Paul Ernst
Der Tod des Cosimo
Paul Ernst

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Die Liebe des Flibustierführers

Im Jahre Siebzehnhundert war an einem nebeligen und kalten Herbstabend in London in der niedrigen holzgetäfelten guten Stube des alten Wirtshauses zum Anker eine kleine Gesellschaft von Kapitänen und Reedern versammelt. Die Männer tranken einen schweren Südwein aus großen Gläsern, priemten und spuckten. Das Gespräch war nach manchen verschiedenartigen Erzählungen auf das damals in diesen Kreisen unerschöpfliche Thema der Flibustier gekommen, die im Golf von Mexiko die merkwürdigsten Taten gegen die Spanier vollführt hatten. Einer der älteren Kapitäne hatte in seinen jungen Jahren noch unter Monbars gedient. Er hatte erzählt, wie Monbars in einem kleinen offenen Ruderboot mit zwölf Mann sich an eine spanische Fregatte gehakt, an Bord geklettert war, und mit seinen Leuten sich durch die spanischen Soldaten mit dem Säbel durchgeschlagen, von vorn bis hinten und dann wieder zurück, und wie er immer ausrief, während die Spanier vor ihm fielen: »Und das muß ich tun, der ein so weiches Herz hat.« »Wie die Hammel vor dem Hund drängten sie sich,« erzählte er.

Ein alter weißhaariger Reeder mit ausrasiertem Kinne sagte mit gespielter Gleichgültigkeit: »Ich habe gestern mit Morgan zusammen auf einer Bank gesessen und habe ihm Schwamm für seine Pfeife gegeben!« Die Männer lachten. Er wiederholte unerschüttert »ich habe ihm Schwamm gegeben.« Dann erzählte er.

»Wie ein alter Affe sah er aus, dem man die Haut im Gesicht abgezogen hat und schwarze Pflaster auf die Augen geklebt.« Einige behaupteten, daß man als letztes von ihm gehört habe, vor langen Jahren, wie er nach England hatte zurückfahren wollen, daß die Matrosen ihn erkannt hatten, unter denen alte Flibustier waren und nachts in seine Kajüte gekommen waren; ob die Geschichte gelogen war, wußte man nicht; aber er sollte auf der Tonne gesessen haben mit den Edelsteinen und dem Gold, das er den Flibustiern nach der Einnahme von Panama gestohlen hatte, und um ihn standen sechs Tonnen mit Pulver, und in die eine klopfte er seine brennende Pfeife aus. Der alte Kasten war in die Luft geflogen, und so hatte wohl keiner Zeit gehabt, einem die Geschichte zu erzählen. Aber die Seeleute denken, ein starker Glaube gehört zu ihrem Geschäft. »Der Bart wird ihm wohl damals versengt sein,« meinte der alte Reeder. »Man konnte seine zweiunddreißig Zähne hübsch zählen, sie waren alle da, und weiß wie Elfenbein, und von der Nase waren ihm nur die Löcher geblieben, durch die konnte man ihm in den Rachen hineinsehen.« Ein junger Kerl meinte lachend, es gebe wohl so eine Art Liebe, die einen so zurichten könne. Der alte Flibustier sah ihn strafend an und sagte: »Wenn wir so etwas hatten, dann fraßen wir vier Wochen lang Schildkrötenfleisch, dann waren wir wieder wie eine Stange Silber.«

Der Reeder fuhr fort: »Er hatte einen schmutzigen alten Juden als Führer, der trug keine Hosen unter dem Kaftan, die haarigen Beine staken ihm unten heraus. Aber er sorgte für ihn, wie die Amme für das Kind: Hier ist ein Steinchen, da ist ein Klötzchen, da kommt eine Herrschaft.« Die andern lachten.

Im Hause des Reeders wohnte im Oberstock eine alte spanische Amerikanerin, aus Panama, die etwas wirr war im Kopf. Sie war gelb wie eine Zitrone und hatte einen Schnurrbart wie ein Ungar, aber zwei Augen rollten ihr im Gesicht wie zwei glühende Kohlen, und eine Stimme hatte sie wie eine Geige, wenn sie sang. Und sie sang sehr viel, daß man sich wundern mußte, wie sie das aushielt. Es wollte kein Dienstmädchen bei ihr bleiben, weil sie ihnen immer Stecknadeln in den Arm steckte, wenn sie ihre spanischen Worte nicht verstanden. Die kam zufällig an der Bank vorbei. Sie sang ein Liebeslied:

Por un soto verde y ambroso
Se salió Amor paseando,
De los amentes quejoso,
Porque su fuego amoroso
Trataban los mas burlando.

