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Im Herrenschlößlein Bayerbrunn.

A. D. 1332.

Die Sonne neigte sich zum Niedergang und warf ihre Purpurstrahlen in die langgestreckt am blauen Himmel hinziehenden Wölklein, daß sie anzuschauen waren wie flatternde Feuerfahnen, und tauchte in gleichen Glutschimmer die Wipfel des Waldes und die Zinnen und Dächer der Burg Bayerbrunn. Tiefer lag der Zwingergarten des Schlößleins, die Abendröthe vermochte nimmer ihre Flügel darüber zu breiten, dennoch stand auch er in rosigem Abglanz der abendlichen Pracht; aus dunklem Laub schimmerten weiße Rosenkelche und duftende Nelken neigten sich im leisen Lufthauch.

Mitten in all' dem Glast und Schein saß eine Frauengestalt – hoheitsvoll die Haltung, doch schlicht die Bewegung; frisch und lieblich das junge Angesicht, aber sanft und verständig der Ausdruck der großen, klaren Augen. Wonach mochten ihr die Gedanken stehen? Vielleicht war es jenes unbeschreibliche Sehnen und Sinnen der Jugend, das, sich selber unklar, dennoch süß und wohlig ist, wie Veilchenduft und Lerchensang. Zuweilen sah sie lächelnd auf und schüttelte sich die reichen Flechten in den Nacken, zuweilen beugte sie sich emsig auf die in ihrem Schooße liegende Arbeit nieder, dann glitten die güldenen Fäden flink durch ihre feinen Finger und Stich fügte sich an Stich auf dunkelviolfarbenem Seidengrund.

Aufhorchend hielt sie plötzlich inne. Wo das Burggärtlein mit niedriger Mauerwehr an den tiefen Wallgraben stieß, der das ganze Schloß umgab, ließ sich hinter Ranken und dichtem Baumlaub Ausschau halten auf den nahen Thorweg. Die Pforte war geschlossen, aber die Zugbrücke niedergelassen. Von dort her scholl Fiedelklang und eine gedämpfte, aber wohltönende Männerstimme sang:

»Im Schellenkleid,
Zur Abendzeit,
Poch' ich an euern Gaden;
Thut auf das Thor,
Spitzt euer Ohr –
Ihr könnt mein nicht entrathen!

Ich kenn' die Welt,
Das Sternenzelt,
Den Nil, die Sarazenen,
Ich thu' euch kund
Vom Erdenrund
Viel Lachen und viel Thränen.

Die Sagen all'
Vom Reich Walhall'
Die kann ich euch erzählen;
Von Siegfrieds Tod,
Von Hagen's Noth,
Von Brünhild's grimmem Schmählen.

Von Gnom und Zwerg,
Vom Venusberg
Und reichen Schatzessagen;
Vom Feindesheer,
Manch' selt'ne Mär',
Wie Friedrich Friedrich der Schöne. ward geschlagen.

Von Lieb' und Leid
Zur Maienzeit –
Wenn Eis die Erde decket;
Vom Meeresschaum
Und Elfentraum,
Der süße Bilder wecket.

Drum laßt mich ein
Und gönnt mir Wein
Und Ruh' in eurem Gaden;
Bring' Lust und Leid
Im Schellenkleid –
Ihr könnt mein nicht entrathen!«

Lustig und auffordernd klang das Lied, aber der es vortrug, machte kein fröhlich Gesicht dazu. Bleich und eingefallen waren des Spielmanns Wangen und trotz des bunten Narrenkleides und der kaum beginnenden Jünglingsjahre war der Glanz seiner Augen erloschen und der Jugendfrohmuth von ihm gewichen. Ermattet lehnte er am vorspringenden Mauerpfosten und schaute sehnsüchtig nach der verschlossenen Thüre. Aber Niemand kam, ihm Einlaß zu bieten. Da wich des fahrenden Mannes letzter Rest mühselig behaupteter Fassung. Das Haupt stützte er in die Hand und zwischen den Fingern perlte eine Thräne nieder; die Fiedel aber fiel zu Boden und ihre Saiten gaben einen klagenden Ton, als wollten auch sie einstimmen in die Trauer ihres Herrn.

Da bogen sich oben auf der Mauer die grünen Blattzweige weiter auseinander; zwei gute, milde Augen blickten mitleidig auf den fremden Spielmann, dann schlugen die Büsche wieder zusammen und das Fräulein huschte eilig aus dem Garten in das Stüblein des Thorwarts: »Thu dem Sänger auf,« sprach sie freundlich zu dem alten Knecht, »denn müd' und krank scheint er zu sein und gib ihm, wie er erflehte, einen Trunk Weines!«

Der Alte sah sie verwundert an, dann sprach er nickend: »Auch mich erbarmt der fahrende Gesell und gern möcht' ich Eurem Befehl gehorsamen, Fräulein Aglaia, aber die Scheu vor des Herrn Verbot hält mich zurück vor solch mildem Thun.«

Da lächelte sie: »Wohl liebt der Vater die Spielleute nicht, denn er meint, nur mit dem Schwert in der Hand läßt sich dem Kaiser ehrlich dienen und darum hat er verboten, solch' geigendem Volke Einlaß zu geben. Doch nicht als Sänger sollst Du Jenen in die Burg führen, sondern als wegmüden Wanderer, und was des Vaters Verbot betrifft, so werd' ich die Uebertretung verantworten.«

Leichten Schrittes ging sie aus dem kleinen Gemach. Der Thorwart aber griff nach seinem Schlüsselbund und schritt der Thüre zu; im Hinausgehen murmelte er vor sich hin: »Gut ist das Fräulein und liebreich mit jeder Kreatur; mögen die Heiligen sie behüten und bewahren!«

Wie er draußen den eichenen Thorflügel öffnete, lag der Fremde mit geschlossenen Augen wie leblos am Boden. Da rief der Wärtel einen Knecht zur Hülfe; selbander trugen sie den Bewußtlosen in das Stüblein der zukehrenden fremden Wanderleute und legten ihn dort auf's immer bereite, bequeme Lager. Dann sahen sie einander verlegen an. »Der scheint auch sein letztes Lied gesungen zu haben!« meinte der Wärtel. Der Andere gab keine Antwort, er zuckte nur mit den Achseln und drückte sich zur Thüre hinaus. Aber auch der Thorwart wußte sich nicht zu helfen. Darum ging er, das Fräulein zu holen. Im Blumengarten fand er sie wieder bei der Arbeit. »Was soll nun werden?« fragte er kleinlaut. »Der Fremde liegt starr und stumm, wie ohne Leben; leichtlich ist er schon verstorben. Was dann? Es wäre ärgerlich, Einen im Hof zu haben, der ohne Trost der Kirche in's Jenseits gegangen ist.«

Das Fräulein war aufgestanden. »Eh' Du die Bretter zu seinem Sarge zimmerst, wollen wir erst sehen, ob es nöthig ist,« sprach sie mit leisem Spott, dann eilte sie voran zu dem Kranken.

