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Eine Epoche der »Mobilmachungen« folgte den Kämpfen von 1848 und 1849. Wer diese Mobilmachungen erlebt hat, weiß, daß es nichts Verstimmenderes und Lähmenderes gibt. Wer mobilisiert, muß auch schlagen. So wenigstens die Regel. Eine so große Rat- und Freudlosigkeit war über unser Volk gekommen, daß, als der Tod Friedrichs VII. und die sofort ausgesprochene Inkorporation Schleswigs in Dänemark zu neuen Mobilisierungen führte, niemand an den Ernst der Situation glauben wollte. »Es wird wieder nichts«, hieß es. Nebenher ging die Befürchtung, daß alles, was etwa doch geschähe, zu Nutz und Frommen Dänemarks geschehen würde. Es kam jedoch anders. Eine Epoche glänzender Kriege nahm ihren Anfang.
Anno 64 kam unser Regiment zur Brigade Roeder. Am 2. Februar war es mit bei Missunde, rückte am 7. mit in Flensburg ein und stand am 11. im Vorterrain von Düppel, etwa eine Meile von den Schanzen entfernt.
Am 22. Februar wurde die Büffelskoppel, am 14. März Wester-Düppel, am 17. März Kirch- und Oster-Düppel genommen. Endlich am » 18. April« erfolgte der so berühmt gewordene Sturm auf die Düppler Schanzen.
Unsere Vierundzwanziger standen der Schanze V gegenüber. Die Formation der Angriffskolonne war die folgende: eine Schützencompagnie: Hauptmann von Salpius vom 64.; eine Arbeitercompagnie: Hauptmann von Lobenthal vom 64.; eine halbe Pioniercompagnie: Premierlieutenant Lommatzsch; zwei Sturmcompagnien Vierundzwanziger unter Hauptmann von Hüllessem und Hauptmann von Sellin; zwei Reservecompagnien, Vierundzwanziger und Vierundsechziger, unter Hauptmann von Goerschen und Hauptmann Windell.
Alle stiegen mit dem Glockenschlag zehn rasch hintereinander aus der dritten Parallele hervor und avancierten in drei Linien. Die Compagnien von Sellin und von Goerschen, und ihnen vorauf die halbe Pioniercompagnie unter Premierlieutenant Lommatzsch, hatten nach drei Minuten schon den Graben in Front der Schanze erreicht. Hier aber geboten die Palisaden Halt. Es galt, dieses Hindernisses Herr zu werden. Mancher überkletterte die Pfähle, die meisten aber stemmten sich dagegen und wuchteten sie heraus, wodurch Lücken entstanden, die nun den Stürmenden den Weg auf die Brustwehr öffneten. Wie bei Schanze III, wo die Füsiliere vom Leibregiment den Lieutenant von Werdeck, eine reckenhafte Figur, mit Hülfe zusammengelegter Gewehre hineingehoben hatten, so trugen auch hier die Füsiliere vom 24. Regiment ihren Hauptmann von Sellin im Triumph in die Schanze. Mancher fiel. Premierlieutenant Lommatzsch, an der Spitze seiner Pioniere, erhielt einen tödlichen Schuß, Lieutenant von Falkenstein, vom 24., wurde schwer verwundet, aber schon sechs Minuten nach zehn Uhr war Schanze V in der Front erobert.
An dem erbitterten Kampfe, der der Erstürmung der Schanzen auf dem zwischen diesen und dem Sonderburger Brückenkopf gelegenen Terrain folgte, scheint die Brigade Roeder keinen Anteil genommen zu haben. Desto hervorragender war ihre Beteiligung an der Eroberung von Alsen.
Die Eroberung von Alsen geschah am 29. Juni 1864. In der am Tage zuvor in Schloß Gravenstein ausgegebenen Disposition hieß es: »Der Übergang geschieht mittels 160 Kähnen und durch den Pontontrain von vier näher zu bezeichnenden Punkten aus.« Unsere Vierundzwanziger hatten innerhalb der Brigade den rechten Flügel. Das 1. Bataillon ging in fünfzig Booten vom Südende des Satruper Holzes, das 2. Bataillon in zweiundvierzig Booten von der »Ziegelei« aus über den Alsensund. Ich gebe nachstehend einen Bericht aus den Reihen des 2. Bataillons.
»Solange man von Alsen sprechen wird, wird dieser Übergang als ein tollkühnes Unternehmen gelten. Vielleicht barg diese Kühnheit das Geheimnis des Erfolges. Ich, für mein Teil, bei aller Erkenntnis der Gefahren, denen wir entgegengingen, hatte das vollständigste Gelingen keinen Augenblick bezweifelt. Nun nehmt eine Karte zur Hand, um besser folgen zu können.