Der Blinde sprang auf und zitterte, die holländische Tonpfeife fiel aus seinen nackten Zähnen und zerbrach auf der Erde, und er sang den zweiten Vers krächzend und heulend, weil ihm die Nase und Lippen fehlten:

Y como yo pude verle
En parte do no me via,
Déterminé responderle
A las quejas que traia,
Solo por entretenerle.

Die wahnsinnige Alte sah ihn an, dann hielt sie den Fächer vor das Gesicht und warf ihm über den Fächer hin kichernd einen schmachtenden Blick zu. Dann nahm sie ihr Mädchen am Arm und zog sie eilig fort, sah sich noch einmal lachend um und sang:

Y una respuesta buscando,
Que á la de Eco pareciese,
A lo que iba preguntando
Le respondí, procurando
Que esto solo de mi oyese:
Yo soy ese.

Der Reeder fuhr fort, daß er dem Juden zwei Schilling gegeben habe, damit er ihm alles erzählte. Dieses ist nun die Erzählung des Juden.

Ich bin in Czenstochau geboren und lebte bis zu meinem fünfzehnten Jahre bei meinem Vater, der einen großen Handel mit Lumpen und altem Eisen hatte. Damals hörte ich zum ersten Male über die Flibustier von einem deutschen Handwerksburschen, der bei uns auf dem Boden nächtigte, und es fiel mir gleich in den Sinn, daß sich mit denen ein Geschäft machen ließ. Denn auf ihren Raubzügen nehmen sie außer dem baren Geld nur Ware mit, die leicht zu versilbern ist, namentlich Edelsteine und Schmuck, und wenn sie von einer Fahrt zurückkommen, so ruhen sie nicht eher, bis sie alles verpraßt haben. Deshalb machte ich mich an einige hübsche Mädchen und versprach ihnen reiche Männer, wenn wir drüben wären, zog mit denen nach Amsterdam, unter großen Geldkosten, nahm in Amsterdam noch eine Anzahl Fässer mit feinen Likören und schweren Weinen mit und begab mich auf ein Schiff, das auf Kuba heimlich Kakao holen wollte. Meine Frauenzimmer machten auf dem Schiff einen greulichen Spektakel, wie sie merkten, worauf es abgesehen war, aber der Kapitän war ein anständiger Mann und stand auf meiner Seite, denn so einhundert Gulden hatte mich jedes Mädchen schon gekostet. Er sagte mir freilich gleich voraus, daß ich bei den Flibustiern mit der Ware nichts verdienen würde. Wie wir auf der Höhe der Schildkröteninsel waren, traf uns ein Flibustierboot. Der Kapitän zog die spanische Flagge nieder, unter der wir bis dahin in diesen Gewässern gesegelt waren und hißte die holländische, die Flibustier kamen aber doch an Bord. Sie hatten nichts an, wie Hose, Hemd und Hut und kletterten wie die Eichhörnchen an den glatten Planken hoch. Sie hatten ungeheuer große Büchsflinten in der Hand, und wie sie oben waren, nahm jeder gleich einen Mann aufs Korn. Wie sie sahen, daß wir wirklich Holländer waren, beruhigten sie sich. Mich warfen sie gleich in ihr Boot, wie ich gesagt hatte, daß ich zu ihnen wollte, ich dachte, ich hätte alle Rippen gebrochen. Dann warfen sie meine Fässer hinterher und brachten auch die drei Mädchen mit. Es schien, daß die drei stärksten sie sich genommen hatten, mich fragten sie gar nicht. Die drei stellten sich vor sie hin mit ihren Flinten und sagten: »Was ihr vorher getan habt, das geht uns nichts an, wenn jetzt etwas passiert, dann haben wir unsere Büchse. Nun seid ihr unsere Frauen und müßt unsere Hemden waschen.« Dann wurde fortgerudert und ich mußte mitrudern, und wie ich ohnmächtig wurde, da band einer seinen Gürtelriemen ab und schlug mich, daß mir das Blut den Rücken herunterlief. Da bin ich nicht wieder ohnmächtig geworden, aber ich habe mir beinahe die Zunge durchgebissen. Ich sagte ihnen, sie sollten mir wenigstens etwas für die Jungfernschaft der drei Mädchen geben, aber sie lachten und sagten, aus der Jungfernschaft machten sie sich nichts. Sie setzten uns auf der Schildkröteninsel ab, ich ging zu dem Gouverneur Seiner Majestät des Königs von England, er erlaubte mir meinen Handel. Ich bekam meistens Goldstaub, den ich in einer Schweinsblase hielt. Man konnte alles offen liegen lassen, es wurde nichts gestohlen. Es waren wenig Flibustier da, denn Morgan machte gerade