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Im Weichbild der alten Landshut.

A. D. 1268.

Heimisch Land, wie bist Du herrlich!
Deiner Wiesen lichte Pracht,
Deiner Ströme fröhlich Rauschen
Hat mein Herz so froh gemacht.
Fern von hier an Akkons Strande
Wachsen Cedern schlank und grün,
Rosen duften, Palmen fächeln,
Cactus und Orangen blüh'n.

Lotosblumen steh'n im Weiher
Und sie laden Dich zum Bad,
Sonnengluth liegt auf den Tempeln
Und ein Pfauhahn schlägt sein Rad.
Alles licht und alles lockend
In dem fernen, schönen Land –
Dennoch hab' ich gern verlassen
Wüstenpracht und Wüstensand.

Streit und Herrschsucht dort regieret
Bei der Kreuzesritterschaar,
Jeder will das Scepter führen,
Unzucht wächst mit jedem Jahr.
Trug und List das Steuer lenket,
Zumal in der Franken Reih'n –
Wo zum zweiten Mal gefunden
Soll das Haupt des Täufers sein. Die Franken fanden zu Jerusalem den Kopf Johannes des Täufers, und die Mönche zu Angers rühmten sich, denselben Kopf schon längst zu haben – und die Franken frugen: »Der Apostel hatte doch nicht zwei Köpfe?« S. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Bd. 1 S. 488 ed. 1867.

Darum bin ich heimgezogen
Nach dem deutschen Tannenwald;
Nimmer lockt mich Palästina,
Nicht des heil'gen Grab's Gewalt;
Nicht des Südens gold'ne Sterne,
Nicht des blauen Meeres Strand:
Deutsches Land allein ist herrlich, –
Gott zum Gruß mein heimisch Land!«

So sang ein langer, schmächtiger Gesell, der, die hellen Locken und das gebräunte Gesicht von breitem Schlapphut überschattet, in dunklen Mantel gewickelt, rüstig in den milden Frühlingsabend hinein schritt. Zuweilen blickte er, sich auf seinen Speer stützend, den Abhang des Berges, auf dessen Höhe er entlang wanderte, hinab.

Ein prächtig Bild öffnete sich dort seinem Auge. Im Grund die alte Stadt Landshut, hoch überragt vom schlanken Martinsthurm, jenseits emporsteigende Hügel, Felder, Wiesenmatten, im Hintergrund dunkelblauender Wald, mitten durch die mächtig dahin strömende Isar.

Wo ein blühender Weißdornstrauch an aussichtsreicher Stelle am Weg stand, warf der Mann sich in's junge Gras nieder zu kurzer Rast.

Am Rande des Horizonts ging die Sonne zur Rüste, mit purpurnem Gold säumte sie die kleinen Wolken, die wie silberne Schwäne durch den lichten Aether ostwärts zogen. In dem starken Glanz traten die Umrisse der fernen Höhenzüge und des nahen Schlosses Trausnitz schärfer hervor, als am hohen Tag, und im Moos dufteten die kleinen Blauveilchen und eine einsame Lerche stieg weit empor, singend, jauchzend, – als wollte sie dem Weltenherrn des Lenzes Einzug auf der alten Erde vermelden.

Der müde Wanderer fuhr sich mit der Hand über die naß gewordenen Augen, – war's der feurige Glanz des Abends, oder ein weich Empfinden, das sie gefeuchtet hatte?

Noch eine Weile sah er so in die Landschaft, dann sprang er wieder empor, warf den Reisepack auf seine Schulter und schritt mit erneuter Kraft seinem Ziel entgegen.

Am Thor der alten Burgveste Trausnitz ließ er den eisernen Klopfer ertönen. Einst war der Name der Burg in scherzhafter Stunde entstanden: – »Trau-nit« – noch drohten aus kleinen Maueröffnungen scharf geladene Wurfschleudern, also daß der Platz mit gutem Rechte eine starke Veste genannt werden konnte.

Wie der Wärtel vom niederen Thorthurm Ausschau hielt nach dem ungekannten Einlaßgehrenden, schlug dieser den Mantel auseinander und wies auf den fremdartigen Reisebündel: »Eine Botschaft hab' ich an Frau Elisabeth, die Königswittib!«

Da ward ihm das Thor aufgethan. Das scharfe Auge des Eintretenden musterte die Gebäulichkeiten und blickte befriedigt auf die enge Thorgasse, deren Wände zu beiden Seiten mit vielfachen Schußscharten versehen, von geübten Bogenschützen zu trefflicher Vertheidigung benutzt werden konnten, und wie liebkosend klopfte er an die dicken Mauern, die wie aus einem Stein fest in einand gewachsen ragten.

»Die halten brav, auch wider starken Anprall,« sagte er, wie zu sich selber, »ist eine Pracht, solch' dauerhaft Gefüg.«

Der Wärtel blieb stehen und neigte sich vertraulich zu dem Fremden: »Seid Ihr ein Baugesell?« Der lachte drob seltsam, wenn auch unverdrossen: »Ein Maurer bin ich nicht, wenn gleich ich nicht selten Hand angelegt, einen Bau unter Dach zu bringen.« Dann griff er in seinen Bündel. »Ein Zeichen hab' ich der Frau Königin, damit sie mir vertrauen mag.« Er zog ein kleines Herz aus grobem, rothem Wollenzeug geschnitten hervor, von seltsam befiedertem Pfeile durchstochen. »Das gebt der hohen Frau und saget ihr, ich hätte ihr einen Gruß zu bestellen von den Getreuen Lucera's.«

Ein Knecht ging, der Herrin das Zeichen zu übermitteln. Der Fremde wartete indeß geduldig. Er nahm den Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirne, warf den Mantel und den Reisepack von der Schulter und ließ sich auf den Stein nieder, den die Herrn zu leichterem Besteigen der Pferde benützten.

Der Wärtel war wieder in seine Stube gegangen; etlich zechende Knappen, die an langen Eichentischen im Burghof saßen, schauten verwundert auf sein sicheres Gebahren, das sonderbar abstach von der unscheinbaren Tracht.

Bald ward er hinauf beschieden; die alte, hölzerne Treppe knarrte unter seinem kräftigen Tritt, wie er d'rüberschritt. Ueber den Thüren hingen riesige Hirschgeweihe und Hörner von Ur und Steinbock; der Fremde grüßte sie wie alte Bekannte.

An dem letzten Pförtlein des langen Flur's standen zwei dienende Frauen der Königin. Sie maßen mit Kennerblicken des Mannes Gewandung und das Endergebniß der Prüfung war eine äußerst geringschätzige Handbewegung. Er übersah's. Auf seinem Antlitz kämpfte freudige Erwartung mit banger Wehmuth. Wie er gegen die Königin und ihren Sohn vortrat, die in lieblicher Gruppe, – Frau Elisabeth im Lehnstuhl, Junker Konradin auf einem Schemel daneben, dicht aneinand gelehnt ruhten, zitterte seine Hand, die er an's Schwert gelegt hatte und der Fuß wollte ihm den Dienst versagen. Wie aber die fürstliche Frau ihm winkte, da sprang er ohne Zaudern vor und stürzte auf's Knie und drückte seine Lippen inbrünstig auf den Saum ihres sammtenen Trauergewandes.