Der lag noch regungslos. Widerwärtig stand das grün- und rothgestreifte Kleid zu seinem bleichen Gesicht. Auch Aglaia mochte sich des Eindrucks nicht erwehren, darum sprach sie zu dem alten Diener: »Nimm ihm die staubigen Kleider ab und thu' ihm von unserem Linnenzeug an; ich will indeß Wein und Wasser holen, das wird das Beste sein!«

Wie sie wieder in die Kammer trat, sah der Fremde in dem reinlichen, faltigen Hausgewand minder abschreckend aus denn zuerst; auch schien ihm das Bewußtsein wieder erwachen zu wollen, denn zuweilen regte er die Hand wie ein Träumender, auch ließ er sich den von Aglaia mitgebrachten Wein widerstandslos einflößen und bald nachher schlug er die Augen auf, um sie verwundert auf seiner neuen Umgebung, vornehmlich auf dem schlanken Fräulein, haften zu lassen. Was in jener Stunde in des einsamen Mannes Seele vorging, war nicht zu schildern: wiederkehrende Kraft nach gänzlicher Ermattung, das Gefühl von Ruhe, Erquickung und Obdach und – die wohligste Empfindung für den Verlassenen – Aglaia's besorgter Ausdruck in den ernsten, sinnenden Augen. Kaum wußte er sich darein zu finden.

Das Fräulein hatte eine warme Freude, wie er sich zusehends erholte; schier wollte sie stolz darauf sein, ein Menschenleben erhalten zu haben. Wie sie seinen fragenden Blicken begegnete, sagte sie beruhigend: »Seid ohne Sorgen, guter Freund, und ruhet Euch nach Behagen aus, auch den Wein lasset Euch schmecken und was ich Euch zum Essen schicken werde, damit Ihr bald wieder gesund werdet und mit den Lerchen um die Wette singen könnet.«

Der Spielmann lächelte still-glückselig, Worte fand er keine; den Saum von Aglaia's langem Aermel aber zog er dankbar an die Lippen. Dann entschritt sie mit leichter Beugung des Hauptes dem Gemach.

Am Abend saß Aglaia mit dem Vater allein beim Nachtmahl. Herr Konrad von Bayerbrunn war ein streitbarer Herr all' sein Lebtag gewesen. Noch stand er in voller Kraft der Mannesjahre und sein Auge blitzte in gewaltigem Kampfmuth. Allzeit hatte er die Bücher und gelehrten Wissenschaften für eitlen Kram erklärt und lieber mit rothem Blut, denn mit schwächlicher Tinte geschrieben; dennoch war ihm bei ständiger Waffenübung das Gemüth nicht verkümmert. Herzlich zugethan war er einst seinem Weibe gewesen; nach ihrem Tode hatte er seine Zärtlichkeit auf die einzige Tochter übertragen; aber noch Einer besaß einen guten Theil seines Herzens: Kaiser Ludwig IV., der Bayer; dem war Herr Konrad ergeben wie kein Anderer seiner Vasallen und Edlen. Bei Gammelsdorf hatte er an seiner Seite gestanden und die fliehenden Oesterreicher auf die brechende Brücke gedrängt, aber auch an jenem entscheidenden Tage bei Ampfing war er als Feldhauptmann, mit dem Fürsten und Schweppermann die Schlacht berathend, im Zelt gesessen, nachher hatte er mit dem Burggrafen von Nürnberg vereint den Feind geworfen. Noch jetzt stand er bei Ludwig in hohen Ehren und sein Rath galt mehr, als der der Höflinge und Würdenträger am Kaiserhofe.

Daheim war Herr Konrad ein milder Herr, geliebt von seinen Untertanen, gemieden von Allen, die Unredliches im Sinne führten. Jetzt leerte er vergnüglich seinen Becher und sprach dann zu Aglaia: »Einen guten Tag hat mir heute der Himmel bescheert, erst den Sonnenschein zum Trocknen des Heu's, dann einen Brief des Kaisers, darin er mir die Befugniß zur Jagd im Pullacher Forste vergabt!«

Aglaia nickte: »Fröhliches hat der Himmelsherr Dir erwiesen, darum hoffe ich, daß auch Du milde über eine Anordnung wegsehen werdest, die ich ohne Deinen Willen traf.«

Herr Konrad lachte stolz: »Was mein Kind gethan, wird kein Unrecht sein!«

Aglaia erröthete: »Gut war die That, aber ich vollbrachte sie gegen Deinen Willen!«

Ueber Herrn Konrad's Gesicht flog ein Schatten: »Was ist geschehen?«

Da beugte Aglaia sanft das Haupt: »Einem kranken Spielmann, der ermattet vor dem Hofthor lag, hab' ich Aufnahme gewährt in unserm Fremdengelaß.«

Des Schloßherrn Brauen runzelten sich: »Widerwärtig ist mir die Botschaft, denn unnütz ist der Spielleute Leben, gleichgültig ihr Schicksal. Auch in der nächsten Dorfschenke hätte der Mann Unterkunft gefunden.«

Aglaia schlug die Augen voll zum Vater auf: »Anders ist die Meinung des Mannes, anders die des Weibes. Läßt Dich des wandernden Mannes Geschick gleichgültig, mir hat es das Herz mit Mitleid erfüllt, darum hab' ich ihm Obdach geboten auf eigene Verantwortung.«

Herr Konrad erhob sich: »Weil eine gute Absicht Dich geleitet, so will ich Dir nicht darob zürnen; für Zweierlei aber magst Du Sorge tragen: zum Ersten soll er, sobald er genesen, ohne seinen Singsang auszukramen, die Burg verlassen; zum Zweiten aber mag er sich hüten, mir unter meinem Dache unter die Augen zu treten, denn nicht vermöchte ich des Fahrenden Gruß zu erwidern Die Spielleute waren ehr- und rechtlos, man scheute sich daher vor ihrer Berührung; selbst die gesetzliche Buße für erlittene Unbill war ihnen versagt oder doch zum Spott herabgedrückt; durfte doch der geschlagene Spielmann den Schlag nur dem Schatten seines Gegners zurückgeben. Freytag, Bilder der deutschen Vergangenheit, Bd. 2. und doch widerstrebt mir, unhöflich zu sein gegen den Gast meines Hofes.«

Noch bevor Aglaia eine Antwort gefunden, war der Burgherr aus der Thür geschritten.

Am andern Tag trat Aglaia um die Mittagszeit bei dem Spielmann ein. Noch hatte er das Lager nicht verlassen, denn die Ruhe mochte ihm süß dünken nach so langer Unrast, aber seine Wangen hatten sich wieder gefärbt und aus seinen Augen leuchtete ihm neuer Muth.

Es war zu jener Zeit nichts Außergewöhnliches, daß Frauen von edlem Stand mit eigener Hand Sieche oder Wunde ohn' Ansehen der Person oder des Geschlechtes pflegten. Meistentheils waren sie wohleingeweiht in die Geheimnisse der Wundarzneikunst und man rühmte billig solche, die schon Wesentliches geleistet im Samariterdienst. Auch Aglaia hatte ohne Nebengedanken den ermatteten Mann aufgenommen; ihm zu helfen, war ihr einziges Trachten gewesen. Jetzt war sie gekommen, ihm des Vaters Willen mitzutheilen; leicht war ihr das Geschäft zuerst erschienen – es sollte ihr schwerer werden, als sie erwartet.

