege mit hohen Espen bepflanzt; stellenweise zeigen sich ziemlich große Waldungen und verschönern den Aufputz der Landschaft. Die kleinen Städte folgen so nahe aufeinander, als wenn sie hingesäet wären, und wir freuten uns des Anscheins von Wohlstand, der darin herrschte.

Wenige Stunden brachten uns nach Enghien, wo der Herzog Aremberg sich jetzt aufhält. Sein Schloß ist alt und baufällig, aber mit weitläufigen Nebengebäuden versehen und mit einem Park von sehr großem Umfang umgeben, der zum Theil im Geschmack von le Notre André le Nôtre, geb. 1613 zu Paris, gest. daselbst 1700, berühmter Gartenkünstler zur Zeit Ludwig's XIV. Anmerkung d. Hg., zum Theil im englischen Geschmack angelegt ist und einen schönen Fluß oder eigentlich einen Kanal enthält, der zu Lustschiffahrten dient. Auf einer von diesem Wasser gebildeten Insel überraschte uns eine Colonnade mit einer Menge Bildsäulen und Brustbilder von Marmor. Die Treibhäuser, wohin uns der Herzog selbst führte, sind ebenfalls von der neuesten englischen Einrichtung. Wir wanderten lange Zeit unter schönen Kirschbäumen, die mit ihren reifen Früchten prangten und neben denen die Erdbeerbeete ihren Ueberfluß zur Schau legten. Ein englischer Gärtner, ein Schüler des allgemein berühmten Browne Patrik Browne (1720-90), Reisender, Naturforscher und vornehmlich Botaniker. Anmerkung d. Hg., war der Zauberer, der hier im April den Reichthum des Juli hervorzubringen gewußt hatte. Fast noch vollkommener in ihrer Art sind die Ställe des Herzogs, wo wir eine Anzahl vorzüglich schöner Reitpferde sahen, die ihr Eigenthümer mit Namen kannte und deren besondere Plätze er zu finden wußte, obgleich ein unglücklicher Schuß auf der Jagd ihn vor mehrern Jahren beider Augen beraubt hat.

Dieses harte Schicksal dünkt einen zehnfach härter, wenn man den liebenswürdigen Mann persönlich kennt, den es betroffen hat. Seine Gesichtsbildung gehört zu den seltnern, wo Zartheit und Harmonie des Edeln den Ausdruck einer höhern Empfänglichkeit hervorbringen; er ist noch jetzt ein schöner Mann. Die Moralität seines Charakters entspricht, wie es sich von selbst versteht, diesen Zügen. Was man schon so oft an Blinden bemerkte, jene innere Ruhe und eine Fähigkeit zum frohen Genusse des Lebens, fand ich in ihm wieder bis zur Vollkommenheit erhöht, man möchte sagen, die Einbildungskraft der Blinden sei unablässig so geschäftig, wie es die unserige nur in den Augenblicken ist, wo wir die Augen freiwillig schließen, um, von äußern Eindrücken ungestört, die Bildervorräthe des innern Sinnes schärfer zu fassen. Dieser glückliche Blinde hat mich wiederholt versichert, daß ihn keine Langeweile und kein Unmuth verfolgt, er ist immer von der heitersten Laune und hat seine übrigen Sinne gewöhnt, ihm den Verlust des zartesten und edelsten erträglich zu machen. Ohne ihn genau anzusehen, wird man in seinen Handlungen nicht leicht gewahr, daß er seines Gesichts beraubt ist; er spielt alle Kartenspiele, er reitet sogar auf die Jagd, und seine Phantasie scheint ihm Gestalten und Farben mit ihrem ganzen mannichfachen Spiel so lebhaft zu malen, daß er mit Wärme, als von einem gegenwärtigen Genusse, davon sprechen kann. Ich glaube, man thut dem Manne unrecht, dessen Geistesauge so hell sieht und alles mit einem so heitern Strahle beleuchtet, wenn man ihm einen Ehrgeiz andichtet, der nur mit einer allzu schlechten oder allzu guten Meinung von den Menschen bestehen kann. Erst müßte man ihm seine Augen wiedergeben, dann dürfte es verzeihlicher scheinen, zu zweifeln, ob er eine angebotene Krone ausschlagen könne! Allein die meisten Köpfe finden es unbegreiflich, wie man eine Krone ausschlägt; so fern ist man noch in unsern vermeintlich erleuchteten Zeiten von einer richtigen Schätzung der Dinge. Sollen wir es den Völkern verdenken, daß sie sich von der Fürstenwürde verkehrte Begriffe machen? Die Geschichte ist schuld daran. Sie lehrt, daß bis auf wenige seltene Ausnahmen, Misbrauch und Nichtgebrauch der Sinne das begleitende Kennzeichen gekrönter Häupter war. Wie unvermeidlich führt nicht diese Thatsache auf die Folgerung, daß man auch ohne Sinne gar wol eine Krone tragen könne!