Frau Elisabeth war zwar längst über die Blüthe hinaus, aber sie hatte sich in's reifere Alter hinüber die Zartheit der Formen und Farbe ihres feinen Antlitzes bewahrt. Bleich zwar war sie geworden, seit der Gram ihr damals noch junges Herz berührt hatte, wie Herbstfrost den Blumenkelch, und zwei lange Fältchen zogen sich zwischen den Augen die Stirne hinauf; aber immer noch mochte sie für schön gelten, trotz schwermüthigem Ernst und der nachtfarbenen Wittwenhaube. Niemand mochte ahnen, daß ihre Wiege am Isarstrande gestanden hatte Elisabeth, die Gemahlin Konrad's, war eine bayerische Herzogstochter., eher verrieth sich in ihrem Aeußern die Hausfrau eines Helden aus Hohenstaufischem Geschlecht.

Ihr ähnlich war der Sohn, aber schlank und zart und schier überschwenglich gewachsen, waren auch seine Züge allzu weich, die Haare flachsblond und die Augen lichtblau und von träumerischem Ausdruck.

Wie der Fremde sich wieder gesammelt erhob, schweifte sein Blick von der Fürstin traurig über den Junker hin. Er mochte an des Jünglings Großvater gedenken, den er noch gesehen und der ein so ganz Anderer gewesen als der Enkel; gewaltig an Geist und Körper und er mochte auch meinen, daß die Freunde über den Alpen einen Anderen erharren mochten zur Wiederaufrichtung des alten Kaiserthrones, als einen schwächlichen Knaben.

Frau Elisabeth hielt indeß immer noch das Zeichen des Fremdlings in der Hand. Lange hatte sie prüfend sein Gesicht betrachtet, sie konnte sich desselben nicht klar erinnern, wie sie aber seine trauererfüllten, gedankenbewegten Züge durchforschte, faßte sie Zutrauen zu dem Manne und gnädig bot sie ihm die Hand.

»Ihr habt mir ein sarazenisch Gewaffen gebracht; was soll mir das furchtbare Zeichen? und wer seid Ihr, daß Ihr einen Auftrag habet an eine Verschollene?«

Der Fremde neigte das Haupt: »Eine große Botschaft hab' ich zu entrichten! zuvörderst aber möget Ihr den Boten erkennen. Am Hofhalt Eures fürstlichen Vaters hat Euch mancher Edelknappe den Weinbecher gefüllt, ohne daß Ihr ihn beachtet hättet; Einem aber, dem einst ein Roßhuf die Stirne schwer wund schlug, habet Ihr selber in mitleidsvoller Güte den Schaden verbunden.« Er schob das dichte Haar zurück, eine schmale Narbe ward sichtbar.

Da erhob sich Frau Elisabeth vom Stuhl und eine lichte Röthe floß über ihr Gesicht: »Diethelm!«

»So habt Ihr meiner nicht vergessen?« rief er hellen Blickes.

Auch Frau Elisabeth war seltsam gerührt; doch kämpfte sie tapfer an wider die Jugenderinnerung. In dem langen Saal auf und ab schreitend, mühte sie sich, ihre volle Fassung wieder zu gewinnen. In lebhafter Bewegung des Körpers wollte sie die Bewegung des Geistes niederringen.

Konradin sah verwundert auf die Mutter, niemals noch hatte er sie also gesehen. Doch währte es nur eine kleine Weile, dann trat sie ruhig wie zuerst vor Diethelm: »Seit wie lange habt Ihr die Heimat entbehrt?«

»Ein sechzehnjähriger Knabe bin ich mit meinem königlichen Herrn gen Italia gezogen, nach seinem Tod hab' ich in Welschland und Palästina gekämpft – ein vierunddreißigjähriger Mann kehr' ich wieder. Seitdem ist manches anders geworden, manche Blüthe, die damals in voller Herrlichkeit strahlte, ist verweht.«

Frau Elisabeth hatte sich wieder niedergelassen und die Augen mit der Hand schattend, sah sie sanft vor sich nieder. »Wohl!« entgegnete sie milde, »doch ist's Gang der Natur, daß die Blüthe verflattern muß, wenn die Frucht gedeihen soll.«

»Aber auch die Frucht ist zuweilen minder kräftig und köstlich geworden, als sie erhofft wurde,« erwiederte er ernst und sein Blick streifte unwillkürlich den Junker.

Da seufzte Frau Elisabeth tief auf, dann wies sie auf einen Schemel in ihrer Nähe. »Setzet Euch Diethelm, Ihr werdet müde sein, dann aber berichtet, welche Kunde Ihr bringet.«

Diethelm that wie ihm geheißen; dann begann er zu erzählen von seiner Fahrt in's italische Land, von König Konrad's unverhofftem Tode und den schlimmen Gerüchten, die Einer drob dem Andern in's Ohr geraunt, und die doch niemals laut geworden waren, auch vom heiligen Land erzählte er und von Manfred, und wie dieser sich die Rechte der Hohenstaufen übertragen hatte, und er schloß: »Dieweil aber Manfred nur ein Bastard des großen Friedrich's ist, so begehren sich die Völker und zumal die Sarazenen in Lucera, den ächten Abkömmling ihres großen Kaisers zum Fürsten. Mir aber haben sie die Botschaft angebunden: Im Namen von Tausenden leg' ich Euch das Wort an's Herz,« – er war vom Stuhl wieder auf's Knie geglitten – »sendet Euren Sohn in's Reich seiner Ahnen, auf daß er sein rechtmäßig Erbe fordere von Jenen, die ihn arglistig darum trügen wollen.«

Junker Konradin war bei Diethelm's Worten aufgesprungen und rief nun, die Hand an die kleine Waffe legend: »Nicht umsonst sollet Ihr mich gemahnt haben; oft schon flogen mir die Gedanken südwärts, nun will ich selber hinziehen, wo blauer Himmel und blaues Meer sich küßt.« Sein Auge leuchtete, aber Frau Elisabeth legte die Hand auf des Sohnes Arm: »Einen wilden Aar seh' ich die Schwingen breiten, aber ungewohnt ist er des Fliegens und die Flügel werden ihm erlahmen auf halbem Weg. An's Knie der Mutter gehört der unmündige Sohn, denn mitleidslos ist das Schicksal, wenn er die heimathliche Schwelle überschritten hat, und zumal im welschen Land lauert Tücke und Verrath. Die Sehnsucht nach Latium hat das Geschlecht der Hohenstaufen vernichtet bis auf den letzten Sprossen des alten herrlichen Baumes. Gift, Dolch und Bannfluch hat sie ausgetilgt – ich aber will nicht, daß gleiches Schicksal mein Kind hinrafft, wie seine Ahnen; und müßte er sich auch ewig versitzen auf der Hausbank der Herzöge von Bayerland.«

»Laß mich, Mutter,« schmeichelte Konradin, »mich zieht's gewaltig in die Ferne!« Aber Frau Elisabeth widerredete: »Ja wohl, und wenn Du draußen bist, wird das Heimweh Dich wieder zurücktreiben; ich hab's selber erfahren!«

Aber Diethelm mahnte: »Und welchen Bescheid habet Ihr für die harrenden Völker, die sich ihr Heil ersehnen von dem jungen Herrn?«

Da stand Frau Elisabeth in argem Kampfe zwischen Muttersorge und Muttereitelkeit, und Konradin, der ihr Schwanken gewahr wurde, hob die Hand auf und sprach feierlich: »Ich will den Vater rächen!«

So ward der schmerzgeprüften Frau Widerstand besiegt; weinend legte sie die Hand auf des Sohnes lockigen Scheitel: »So fahre denn hin und sei der Himmel Dir gnädig!« – – – – – – – – –

– – Am nächsten Tag ward in der Trausnitz viel geschafft zu jung Konradin's Fahrtausrüstung. Er selber nur saß unthätig im vorspringenden Erker und sah schier träumerisch nieder auf die Stadt Landshut. Ab und zu kam Frau Elisabeth mit fragendem Wort, auch Junker Friedrich von Baden, sein vertrauter Gesell, suchte ihn zuweilen aus seinem dumpfen Hinbrüten aufzurütteln, – er aber blieb theilnahmslos an der Andern Treiben, seine Gedanken gingen nach anderer Richtung.