Wie der Jüngling die Hand, die sie ihm zum Gruße geboten, wieder und immer wieder an seine Lippen zog in glühender Inbrunst, kam ihr ein seltsamer Schreck; schöner dünkte er ihr, als am andern Tage. Darum zog sie die Hand zurück und sagte ablenkend: »Fröhlich bin ich, Euch schon heute so frisch zu sehen, und gerne geb' ich der Hoffnung Raum, daß Euch die nächsten Tage die völlige Genesung bringen.«

Wieder haschte der Jüngling ihre Hand: »Wer könnte siech bleiben in Eurer Nähe?«

Da erröthete Aglaia, aber sie faßte sich schnell: »Einen Auftrag hab' ich für Euch vom Vater – doch,« unterbrach sie sich, »wie nenn' ich Euch?«

»Ronald!«

»Der Vater ist gut und gerne bereit, seinen Mitmenschen zu helfen; wer aber keine Waffe an der Seite führt, der scheint ihm minderer Ehren würdig als die Schwertträger, und – vorab Euer Handwerk ist nicht nach seinem Geschmack. Noch hat Keiner von Eurer Zunft unsern Hof betreten, und auch Ihr hättet wohl nimmer Aufnahme gefunden ohne Eure Krankheit.« Sie hielt einen Augenblick inne und sah nach Ronald; der hatte die Hand über die Augen gelegt, sie aber fuhr fort: »Darum hab' ich Euch ein ander Gewand mitgebracht, damit Euch die grelle Farbe nicht schon von Weitem kennzeichnet. So Ihr aber mir einen besondern Gefallen thun wollet, so weichet dem Vater aus und sorget vor Allem, daß ihm keines Eurer Lieder an's Ohr dringen mag.«

Ronald's Wange war wieder erblichen, müde lehnte er sich in die Kissen zurück und sprach bitter: »Ich dank' Euch für Eure gute Meinung, doch hoff' ich Euch nimmer allzu lang zur Last zu fallen, noch heut werd' ich den Wanderstab weiter setzen. So gehört's ja zu meinem Handwerk.« Seine Stimme klang gepreßt.

Das Fräulein war unter seinen Worten zusammengezuckt, jetzt neigte sie sich beschwichtigend zu ihm: »Hab' ich Euch weh gethan, so vergebt, ich hatte es nicht gewollt; den Gedanken an's Fortgehen aber möget Ihr nur aufgeben, ich würde es nicht dulden!«

Schlicht und einfach, aber bestimmt hatte sie gesprochen, das glättete wunderbar die brandenden Wogen seiner Seele.

»Wie seid Ihr gut!« flüsterte er mit dankbarem Blick.

Da lächelte sie: »Sorget nur, daß Ihr bald wieder gesund werdet, damit Ihr mir Eure Kunst weisen könnet; denn lieb ist mir die Musik und selten nur wird mir die Gelegenheit, ihr zu lauschen;« dann nickte sie noch einmal und ging, Ronald in den widerstreitendsten Gefühlen zurücklassend.

Eine Woche war vergangen. Längst war Ronald genesen, aber vom Weiterziehen war keine Rede mehr. In den dunklen Kleidern, die ihm das Fräulein gebracht, saß er meist still und träumerisch in der kleinen Kammer, des Wunsches Aglaia's eingedenk, dem Herrn der Burg nicht unter die Augen zu kommen. Seltsame Gedanken gingen ihm durch den Sinn. Er, der niedere Spielmann, den Alle gering geachtet, und der nur geduldet worden war, weil die Anderen seine Tanzweisen gewollt, er war durch die Milde einer edlen Frau vom sichern Tod errettet worden. Mitleidig hatte er ihre Augen auf sich ruhen sehen, ihre Freude hatte er wahrgenommen an seiner fortschreitenden Besserung, rückerinnernd malte er sich's wonnig aus. Ein wirres Gemisch von Seligkeit und Schmerz erfüllte ihn. Wär' er fern von ihr gewesen, geschieden auf Nimmerwiederkehr, es hätte ihm wohler sein mögen; so sah er sie von dem kleinen Fensterlein seines Gemaches alle Tage, allzeit hatte sie einen freundlichen Gruß, immer einen fröhlichen Zuruf für ihn. Zuweilen meinte er fliehen zu müssen aus ihrer Nähe, so leicht ihm aber auch an anderen Orten der Abschied geworden, und wie sehr ihn einst die Wanderschaft gelockt, er vermochte es nicht über sich zu gewinnen, – zuweilen auch wünschte er in ihren Armen gestorben zu sein. Bald saß er dumpf vor sich hinbrütend, bald sprang er empor und reckte die Arme, als sehne er sich nach Kampf und Streit. Einst plagten ihn wieder solch' schlimme Gedanken, da fiel ihm ein Spruch seines alten Magisters ein, der einstmals unverstanden an seinem inneren Ohr verhallt war: »Arbeit allein macht das Leben erträglich und hilft zehrendes Herzeleid verwinden.« Darum winkte Ronald einen Knecht, der just mit den Waffen des Schloßherrn über den Hof schritt, zu sich heran und rief: »Habet Ihr keine Beschäftigung für mich? Ich kann das faule Herumlungern nimmer ertragen!«

Der Knappe war froh, eine mühselige Arbeit los zu werden. »Da nehmet das Schwert,« sprach er, »und die Bärenspieße und putzet sie. Blank aber müssen sie werden, denn Herr Konrad ist genau!«

Ronald nickte vergnügt: »Seid ohne Sorge!« Das Geschäft machte ihm Freude, er nahm seine ganze Kunstfertigkeit zusammen, denn ihm war, als könne er damit dem Manne, der ihm trotz schlimmen Vorurtheils die Rast unter seinem Dach nicht geweigert hatte, – wenn auch ohne dessen Wissen – seinen Dank aussprechen. Wie die Schwertklinge mälig zu spiegeln begann, kam ein frischer Geist über ihn. Er gedachte an den Einzug Ludwig des Bayern in München nach der Ampfinger Schlacht und wie das Volk schier endlos gejubelt. Auch er hatte damals seine Fiedel erklingen lassen zum Preise des redlichsten Königs und Ludwig hatte ihm freundlich zugewinkt. Wie die frohe Erinnerung Einkehr hielt bei ihm, vergaß er alles Leid und Weh der letzten Zeit, auch Aglaia's Verlangen, seine Kunst zu meiden. Die alte Gewohnheit forderte ihr Recht; was ihm die Gedanken bewegte, fügte sich in klingenden Reim und er sang frisch und wohlgemuth, daß es laut durch den Hof schallte:

»Noch heute denk' ich der Stunde gern,
Da einst ich – Heil, daß es geschehen! –
Des heiligen römischen Reiches Herrn,
Den Kaiser, den Kaiser gesehen.

Es war nach dem Tage bei Mühldorf am Inn,
Der Feind lag zersprengt und vernichtet;
Es hatte die Schlacht mit gewaltigem Sinn
Der Kaiser, der Kaiser gerichtet.

Und als aus dem glücklich geendeten Krieg
Der Sieger nach München geritten,
Da jauchzten die Bürger: ›Heil, Heil! daß den Sieg
Der Kaiser, der Kaiser erstritten!‹

Da stand ich am Wege, beim Graben am Thor
Und ließ meine Fiedel erklingen,
Ich wollte, und wenn ich mein Leben verlor,
Den Kaiser, den Kaiser besingen.

Doch Ludwig, der Bayer, der lächelte mild
Mit den Augen, den ehrlichen, klaren, –
Nun kann ich das freundlichste, herrlichste Bild
Vom Kaiser, vom Kaiser bewahren.

