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IX.
Königin Luise in Briefen und
Tagebüchern


»Unverwelkliche Herzensblätter aus dem Lebensbuche der königlichen Dulderin.«

(Frau von Berg.)

Briefe der Königin Luise an ihren Vater, Herzog von Mecklenburg.

I.

Frühling 1807.

»Geliebter Vater!

Die Abreise des Generals Blücher gibt mir Gottlob einmal eine sichere Gelegenheit, offenherzig mit Ihnen zu reden. Gott, wie lange entbehrte ich dieses Glück, und wieviel habe ich Ihnen zu sagen! Bis zur dritten Woche meines Krankenlagers war jeder Tag durch neues Unglück bezeichnet.

Die Sendung des vortrefflichen Blücher nach Pommern, der Patriotismus, der jetzt in jeder Brust sich regt, und von welchem die Reservebataillons, die erst seit Monaten organisirt sind und theils schon vorgehen, theils schon gut gefochten haben, ein neuer Beweis sind – alles dies belebt mit neuen Hoffnungen. Ja, bester Vater, ich bin es überzeugt, es wird noch einmal Alles gut gehen, und wir werden uns noch einmal glücklich wiedersehen.

Die Belagerung von Danzig geht gut, die Einwohner benehmen sich außerordentlich; sie erleichtern den Soldaten die großen Lasten, indem sie ihnen Wein und Fleisch im Ueberfluß reichen; sie wollen von keiner Uebergabe sprechen hören; sie wollen lieber unter Schutt begraben werden, als untreu an dem König handeln; ebenso halten sich Colberg und Graudenz. Wäre es mit allen Festungen so gewesen! – – Doch genug von den vergangenen Uebeln; wenden wir unsere Blicke zu Gott, zu ihm, der unsere Schicksale lenkt, der uns nie verläßt, wenn wir ihn nicht verlassen!

Der König ist mit dem Kaiser Alexander bei der Armee. Er bleibt bei derselben, so lange der Kaiser bleibt. Diese herrliche Einigkeit, durch unerschütterliche Standhaftigkeit im Unglück begründet, gibt die schönste Hoffnung zur Ausdauer. Nur durch Beharrlichkeit wird man siegen, früh oder spät, davon bin ich überzeugt.« – –


II.

Memel, 17. Juni 1807.

»Mit der innigsten Rührung und unter Thränen der dankbarsten Zärtlichkeit habe ich Ihren Brief vom Monat April gelesen. Wie soll ich Ihnen danken, bester, zärtlichster Vater, für die vielen Beweise Ihrer Liebe, Ihrer Huld, Ihrer unbeschreiblichen Vatergüte! Welcher Trost ist dieses nicht für mich in meinen Leiden und welche Stärkung! Wenn man so geliebt wird, kann man nicht ganz unglücklich sein.

Es ist wieder aufs Neue ein ungeheures Ungemach über uns gekommen, und wir stehen auf dem Punkt, das Königreich zu verlassen. Bedenken Sie, wie mir dabei ist; doch bei Gott beschwöre ich Sie, verkennen Sie Ihre Tochter nicht! Glauben Sie ja nicht, daß Kleinmuth mein Haupt beugt. Zwei Hauptgründe habe ich, die mich über Alles erheben. Der erste ist der Gedanke, wir sind kein Spiel des blinden Zufalls, sondern wir stehen in Gottes Hand und die Vorsehung leitet uns, – der zweite, wir gehen mit Ehren unter. Der König hat bewiesen, der Welt hat er bewiesen, daß er nicht Schande, sondern Ehre will. Preußen wollte nicht freiwillig Sklavenketten tragen. Auch nicht einen Schritt hat der König anders handeln können, ohne seinem Charakter ungetreu und an seinem Volke Verräther zu werden. Wie dieses stärkt, kann nur der fühlen, den wahres Ehrgefühl durchströmt. – Doch zur Sache.