Erst wie die Sonne niedergegangen war, sprang er empor. Den Wein, den ihm die Mutter vorsetzen wollte, wies er zurück. »Ich will hinunter in die Stadt,« sprach er, »Diethelm aufzusuchen, der mag mir noch Manches zu künden wissen, was mir nützlich, vielleicht nöthig ist«, und nahm Mantel und Barett aus dem Schrein und machte sich eilig auf den Weg.

In der Schenke, die am Marktplatze lag, hatte Diethelm Herberge genommen. Frau Sabina, die rundliche Wirthin, hatte darum dem fremden Gaste zu Ehren heute ihr buntseidenes Fürtuch vorgebunden, auf ihrem großen Haupte aber schwankte eine weiße Haube mit so lang hinabwallendem Schleiertuch und so breiten Spitzen, daß der Schenktisch, an dem sie sich zu schaffen machte und ihr daneben sitzender Gatte schier dahinter verschwanden.

Zuweilen warf sie einen spähenden Blick auf den stillen Mann, der so ernsthaft in seinen Becher sah, als könne er ein wunderbar Geheimniß daraus erlauschen, zuweilen schüttelte sie das Haupt. Schon am gestrigen Abend war er so unbeweglich hinter dem Zechtisch gesessen, da hatte sie's der Müdigkeit zugeschrieben; wie er heute wieder seit dem frühesten Morgen, Stunde um Stunde so vor sich hinstarrte, konnte sie sich nicht in ihn finden; dennoch mißfiel ihr der schmucke Mann nicht, dessen männlich Aussehen und schier kriegerisch Wesen gegen die heimischen Gesellen vortheilhaft abstach.

Plötzlich fuhr Frau Sabina herum und auch der Wirth sprang auf, verlegen am weißen Schurz nestelnd, denn auf die Schwelle war Einer getreten, der das räucherige, weindunsterfüllte Gemach noch niemals betreten hatte: Konradin.

Vor dem Königssohne erhoben sich ehrfurchtsvoll die sämmtlichen Gäste; Diethelm nur hob sich lässig von der Bank. »Seid Ihr endlich gekommen?« sprach er, dem Jüngling die Hand reichend. »Ich harrte lange d'rauf!«

»Woher wußtet Ihr, daß ich kommen würde?« frug der Angeredete, bei Diethelm niedersitzend.

»Weil ich manches zu künden weiß, was Euch zu wissen frommt.«

Konradin nickte beifällig: »Wer war der Mann, der mir vorigen Mond beim Kirchgang den Zettel an's Gewand heftete?«

Diethelm lachte: »Ein Schalk vermuthlich oder einer schönen Frau Bote.«

»Nein,« entgegnete Konradin ernst, »auch er war aus welschem Land, denn auch er hatte mit sarazenischem Pfeilgewaffen das Pergament geschlossen.«

Da neigte sich Diethelm nahe zu ihm: »So ist's Einer gewesen, der vor mir in Apulien gastete.«

»Ihr kennt den Mann?« frug Konradin neugierig. Aber Diethelm lächelte nur unmerklich: »Viele hab' ich in den Herbergen getroffen, die den nächsten Weg nach dem Bayerland einschlugen. Ob er drunter war, weiß ich nicht zu sagen!«

Konradin blickte ihn forschend an: »Und was war des Zettels Meinung?«, dabei wies er ein schmal Streiflein Pergament vor, d'rauf das einzige Wort geschrieben stand: »Rom.« –

Lang betrachtete Diethelm das Blatt, dann gab er es langsam zurück: »Es sollte Euch vorbereiten auf meine Mahnung.«

»Längst schon war ich vertraut dem Gedanken an einen Romzug!« erwiderte Konradin treuherzig.

»So ist's um so besser,« sprach Diethelm, »drei Mahnungen aber will ich Euch mitgeben zur Ausfahrt: Trauet Keinem in welschem Land, auch nicht dem Redlichstscheinenden; bauet nicht auf römisches Volk, auch wenn es Euch zujubelt und vergesset nimmer der Heimkehr. Mir aber wollet nicht grollen, wie immer auch das Schicksal Euch führen mag, daß ich Euch fort lockte aus dem Paradies Eures Mutterlandes, bedenket vielmehr, daß ich nur einem fernen Volk meine Stimme geliehen und daß ich selber italischen Boden wohl nimmer treten werde.«

»Und warum wollet Ihr mich nicht begleiten,« frug Konradin erstaunt.

Aber Diethelm schüttelte sinnend das Haupt: »Weil eine Luft weht im südlichen Land, die ich nimmer ertragen kann.«

Konradin sah ihm fragend in die Augen: »Ist das der ganze Grund?«

Da zog sich auf Diethelms Stirn eine tiefe Falte zusammen.

»Manches ist unerträglich Jenem, der in Knechtsweise fährt, ein Kinderspiel aber ist's dem Herrn. Leicht wird Euch sein, als Fürst zu leben auf dem Erbe Eurer Väter, schwer dagegen ist mir geworden, unter fremdem Scepter meinen Nacken in's Joch zu fügen. Jetzt vermöcht' ich's nimmer.«

Konradin fuhr sich mit der Hand über's Haar: »Wundersam ist mir zu Muth. Vor der nahen Ausfahrt graut mir und zugleich sehne ich mich danach. Dann wieder schmerzt mich der Abschied von der lieben Mutter – und manch' süßer Erinnerung.«

Diethelm lächelte wehmüthig: »Viel eckige Steine stehen am Pfad des Lebens und oft reißt der Fuß sich wund d'ran. Doch sollen wir deß nicht klagen, wo bliebe der Sieg, wenn wir dem Kampfe allzeit feig aus dem Wege gehen wollten?«

Konradin wollte erwidern, da wurde er von großem Geschrei und Geheul unterbrochen, das vom Marktplatz in die kühle Zechstube hereindrang.

Von den Tischen sprangen die Zecher auf und die Fenster füllten sich. Auch Konradin und Diethelm traten in eine Fensternische, die Ursache des sonderbaren Lärmes zu erspähen.

Draußen auf dem Marktplatz hatte sich eine ansehnliche Schaar Neugieriger gesammelt, denn der Anblick, den etliche Männer darboten, die sich in Mitte der Menge bewegten, war wohl dazu angethan, Staunen und Schreck allseitig hervor zu rufen.