Drum denk' ich noch heute der Stunde gern,
Da einst ich – Heil, daß es geschehen! –
Des heiligen römischen Reiches Herrn,
Den Kaiser, den Kaiser gesehen!«

Im Garten stand Herr Konrad und beschnitt einem Apfelbaum die Seitentriebe. Wie der fröhliche Sang zu ihm geflogen kam, zog er die Stirne kraus, ärgerlich legte er das Messer beiseite. Als er aber näher zuhörte, gefiel ihm die frische Weise; galt sie doch der Verherrlichung seines verehrten, geliebten Kaisers; und war sie nicht im Lied unmittelbar wiedergegeben nach des Sängers eigenster Empfindung und nicht nach Spielmannsart berechnet auf Zuhörer? »So lang einer so singen kann,« dachte Herr Konrad, »hat er noch Mark in den Knochen. Ich will mir den Burschen anschauen, vielleicht mag aus dem verkommenen Spielmann noch ein rechtschaffener Schwertschwinger werden,« und er ging allsogleich hinüber nach der Einkehrstube.

Dort stand Ronald, noch immer in sein Geschäft vertieft; er merkte nicht, daß sich die Thüre öffnete, erst da Herr Konrad zu ihm an den Tisch trat, fuhr er empor. Noch hatte er den Burgherrn nie gesehen – dennoch wußte er auf den ersten Blick, wer vor ihm stand; das gebieterische Wesen des Ritters, und mehr noch als dieß, die Aehnlichkeit mit der Tochter verriethen es ihm. Darum trat er bescheiden zurück und neigte das Haupt zu ehrerbietigem Gruße. Herr Konrad maß ihn lange prüfend: Ronald's schlanke, hohe Gestalt, der edle Ausdruck seines Gesichtes überraschte ihn; auch mißfiel ihm nicht, daß er das unscheinbare Wams seinem Schellenkleide vorgezogen hatte. Darum klang seine Stimme mild und freundlich, als er Ronald anredete: »Ihr habt ein gut Lied gesungen! Habt Ihr selber einst dem Einzug des Kaisers angewohnt?«

»Wer wäre daheim geblieben,« entgegnete Ronald, durch Herrn Konrad's gütigen Ton ermuthigt, »als die liebe Munichia sich rüstete, ihren Herrn zu empfangen? Auch ich erspähte eine Gelegenheit, meinem Lehrer zu entwischen; und heut noch freut mich, daß es gelang, trotz hinterdrein erlittener Strafe und jämmerlichem Kostabzug.« Er lachte fröhlich; das gefiel Herrn Konrad noch besser.

»Ihr seid zu München in der Schule gewesen?« fragte er theilnehmend.

»Ja wohl!« entgegnete Ronald aufrichtig, »sechs Jahre bin ich hinter den staubigen Pergamenten gesessen; wie aber des Lernens gar kein Ende mehr werden wollte, da riß mir die Geduld und als ich einst wieder des Aratus astronomische Auseinandersetzungen abschreiben sollte, da konnt' ich nimmer widerstehen; statt der gelehrten Erklärungen fand mein Magister ein Verslein aufgeschrieben:

» Doleo quod nimium,
Allzu weh ist mir zu Muth –
Patior exilium,
Traurig fließt mein junges Blut;
Pereat hoc studium,
Zu viel Lernen thut nicht gut,
Si non redit gaudium.
Weil's das Hirn verrücken thut. Das lateinische Verslein findet sich ohne Verdeutschung in der Carmina burana.

»Freilich ward ich dafür mit Schimpf und Spott von der Schule verstoßen, ich aber achtete das Leid gering, ging in die weite Welt als fahrender Spielmann und athmete auf im freien Sonnenlicht nach des Lehrsaals dumpfer Enge.«

Herr Konrad hatte sinnend seiner Erzählung gelauscht, jetzt wiegte er bedächtig das Haupt. »Seltsam ist der Lauf des Schicksals und seltsam die Wege der Menschen. Und hat Euch das neue Leben befriedigt?«

Ronald sah ernst vor sich hin: »Gutes und Schlimmes hab' ich erfahren, aber des Letzteren war allzeit mehr als des Ersteren und dennoch preise ich meinen Stern, denn wär's nicht also gewesen, ich hätte die Gastlichkeit Eures Hofes, für die ich tief in Eurer Schuld stehe, nimmer erfahren.«

Der Schloßherr sah ihn mit scharfem Blick an, die letzte Redewendung hatte ihm geschmeichelt, jetzt strebte er, ihn für sich zu gewinnen: »Und hättet Ihr nicht Lust, die Fiedel mit dem Schwert zu vertauschen?«

Ronald lächelte schwermüthig: »Wer möchte den ehrlosen Spielmann in Dienst nehmen? Seit langem ist dieß Gewaffen das erste, was ich in Händen hielt.« Er deutete auf Herrn Konrad's Schwert, das noch auf dem Tisch lag.

Der Schloßherr trat näher hinzu, er sah seine Waffe und erkannte erst jetzt, daß Ronald sie gereinigt hatte; da flog dunkle Röthe über seine Stirn: »Wer muthet dem Gast des Hauses Knechtesdienst zu?«

Doch Ronald erwiderte schnell: »Ich hab' mir selber als Gunst das Geschäft erfleht, denn ehrenvoll däuchte es mir, einem edlen Herrn die guten Waffen in Stand zu setzen.«

Da streckte ihm Herr Konrad die Rechte entgegen, den mißachteten Spielmann über dem einnehmenden Jüngling vergessend: »Wenn Ihr Freude habet an solcher Arbeit, so bleibet bei mir. Es soll Euch nicht schlimm ergehen in meinem Frieden.«

Ueberrascht sah Ronald empor, er hatte sich solchen Antrages nicht versehen. Wohl schien er lockend, doch ward ihm nicht leicht, das freie Leben aufzugeben; die Fiedel schien ihn von der Wand herab zu grüßen, er hörte die Schellen seines Narrenkleides klingen und die Sonne winkte ihm hinaus – schon wollte er den Mund öffnen zur Absage – da fiel sein Blick durch's Fensterlein in den Garten, dort saß unter den Blumen Aglaia. Wie er noch einmal hinsah, war sein Entschluß gefaßt. Blitzenden Auges schlug er ein: »So gelobe ich mich Euch auf Leben und Tod zu getreuem Dienste!«

Am Abend als Herr Konrad Ronald schon in die neue Beschäftigung eingewiesen hatte, streifte Aglaia an dem Jüngling vorüber; mitleidig sah sie ihn an: »Einen Wanderfalken kannt' ich, der lustig über die Berge und Thäler flog, jetzt haben sie ihm die Kappe über's Haupt gezogen, wird ihm nimmer die Sehnsucht kommen nach der alten Freiheit?«

Ronald lächelte: »Matt war der Zugvogel und erlahmt die Schwungkraft seiner Flügel – da ward ihm Aufnahme gewährt im Blumengarten und beim Duft der Rosen fand er die alte Kraft wieder. Da stand seine Sehnsucht nimmer nach der Ferne, denn gefunden hat er im Blüthenzweig, was er einst draußen umsonst erjagt; darum baute er dorthin sein Nest und vergaß des Weiterfliegens.«

Mit glänzendem Auge hatte Ronald gesprochen, Aglaia aber richtete sich hoheitsvoll auf, ihr Herz pochte laut. Wer war der heimathlose Knappe, daß er so zu ihr sprechen durfte?