seinen berühmten Zug, von dem ich nun erzählen will. Wie die Nachricht kam, daß er Karthagena geplündert hatte, wurden alle wütend, die auf der Schildkröteninsel waren, denn da hatte es große Beute gegeben, sie schoben ihre Boote in die See und wollten zu ihm rudern, denn es wurde auch schon von Panama gesprochen. Mir redeten sie zu, ich sollte auch mitkommen, und da war etwas zu holen, und damals war ich so mutig geworden, daß ich mir aus dem Leben gar nichts mehr machte, denn ich dachte: einmal muß ich doch sterben. Zwei in unserem Boot mußten immer schöpfen, denn das Wasser floß immer oben hinein, weil die Wogen hoch gingen, aber die Flibustier ruderten in ihrer Wut immerzu. Wir brauchten fünf Tage bis zu dem Fort San Lorenzo an der Mündung des Chagro, das Morgan erobert hatte. Zu der Zeit aßen wir nur Zwiebäcke, die vom Wasser aufgeweicht waren, denn es war nichts trocken zu halten im Boot, und ich hatte zwei Fässer guten Branntwein mit, dadurch kamen die Flibustier sehr in Schulden bei mir, denn sie mußten alle zusammen bürgen, damit ich keinen Schaden hatte an den Toten. Wie wir kamen, hielt Morgan gerade Musterung; er nahm dreizehnhundert Mann mit nach Panama, wie wir in unsere Boote stiegen, brachten wir ein Hoch auf den König von England aus und auf Morgan, aber bei Morgan schrien sie lauter. Wir mußten den Chagro aufwärts rudern, aber wir hatten so wenig Platz in den Fregatten, daß wir uns nicht einmal setzen konnten. Da wurden wir sehr müde. So kamen wir am ersten Tag bis Rio de los Bravos, da wollten wir uns etwas zu essen holen, denn wir hatten nichts mitnehmen können. Aber die Spanier, die da wohnen, hatten alles Korn abgeschnitten und das Vieh fortgetrieben, und die Häuser waren ganz leer. Wir schliefen wenigstens in den Häusern auf dem Fußboden, aber zu essen gab es gar nichts, so stopfte sich jeder eine Pfeife Tabak. Ich hatte noch ein Fäßchen Branntwein, das verkaufte ich, das Gläschen für eine Unze Gold, auf Kredit; da wurde ich ein reicher Mann, denn die Flibustier bezahlten immer ehrlich, nur meine Mädchen hatten sie mir ohne Geld abgenommen, denn sie sagten: man darf mit rotem und schwarzem Menschenfleisch handeln, denn das ist von Gott dazu geschaffen, daß wir es brauchen, aber mit weißem Menschenfleisch zu handeln ist Sünde. Am zweiten Tage ließen wir unsere Fregatten liegen, denn der Fluß war nicht mehr tief genug und war auch ganz versperrt von Baumstämmen. Ein Teil der Leute mußte dableiben, damit uns die Spanier nicht hinter unserem Rücken die Schiffe wegnahmen. Wir wollten zu Fuß weiter, aber der Morast war so tief, daß viele nicht wieder heraus konnten und erstickten. Deshalb setzten wir uns in kleine Kähne. Aber weil wir zu wenig Kähne hatten, so fuhr ein Teil von uns immer flußaufwärts, dann stiegen wir an einer festen Stelle aus und warteten, und die Kähne fuhren zurück und holten andere. Da sah mich Morgan das erstemal und sagte den Flibustiern, sie sollten mich in den Fluß werfen, weil ich nichts nütze wäre. Aber die Flibustier antworteten ihm, daß sie mir schuldig wären, deshalb dürften sie das nicht. Den zweiten Tag mußten wir im Freien schlafen. Den dritten Tag ging es genau so wie den zweiten. Da schimpften die Flibustier, daß sie noch keinen Spanier gesehen hatten, denn sie waren ganz schwach vor Hunger und dachten, daß die Feinde etwas zu essen bei sich hätten; sie aßen aber Laub und Gras, und darunter war manches Ungesunde. Auch war es schlecht, daß wir im Freien schlafen mußten, denn die Nächte waren so kalt, daß es am Morgen reifte, und wir hatten nur Hose und Hemd an und weiter nichts. Am vierten Tag wurde es besser, da konnte man am Fluß entlang marschieren, weil wir höher kamen, und da ruderte die eine Hälfte in den Kähnen und die andere marschierte. Und zwei Flintenschüsse vor uns gingen immer zwanzig oder dreißig Mann mit dem Führer und waren ganz leise, denn wir hofften, daß die Spanier uns einen Hinterhalt gelegt hätten und hofften, sie zu überraschen, daß