Die Schultern entblößt, das Angesicht verhüllt, von den Hüften lang niederwallend eine enge Kutte, rauhhaarig und von häßlicher Farbe: so zogen sie durch's Land, ein Kreuz vor sich hertragend; plötzlich schwangen sie scharfe Geißeln und begannen mit den eisernen Stacheln unbarmherzig auf sich selber los zu dreschen, dabei sangen sie Bußpsalmen, warfen sich auf den Boden, heulten, ächzten oder lachten unter Anrufung Gottes, so daß es schauerlich anzuhören war.

Konradin stand einen Augenblick starr, noch hatte er solch' wunderliche Heiligen nicht erschaut; darum kam ihm Mitleid mit den Verblendeten und in gutmüthig erster Regung des Herzens wollte er hinunter, den Menschen ihre Thorheit vorzustellen, aber Diethelm hielt ihn zurück.

»Laßt sie gehen,« sprach er ernst, »denn ungehört würde Euer Wort verhallen, oder schlimmer, in ihren eigenen Wirbel würden sie Euch ziehen, denn wild und ungefügig sind solche Menschen, abhold milderer Gesinnung. Wollet Ihr aber dem Unfug steuern, so bittet Herzog Friedrich, Euern Ohm, daß er dies Thun mit aller Strenge verbiete, Eine kurze Weile nachher ward auch wirklich von Herzog Heinrich das Umherziehen der Flagellanten in seinem Gebiet öffentlich verboten. denn häßlich ist solche Gottesverehrung und unsinnig!«

Noch immer sah Konradin verwundert auf die Flagellanten: »Woher kommen sie?«

Diethelm aber entgegnete schier feierlich: »Auch diese Blüthe ist gewachsen auf römischem Boden!« dann lehnte er das Haupt an die Mauer zurück und sah wieder traumverloren vor sich hin.

Lange noch saß an jenem Abend Junker Konradin bei dem fremden Wandergesellen, erst wie die Mitternacht ihren dunklen Schlafdämmer über die Stadt breitete, hub er sich aus dem Zechgelaß, aber nicht allein; Diethelm begleitete ihn.

Hell fiel das Mondlicht zwischen den hochragenden Hausfirsten hindurch, glänzende Strahlen in die finsteren Straßen werfend. Warm war die Mainacht, am blauen Himmel leuchteten die Sterne.

Ganz am Ende der Stadt stund, von den andern Häusern entfernt, seitwärts von großem Garten begrenzt, ein klein Gebäu. Ein vergittert Fenster stand halb offen, ein Rosenstock in früher Blüthe hing heraus. Dorthin richtete Konradin seine Schritte.

Wie sie der Eingangsthür nahe gekommen waren, wandte Konradin sich zu seinem Begleiter: »In freundlicher Weise habet Ihr mir das Geleit gegeben, wenig Schritte: so habe ich das Weichbild der Stadt verlassen und stehe auf Trausnitz'schem Grunde. Bevor ich aber von Euch scheide, möcht' ich Euch noch um einen Dienst anflehen. Wohl weiß ich, daß Ihr meiner grünen Jugend lachen werdet, wenn ich Euch meine Gedanken enthülle. Dennoch thu' ich's, auch auf die Gefahr hin, verspottet zu werden. Auch weiß ich, daß ich schier noch ein Knabe bin – wem aber täglich vorgehalten wird, daß er auf alle Jugendlust und allen Frohmuth verzichten muß, um dereinst ein gewaltiger Herrscher zu werden, dem mag auch nicht verwehrt sein, sich älter zu fühlen, als seine Jahre. Seit vierzehn Monden, seit ich das Schwert meines Vaters an der Seite trage, hab' ich die Knabenthorheit abgestreift. Seitdem hat der große Gedanke an die Zukunft mein Herz ganz erfüllt; aber es war doch eine öde, traurige Zeit, und ein seltsam Sehnen ging mir zuweilen durch den Sinn. Nur ein Stern strahlte hellend auf meinen Pfad: es ist ein Mägdlein! – Lacht nicht! denn sie ist lieblich und unschuldsvoll thauduftig, wie die unberührte Erdbeerblüthe, die am Waldrain blüht – und niemals hab' ich ihr meine Neigung kundgethan. Einen Sang aber hab' ich ihr zu Ehren gedichtet und auch aufgezeichnet hab' ich ihn seit Langem; doch ward mir noch niemals die Gelegenheit, ihr die Gabe geheim zuzustellen; denn den Geber soll sie nimmer errathen. Heut' endlich ist die passende Stunde gekommen, doch kann ich ihn ohne fremde Hilfe nicht an's Fensterlein stecken, denn unerreichbar ist der Sims meinem Arm; so Ihr Euch aber ein wenig recken wolltet, so möchte es Euch wohl gelingen, denn schier um Haupteslänge überraget Ihr mich. Darum wag' ich Euch anzugehen um den Freundschaftsdienst; ungelohnt freilich muß ich's heut lassen, vielleicht kommt dereinst die Zeit, wo der Kaiser Euch danken kann für die Bereitwilligkeit, womit Ihr heute dem Jüngling entgegen tratet.«

Diethelm lachte: »Nicht auf jene Zeit will ich warten, wo Ihr mir's zurück geben könnet, denn nicht um Lohn mag ich süßer Minne zu Diensten sein. Dennoch will ich mich nicht sträuben wider Euern Begehr – denn keine Blume soll zertreten werden, und die Minne ist die köstlichste, duftigste Blüthe; und hab' ich selber ihr Glück noch niemals genossen, – ungern nur und wider meinen Willen mag ich's einem Andern stören. Also gebt!« und Diethelm streckte die Hand aus nach der kleinen Rolle, die Konradin aus seinem Wams gezogen hatte, und festigte sie in das hochsimsige Fenster des Hauses, das der Jüngling ihm zugewiesen hatte. Dann trennten sich Beide. Konradin, um in die Trausnitz zurückzukehren, Diethelm, um in der Herberge sein Lager zu suchen. – –

Als am nächsten Morgen Giza, Herrn Marquard Prunn's, des Schloßjägermeisters Töchterlein, ihr Fenster öffnete, fiel ihr ein sorgsam aufgerollt Pergament in die Hände, darauf die Verse standen:

»Ich bin des Nachts geschritten
Vorbei an Deinem Haus,
Die Fenster standen offen
Und Rosen sah'n heraus.

Ein Stern hat licht gefunkelt
Im dunklen Blau der Nacht;
Er stund ob Deinem Firste,
Als hielt er dorten Wacht.

So zog durch Deine Träume
Sternschein und Rosenduft
Und lieblich trautes Kosen
Der lauen Sommerluft.