Da schwand Ronald der kaum wiedergewonnene Muth; gesenkten Hauptes ging er an seine Arbeit; wie er dann nächtens in seine Schlafkammer entlassen ward, summte er ein trauriges Lied vor sich hin:

»Ich hab' am Weg gefunden
Ein abgefall'nes Blatt, –
Der Sommer ist geschwunden,
Der mich erwärmet hat.

So ist der Lenz gestorben,
So schwanden Laub und Klee;
So ist mein Herz verdorben
In bitterm Leid und Weh.

Aus mancher tiefen Wunden
Es oft geblutet hat, –
Und nun es Ruh' gefunden, –
Nun ist's ein welkes Blatt.«

Wenige Tage später ward zu Bayerbrunn ein großes Fest gerüstet. Kaiser Ludwig hatte durch seinen vertrauten Rath, Probst Konrad von Schefftlarn, sein Kommen anmelden lassen. Davon ward das gesammte Ingesind des Schlosses aus der behaglichen Ruhe aufgescheucht, wie die Insassen des Taubenschlages beim Herannahen des Habichts. Die Mägde scheuerten die Dielen und wuschen und rieben die letzte Spur von Staub aus den Winkeln und von den köstlichen Geschirren. Die Knechte zerwirkten Hirsche und Hasen, rupften Wildgeflügel oder schuppten Fische von unglaublicher Größe, denn mit ansehnlicher Körperkraft verbanden unsere Voreltern eine nicht zu unterschätzende Eßlust.

Herr Konrad war in den Wald geritten, es litt ihn nimmer daheim vor freudiger Erwartung. Aglaia saß unterdessen auf dem großen Flur; sie hatte viele Körbe vor sich, voll Tannenreis und Moos und bunter Wiesenblumen, wie Anger und Wald sie boten und wand Kränze daraus und hängende Gewinde. Ronald stand auf einer Bank, den Schmuck über Fenster und Thüren zu festigen. So lustig aber die Arbeit war, Jener, der sie vollbrachte, sah trübselig drein, und Aglaia sprach: »Lange hab' ich gewünscht, den geliebten Kaiser in unserer Hofstatt begrüßen zu dürfen, nun kann ich die Stunde kaum erwarten, wo er seinen Einzug hält!« und wie Ronald trübe zustimmte, fragte sie ihn verwundert: »Was schuf Euch die Unlust beim allgemeinen Fest?«

»Wenn der Leu einkehrt,« erwiderte Ronald dumpf, »hat der Hund sich zu ducken!«

»Der Hund wohl, aber die Lerche, die ihren Sang der Sonne entgegen trägt, die scheut ihn nicht, den gewaltigen König der Wüste und auch er ist ihr nicht feindlich gesinnt.«

»Auch die Vögel zittern vor dem Gebrülle des Löwen,« sprach Ronald ernst.

»Dennoch meine ich, daß Euch der Muth nicht zu sinken braucht, denn ganz richtig habet Ihr Ludwig mit dem Leuen verglichen; ein edler Mann ist er und ehrenfest wie kein Anderer, und er achtet auf Jenen, der in niedriger Stellung die Treue hält.«

Ronald gab keine Antwort darauf; seine Gedanken schweiften nach anderer Richtung; nach einer Weile hob er an: »In des Kaisers Gefolgschaft werden viel Herren reiten, die werden Euch mancherlei fröhlichen Zeitvertreib schaffen.«

Aglaia schlug die Hände zusammen: »Zeitvertreib?« rief sie, »als ob die Zeit nicht so schon zu schnell hinüber flöge und erst noch des Treibens bedürfte. Arbeit werden sie machen, große, kaum zu bewältigende Arbeit für mich allein, denn der Vater ist nicht zu rechnen, der muß als Hauswirth dem hohen Gast immer zu Handen sein. Kaum weiß ich, wie ich Alles zu Ende bringen soll ohne kräftige Hülfe, und ich will's nur gestehen, ich habe gewaltig auf Euch gezählt.«

Mit einem Satz war Ronald von dem Schemel nieder und dicht zu dem Fräulein gesprungen: »Befehlet; was ich zu leisten vermag, soll geschehen!«

Aglaia lächelte zufrieden: »So hab' ich's von Euch erwartet!« und sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich werde Euch beim Wort nehmen.«

Ehrfürchtig zog er ihre Finger an seine Lippen. »Wie seid Ihr gut, Herrin!« Es waren dieselben Worte, die er einst zu ihr gesprochen, da sie ihm des Vaters schonungslose Botschaft hatte versüßen wollen. Auch jetzt that ihm ihr Vertrauen wohl, konnte er doch bei ihr, die so hoch über ihm stand, nichts Höheres erwarten.

Aglaia aber sah mit Wohlgefallen auf den schlanken Jüngling, der ihr so bereitwillig zu Diensten war, und schier mit Bedauern streifte sie sein schmuckloses Dienerkleid. Der Rittergurt hätte ihm besser gesessen als manchem Herrn, der mit stattlichem Knappentroß über die Haide trabte. – – – – – – – – – – – – –

– – Der Kaiser war eingetroffen. In den Nebengebäuden lagerte sein Troß, in den Gastgemächern die Edlen seines Geleits, er selber aber saß allein beim Hausherrn im Rittersaal, denn ihn gelüstete wieder einmal in vertraulicher Zwiesprache all' seine Sorgen und Widerwärtigkeiten Herrn Konrad mittheilen zu können; denn als einen der Wenigen hatte er ihn erfunden, die treu und aufrichtig ergeben zu ihm gestanden, auch schon in jenen Tagen, da des Glückes Purpurglanz seine Krone noch nicht vergüldet hatte. Seit er von seinem Römerzug zurückgekehrt war und das Reich in verhältnißmäßiger Ruhe fand, gönnte sich Ludwig zuweilen etliche Stunden der Muße. Dann liebte er es, mit einem bewährten Freund einen Becher Weines zu leeren oder auf die Bärenhetze zu reiten; denn er war gewandt in allen Leibesübungen und ein behender und starker Mann bei aller Milde des Geistes, dann glänzten seine großen, kühnen Augen in fröhlichem Schimmer und ein Lächeln lag über den offenen Zügen seines Gesichtes, lieblich wie Sonnschein, doch blieb er allzeit voll Hoheit, ein echter Fürst, stolz und herrschgewaltig und doch voll Güte und Nachsicht gegen seine Unterthanen.

Auch heute floß ruhige Heiterkeit um seine Lippen. »Es ist lange her,« sprach er, den alten Saal mit den Blicken musternd, »wohl siebenzehn Jahre und mehr, daß ich nimmer in diesen Wänden weilte. Vieles hat sich geändert seitdem; Manches hat sich neugestaltet; Gutes und Schlimmes ist daraus erwachsen, bunt durcheinander wie das Unkraut unter dem Waizen. Auch wir Beide, Ihr und ich haben allerlei erlebt, davon wir uns einst nichts träumen ließen. Damals, es war kurz nach der Schlacht von Gammelsdorf, kredenzte uns Eure junge Hausfrau den Wein – nun ruht sie längst in der Gruft, an der Schwelle Eures Hauses aber stand heute ihr Ebenbild, Euer holdselig Töchterlein, mir den Willkomm zu bringen. Damals ritt ich, ein armselig bayerischer Herzog, in Euern Hof, der sich glücklich pries, einen Freund in Euch gefunden zu haben gegen seine mächtigen Widersacher – nun komme ich als Kaiser und Herr des gesammten deutschen und römischen Reiches. – Ob ich darum reicher bin? Um die Krone – ja, und auch sie lastet zuweilen schwer auf dem, der redlich bleiben will. Doch ich bin nicht gekommen, solch' schlimme Gedanken herauf zu beschwören; frohsinnig will ich die Stunden genießen unter Euerm Dach!« und Ludwig hob den vor ihm stehenden Weinbecher: »Auf fröhliche Zukunft!« und leerte ihn bis zum Grunde.