Wir fanden hier den Bruder des Herzogs, Grafen la Marck und verschiedene eifrige Anhänger der demokratischen Partei; insbesondere den feinen, besonnenen und zugleich kühnen Secretan, der beinahe das Opfer seines Patriotismus geworden wäre. Der feurige Graf la Marck, der im vorigen Kriege an der Küste Koromandel gegen die Engländer gefochten hatte, weckte durch seine Erzählungen manches ruhende Bild von meiner Reise mit Cook. In diesem geistvollen Cirkel, wo jeder so viel galt als er seinem innern Gehalt nach werth ist, eilten die Stunden schnell vorüber; es war Mitternacht, ehe wir das gastfreie Schloß verließen.

Die Einwohner des Hennegaus gefielen uns auf den ersten Blick, zumal die Männer, mit ihren gesunden, festen, muskulösen Gesichtern und der starkgezeichneten Nase und Mund, die wir im Limburgischen schon gesehen hatten, die uns aber in Brabant wieder verschwunden waren. Ihr Charakter ist lebhaft, gutmüthig und fest; so lautete das einstimmige Zeugniß des Herzogs und seiner Gesellschaft. Allein woran mag es liegen, daß wir auch in dieser Provinz noch keine schönen Weiber sahen? Ueberall herrscht die vollkommenste Ruhe, und der Landmann wie der Städter läßt sich in der Ausübung seines gewohnten Fleißes nicht stören. Das kleine Städtchen Ath und das noch kleinere Leuze, durch welche wir kamen, handeln mit Leinwand und Wollenzeugen von ihrer eigenen Arbeit. Leinwand ist auch das Hauptproduct des Städtchens Enghien, wo der Herzog von Aremberg, wie er uns selbst erzählte, von jeder Elle Leinwand, die dort verkauft wird, eine Abgabe erhebt, die in einem halben Gigot, das ist dem Sechzehntheil eines Sol, besteht. Diese Abgabe ist für jährliche 1500 Gulden verpachtet, wobei der Pächter wahrscheinlich noch ebenso viel wie der Herzog gewinnt. Nach dieser Berechnung würden aus Enghien allein 960000 Ellen Leinwand verkauft, welches wirklich übertrieben zu sein scheint. Die flandrische Leinwand, sowol die grobe als die feine ( toile au lait), wird wenig oder gar nicht kalandert; sie ist fester und dichter als die schlesische und geht hauptsächlich nach Spanien. Die Wollenzeuge, die man in Leuze verfertigt, sind meistentheils Kamelote; auch werden daselbst viele wollene Strümpfe gewebt und in der umliegenden Gegend von dem fleißigen Landmann in seinen Nebenstunden gestrickt.