Durch die unglückliche Schlacht von Friedland kam Königsberg in französische Hände. Wir sind vom Feinde gedrängt, und wenn die Gefahr nur etwas näher rückt, so bin ich in die Nothwendigkeit versetzt, mit meinen Kindern Memel zu verlassen. Der König wird sich wieder mit dem Kaiser vereinigen. Ich gehe, sobald dringende Gefahr eintritt, nach Riga; Gott wird mir helfen, den Augenblick zu bestehen, wo ich über die Grenzen des Reichs muß. Da wird es Kraft erfordern; aber ich richte meinen Blick gen Himmel, von wo alles Gute und Böse kommt, und mein fester Glaube ist, er schickt nicht mehr, als wir tragen können. Noch einmal, bester Vater, wir gehen unter mit Ehren, geachtet von Nationen, und werden ewig Freunde haben, weil wir sie verdienen. Wie beruhigend dieser Gedanke ist, läßt sich nicht sagen. Ich ertrage Alles mit einer solchen Ruhe und Gelassenheit, die nur Ruhe des Gewissens, reine Zuversicht geben kann. Deswegen seien Sie überzeugt, bester Vater, daß wir nie ganz unglücklich sein können, und daß Mancher, mit Kronen und Glück bedrückt, nicht so froh ist, als wir es sind. Gott schenke jedem Guten den Frieden in seiner Brust, und er wird noch immer Ursach zur Freude haben.

Noch Eins zu Ihrem Trost, daß nie etwas von unserer Seite geschehen wird, das nicht mit der strengsten Ehre verträglich ist und nicht mit dem Ganzen gehet. Denken Sie nicht an einzelne Erbärmlichkeiten. Auch Sie wird das trösten, das weiß ich, so wie Alle, die mir angehören. Ich bin auf ewig Ihre treue, gehorsame, Sie innig liebende Tochter, und Gottlob, daß ich es sagen kann, da Ihre Gnade mich dazu berechtigt – Ihre Freundin

Luise.«


III.

24. Juni 1807.

»Noch immer sind meine Briefe hier, weil nicht nur Wind, sondern Stürme alles Auslaufen der Schiffe unmöglich machten. Nun schicke ich Ihnen einen sichern Menschen und fahre deshalb fort, Ihnen Nachricht von hier mitzutheilen. Die Armee ist genöthigt gewesen, sich immer mehr und mehr zurückzuziehen, und es ist von russischer Seite ein Waffenstillstand auf 4 Wochen abgeschlossen worden. Oftmals klärt sich der Himmel auf, wenn man trübes Wetter vermuthet; es kann auch hier sein; Niemand wünscht es so wie ich; doch Wünsche sind nur Wünsche und keine festen Basen. Also Alles von dir dort oben, du Vater der Güte! – Mein Glaube soll nicht wanken, aber hoffen kann ich nicht mehr. Ich berufe mich demnach auf meinen Brief, er ist aus der Tiefe meiner Seele geschrieben. Sie kennen mich ganz, wenn Sie ihn gelesen haben, bester Vater. Auf dem Wege des Rechts leben, sterben, und wenn es sein muß, Brot und Salz essen. Nie werde ich ganz unglücklich sein; nur hoffen kann ich nicht mehr. Wer so von seinem Himmel heruntergestürzt ist, kann nicht mehr hoffen. Kommt das Gute – o! kein Mensch kann es dankbarer empfinden, als ich es empfinden werde – aber erwarten thue ich es nicht mehr. Kommt das Unglück, so wird es mich auf Augenblicke in Verwunderung setzen, aber beugen kann es mich nie, sobald es nicht verdient ist. Nur Unrecht unsrerseits würde mich zu Grabe bringen, da komme ich nicht hin, denn wir stehen hoch. Sehen Sie, bester Vater, so kann der Feind der Menschen nichts über mich. Der König ist seit dem 19. mit dem Kaiser vereint; seit gestern sind sie in Taurogen, nur ein paar Meilen von Tilsit, wo der französische Kaiser ist.