Da winkte Herr Konrad: vom Schenktisch im Hintergrund des Saales kam Ronald, dem erlauchten Gast den Pokal auf's Neue zu füllen. Oftmals hatte der auf seinen Wanderzügen hohe Herren bedienen sehen, nicht selten selber in ihrer Nähe gestanden. Darum wußte er jetzt, wie er seines Amtes zu walten hatte; schier geräuschlos, doch mit sicherer Hand goß er den rothen Bozener in den Kelch. Dann zog er sich wieder ehrfurchtsvoll in den Hintergrund zurück.

Der Kaiser aber hatte ihn bemerkt, wohlgefällig folgte er ihm mit den Augen. »Einen stattlichen Junker habet Ihr, Herr Konrad!« sprach er gutlaunig.

Der Ritter lachte: »Kaiserlicher Herr, der Ronald ist nicht aus edlem Blute; vielmehr ist er vordem ein fahrender Spielmann gewesen, den ich aus Mitleid mit seiner Jugend in Dienst nahm.«

Verwundert schaute der Kaiser noch einmal nach dem seltsamen Knappen. »Schade!« murmelte er vor sich hin, »ich hab' unter den adeligen Jungherren an meinem Hofe keinen, der ihm an Anmuth gleichkäme.« Dann wie von plötzlich erwachendem Gedanken erfaßt, rief er vergnügt: »Doch nun sich mir die treffliche Gelegenheit bietet, möchte ich wohl einen Sang von ihm hören; denn lieb ist mir Klang und Schall, und schon meinte ich solchen Genuß bei Euch entbehren zu müssen, der Ihr allzeit Frau Musika gering geachtet habet!«

Herr Konrad zuckte die Achseln: »Noch bin ich ihr gram, weil sie Euch viel Fäuste zum Waffendienst unbrauchbar gemacht.«

Drob lächelte der Kaiser und, Ronald zu sich winkend, fragte er ihn gnädig: »Willst Du uns das heutige Mahl mit Deinem Sang würzen?« und wie Ronald zum Zeichen der gebührenden Wertschätzung solcher Gnade des Kaisers Mantelsaum an die Lippen führte, sprang Ludwig empor. »Aber geig' mir kein abgedroschen Lied, wie sie mir allenthalben in die Ohren gellen – nur, was Du selber in einsamer Kammer singst, das magst Du auch uns künden!«

Bald nachher begann die Tafel. Kaiser Ludwig liebte es, bei wohlbestelltem Imbiß unter fröhlichen Zechern verständiger Rede zu lauschen; er selber aber war mäßig in Speis und Trank. »Ueberfluß ist vom Uebel!« hatte er gesagt und den Dienern mit den vielerlei kunstvoll aufgebauten Gerichten abgewinkt. Den Becher aber, den ihm Aglaia kredenzte, nahm er mild lächelnd. »Eine Blume ist aufgeblüht in den alten Mauern Bayerbrunns, lieblich ist ihre Gestalt und wonnig ihr Anblick, auch des gereiften Mannes Auge erfreut sich dran; wer wird die duftige Blüthe dereinst in seine Heimstätte pflanzen?« Gutlaunig ließ der Kaiser die Blicke über seine Edlen schweifen, als wolle er aus ihrer Schaar Jenen kiesen, der solcher Jungfrau würdig sei. Auf Keinem aber ließ er sie haften – da am untern Ende des Tisches hob sich ein Antlitz, bleich mit schmerzlichem Zug um den Mund, die brennenden Augen sehnsüchtig auf Aglaia geheftet; die saß erglühend mit gesenkten Wimpern. Da wurde des Kaisers Stirne ernst. »Komm herauf Spielmann,« rief er Ronald zu, »mich gelüstet nach Deinem Sang!«

Ronald folgte seinem Befehl. Wie er so die Fiedel im Arm den ersten Bogenstrich that, da war Keiner im Saal, der ihn nicht verwundert beschaute. Wär' er als ritterlicher Herr unter sie getreten, sie hätten ihn nicht anders erwartet, bei dem dienenden Knecht befremdete sie das stolze adelige Wesen; Aglaia aber empfand es wie freudigen Schreck, daß unter allen Männern jenem der Preis gebühre, dem sie das Leben erhalten hatte.

Und Ronald begann:

»Weißt du, was die Wellen sagen?
Weiter, weiter ohne Ruh;
Ohne Wünschen, ohne Klagen,
Immerdar dem Meere zu.

Weißt du, was die Stürme brausen?
Weiter, weiter ohne Ruh;
Heulend über Länder sausen,
Immerdar den Lüften zu!

Weißt du, was die Sterne glühen?
Weiter, weiter ohne Ruh;
Ohne Grämen, ohne Mühen,
Immerdar Muspilli Das Weltende, Weltbrand, ein altdeutsches Gedicht. zu!

Und so klopft mein Blut im Herzen
Weiter, weiter ohne Ruh –
Ohne Freuden, ohne Schmerzen,
Ewigem Vergessen zu.«

Ludwig hatte aufmerksam gelauscht; wie Ronald geendet hatte, winkte er ihn näher: »Mit gutem Liede hast Du Deinen Kaiser erfreut, wenn auch die Weise traurig war! Deß magst Du Dir nun eine Gnade erbitten!«

Ronald neigte sich tief: »Ich hab' keinen Wunsch, Herr!« Da nickte der Kaiser ihm freundlich zu: »So bleib' ich in Deiner Schuld, denn nicht mit Gold mag ich Dich entlohnen; doch so Du einmal ein Anliegen hast, das ich zu heben vermag, so magst Du zu mir kommen, mich an die heutige Stunde zu gemahnen.« Dann erhob sich der Kaiser. »Und nun, Ihr Herren, lasset uns aufbrechen zur Jagd. – Nach dem Gelag – der Sprung in den Hag! – s' ist ein alter Spruch, er mag auch bei uns in Ehren bleiben, wir wollen Freund Petz ein Loch in den Pelz stoßen,« und zu Herrn Konrad gewendet, sprach er: »Gebt mir den Ronald als Spießträger mit, ich mag ihn gern in meiner Nähe sehen.«

* * *

Es war ein warmer Sommernachmittag, als der ritterliche Jagdzug aus Bayerbrunns Thoren bog. Am Rain blühten Haideblumen und Knabenkräuter und bunte Falter flatterten drüber, in der Tiefe schäumte die Isar, weit in duftiger Ferne ragten die Alpen in blauem Schimmer; da hob sich der Kaiser in den Steigbügeln und that einen langen, rundschauenden Blick in die wechselreiche Landschaft und sprach: »Weit bin ich durch deutsches und welsches Land gezogen und Schönes hab' ich gesehen alleweg; die Herrlichkeit des Südens, in Luft und Meer und farbenprächtigem Pflanzenwuchs und den Wohlstand der nördlichen Handelsstädte; aber am Liebsten ist mir doch immer meine Heimath geblieben. Solcher Ausblick in's Herz meines Landes wiegt mir alles Andere – selbst die Kaiserkrone auf.«

Herr Konrad wiegte beifällig das Haupt: »Wohl ist Bayern werth, also geliebt zu werden, denn wahrhaft treu ist es allzeit Euch angehangen.«

»Ja wohl,« rief Ludwig, »ein gutes Volk nenn' ich mein eigen!« und er schrie einen lauten Jagdruf und spornte sein Roß, daß es den Anderen voran flog, dem Walde zu. Ronald folgte ihm.