sie nicht vor uns flohen, denn wir dachten, daß sie etwas zu essen bei sich hätten. Am Mittag trafen unsere Leute auch auf einen Hinterhalt, da freuten wir uns, und jeder schüttete frisches Pulver auf die Pfanne, und dann schrien wir laut und stürzten auf die Verschanzung los, und ich war auch dabei, denn ich fürchtete mich nicht, ich hatte aber keine Flinte; aber da fielen wir beinahe um vor Schreck, denn sie hatten immer solche Angst vor den Flibustiern, daß ihrer zehn vor einem fortliefen. Und sie hatten alles Essen mitgenommen, nur leere Tornister lagen noch da. Da freuten wir uns zuletzt doch, schnitten das Leder ab und nahmen es mit. Und am Nachmittag hatten wir noch einmal eine vergebliche Freude, denn wir fanden wieder eine leere Verschanzung, aber die Spanier hatten wieder ihre Tornister zurückgelassen. Da hatten wir am Abend wenigstens etwas zu essen, denn wir schnitten das Leder in kleine Stücke, weichten sie in Wasser auf, schabten die Haare ab, klopften sie zwischen zwei Steinen und rösteten sie dann. Am fünften Tag hatten wir ein großes Glück, da war wieder eine Verschanzung, aber die Spanier hatten zwei Säcke Mehl vergraben, ehe sie flohen, die fanden wir und schleppten sie vor Morgan, und der verteilte sie an die, welche das Leder nicht vertragen konnten, da habe ich auch wohl ein viertel Pfund Mehl erwischt. Am sechsten Tage mußten wir uns oft ausruhen, denn wir waren sehr schwach, weil wir zu wenig gegessen hatten, da fanden wir aber eine Scheune, die war voll Mais, der noch im Kolben war, da stopfte sich jeder sein Hemd über dem Gürtel voll, daß er aussah wie eine Rübe mit zwei Wurzeln, und dann aßen wir den rohen Mais im Marschieren, denn wir dachten, wenn wir uns mit Kochen aufhielten, so würden wir immer schwächer und könnten nachher nicht mehr unseren Mann stehen, wenn es ans Arbeiten ging, denn schon beim Schießen ist es ja schlimm, wenn der Arm nicht ganz fest ist. Jetzt konnten auch die Kähne nicht mehr weiter, da mußten wir alle gehen. Am siebenten Tag morgens schoß jeder seine Büchse ab, putzte sie ordentlich und lud sie neu, aber wir kamen erst nach Cruz; da waren die Leute auch geflohen und hatten alles angesteckt; es brannte noch, wie wir kamen, und die Flibustier lachten und glaubten, sie könnten ihr Fleisch bei dem Feuer braten, aber es waren nur noch ein paar Hunde und Katzen da, die aßen wir. Am achten Tag hielt Morgan morgens Musterung, da waren wir noch elfhundert Mann, und nun wurde es gefährlich, denn von Cruz bis Panama jenseits der Wasserscheide, ist der Weg so eng daß oft nur zwei Mann nebeneinander gehen können. Wie wir in dem Engpaß waren, kamen plötzlich viele Pfeile von oben, und etwa zehn Mann wurden getroffen, aber man sah oben nur Sträucher und Bäume. Da schossen wir aufs Geratewohl nach der Richtung, und schossen zwei von den Indianern herunter, die andern flohen, und wir zogen weiter. Vor dieser Stelle hatten wir Furcht gehabt, denn wenn die Spanier nicht solche Angst hätten, so hätten hundert Mann uns hier alle zusammenschießen können. Aber nun wurde es sehr schlimm, denn es kam ein kalter Regen, und wir waren fast ganz nackt, weil die Dornen uns alles zerrissen hatten, und des Nachts deckten wir uns mit Gras und Laub zu, wenn das auch naß war, daß wir die Wärme im Körper behielten. Hier war es aber, wo mich Morgan zuerst in seine Macht bekam. Denn es war ihm ein Pfeil durch den Fuß gegangen, wir waren doch alle barfuß, und unten war die Spitze abgebrochen, und wie er ihn herausziehen wollte, da brach auch das obere Ende ab. Da mußte ich mich auf allen vieren niederknien, und er setzte mir den Fuß auf den Rücken, steckte einen Ladestock in die Wunde und schlug mit einem Stein darauf, daß das Stück von dem Pfeil, das in der Wunde steckte, herauskam. Dann wickelte er erst saubere Blätter um den Fuß und zerriß sein Hemd und verband ihn damit, und weil er nicht gehen durfte wegen der Entzündung, so hüpfte er auf einem Bein und stützte sich auf