Ich bin zu Ihren Füßen ganz die Ihrige.

Luise.«


IV. Der schönste Brief der Königin, besonders bemerkenswerth durch seinen wahrhaft prophetischen Ton.

Frühling 1808.

»Bester Vater!

Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig, und in solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig glückselig.

Es wird mir immer klarer, daß Alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eine andre Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und in sich selbst als abgestorben zusammenstürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbern Friedrichs des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. – Das siehet Niemand klarer ein als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, und er sagte in sich gekehrt wiederholentlich: das muß auch bei uns anders werden. Auch das Beste und Ueberlegteste mißlingt, und der französische Kaiser ist wenigstens schlauer und listiger. Wenn die Russen und die Preußen tapfer wie die Löwen gefochten hatten, mußten wir, wenn auch nicht besiegt, doch das Feld räumen, und der Feind blieb im Vortheil. Von ihm können wir Vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung, zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben.

Gewiß wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deshalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem, jetzt freilich glänzenden Throne ist. Fest und ruhig ist nur allein Wahrheit und Gerechtigkeit, und er ist nur politisch, das heißt klug, und er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Dabei befleckt er seine Regierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit der guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemessener Ehrgeiz meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man muß ihn mehr bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem Glück geblendet und er meint Alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt.

Ich glaube fest an Gott, also auch an eine sittliche Weltordnung. Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht; deshalb bin ich der Hoffnung, daß auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Diese hoffen, wünschen und erwarten alle besseren Menschen, und durch die Lobredner der jetzigen und ihres großen Helden darf man sich nicht irre machen lassen. Ganz unverkennbar ist Alles, was geschehen ist und geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur die Bahnung des Weges zu einem besseren Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen und darüber hinsterben. Wie Gott will, – Alles, wie er will. Aber ich finde Trost, Kraft und Muth und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch Alles in der Welt nur Uebergang! Wir müssen durch. Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jedem Tage reifer und besser werden.

Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubensbekenntniß, so gut ich als eine Frau es formen und zusammensetzen kann. Mag es seine Lücken haben, ich befinde mich wohl dabei; entschuldigen Sie aber, daß ich Sie damit behellige. Sie sehen wenigstens daraus, daß Sie auch im Unglück eine fromme, ergebene Tochter haben, und daß die Grundsätze christlicher Gottesfurcht, die ich Ihren Belehrungen und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte getragen haben und tragen werden, so lange Odem in mir ist.

Gern werden Sie, lieber Vater, hören, daß das Unglück, welches uns getroffen, in unser eheliches und häusliches Leben nicht eingedrungen ist, vielmehr dasselbe befestigt und uns noch werther gemacht hat. Der König, der beste Mensch, ist gütiger und liebevoller als je. Oft glaube ich in ihm den Liebhaber, den Bräutigam zu sehen. Mehr in Handlungen, wie er ist, als in Worten, ersehe ich die Aufmerksamkeit, die er in allen Stücken für mich hat, und noch gestern sagte er schlicht und einfach, mit seinen treuen Augen mich ansehend, zu mir: »Du, liebe Luise, bist mir im Unglück noch werther und lieber geworden. Nun weiß ich aus Erfahrung, was ich an Dir habe. Mag es draußen stürmen – wenn es in unserer Ehe nur gut Wetter ist und bleibt. Weil ich Dich so lieb habe, habe ich unser jüngst geborenes Töchterchen » Luise« genannt. Möge es eine Luise werden.«

Bis zu Thränen rührte mich diese Güte. Es ist mein Stolz, meine Freude und mein Glück, die Liebe und Zufriedenheit des besten Mannes zu besitzen, und weil ich ihn von Herzen wieder liebe und wir so mit einander eins sind, daß der Wille des Einen auch der Wille des Andern ist, wird es mir leicht, dies glückliche Einverständniß, welches mit den Jahren inniger geworden ist, zu erhalten. Mit einem Worte, er gefällt mir in allen Stücken und ich gefalle ihm, und uns ist am wohlsten, wenn wir zusammen sind.