Nicht lange waren der Kaiser und sein Gefährte im Forst geritten, da fanden sie die Spur eines Bären und wie sie sich noch etliche Schritte tiefer hineingezogen, da stand er selber, der zottige Waldbewohner, schüttelte seinen langen, braunen Pelz und blinzelte schläfrig mit den kleinen, listigen Augen wider sie. Des Kaisers Antlitz glänzte kampflustig. »Reich mir die Waffe!« rief er Ronald zu und drang gegen den Bären vor. Das Thier stutzte einen Augenblick, dann ging es kühn gegen den Angreifer. Ludwig schwang sich vom Roß: »Ich will ihn zu Fuß bestehen!« Da that auch Ronald ein Gleiches, band die beiden Pferde weiter zurück an einen Baumstamm und näherte sich dann wieder dem Kaiser, ihm für den Nothfall zur Hand zu sein. Der aber mochte leicht seiner Hülfe entbehren; mit gefälltem Speer ging er dem Fellträger entgegen, der sich auch seinerseits zur Wehre gesetzt hatte. Dennoch währte der Kampf nicht lang: wie der Bär im Zorn seinen Rachen öffnete, stieß ihm der Kaiser das Eisen mit solcher Gewalt hinein, daß er verröchelnd zusammensank. Da sprang Ludwig auf das erlegte Wild und rief sein Halali mit vernehmlicher Stimme weit hinaus, den Genossen seinen Sieg zu künden.

Dieweil aber der Kaiser noch mit dem Bären rang, hatten sich in seinem Rücken schier unhörbar die Büsche getheilt. Ein wildes Augenpaar blitzte und eine Armbrust ward in die Bresche geschoben, auf der gespannten Sehne lag der Bolzen schußbereit. Der Kaiser gewahrte nicht das mörderische Eisen, sorglos gab er sich der geliebten Jagd hin, ohne an seine zahlreichen Feinde zu gedenken, die ihm allerorts nach dem Leben strebten. Siehe Riezler's bayer. Geschichte. Dennoch waltete ein glücklicher Stern über ihm; denn Ronald erspähte die Gefahr und erkennend, daß jede andere Hülfe zu spät komme, warf er dem feindlichen Geschoß seinen eigenen Leib entgegen und sank im nächsten Augenblick, in die Brust getroffen, blutend zusammen. Zu gleicher Zeit erklang Ludwig's Waidruf, der das Gefolg herbeizog; da vermochte der hinterlistig Lauernde sich vor den andringenden Herren und Knappen nimmer zu bergen, schleunig ward er gefesselt und fortgeschleppt.

Erst jetzt gewahrte der Kaiser, daß Ronald verwundet war; eine starke Bitterkeit kam über ihn, – hatte ihm die lichte Jugendblüthe nur darum entgegen geschimmert, um schon beim ersten Lufthauch zu zerflattern? Wie er aber erkannte, daß Jener sich für ihn geopfert, da erschien ihm bei aller Trauer, die er um den Wunden trug, die selbstlose Hingabe also verklärend, daß ihn ein wohliges Gefühl überkam, solche Treue erfahren zu haben. Mit feuchtem Auge beugte er sich zu Ronald nieder, der bleich und regungslos vor ihm lag und wie das rothe Blut noch immer purpurn aus der Wunde quoll, riß er den Saum seines goldgestickten Sammetrockes ab und drückte ihn darauf, den verrinnenden Lebenssaft zu stillen.

»Ist keine Hilfe zur Hand?« rief er seinen bestürzt umherstehenden Mannen zu, »und soll elend verderben, der seinem Herrn die Treue hielt?« Da regten sich fünfzig Hände und mehr, dem Gefällten beizustehen. Nothdürftig ward er verbunden, dann hoben sie ihn auf eine eilig aus Speeren und Tannenzweigen zusammengefügte Bahre und trugen ihn also nach dem Bayerbrunner Herrenhaus zurück. Ernst und still ritt der Kaiser nebenher, die Anderen folgten in achtungsvollem Schweigen.

Aglaia stand in der Küche, für der Gäste Nachtmahl zu sorgen, als ein Knappe mit der schlimmen Botschaft zu ihr trat. Einen Augenblick wankten ihr die Kniee, dann flog sie hinaus in den Hof, wo der Zug eben anlangte. Sie achtete nicht des Kaisers, noch der vielen fremden Herren, die umstehend ihre Augen auf sie gerichtet hielten, nicht einmal an den Vater dachte sie; zu Ronald nur beugte sie sich mit unbeschreiblichem Ausdruck nieder, als wolle sie mit bannendem Blick das fliehende Leben halten. Der Kaiser verstand Aglaia. »Nehm' Einer mein Pferd und hole er schleunig meinen Wundarzt aus München, ehe es zu spät ist!« rief er gebieterisch seinem Gefolge zu. Da richtete sich Aglaia auf: »Vergönnet mir, kaiserlicher Herr, den Verwundeten zu pflegen, denn auch ich bin in solcher Kunst wohl erfahren!«

»So thut Euer Bestes für ihn,« entgegnete Ludwig gütig, »als ob's für mich wäre! Doch,« fuhr er leiser fort, »ich brauch's Euch nicht erst auf die Seele zu binden, Ihr thut es wohl ohnehin lieber für ihn.«

In der darauffolgenden Nacht – die Burg lag wieder still und einsam wie sonst, denn der Kaiser hatte noch am späten Abend den Heimweg angetreten – saß Aglaia an Ronald's Lager. Sie hatten ihn in das für den Kaiser köstlich bereitete Gastgemach getragen und Aglaia hatte seine blutende Brust nach allen Regeln damaliger Heilkunst verbunden und mit zitternder Lippe manchen Wundsegen drüber gesprochen. Aber umsonst harrte sie von Stunde zu Stunde des wiederkehrenden Bewußtseins; theilnahmlos ließ Ronald Alles mit sich geschehen, ohne die Augen zu öffnen.