Und kam Dir wohl kein Ahnen,
Wie heiß ich Dein gedacht?
Da ich vorbei geschritten
An Deinem Haus zur Nacht?«

Und die Jungfrau sann vergeblich hin und her, wer wohl der freundliche Geber des Liedes sein möge, wie sie aber auch die Gedanken anstrengte, keinem von all' den jungen Männern, die zuweilen das Haus ihres Vaters suchten, war solch' klingender Reim und solch' warme Gefühlstiefe zuzutrauen. – – – – – –

Seit Diethelm bei Frau Sabina ein Fremdengelaß bezogen hatte, waren Wochen vergangen. Selten war er in der Stadt zu sehen gewesen, denn mit dem frühsten Morgen zog er zumeist hinaus in Feld und Wald, um erst mit dem Abend wieder in seine Kemenate zurückzukehren. Nur einmal bannte ihn strömender Regen unter's schützende Dach. Da sang er seltsam fremde Lieder, so daß Frau Sabina, d'rauf lauschend, schier der Hühner vergaß, die schon allzulang in der Pfanne schmorten.

Einen Tag aber war er Abschied nehmend auf der Trausnitz gewesen; das war, bevor Konradin seine Romfahrt angetreten. Damals hatte seine Lippe gezuckt und sein Auge schier feucht geschimmert, als er dem Jüngling noch einmal die Rechte geschüttelt und den kummervollen Blick Frau Elisabeth's erschaut. Und am Thor hatte er Friedrich von Baden, der ihm das Geleit gegeben, die Mahnung zugeflüstert: »Wenn Ihr in Welschland reitet, so denket allzeit an Eure Heimat und vornehmlich an diese Burg und ihren alten Namen: »Trau-nit!« Den möget Ihr Euch aufs Wappenschild schreiben und ihn Euerm jungen Herrn und Herzbruder immerdar im Gedächtniß erhalten. In der Noth aber vergesset nicht, daß am hiesigen Ort Einer lebt, der welsche List kennt, und sein Leben Frau Elisabeth zu danken hat und der nicht gewillt ist die Treue zu brechen dem angestammten Herrn. So gehabt Euch wohl und gebe Euch der Himmel seinen Segen zu fröhlicher Wiederkehr! – –

Und dann war seine Stirn tagelang umwölkt gewesen und noch einsilbiger erschien er Frau Sabina und ihrem wohlbeleibten Gatten und kopfschüttelnd schaute die blonde Schenkmagd nach ihm.

Um so auffälliger war es, als am Vorabend der Sonnenwende, da die Knaben der Stadt auf dem Marktplatz das St. Johannisfeuer schürten, Diethelm sich plötzlich im goldgestickten Wams zu den Jungherrn gesellte, und den Vortänzer beim Reigen um die Vergünstigung bat, an Flammensprung und Becherlupf theilnehmen zu dürfen. Freudig ward ihm solches gewährt; und wie er sich nachher, unter den Jungfrauen Umschau haltend, von rothem Feuerschein voll beschienen, an den Marktbrunnen lehnte, da mochte wohl manch' jung Herzlein unter seidenem Mieder ihm entgegen schlagen und auch der Blick der älteren Frauen und Männer hing gern an dem schmucken Gesellen, der mit den stolzen Augen und den kühn geschwungenen Lippen, St. Hansen ähnlich, neben den andern Knaben stand, wie der Drachentödter unter den Strohdreschern.

Sein Aug' aber fuhr seltsam erregt durch die Menge. Bis es mit einemmal wie gebannt auf einer Jungfrau haften blieb. Die stand schlank und fein und doch kräftig bei ihren Muhmen, schwärzer das Haar und lichter die Hautfarbe, denn die der Andern; im lichtblauen Unterkleid und purpurnen Sammtüberwurf mit goldenem Saum; sanft hielt sie das Haupt vorn übergebeugt, wie die Glockenblume beim Morgenthau. – Da trat Diethelm festen Schrittes auf sie zu und bot der hold Erröthenden mit stammelnden Worten den starken Arm zu Sprung und Schwung über die lohende Flamme und Giza, – denn sie war es, – wehrte sich nicht dawider. Seit manchem Morgen hatte sie von ihrem Fenster aus den Fremden erspäht, der viel Stunden unverdrossen nach ihr ausschaute und ihren Gegengruß erharrte, – jetzt lauschte sie zum ersten Mal seiner wohlklingenden Stimme.

Durch die Reihen der Andern aber ging lauter und lauter die Rede, daß Giza und Diethelm das schönste Paar seien, das seit Langem auf dem Landshuter Marktplatz zum Tanz angetreten war.

Nach dem ersten Umzug begann das Springen. Auch Diethelm faßte seine Tanzgesponsin fester um die Hüfte und fuhr mit gewaltigem Schwung über die Flamme. Unversehrt erreichten sie drüben den Boden. Da neigte sich Diethelm zu Giza und flüsterte ihr in's Ohr: »Glücklicher Sprung über's Sonnwendfeuer, soll eine gute Vorbedeutung für's Leben sein!« und Giza senkte das Haupt noch tiefer und ihr Herz schlug lauter als sonst. – – –

Von da an trafen sich die Beiden öfter, und wenn sie auch nur im Beisein Anderer etliche Worte mit einand wechseln konnten, dennoch genügte solcher Verkehr, ihre gegenseitige Neigung immer mehr anzufachen.

Einst, das Korn auf den Aeckern war bereits geschnitten und die Aepfel an den Bäumen begannen sich röthlich zu färben, schlenderte Diethelm durch die Gassen. Wie er an Giza's Vaterhaus vorüber kam, saß diese am Fenster, aber sie beugte sich so eifrig über eine Arbeit, daß sie den sehnsüchtig hinauf Spähenden nicht gewahrte, und auch ihm nicht vielmehr als ihre dunkle Haarkrone sichtbar ward.

Dennoch erfüllte ihn der Anblick mit überschwenglichem Frohmuth, um so mehr, als Herzog Heinrich, durch Vermittlung Frau Elisabeth's, ihm Tags zuvor die Stelle als Burgvogt der Trausnitz angeboten und er unbedenklich zugesagt hatte. Jetzt war ihm möglich, die geliebte Jungfrau als Hausfrau zu werben; er malte sich's rosig aus: ein wonniges Leben an ihrer Seite, voll Maienschein und friedvoller Heimathseligkeit, unwandelbar bis zum Tod; – am Liebsten hätte er sie anrufen, ihr sein Herz gleich ausschütten mögen, aber der Gedanke an Zucht und Sitte hieß ihn die Worte bergen, so ging er langsam weiter, einem Schlafwandelnden gleich. Dennoch wollte der Jubel der Seele sich offenbaren – so faßte er in klingendem Reim, was die Brust nimmer stark genug war zu herbergen.

»Und wenn es auch nur flüchtig war,
Nur im Vorübergehen,
Und war's auch nur Dein dunkles Haar –
Ich hab' Dich doch gesehen!
Da hat mich tiefe Seligkeit
Und Wonne überkommen;
Ich hab' Dein Bild für alle Zeit
Mit mir nach Haus genommen!«

sang er in die frische Morgenluft und ihm war, als müßten die Vögel schmetternd einfallen und als wolle das Geläut, das eben vom Martinsthurm niederklang, seiner Singweise als Begleitung dienen.

Daheim aber zeichnete er das Lied sauber auf Pergament und am nächsten Morgen fand Giza den bildgeschmückten Sang auf ihrem Gesims, und diesmal rieth sie wohl auch leicht auf den Geber, nur darin irrte sie, daß sie annahm, dies Geschenk und das frühere seien von einer Hand ihr zugeeignet worden. Doch hatte sie eine warme Freude ob der Meinung, denn schier ängstlich gestimmt hatte sie damals die unbekannte Gabe.