Die Disposition für den 29. lautete etwa wie folgt:
›Um zwölf Uhr nachts steht alles an den angewiesenen Plätzen. Anzug wie am Sturmtage; der Mann achtzig Patronen. Schlag zwei Uhr setzt die Brigade Roeder, als Avantgarde, über den Alsensund. Das 1. Bataillon vom 24. Regiment nimmt den rechten Flügel in der Richtung auf Arnkiel, das 2. Bataillon vom 24. nimmt die Mitte, sechs Compagnien vom 64. Regiment nehmen den linken Hügel und steuern auf Arnkiel-Öre. Die ersten Compagnien, die das feindliche Ufer erreichen, stürmen die dortigen Schützengräben und Batterien. Wenn dies geschehen, wendet sich das 1. Bataillon vom 24. auf das abgebrannte Gehöft Arnkiel, das 2. Bataillon durchstreift die Fohlenkoppel bis zum südlichen Ausgang derselben; die Vierundsechziger säubern den äußersten linken Flügel an der Augustenburger Förde und dringen ebenfalls bis zur Südlisière der Fohlenkoppel vor. Hier warten Vierundzwanziger und Vierundsechziger weitere Befehle ab.‹«
So das Allgemeine. Nun die Schicksale des 2. Bataillons.
»Am 28. abends halb zehn Uhr marschierten wir, nach dreimaligem Hoch auf den König, aus der Büffelkoppel. Um eineinhalb Uhr morgens machten wir halt dicht hinter einer am Strande gelegenen Ziegelei. Von hier aus sollten wir übergehen. Die Pioniere und die zu ihrer Hilfeleistung kommandierten Schiffer waren eben damit beschäftigt, die Boote ins Wasser zu bringen. Eine mühevolle und nicht ganz geräuschlose Arbeit. Dennoch blieb am jenseitigen Ufer, welches man auf 800 Schritt im Dämmer erkennen konnte, alles in geheimnisvoller Stille. Nun, macht euch fertig. Zwei Uhr. Es kam der Befehl zum Einsteigen. Die Leute mußten, da viele unserer Boote nicht hart ans Ufer heranzubringen waren, bis an den Leib ins Wasser. Ein angenehmes Morgenbad. Die Patronen wurden im Brotbeutel um den Hals gebunden. Ungeachtet aller dieser Hindernisse ging das Einsteigen rasch vonstatten. Unserer 6. Compagnie war für diesen Tag ein kurhessischer Offizier, der Oberlieutenant von Loßberg, Neffe des General von Canstein, zur Dienstleistung zugeteilt.
Drei Minuten nach zwei Uhr schwammen wir auf dem Alsensund. Die 5. Compagnie und ein Teil der 6. hatten die Tête. Unser Boot war unter den vordersten. Wenn wir nach links hin blickten, sah es im Morgendämmer aus, als schwämmen Züge wilder Enten über den Sund. Alles still. Peinlichste Erwartung. Die Ruderer griffen rascher ein. Da mit einem Male brach ein Donnerwetter über unsern Köpfen los. Granaten-, Kartätsch- und Gewehrfeuer begrüßte uns vom andern Ufer, Fanale brannten auf, und das 1. Bataillon des 60. Regiments, das aufgelöst an der Lisière des Satruper Holzes stand und von dem Augenblick an, wo wir entdeckt sein würden, durch Schnellfeuer unseren Übergang decken sollte, knatterte jetzt ebenfalls über den Sund hin. Man war von hinten kaum sicherer als von vorn. Trotz aller Gefahr das großartigste Feuerwerk, das ich mein Lebtag gesehen habe. ›Hurra, vorwärts, vorwärts!‹ Es war zauberhaft. Die Kartätschen plätscherten um einen herum, daß das Wasser hoch aufspritzte. Eine Granate schlug einen Kahn unserer Compagnie in Stücke, eine ganze Wand war weggerissen, und im Moment gingen Boot und Mannschaften in die Tiefe. Alles schrie auf, und die nächsten Boote wollten retten. Aber ›vorwärts!‹ donnerte eine Kommandostimme dazwischen. Es stand Größeres auf dem Spiel. Drei ertranken. Andere tüchtige Kerls schwammen glücklich dem Ufer zu. Hut ab vor diesen braven Musketieren.
Die 5. Compagnie war die erste am Ufer. Mit Hurra ging es die steile Uferwand hinauf, auf die Schützengräben zu. Was sich wehrte, wurde niedergemacht, andere gefangengenommen. Noch andere wichen auf die Fohlenkoppel und wir hintendrein. Es war das reine Kesseltreiben. Endlich an der Lisière hielten wir, um Atem zu schöpfen. Aber fast im selben Moment kam General Roeder zu uns heran und rief uns, rückwärts deutend, zu, erst die Strandbatterie zu nehmen, an der wir in unserem Verfolgungseifer vorbeigestürmt waren, ohne ihrer zu achten. Nun also kehrt! Wahrhaftig, da krachte es von derselben Uferstelle aus, an der wir gelandet waren, oder doch keine 200 Schritt von ihr entfernt, immer noch über den Alsensund hin, als ob wir noch samt und sonders auf dem Wasser schwämmen. Aber es waren die letzten Schüsse. Nach zehn Minuten war die Schanze genommen, und drei schwere Geschütze samt einer Anzahl Espingolen, dazu zwei Offiziere und fünfzig Mann, fielen in unsere Hände. Die Gefangenen wurden dem Ufer zu getrieben und dort von den rückkehrenden Booten aufgenommen. Wir schwenkten dann wieder rechts, bis wir unter fortwährendem leichtem Gefecht die Südlisière der Fohlenkoppel erreichten.«
Dies war am 29. Juni. Drei Wochen später war der Krieg beendet.