Da kamen Aglaia seltsam neue Empfindungen, die sie bislang kaum geahnt, erst schwach und verschwommen tauchten sie wie aus nebliger Ferne auf, dann nahten sie stärker, gewaltiger, zuletzt nahmen sie feste Gestaltung an; mit wonnigem Schauer ließ sie die Fluth der Erinnerungen über sich hinströmen. Beim schwachen Schimmer des kleinen Oellämpchens stiegen die einzelnen Bilder vor ihr auf, klar und fest: der bleiche Jüngling im Schellenkleid, der singend um Aufnahme bat – der schwermüthig Genesende, der willig das Dienerkleid nahm, um auf der Hofstatt bleiben zu können, zuletzt der muthige Mann, der sich für seinen Kaiser geopfert hatte. Auch an die Ehrfurcht gedachte sie, mit der er ihr immer genaht und an die demüthige Entsagung, die aus dem Lied, das er beim Festmahl vorgetragen, geklungen hatte, und – da wußte sie es mit Leid und Lust zugleich, daß die Minne bei ihr eingezogen, die Minne,

»Die Hönich gemacht aus Gallen
und darnach aus dem Hönich gpirt
Gallen die ze pitter wirt« –

und sie senkte das Haupt in die Hand und weinte bitterlich. Wie lange sie so in Trauer verloren gesessen hatte, sie wußte es selber nicht. Mit einem Mal berührte eine zitternde Hand ihren Arm und erschrocken emporfahrend, gewahrte sie Ronald, der sich mühsam aufgerichtet und mit ängstlicher Spannung nach ihr sah. Da wich alles Leid von ihr, nur gewaltsam vermochte sie einen lauten Freudenschrei zu unterdrücken und seine ausgestreckten Hände in die ihren schließend, jubelte sie: »Weil Ihr nur lebt, weil Ihr nur wieder lebt!« – –

* * *

In wenigen Wochen war Ronald's Wunde so weit geheilt, daß er im Zwingergarten die freie Luft wieder genießen konnte. Aglaia's treue Pflege und eigene Jugendkraft waren die besten Heilmittel gewesen. Dennoch war der frohe Muth, der ihm trotz mancher schlaflosen Nacht auf dem Schmerzenslager nicht entschwunden, von ihm gewichen, seit Aglaia bei seiner fortschreitenden Genesung sich mehr und mehr von ihm zurückzog. Was ihn die erste Zeit nach jener Schreckensstunde so innig beseligt hatte, der Glaube, daß Aglaia ihm gut sei, war vor jenem andern Gedanken geschwunden, daß all' ihre Sorgfalt nur dem Retter des Kaisers gegolten habe. Darum achtete er nicht des milden Sonnenscheins, nur die herbstlich gefärbten Blätter sah er, die stimmten ihn noch trauriger. Weil aber langgepflogene Gewohnheit gar tief haftet und sich selten mehr gänzlich tilgen läßt, so vermochte auch Ronald trotz kaum geheilter Brust und schwerer Betrübniß nicht zu widerstehen, sein Empfinden im Lied auszusprechen, unwillkürlich lösten sich die Reime von seinen Lippen:

»Du bist wie die Maienrose,
So süß, so hold und licht,
So rosig und so duftig
Und ahnst es selber nicht.

Ich bin wie im späten Herbste
Ein abgefall'nes Blatt,
So welk, so gelb, so duftlos,
So müde und so matt.

Der Frühling und der November,
Die thun einander weh –
Drum will ich weiter wandern,
Wo ich dich nimmer seh'! –«

Vom Fenster ihres Gemaches hatte Aglaia ihm zugehört, sein Leid schnitt ihr tief in die Seele. Freilich war es dazumal wider allen Fug und Brauch, dem geliebten Mann entgegen zu kommen, zumal in solcher Lage, wo Herr Konrad der Tochter wohl niemals seinen Segen zum Bunde mit dem niedrig geborenen Mann geben konnte.

Dennoch vermochte sie nicht, ihn in solch schlimmen Gedanken allein zu lassen, darum schritt sie in das Gärtlein hinab und setzte sich zu ihm in die Laube: »Wenn die Lerche traurig ist, so vertraut sie ihren Gram den kleinen Grasblumen; warum wollet nur Ihr Euern Kummer in Euch verschließen?« frug sie herzlich. Da thaute vor ihrem milden Blick die langgewahrte Beherrschung seines Gefühls und ihre Hand ergreifend, entgegnete er warm: »Auch die Lerche vermag sich die Genossin zu küren zur lichten Sommerzeit; ich aber kann der Erwählten nicht einmal ein Nest bieten; heimatlos bin ich, und einsam muß ich drum bleiben alle Zeit!« Und wie Aglaia schweigend das Haupt senkte, rang es sich klagend von seinen Lippen: »Wohler wär' mir gewesen, wenn des Welschen Bolzen mich tiefer getroffen hätte.«

Die Antwort auf die bittere Rede blieb Aglaia erspart. Am Thor schmetterte ein Horn, und wie der Wärtel öffnete, kam Herr Konrad der Sachsenhäuser Probst Konrad von Schefftlarn, gebürtig aus dem nahegelegenen Sachsenhausen, war kein Ritter dieses Namens. auf seinem goldgezäumten Maulthier in den Hof getrabt und begehrte Ronald zu sprechen.

Man wies ihn zum Zwingergarten. Verwundert trat der Jüngling ihm entgegen; würdevoll neigte sich vor ihm der alte Prälat, dann begann er: »Vom Hofhalt des Kaisers komm' ich und einen Gruß hab' ich Euch zu bestellen von unserem kaiserlichen Herrn; und weil er Eures Dienstes nimmer vergessen mag und sich noch als Euer Schuldner bekennt, solche Erkenntniß aber eines Fürsten gänzlich unwürdig ist, so sendet er Euch zu gebührender Danksagung die goldenen Sporen; Herr Konrad von Bayerbrunn wird den Ritterschlag an Euch vollziehen; da Ihr Euch aber auch als Meister erwiesen habt in edelmüthiger Tugend und ritterlicher Tapferkeit, so ernennt Euch Ludwig IV. der Bayer, König von Deutschland und Kaiser des heiligen römischen Reiches, zum Meister seines von ihm gegründeten Ritterstifts Ettal, worüber ich Euch die Urkunde geprüft und gesiegelt zu überbringen habe; wollet Euch selber gefällig davon überzeugen.«

Ronald stand wie betäubt. Jugendsehnen, Minnetraum, Ruhm und Glanz und ein eigenes lockendes Heim – Alles mit einem Schlag gewonnen, – es war schier zu viel für den noch kaum Genesenen. – Wankend trat er einen Schritt zurück, wie aber sein Blick auf Aglaia fiel, die besorgt an ihm emporsah, raffte er sich auf. »Das Nest ist vom Himmel gefallen,« rief er fröhlich; »nun mag der Singvogel sich die Gesellin erflehen!«

Herr Konrad von Bayerbrunn war zwar gewaltig erstaunt, ob des an ihn gerichteten kaiserlichen Auftrages, doch nahm er ihn bereitwillig auf sich. »Als Lohn für Erhaltung des kaiserlichen Lebens ist nichts zu groß!« sprach er feierlich. Freilich schaute er bedenklich drein, wie Ronald um Aglaia's Hand bei ihm warb. Noch einmal bäumte das alte Vorurtheil sich auf wider den einstigen Spielmann, wie aber die Tochter ihn an Ludwig's Worte gemahnte, »daß er sich ein Meister erwiesen an edelmüthiger Tugend und ritterlicher Tapferkeit,« da schwanden die Falten auf seiner Stirn und zufrieden legte er die Hände Ronald's und Aglaia's ineinander und verlobte sie zum Bunde für's Leben.

* * *

Auch Bayerbrunn theilte das Schicksal der meisten übrigen Burgen und Herrensitze: bis auf niedrige Mauerreste ist es vom Erdboden geschwunden. Der Name Herrn Konrad's aber steht noch auf seinem Grabstein in der Klosterkirche zu Schefftlarn, allwo der alte Feldhauptmann mit Helm und Speer zum letzten Schlummer gebettet wurde, der letzte seines Geschlechtes.


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