An demselben Tage kam Botschaft von der Trausnitz, Diethelm möge zu Frau Elisabeth hinauf kommen; und wie er dem Ruf allsogleich Folge leistete, ward er in der Fürstin Gelaß beschieden.

Die hohe Frau hatte verweinte Augen; trübselig reichte sie ihm die Hand. »Es ist Nachricht gekommen über die Alpen,« sprach sie mit verschleierter Stimme, »auch für Euch ist eigener Bericht dabei.« Sie gab ihm ein zusammengefaltet, wohl versiegelt Blatt. »Ich meine, mein Sohn hat, über dem gleißenden Erbe des Vaters, die alte Heimath der Mutter gar schnell vergessen gelernt.«

Diethelm erbrach den großen Brief und las mühevoll die krausen Schriftzüge:

»Zuvörderst Gruß und Dank Euch! – daß Ihr mich an den Süden gemahnt, denn herrlich ist's hier und ganz unvergleichlich. Wenn Ihr wüßtet, wie das Volk jauchzte, wie ich einritt in die alte Stadt der Cäsaren, wenn Ihr hättet die goldenen Krüge erschauen können, die an silbernen Ketten hingen von Haus zu Haus gespannt, Mit lebhaften Farben schildert Gregorovius diesen Einzug in seiner Geschichte Rom's im Mittelalter. Bd. 4. den Purpur, das Edelgestein und die buntschimmernden Blumengewinde – die Augen hättet Ihr schließen müssen vor übergroßer Pracht. Kommet auch zu uns! ein Herzogthum will ich Euch verleihen, herrlicher als ganz Bayern; die Hand nur darf ich regen, so fliegt's Euch zu. Auch meine herzliebe Mutter soll sich sonnen im Glückstrahl ihres Sohnes – noch einen einzig entscheidenden Sieg und im Triumph führ' ich sie nach Rom; im Castell des hl. Erzengels soll sie herbergen und der Papst selber sie aus der Sänfte heben.

Auch Giza's Vater will ich eine Stellung verleihen, die es mir dereinst gewährt, die Jungfrau als mein Gemahl zu mir auf den Thron zu ziehen. Wenn thunlich, so erkundet, ob sie Jenen nicht vergessen hat, der ihr einst in knabenhaftem Sinn seinen thörichten Sang geweiht hat. Fahret wohl! auf Wiedersehn diesseits der Alpen.

Konradin.«

Vernichtet senkte Diethelm das Pergament, mit Angst hatte ihn der übermüthig jauchzende Beginn des Schreibens erfüllt, mit bitterm Herzeleid überkam ihn der Schluß desselben. So nahe dem Ziel, schon die Hand ausgestreckt nach dem Preise – sollte er die liebe, langgehegte Hoffnung in Nichts verflattern sehen, einzig darum, weil der Knabe, der mühlos des heilig römischen Reiches Herr geworden, seinen Blick darauf geworfen. Sprachlos, mit müdem Ausdruck starrte Diethelm vor sich hin; er dachte nicht mehr, daß Frau Elisabeth's Augen auf ihm hafteten.

»Was ist Euch?« frug sie besorgt ob seinem Verstummen und dem Erbleichen seiner Wangen.

Erst der Ton ihrer Stimme riß ihn wieder aus der Betäubung; gewaltsam faßte er sich. »Er mag ja wohl sehr glücklich sein, der junge Herr!« sprach er trüb.

Frau Elisabeth verstand ihn nicht. »Was ist Euch?« wiederholte sie eindringlich, »welch' herbe Botschaft habet Ihr noch aus dem Briefe gelesen?«

Diethelm war bereits wieder Herr seiner selbst geworden. »Seid ohne Sorge, hohe Frau! Was mich bewegte, geht nur mich allein an; ich hab's niedergerungen, denn nimmer werd' ich meinem Herrscher die Treue brechen.«

Er sprach's mit männlicher Ruhe, dann nahm er Urlaub von Frau Elisabeth und verließ festen Schrittes das Gemach.

Da mußte die Fürstin jenes Augenblicks gedenken, wo sie ihm dereinst die Kopfwunde mit schmerzendem Essig gewaschen – auch damals hatte er nicht mit der Wimper gezuckt und in ihrem jungen Herzen war eine Ahnung aufgegangen von männlicher Kraft und festem Willen. Jetzt hatte sie ihn einen geistigen Schmerz verwinden sehen und eine Rückerinnerung ihres eigenen einstigen Empfindens durchströmte sie, und es wollte ihr bedünken, daß sie zu jener Zeit glücklicher gewesen, als hernachmals, trotz Königskrone und Fürstenmantel. –

Dieweil schritt Diethelm nach der Stadt hinab, verblichen die Wange, düster die Augenbrauen zusammengezogen; ihm war, als sei er aus dem Paradies seines Lebens verdrängt, für immerdar. Wie er an Giza's Haus vorüber kam, wollte er die Augen schließen, um nichts zu sehen; der Anblick schuf ihm Leid. Im Garten nebenan aber stand Giza bei den Blumen; als sie Diethelm's ansichtig ward, rief sie ihn durch's Thorgitter zu sich.

Ihr Morgengruß klang so süß, er ging ihm wie ein Messerstich durch die Seele. Er drückte die Hand wider das wildschlagende Herz; dann gedachte er des erhaltenen Auftrages und trat gesenkten Hauptes zu ihr. Als sie in sein verstört Antlitz schaute, erschrack sie: »Was ist Euch geschehen?«

»Ich hab' einen Auftrag an Euch!« entgegnete er gepreßt, »Einer, der Euch im Lenz nächtlicher Weile einen Sang verehrte und der jetzt in Welschland reitet, sendet Euch seinen Gruß!« Er hielt inne, als wolle er eine Antwort erharren, sie aber starrte ihn in maßlosem Erstaunen wortlos an; da fuhr er weiter: »das Glück ist ihm hold, seinem jugendlichen Arm vertrauen sich Völker, unter seinem Schild erhoffen sie Schutz und Zuflucht – er aber hat die Jungfrau nicht vergessen, die einst, da er noch ein unmündiger Junker auf der Trausnitz saß, unbewußter Weise all' seine Gedanken füllte, und Herr Konradin fleht heute durch meinen Mund, daß er ihrer harren dürfe.«

Da fuhr Giza empor und ihr Auge blitzte wild: »Der keckliche Knabe mag harren, so lang es ihn freut; ich aber denk' nicht an Welschland und ihn; denn zu gut bin ich zum Spiel eines Edlen und wäre er auch der Beherrscher der Erde.«

Diethelm sprach dawider: »Keine flüchtige Laune, ernst ist Herrn Konradin's Meinung; als rechtmäßig Ehgemahl gedenkt er Euch zu setzen an seine Thronseite.«

Giza aber machte eine abwehrende Bewegung: »Auch so muß ich absagen seinem Ansinnen, Fürstenreif drückt schwer auf freier Stirn, ich hab' kein Gelüsten nach solcher Last. Euch aber mag kund sein, daß ein unersprießlich Ding ist, für einen Andern den Freiwerber zu machen und,« sie wandte sich zum Gehen und sah nur noch geringschätzig über die Achsel nach ihm, »und daß sich selber in der Meinung Anderer erniedrigt, wer doppelzüngig Geschäft übernimmt.«

Diethelm wollte sprechen, die Wahrheit bekennen; aber Giza ließ ihn nicht zu Wort kommen: »Klein und verächtlich seid Ihr mir geworden, ich mag meine Zeit nimmer an Euch verschwenden.« Mit unnachahmlich hoheitsvoller Handbewegung schritt sie hinweg.