Verzeihen Sie, lieber Vater, daß ich dies mit einer gewissen Ruhmredigkeit sage; es liegt darin der kunstlose Ausdruck meines Glückes, welches Keinem auf der Welt wärmer am Herzen liegt, als Ihnen, bester, zärtlichster Vater! Gegen andere Menschen, auch das habe ich von dem Könige gelernt, mag ich davon nicht sprechen; es ist genug, daß wir es wissen.« – – Den Schluß dieses Briefes siehe auf Seite 73 ff.


An Frau von Berg.

(Sommer 1807.)

»– – Der Friede ist geschlossen, aber um einen schmerzlichen Preis: unsere Grenzen werden künftig nur bis zur Elbe gehen; dennoch ist der König größer als sein Widersacher. Nach Eylau hätte er einen vortheilhaften Frieden machen können, aber da hätte er freiwillig mit dem bösen Prinzip unterhandeln und sich mit ihm verbünden müssen; – jetzt hat er unterhandelt, gezwungen durch die Noth, und wird sich nicht mit ihm verbünden. Das wird Preußen einst Segen bringen! Auch hätte er nach Eylau einen treuen Alliirten verlassen müssen, das wollte er nicht. Noch einmal, diese Handlungsweise des Königs wird Preußen Glück bringen, das ist mein fester Glaube.« – –


Königin Luise an ihre Schwester Friedrike.

Damals Prinzessin von Solms-Braunfels.

(Sommer 1807, nach der Begegnung mit Napoleon.)

»– – Was für Schritte ich gethan habe, um Preußens Schicksal zu mildern, und wie wenig sie mir gelungen sind, das weiß die Welt; aber ich war sie als liebende Gattin dem König, als zärtliche Mutter meinen Kindern, als Königin meinem Volke schuldig. Das Gefühl, meine Pflicht erfüllt zu haben, ist mein einziger Lohn.« – –


An den Probst Hanstein.

Derselbe stand zuerst an der Spitze der betreffenden Stiftung

Memel, 31. August 1807.

»– – Neigung zum Wohlthun war von jeher ein hervorstechender Zug in dem Charakter der Berliner; nie aber hat dieser sich schöner entwickelt, als in dem beendigten unglücklichen Kriege durch die von Ihnen, würdiger Herr Probst, angezeigte Stiftung zum Unterhalt, Erziehung und Unterricht unberathener Knaben von armen, noch lebenden Eltern. Für Waisen fehlte es nicht an Stiftungen mancherlei Art, aber an Hilfsbedürftige aus der genannten Klasse war bisher noch nicht gedacht. Diese Anstalt verdient daher allgemeinen Dank und lebhafte Theilnahme.

Ich aber bin sehr gerührt durch den zarten Beweis von Achtung, Vertrauen und Liebe, den die Stifter mir dadurch geben, daß sie die Stiftung nach meinem Namen benennen und unter meinen Schutz stellen wollen. Mit Freuden nehme ich nicht nur beides an, sondern übernehme auch die nach dem Etat ausgemittelten Unterhaltungskosten für vier Zöglinge, indem ich Sie, Herr Probst, ersuche, solche auszuwählen. Beikommende 100 Stück Friedrichsd'or bitte ich zur ersten Einrichtung der Anstalt zu verwenden.

Der Krieg, der so viel unvermeidliches Uebel über die Nation brachte, deren Landesmutter zu sein mein Stolz ist, hat auch manche schöne Frucht zur Reife gebracht, und für so vieles Gute den Samen ausgestreut. Vereinigen wir uns, ihn mit Sorgfalt zu pflegen, so dürfen wir hoffen, den Verlust an Macht durch Gewinn an Tugend reichlich zu ersetzen.