mich, das war sehr anstrengend für mich. Am neunten Tag schossen wir wieder die Büchsen ab und luden neu, wegen der Nässe, dann kamen wir in die Ebene. Da sahen wir Vieh und einige Spanier zu Pferde. Die Männer flohen, und wir machten uns an die Rinder, zogen sie ab und zerschnitten sie; aber Feuer durften wir nicht anzünden, denn einer war auf einen Baum gestiegen und hatte die Türme von Panama gesehen. Da schrien wir alle vor Freude, und die Spanier waren ausgerückt und schrien auch, und wir aßen unser Fleisch roh. Da wurden wir satt, und obwohl es noch zwei Stunden vor Sonnenuntergang war, so legten wir uns doch hin und schliefen, denn wir wollten frisch sein für den Kampf. Und die Spanier hatten die ganze Nacht durch Wachtfeuer. Am andern Morgen führte uns Morgan einen versteckten Weg; wir beide gingen immer voran, er war auf mich gestützt und hüpfte, und wir kamen auf einen Hügel und sahen unten die Spanier. Die schickten zuerst zweitausend wütende Stiere gegen uns und dann ihre Reiterei, und Morgan, der seinen Ort ausgesucht hatte, schickte ihnen nur zweihundert Flibustier entgegen. Die Stiere und Reiter gerieten in einen Sumpf, das hatte Morgan gewollt, und die Flibustier schossen, und jeder traf immer seinen Mann; da waren in einer halben Stunde nur noch etwa fünfzig Reiter übrig, die flohen; und gegen die Stiere liefen einige Mann, die ihre Lumpen in der Luft schwenkten und schrien, und so wendeten sie die Stiere zur Seite, daß sie immer weiter fortstürzten und zuletzt nicht mehr von ihren Leuten eingeholt werden konnten. Wie die Fußsoldaten das sahen, schossen sie ihre Gewehre in die Luft und liefen fort, und die Flibustier liefen hinter ihnen her und schossen viele tot, namentlich zielten sie auf die Mönche, die bei den Soldaten waren; Gefangene aber machten sie nicht, denn das hatte Morgan verboten, sondern wenn einer sich ergeben wollte, so wurde ihm der Hals abgeschnitten, um Pulver zu sparen. Die Spanier waren im ganzen dreitausend Mann stark gewesen, und wir hatten nur zwei Tote und zwei Verwundete, die Spanier aber ließen sechshundert Mann auf der Strecke. Das ist schwer zu glauben, aber die Flibustier hatten die Meinung, daß ihnen alles glückte, wenn sie Morgan anführte. Morgan aber spuckte seinen Priem aus und steckte seine Pfeife an, denn damals rauchte er nur, wenn Gefahr war, und das Priemen war er gewohnt von der Zeit her, wo er noch Matrose gewesen war. Jetzt raucht er, weil ihm das Pulver die Backen fortgerissen hat, aber er kann nicht ordentlich ziehen, deshalb ist die Pfeife immer kalt, aber er merkt es nicht. Er sagte, jetzt müßten wir gleich auf die Stadt losgehen, ehe sich die Feinde wieder sammelten; und auf allen Hauptstraßen hatten die Spanier Barrikaden von Mehlsäcken gemacht und hatten Kanonen dahinter, aber wir gingen durch eine Nebenstraße in die Stadt und fanden alles leer, bis wir auf den Marktplatz kamen, da standen Kanonen, und eine wurde losgeschossen und tötete fünfundzwanzig Mann; die andern aber wurden nicht mehr abgeschossen, denn wir schnitten der Bedienung gleich die Kehlen durch. Nun hatte Panama siebentausend Häuser und allein acht Klöster, und alles Gold und Silber aus Peru wurde nach Panama gebracht, ehe es nach Spanien ging, dazu waren allein zweitausend Maultiere da. Deshalb war die Stadt sehr reich, aber die Spanier hatten alle ihre Schätze in den Kellern und sonstwo vergraben. Deshalb war es die Hauptsache, daß wir die Spanier fingen. Zuerst streckten wir sie auf Heuwagen, wir banden sie mit den Füßen an der Schere fest, wickelten ihnen das Heuseil um die Handknöchel und zogen sie von hinten mit der Winde lang. Aber dabei starben viele, ehe sie gesagt hatten, wo sie ihre Schätze hatten, weil wir zu hastig waren, deshalb erfand Morgan, daß wir sie schnürten und mit den Füßen über Feuer legten, da gestanden sie, und wenn welche starben, so starben sie nachher, und das war uns ganz recht, denn wir konnten so viele überflüssige Esser nicht gebrauchen.

