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Karwe

II
Eine Revue vom alten Fritz

Es war im Frühjahr 1783, so erzählt der Feldmarschall von dem Knesebeck in seinen Memoiren, und die Truppen, die zur magdeburgischen Inspektion unter General von Saldern gehörten, hatten unweit der Dörfer Pietzpuhl und Körbelitz, auf der sogenannten Pietzpuhler Heide, anderthalb Meilen von Magdeburg, ein Lager bezogen. Es war gegen Mittag, und der König konnte jeden Augenblick eintreffen, da er sehr früh am Morgen von Sanssouci aufzubrechen pflegte. Bekanntlich fuhr er mit Bauerpferde-Relais. Die Reise ging trotz des greulichen Sandes fortwährend in einer Carrière; was fiel, fiel und wurde nur mäßig vergütigt. Sein Quartier nahm er in einem kleinen Häuschen am Nordwestende des Dorfes Körbelitz.

Sobald er ankam, dies wiederholte sich alljährlich, stieg er zu Pferde und ritt gleich zur Abnahme der Spezialrevue zu den Truppen. Die Regimenter, nach der Anciennetät gelagert, standen dann jedes in folgender Ordnung aufmarschiert. Vor dem ersten Zuge des ersten Bataillons zuerst der Kommandeur des Regiments, zu Fuß mit Esponton (nur die Generale waren zu Pferde), hinter dem Kommandeur die Junker des Regiments, die dem Könige noch nicht vorgestellt waren, hinter den Junkern die Rekruten des Jahres nach der Größe in drei Gliedern aufmarschiert. So erwarteten wir ihn jetzt.

Der schönste Frühlingstag glänzte zu unsern Häupten, die weite Heide war mit Zuschauern zu Wagen und zu Pferde überdeckt, und der Kräuterduft des Thymian würzte die Luft. Da sah man eine dicke Staubwolke in der Ferne, die sich uns nahte, und stiller und stiller ward es – je näher sie kam. Es war Friedrichs Wagen; bei Körbelitz angelangt, hielt er. Der König stieg zu Pferde.

Es war ein ungeheuer großer Schimmel, ein Engländer, den er dies Jahr noch ritt. Im nächsten Jahre, oder vielleicht auch erst 1785, kam er auf einem kleinen Litauer-Schimmel, Langschwanz. Sowie er zu Pferde war, setzte er es gleich in Galopp, so daß bei dem weit ausgreifenden großen Tiere das ganze Gefolge hinter ihm Carrière ritt.

So kam der siebzigjährige königliche Greis. Ungefähr dreißig Schritt vor der Linie parierte er zum Schritt, nahm das Augenglas, sah die Linie von weitem hinunter, ob alles gut gerichtet war, und nun hielt er dicht vor uns Junkern, ein kleiner alter Mann mit ungeheuren großen Augen und durchdringendem Blicke.

Er sah uns an, wandte sich zu Saldern, der unweit von ihm zu Pferde war, und sagte: »Saldern, was sollen die vielen Boucles da? eine Boucle ist genug!« – (Es waren ihm nämlich unsere vier mit Talg und Puder eingespritzten steifen Haarlocken aufgefallen, die wir an jeder Seite des Vorderkopfes trugen. Eine große Haarlocke zur Seite war damals gerade Mode, und jeder von uns dachte daher still bei sich: Das ist unser Mann! Von diesem Augenblick an verschwanden denn auch diese vier Perücken-Plagelocken, und eine trat an deren Stelle.)

Den Krückstock auf den rechten Fuß im Steigbügel gestemmt, fragte er nun die Fahnenjunker, und es kam zu folgendem Gespräch, mit jedem der Reihe nach.

»Wie heißt Er?« – »Hilitan, Ew. Majestät.« – »Wie heißt Er?«, und ohne die Antwort abzuwarten, mit immer steigendem ungnädigen Ton ihm folgende Namen gebend: »Kilian, Pelikan, Er ist nicht von Adel?«, hob er schon den Stock, um ihn auszustoßen, als dieser ihm zurief: »Ew. Majestät haben mich von den Cadets hergeschickt; ich bin ein Westpreuße.« – »So!« – Und sei es nun, daß er sich kein Dementi geben wollte, da er ihm dort gutgetan hatte, genug, der Stock ward wieder auf die Steigbügel gesetzt. Hilitan aber ward von uns jungen Leuten von jetzt an nie mehr anders als Pelikan oder Kilian gerufen und behielt diese Namen, womit ihn Friedrich getauft hatte. – Er nahm übrigens später ein schlechtes Ende und verscholl.