Durch die Ruinen der weitläufigen Festungswerke von Tournai kamen wir um Mittag in diese große, aber wenig bevölkerte Hauptstadt des Ländchens Tournesis, welches eine eigene belgische Provinz ausmacht. Die Gegend hier herum schien uns nicht so sorgfältig angebaut, wie es gewöhnlich in den Niederlanden der Fall ist, und selbst die Demolition der Festungswerke trug etwas dazu bei, das Bild der Verwüstung greller zu zeichnen. Wenn man sich freuen soll, daß diese unnatürlichen Denkmäler der zügellosen Leidenschaft unserer barbarischen Vorältern endlich als unnütz abgeschafft werden, so muß wenigstens das schöne Schauspiel des Fleißes und der emsigen Betriebsamkeit uns für den angenehmen Eindruck entschädigen, den der Anblick aller großen, durch Menschenhände ausgeführten Werke uns gewährt. Lieber lasse man uns die alten Bastionen und Gräben, als diese öden Schutthaufen, welche die Ohnmacht und das Phlegma der Nation so widrig bezeichnen. Diese Eigenschaften drangen sich uns indeß in einer noch ungleich verächtlichern Gestalt auf, als wir in Erwartung unsers Mittagsmahls einen Spaziergang in der Stadt machten und auf dem großen Markt die Freiwilligen exerciren sahen. Es ist nicht möglich, das Lächerliche dieser grotesken Gruppe in Worten zu schildern; selbst Hogarth's Talent hätte verzweifeln müssen bei dieser trägen charakterlosen Unordnung. Was ich sah, war eine übelgewählte, buntscheckige und zum Theil wirklich abenteuerlich gekleidete Wachtparade, aber ohne alle Einheit, ohne diese Anziehungskraft, diesen Geist des Ganzen, der die Bestandtheile bindet und zu einem lebendigen Körper beseelt. Man sah augenscheinlich, nicht nur daß Soldat und Soldat nichts gemein hatten, sondern daß der Mensch, sein Rock und sein Gewehr heterogene Theile waren, die blos der Zufall zusammengehäuft, nicht das Gesetz der innern Nothwendigkeit zu einer unzertrennlichen Individualität erhoben hatte. Die Offiziere waren so unansehnlich wie die Gemeinen und trieben ihr Handwerk mit einer Lässigkeit und Lauigkeit, die uns vom Lachen bis zum Unmuth brachte. Unter vier- bis fünfhundert Menschen sahen wir nicht Einen von ansehnlicher Statur; dagegen eine Menge Knaben von funfzehn Jahren. Der einzige Mensch, der einen Begriff von seiner Pflicht zu haben schien und folglich der einzige, der diese todte Masse noch ein wenig zu beleben vermochte, war der Regimentstambour.

Tournai hat einige schöne Plätze und Gebäude, aber nicht über 42000 Einwohner, bei einem Umfange, der eine ungleich größere Volksmenge verspricht. Die vortheilhafte Lage der Stadt an der schiffbaren Schelde hat ihren Handel dennoch nicht emporbringen können; dagegen gedeihen hier die Priester, Mönche und Nonnen von allen Benennungen und Farben und geben das bekannte gute Beispiel ihrer nützlichen Thätigkeit. Auch wimmelte hier alles von Bettlern, bis Joseph II. ihr einträgliches und dem Staate so vortheilhaftes Gewerbe verbot. Verhältnißmäßig ist indeß mehr Leben auf den Straßen von Tournai als in Mecheln und in den brabantischen Städten, durch welche wir gekommen sind, wenngleich der größte Theil der Einwohner sich von Fabrikarbeiten nährt. Die hier verfertigten Kamelote und Berkane sieht man überall; die Weiber gehen nie ohne einen langen Mantel von diesem Zeuge aus, der bis an die Knöchel hinuntergeht, mit einem großen Capuchon versehen ist und in Schmuz und Regen so gute Dienste leistet, wie im Sommer gegen den Staub. Diese graue Tracht hat zwar nichts Zierliches; sie ist aber viel einträglicher als die schwarzen Kappen, womit man die Weiber in Brüssel gespensterähnlich umherschleichen sieht. Ich glaubte mich an die Ufer des Kocytus versetzt, als ich zum ersten mal diese scheußlichen schwarzen Hüllen auf dem Markt erblickte, wo sie in allen Graden der Vortrefflichkeit, ganz abgenutzt und zerlumpt oder ganz neu, von wollenem oder halbseidenem Stoffe oder gar vom besten Gros de Tours neben mir hinzogen. Ein solcher Anblick läßt wenigstens für den Kunstsinn des Landes, wo man damit überrascht wird, nicht viel hoffen.