Da brach Diethelm verzweifelnd am verschlossenen Gitter nieder, seine Stirn schlug gewaltsam dawider, seine Stimme klang wie der Schrei des todtwunden Hirsches: »Giza!«

Noch einmal wandte sie das Haupt, schier wollte sie's wie Mitleid überkommen mit dem Unglücklichen, aber ihr Stolz wehrte dem weicheren Empfinden, kalt schritt sie in's Haus. Er aber stürzte fort wie ein Unsinniger. – – – – – – – – –

Wieder waren etliche Wochen in's Land gezogen. Im Wind trieb vergilbtes Baumlaub und in Frau Sabina's Trinkstube ward der junge Wein weidlich verkostet. Wenn aber die Gäste recht in lustsam Geplauder vertieft bei Scherz und Glimpf zusammensaßen, dann dachte die runde Wirthin allemal mit geheimem Mitleid an Diethelm, der zwar noch bei ihr herbergte, aber mit immer bleicher werdender Wange, kaum seine Kemenate mehr verließ.

Dort saß er, den Kopf in die Hand gestützt, stundenlang reglos, nur zuweilen sang er mit weicher, klagender Stimme traurige Lieder, daß Frau Sabine drauf lauschen mußte, bis ihr die Thränen in die Augen traten. Zuweilen auch schrieb er nieder, was ihm in Reimen das Herz erleichterte; nächtens aber, wenn tiefe Stille die Stadt deckte, schlich er nach Giza's Haus, der noch immer Geliebten, seine Lieder an's Fenster zu stecken; und wenn Giza sie dann des Morgens fand und aus jedem Wort die einst sehnsüchtig erhoffte, nachher mißverstandene, trotz aller Zurückweisung noch immer glühende Minne Diethelm's fühlte, dann neigte sie sich über die fleißig beschriebenen Blätter und weinte in bitterem Leid; aber der Stolz verbot ihr, ihm entgegen zu kommen; so blieb Alles beim Alten.

Ein Lied vor anderen hatte sie liebgewonnen, oft sang sie es, wenn sie sich unbelauscht wußte, das lautete:

»Der Blitzstrahl hat getroffen
In's Mark den Blüthenbaum;
So ging zu End' mein Hoffen,
So schwand mein Jugendtraum.

Sie, die ich mir erkiesen,
Der reinsten Minne Hort –
Sie hat mich abgewiesen
Mit einem rauen Wort.

So ging zu End' mein Hoffen,
So schwand mein Jugendtraum –
Der Blitzstrahl hat getroffen
In's Mark den Blüthenbaum.«

Einmal hatte Diethelm im ungewissen Schein der frühanbrechenden Herbstdämmerung Giza erblickt und sie hatte das Auge nicht mehr herb von ihm abgewandt, es vielmehr mit warmem Glanz auf ihm ruhen lassen. Das schuf ihm wieder einen kleinen Theil jener Seligkeit, die er seit langem entbehrte; und als Giza des nächsten Morgens einen neuen Sang an ihrem Fensterlein fand, da haftete auch dem Liede ein Schein mildtröstlicher Ergebung an und auch Giza begann die schier erloschene Hoffnung auf's Neue zu beleben.

»Ich ging die alte Gasse
Vorbei am alten Haus,
Da sah beim kleinen Fenster
Mein altes Lieb heraus.

Es war ihr ernstes, mildes,
Geliebtes Angesicht,
Es waren ihre Augen,
Ihre Haare schwarz und dicht.

Schier kamen mir die Zähren,
So gut sah sie mich an;
Sie hat mit ihrem Lächeln
Mein Herz in Bann gethan.

In Ehrfurcht möcht' ich küssen
Ihres Gewandes Saum –
Sie aber steht so ferne –
Und Alles ist ein Traum!«

Doch blieb es bei dem schüchternen Ausdruck der neu aufkeimenden Herzensfreude, der als letzter Lichtstrahl vor dem todbringenden Wetterschlag in Giza's Erinnerung fest eingeschrieben blieb, vergleichbar jenem wunderbaren Aufflammen der Sonne, dem Alpenglühen, das in purpurner Pracht die Gipfel der Berge noch einmal in tagsüber ungekannte Gluth taucht, bevor das goldene Gestirn in Nacht und Dunkelheit lischt. –

Schon am nächsten Tag kam die Unglücksbotschaft von der unseligen Schlacht bei Tagliacozzo, darin Konradin geschlagen und unmittelbar darauf gefangen genommen worden war. Das war das Unwetter, das drohend aufzog am deutschen Horizont.

Droben auf dem Burgfirst der Trausnitz hatte Herzog Heinrich ein schwarzes Banner aufgehißt und Frau Elisabeth wollte schier in Thränen vergehen. Auf dem Landshuter Marktplatz aber stand der Stadtwaibel im bunten herzoglichen Wappenrock, die schwarze Zendelschärpe drüber geschlungen. Der schellte dreimal mit heller Glocke, dann verlas er mit eintöniger Stimme den traurigen Bericht von der grausigen Schlacht, von Konradin's Flucht auf dem Meere und von seiner hinterlistigen Gefangennahme.

Ein Spielmann, der sonstmals oft auf der Burg gegastet und mit nach Welschland gezogen war, hatte die traurige Märe gebracht.

Da hob sich auf der bayerischen Herzogsburg und in ganz Deutschland ein lauter Schrei der Entrüstung; aber von allen Fürsten und Herren, von der blauen Adria bis zum nordischen Belt, wagte keiner zur Rettung auszuziehen – so ging der letzte Hohenstaufe seinem tragischen Schicksal entgegen. –

Im Dämmer des Abends pochte der fahrende Fiedelmann an Diethelm's Kammer. Der fuhr auf, wie der fremde Mann im zerrissenen Rock so plötzlich vor ihm stand. »Was ist Dein Begehr?«

Der Andere sah zu Boden. »In mancherlei Trinkstuben hab' ich Euer Losament mühselig erkundet und ich erhoffe, daß Ihr mir den rücksichtshalber überall gezehrten Vesperwein billigerweise vergüten wollt!« er zwinkerte schlau mit den Augen.

Diethelm griff in die Sammettasche, die ihm am Gürtel hing und zog ein groß Silberstück herfür: »Da nehmt! was habt Ihr mir zu künden?«

Der Andere neigte sich demüthig: »Schönen Dank, Herr! – Ich weiß einen Thurm, der ragt am Meeresstrand, auf halb verfallener Kaiservilla. Dahinter blaut ein Wald, dunkel, zauberhaft und die See brandet und brüllt an die Keller. In dem Thurm aber brennt ein Licht und bei seinem Schimmer sitzt ein einsamer Jüngling, der sinnt und denkt in die Weite. Aber der Thurm ist fest und kein Entrinnen möglich.« Er hatte mit halbsingendem Tone vorgetragen, jetzt hielt er inne.