Und damals geschah die Geschichte mit der Spanierin, die wir unvermutet wiedergetroffen haben. Sie war damals vierzehn Jahre alt und das schönste Mädchen, das ich gesehen habe, und ich verstehe mich darauf, denn mir sind nachher noch viele Mädchen durch die Hände gegangen, denn ich habe Morgan mit meiner Arbeit ernährt, wie er blind war. Sie war in einem versteckten Landhaus gefangen, das über zwei Stunden von Panama entfernt war, wo ihre Eltern sie sicher geglaubt hatten. Wie Morgan sie sah, ließ er sie gleich losbinden und gab ihr drei Negerweiber zur Bedienung und wies ihr ein schönes Haus an, dann mußte ich ihm das Haar schneiden und ihn rasieren, und er zog eine goldgestickte Uniform an und Stiefel. Sie lachte immer und sagte, ihre Leute erzählten immer, die Flibustier seien Teufel und keine Menschen, aber wir wären doch sehr gutmütig und ließen jedem seinen Willen, und wären eben solche Menschen wie die Spanier. Damals sang sie auch oft zur Gitarre das Lied, das sie hier sang, und Morgan saß stumm zu ihren Füßen und hörte zu, denn er scheute sich zu sprechen, weil seine Stimme durch das viele Trinken und Schreien und die vielen Erkältungen sehr häßlich war, denn auch sonst war er für ein Mädchen nicht schön, weil er kurz und breit war und lange Arme mit breiten Händen hatte und kurze Beine, und die Uniform paßte ihm gar nicht. Die Flibustier schimpften untereinander über ihn, daß er sie aus Verliebtheit in Panama zurückhalte, bis ihnen die Spanier auf den Hals kämen, aber es wagte ihm keiner etwas zu sagen. Morgan ließ ihr durch eine Negerin sagen, daß er sie heiraten wollte und mit ihr nach England gehen und vornehm leben, denn Morgan war ein Schlauer, der sein Geld vergrub. Wie er kam, sagte sie ihm, er sei ein Hund und solle nicht zu ihr kommen. Da schickte er die Negerweiber fort und war allein mit ihr und wollte sie küssen, sie aber zog einen Dolch und stach ihn, und wußte Bescheid und stach von unten nach oben, sodaß sie ihn beinahe getötet hätte. Da ging er fort, ließ an ihre Eltern schreiben und ließ sie auslösen für dreißigtausend Piaster. Und seit der Zeit hatte er keine Freude mehr am Flibustierleben. Denn dann machte er den Betrug und betrog uns alle, denn er sagte, es solle jeder seine Beute auf einen Haufen bringen, und er wolle abschätzen und teilen, und da behielt er heimlich das meiste. Viele sagten untereinander, sie wollten ihn totschlagen, aber ihm ins Gesicht machte keiner Vorwürfe; ich selber habe damals ganz gut verdient, denn es waren mir wohl hundert schuldig, die bezahlten und ich bekam fast alles, was auf ihr Teil gefallen war.«

Wie der Reeder seinen Bericht geendet hatte, schwiegen die andern eine Weile. Dann sprachen einige ihren Zweifel aus, ob der Jude nicht für seine zwei Schillinge gelogen habe, denn viele behaupten auch, daß Morgan gehängt sei, wie er nach England kam. Zuletzt aber meinten sie alle, daß die Erzählung jedenfalls außerordentlich sei, was den Marsch von San Lorenzo nach Panama betreffe, auch wenn sie gelogen sei, und daß der Reeder zwei Schillinge ganz gut für sie habe bezahlen können.


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