Zu Pont-à-Tressan, auf dem halben Wege zwischen Tournai (Doornik) und Lille, betritt man die französische Grenze und vertauscht das niederländische Phlegma mit französischer Leichtigkeit. Unser Postillon schwatzte unaufhörlich und brachte uns in Einem Jagen nach der Stadt. Vor drei Tagen war hier alles in der fürchterlichsten Unordnung. Die Besatzung in der Citadelle, die aus den Dragonern von Colonel-Général und den Chasseurs è cheval de Normandie besteht, hatte mit den beiden Infanterieregimentern in der Stadt, Royal Vaisseaux und la Couronne, einen heftigen Streit angefangen, wobei es zu offenbaren Feindseligkeiten gekommen war. Den 8. und 9. April waren wirklich einige Dragoner auf dem Platze geblieben, und die Infanterie hatte wegen der engen Gassen augenscheinlich den Vortheil. Die Reiter zogen sich in die Citadelle zurück und ließen durch einen Anschlagzettel vom 11. April, der jetzt an allen Ecken der Straßen zu lesen ist, den Bürgern kundthun, sie würden sich ruhig verhalten, aber ohne Befehl vom König und der Nation die Citadelle an niemand, am wenigsten an Truppen von der Miliz abliefern. Die Bürgerschaft, die am ganzen Handel keinen Antheil genommen, sondern nur sorgfältig ihre Kramläden und Thüren verschlossen hatte, schickt jetzt Deputirte nach Paris, um Verhaltungsbefehle einzuholen, und vermuthlich werden die verdächtigen Dragoner an einen anderen Ort verlegt werden müssen. Die Offiziere von Colonel-Général sind als Feinde der neuen Constitution bekannt, und man versichert allgemein, daß sie nichts unversucht gelassen hätten, um ihre Leute zum Streit mit der Infanterie, die sich entschieden für die Volkspartei erklärt hatte, zu reizen. In allen Vierteln von Lille waren die Schenken offen, und die Dragoner konnten darin unentgeltlich zechen. Ein Infanterist fiel einem Haufen der Betrunkenen in die Hände und ward von ihnen ermordet. Dies brachte die andern Regimenter auf. Wo sich Dragoner blicken ließen, gab man Feuer auf sie, und da diese zuletzt mit Wuth gegen die Infanterie anrückten, so entstand ein ordentliches Scharmützel. Ein Garde national soll ums Leben gekommen sein, weil seine Uniform ihn einem Dragoner ähnlich machte. Nunmehr aber sind zwölftausend Bürger in den Waffen und auf viele Meilen weit ist keinem Hahn eine Feder übriggeblieben, denn man hat die panache mit drei Livres bezahlt.