Diethelm trat dicht vor ihn: »Was soll mir die Weisung?« Er sprach's mit fliegendem Athem.

Da fuhr der Spielmann wieder fort: »Wißt Ihr, was er denkt? Auf Rettung sinnt er und von Euch erhofft er sie!«

Diethelm war erschüttert. »Wie habt Ihr's erkundet?«

»Welsche List ist groß, und trefflich hütet sie den Eingang, aber der deutsche Singvogel hat das Fliegen nicht verlernt und das Fenstergitter ist weit genug, dem Zeichen Paß zu gestatten.«

Er zog ein rothwollen Herz hervor von sarazenischem Geschoß durchstochen.

Es war dasselbe, das Diethelm im vergangenen Lenz auf die Burg gebracht. Wehmüthig nahm er's jetzt in die Hand. »Ich will dem Ruf Folge leisten,« sprach er feierlich, die Schwurhand an den Kreuzgriff seines Schwertes legend. »Wie Frau Elisabeth sich einst meiner in meinem Leid erbarmte, so will auch ich ihren Sohn nimmer verlassen in seiner Noth. So wahr mir Gott helfe!«

* * *

Seitdem war es Winter geworden. In Frau Sabinens Gastgelaß war manch wegmüder Wandersmann schlafen gegangen, seit Diethelm dem Nothzeichen seines jungen Herrn gen Italia gefolgt war; aber Keiner hatte mehr Frau Sabinens Herz in solchem Grad gewonnen, wie Diethelm und noch immer harrte sie auf seine Rückkehr.

Jetzt war Weihnacht nimmer fern, noch war keine Nachricht gekommen. Auch Frau Elisabeth wartete ungeduldig sein, und noch Eine, von der er keinen Abschied genommen, und die doch wußte, daß er ihrer nie und nirgend vergessen werde.

Und eines Tages, das schwarze Panier wehte noch von den Zinnen der Trausnitz, trat der Stadtwaibel wieder auf den Marktplatz, diesmal das ganze Gewand mit Trauerzendel umflort; seine Schelle klang schriller und seine Stimme dumpfer, da er den erschrockenen Stadtbewohnern den schmachvollen Tod ihres jugendlichen Herrn kündete. Die im Oktober erfolgte Hinrichtung mag bei den damaligen Verkehrsverhältnissen in Deutschland wohl kaum vor dem Dezember bekannt geworden sein. Wie er die Worte wiederholte, die Konradin seiner hohen Mutter gedenkend, vom Schaffot gerufen, wie er weiter schilderte, daß er den Handschuh rachefordernd unter's Volk geworfen und daß er gefallen einem Helden gleich und mit ihm sein fürstlicher Freund Friedrich von Baden und alle seine Anhänger und wie manch' bekannter Name, auch der Diethelm's, an der Lauschenden Ohr schlug: da brach zuletzt einem Sturm gleich der allgemeine Schmerz sich Bahn. Manch' starken Mannes Faust ballte sich um's Schwert, manche Rechte ward zu gräulichem Racheschwur erhoben wider Karl von Anjou, den heimtückischen Mörder – die Weiber aber schrieen und schluchzten, und zwischen hinein klang die große Glocke vom Martinsthurme in klagenden Tönen, dem Knaben ein Todtenlied zu singen, der so oft mit hochfliegenden Plänen, ahnungslos fröhlich in dem Dom gekniet.

Und dann kam Herzog Heinrich geschritten, das Antlitz gramdurchfurcht, baarhaupt, im schwarzen Gewand mit großem Gefolg, alle in tiefstem Schweigen. Nach der Kirche schritt er, dem Neffen die Trauermette zu beten.

Allmälig verlief sich das Volk, öde Grabesstille deckte die Stadt.

In der Trausnitz lag Frau Elisabeth auf dem Ruhbett, betäubt von Schmerz und Verzweiflung und ihre Frauen und selbst ihr herzoglicher Bruder fanden nicht Worte sie zu trösten. Herzog Heinrich war die Kehle wie zugeschnürt.

Auch zu Giza drang die herbe Kunde; wie ein Hammerschlag fiel Diethelm's Tod in ihre Seele; hätte sie ihn noch einmal sehen können – und wär's als Leiche gewesen – es wäre ihr wohler geworden; nun ging sie schier sinnlos umher. Dennoch mußte sie ihr Leid bergen vor fremden Augen und ihr war doch zu Muth, als sei etwas in ihrem Herzen entzwei gerissen, das nie und nimmermehr heil werden könne.

Wie sie aus der Abendvesper nach Hause schritt, trat eine verhüllte Männergestalt mit flehender Geberde an sie heran. Gedankenlos griff sie in die Tasche, dem Bettler eine Gabe zu reichen; der aber hielt ihre Hand zusammt dem Silberstück einen Augenblick fest. »Nicht bedarf ich Eures Mitleids armes Jungfräulein! mein Mitleid vielmehr bring' ich Euch entgegen. Denn Einem bin ich zur Seite gestanden, der in Welschland den Todesstreich empfing, Euren Namen auf den verbleichenden Lippen.«

Giza fuhr zusammen, ihr Herz schlug laut. »Was wisset Ihr von ihm?« frug sie hastig.

Da zog der Spielmann, denn ein solcher barg sich unter der Verkappung, ein seiden Tüchlein aus seinem Wams. Wie er's auseinander schlug, lag eine blonde Locke d'rin. – »Das ist Alles, was von Diethelm übrigblieben ist,« – so gebot mir Jener zu sagen, der sich's mit dem Dolch in der Todesstunde abgeschnitten.

Und Giza schrie nicht und weinte nicht, sie nahm ehrfurchtsvoll das letzte Andenken und bot dem Fahrenden ihre ganze Tasche mit Münzen und Ringen dafür. Sie überhörte seinen Dank; wie im Traum schritt sie dahin – sie wußte nicht, wie ihr geschehen.

Daheim aber barg sie neben den einst empfangenen Liedern ihren neuen, kostbarsten Schatz; dann setzte sie sich auf ihren alten Platz an's Fenster und gedachte des geliebten Todten.

Es ist mit der Erinnerung an Verstorbene, wie mit der Sonne: wenn sie längst untergegangen, glüht im Westen der Himmel noch purpurn und der Wiederschein spiegelt sich in den Wolken, glänzend, feurig; bis er am hohen Horizont in rosigem Duft verschwimmt. Auch Giza erfuhr die Tröstung der alles mildernden Zeit, immer aber gedachte sie Diethelm's in unwandelbarer Treue und gern summte sie eine traurige Weise zu seinem Angedenken:

»Es ist keine Sommernacht so mild,
So spiegelnd keine Well':
Daß mir's nicht Deinen Namen rief,
Mein todter Trautgesell!

Es glänzt kein Sonnenstrahl so licht,
Kein Blitzgefunk so grell:
Daß mich es nicht an Dich gemahnt,
Mein todter Trautgesell!

Es strahlt kein Heil'genbild so hehr,
Kein Menschenaug' so hell:
Daß ich Dich drob vergessen könnt',
Mein todter Trautgesell!

Dir einzig schlägt mein müdes Herz,
Dir fließt mein Thränenquell;
Du bleibst allzeit mein bester Schatz:
Mein todter Trautgesell!«


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