Der zweite hieß Hauteville. Er war aus Sardinien; sein Vater hatte ihn, nachdem er seine Studien vollendet, an Friedrich empfohlen und anvertraut, um in dessen Armee sein Glück zu machen. Als er in Potsdam angekommen war, hatte der König ihn, um Deutsch zu lernen, zu den Cadets geschickt und später zu unserm Regiment. So war er bereits einige zwanzig Jahre alt geworden. Bei uns hieß er »der Papa«, und wir fragten ihn wohl zuweilen: wann seine Frau und Kinder nachkommen würden. Er hatte Erlaubnis erhalten, den König zu bitten, ihn bald zu avancieren. Als Friedrich auf die Frage: »Wie heißt Er?« seinen Namen hörte, sprach er zu ihm ein paar Worte italienisch, dann französisch, und als Hauteville mit seiner Bitte herausrückte und immer dringender ward, fragte er ihn etwas unwillig in deutscher Sprache: »ob er denn auch Deutsch könne«, und als Hauteville deutsch replizierte: »Kann jetzt alles kommandiere, Ihro Majestät, und bitte untertänigst«, so fiel er ihm in die Rede: »Nun, Herr, beruhige Er sich doch, ich werd Ihn ja nicht vergessen«, und in sechs Wochen war Hauteville Lieutenant beim Grenadierbataillon Meusel. Später hat er ein Füsilierbataillon in Schlesien gehabt.

Der dritte hieß Brösicke. Als der König seinen Namen hörte, sagte er bloß: »Er ist aus der Mark«, und gleich zum Folgenden:

»Wie heißt Er?« – »Suhm, Ew. Majestät.« – Der König: »Sein Vater ist der Postmeister?« – »Ja, Ew. Majestät.« Der König: »Wenn Sein Vater nicht 4000 Taler hat, soll er an mich schreiben.« – Der Vater des Suhm war nämlich schwer blessiert (wenn ich nicht irre, hatte er beide Beine verloren) und hatte die Stelle als Versorgung erhalten. Er war ein Bruder des Suhm, mit dem Friedrich in Korrespondenz war, die gedruckt ist.

Nun kam die Reihe an mich. »Wie heißt Er?« – »Knesebeck, Ew. Majestät.« – »Was ist Sein Vater gewesen?« – »Lieutenant bei Ew. Majestät Garde.« – Der König: »Ach, der Knesebeck!«, und mit ganz veränderter, teilnehmender Stimme gleich zwei Fragen hintereinander an mich richtend, fuhr er fort: »Wie geht es denn Seinem Vater? Schmerzen ihn seine Blessuren noch?« Mein Vater war nämlich bei Kolin schwer blessiert und quer durch den Leib und Arm geschossen. »Grüß Er doch Seinen Vater von mir!« Und als er sich schon wenden wollte, noch einmal sich umsehend und den Zeigefinger der rechten Hand, an welcher der Stock baumelte, emporhebend und mich noch einmal ansehend, sagte er mit gnädiger Stimme: »Vergeß Er es mir auch nicht!«

Ach, seitdem sind fünfundsechzig Jahre verflossen (so schließt Knesebeck), und ich habe diesen Gruß, der gleich bestellt wurde, da ich Urlaub dazu erhielt, und noch weniger den Ton der Stimme vergessen, mit welchem er gesprochen wurde.

Lob des Krieges Der alte Feldmarschall von dem Knesebeck hat eine ziemliche Anzahl von Gedichten hinterlassen. Eins der seinerzeit populärsten ist das vorstehende. Es stammt aus den Lieutenantstagen in Halberstadt (1792).
                    Es leb der Krieg! Im wilden Kriegerleben,
Da stählet sich der Mut!
Frei kann die Kraft im Kriege nur sich heben;
Der Krieg, der Krieg ist gut.

Den falschen Freund, der listig Treue heuchelt,
Krieg macht ihn offenbar.
In offner Schlacht das blanke Schwert nicht schmeichelt,
Und jeder Hieb spricht wahr.

Der Krieg ist gut! Er weckt die Kraft der Jugend
Und zieht in seinem Schoß
So manchen Sinn für hohe, wahre Tugend
Zu schönen Taten groß.

Der Krieg ist gut! Er ruft aus feigem Schlummer
Den trägen Weichling auf,
Er lohnt Verdienst, und schafft er manchen Kummer,
Löst er auch manchen auf!

Der Krieg ist gut! Im Reiben seiner Kräfte
Ist für die Welt Gewinn.
Der Krieg macht froh, im Wechsel der Geschäfte
Nimmt er die Grillen hin.

Er lehrt die Kunst, das Leben zu verachten,
Wenn es die Pflicht gebeut,
Und immer nur es als ein Gut betrachten,
Das man der Tugend weiht.

Er lehret uns entbehren und genießen,
Er würzt auch schwarzes Brot –
Und wenn durch ihn auch manche Tränen fließen.
Er gibt den schönsten Tod.

Es leb der Krieg! wo hohe Kraft nur sieget,
Nicht Trägheit Lorbeern flicht,
Es leb der Krieg! Unsterblichkeit erflieget,
Wer durch ihn Palmen bricht.

Es leb der Krieg! Nur dem geb er Verderben,
Der frech den Frieden bricht.
Zur Schlacht, zur Schlacht! wir alle lernten sterben
Für Vaterland und Pflicht.


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