Das Gerücht hatte diese Schlägerei so ungeheuer vergrößert, daß niemand in den Niederlanden uns rathen wollte, die Reise nach Lille fortzusetzen. Wenn man den muthvollen Anhängern der brabantischen Stände hätte Glauben beimessen wollen, so war es nichts Geringeres als die offenbare Gegenrevolution, die in jener Grenzfestung zuerst ausgebrochen sein sollte; man malte uns ganz Frankreich in Flammen und Paris in einen Schutthaufen verwandelt. Wir versicherten, es sei uns darum zu thun, das Schauspiel großer Begebenheiten mitzunehmen, wo es sich auf unserm Wege fände, und eine Gegenrevolution sei nun eben unsere Sache. Je näher wir Lille kamen, desto unbedeutender wurden die Berichte, die wir von dem Tumult einziehen konnten, und als wir uns nun hier innerhalb der Thore befanden, hatte alles das Ansehen der tiefsten bürgerlichen Ruhe: alle Läden waren offen, alle Straßen wimmelten, des Regenwetters ungeachtet, von geschäftigen Menschen, und nur das Schauspielhaus blieb heute noch verschlossen, um nicht zu neuen Händeln Veranlassung zu geben. Du wirst also wissen, woran Du Dich zu halten hast, wenn die Zeitungen, wie gewöhnlich, von einem schrecklichen Blutbade schreiben und die politischen Kannengießer von Verwirrung und Anarchie sprudeln werden. Es ist der Mühe nicht werth, die Armseligkeit zu widerlegen, womit einige verworfene Schriftsteller unter uns die wenigen unvermeidlichen Unglücksfälle, die eine große Revolution nothwendig mit sich bringen mußte, als Enormitäten der ersten Größe und als Schandflecken der Geschichte darzustellen bemüht sind, indeß sie den systematischen Mord von Tausenden durch den Ehrgeiz kriegführender Despoten und die langsame Vergiftung der Freuden von Hunderttausenden, durch die Erpressungen unerschwinglicher Abgaben für nichts achten, oder wol gar als ruhmvolle Thaten mit ihrem feilen Lobe vor dem Fluch der gegenwärtigen und kommenden Generationen zu sichern hoffen.

Es war schon spät, als wir hier eintrafen, wir haben aber noch einen Gang durch die Stadt gemacht und uns ihres schönen, wohlhabenden Anblicks erfreut. Ganze Straßen haben ein regelmäßiges Ansehen, als wären alle Häuser Theile eines Ganzen. Die Häuser sind durchgehends drei und mehr Stockwerke hoch und von massiver Bauart. Die öffentlichen Gebäude, wie das Hôtel oder Bureau des Comptes, und selbst das große, ganz isolirte Theater sind neu und schön, wenngleich nicht fehlerfrei. An der Esplanade zwischen der Stadt und der Citadelle läuft eine sehr schöne breite Allee längs der Stadt hin und bietet den Einwohnern einen herrlichen Spazierweg dar. Das Gewühl auf den Straßen war uns nach dem todten Brabant ein erfreulicher Anblick; allein man rechnet auch, daß Lille hunderttausend Einwohner hat, und es ist bekannt, daß es einen starken Handel treibt. Auch die Vorstadt ( Faubourg aux malades) ist weitläufig und die Gegend ohne Erhöhungen dennoch bewundernswürdig schön und gleichsam einem Garten ähnlich. Außerhalb dieser Vorstadt zählten wir gegen hundert Windmühlen, und vielleicht verbarg uns der Wald ebenso viele andere. Der Rübsamen, den wir hier und schon durchgehends in Brabant und Hennegau mit seinen goldgelben Blüten große Strecken Landes prächtig schmücken sahen, wird auf diesen Mühlen gepreßt, und das Oel ist ein wichtiger Handelsartikel für Lille, indem es sowol zum Essen als zum Brennen in Lampen gebraucht wird. Die frühzeitigen Blüten dieser Oelpflanze beweisen schon die Anwesenheit ihres innerlichen Wärmestoffs, der sich noch deutlicher im Oel offenbart. Diese Eigenschaft sichert die Pflanze gegen den Frost.

Auf unserm schnellen Fluge haben wir nicht Zeit, die hiesigen Kirchen zu besehen, wo noch manche gute Stücke von flamändischer Kunst aufbewahrt werden. Ebenso wenig können wir uns aufhalten, die Spiegelfabriken, die Tabaksfabriken u. s. w. zu untersuchen, die hier nebst so manchen andern viele tausend Arbeiter beschäftigen. Merkwürdig ist es indeß, daß in der hiesigen Gegend gar kein Tabak gebaut wird, so geschickt auch der Boden dazu sein scheint, und so zahlreich auch die Fabrikorte hier herum, nämlich Lille, Dünkirchen, St.-Omer, Tournai, Ath, Leuze u. s. w. sind, wo man diese Pflanze verarbeitet. – Morgen eilen wir weiter.



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