Sie, Herr Probst, haben redlich das Ihrige gethan, nach diesem Ziele hinzuleiten. Mehrere Ihrer würdigen Amtsbrüder haben mit Ihnen gewetteifert. Sie haben dadurch in den Berlinern den Geist erweckt und erhalten, in welchem allein man sich im Unglück mit Würde betragen kann. Dadurch ist das Band der Liebe, welches die Nation mit ihrem Herrscher verband, nur um so fester geknüpft worden, sowie die Freude des Wiedersehens, wonach die Sehnsucht wechselseitig groß ist, desto reiner sein wird.

Ihre wohlaffektionirte Luise.«


An Frau von Berg.

Memel, September 1807.

»– – Wie es uns geht, ist nicht zu glauben. Gestern erhielten wir Nachrichten von Knobelsdorf aus Paris, wo er behandelt wird wie ein Lakai. Seine Vorstellungen an Napoleon zu bringen, ist ihm unmöglich, da er nur einmal und wie von ungefähr vorgelassen wurde. Der Prinz von Baden und Cambacerès waren im Zimmer, und Napoleon hat ihn aufgenommen wie ein Krümchen Brot. Die Umgebung Napoleons ist ebenso gestempelt; unter anderen hat Champagny zu Knobelsdorf gesagt, »man werde sehen, wie Preußen sich jetzt benehmen würde, hoffentlich hübsch nachgiebig gegen des Kaisers Willen, – denn alle Schuld liege an uns, an unserm bösen Willen,« obgleich der Friedenstraktat vorliegt! Nach unserm Verhalten würde Frankreichs Verfahren gegen uns für die Zukunft eingerichtet werden. So wird auch jetzt ein Theil von Schlesien noch fortgerissen, der uns doch ausdrücklich beim Friedensabschluß unter dem Namen Neuschlesien vorbehalten war, und als Knobelsdorf darüber Vorstellungen machte, hat Champagny gesagt, es wäre ein Schreibfehler und ein Irrthum! Sagen Sie selbst, ob das nicht zum Verzweifeln ist! Ach, mein Gott, warum hast Du uns verlassen! Wo bleibt denn Stein? Dies ist noch mein letzter Trost; großen Herzens, umfassenden Geistes, weiß er vielleicht Auswege, die uns noch verborgen liegen!« – –


An Frau von Berg.

(Der Tilsiter Frieden.)

Memel, 10. October 1807.

»Die letzten Anträge oder vielmehr Gesetze, die uns in einer förmlichen Konvention zugekommen, waren von der Art, daß Stein zum ersten Mal wie zu Stein wurde. Die Kontribution beträgt an 154 Millionen, davon soll ein Dritttheil sogleich baar bezahlt werden, die Hälfte der übrigen 100, also 50 Millionen, in Promessen, die andere Hälfte durch Domainenverkauf. Um gewiß zu sein, daß die Zahlungstermine eingehalten werden, verlangen die Franzosen als Unterpfand fünf Festungen: Graudenz, Colberg (die beide so tapfer gegen den Feind vertheidigt und behauptet worden), Stettin, Küstrin und Glogau. Diese sollen mit 40,000 Mann französischer Truppen besetzt werden, worunter 10,000 Mann Kavallerie, die der König einkleiden, bewaffnen und ernähren soll und dazu die Summe von zwölf Millionen Thalern anweisen. Die Domainen des Königs im Magdeburgischen und Märkischen zwischen der Elbe und der Oder und in Pommern sollen an Napoleon überlassen werden, die er verwaltet und auch verschenkt, wenn er will, um die übrigen 50 Millionen herauszubringen. Begreiflich ist, daß 40,000 Mann nicht Platz in den Festungen haben; es werden ihnen also Landesgebiete angewiesen werden müssen, oder vielmehr sie nehmen sie sich – was bleibt dem König übrig? Und was bleibt er mitten in seinen Staaten? Dies, da es doch nicht annehmbar ist, zu verhindern, wird versucht durch die Sendung des Prinzen Wilhelm Ein Bruder des Königs. nach Paris. Er hat Aufträge, die von Stein redigirt sind. Gottlob, daß Stein hier ist! Das ist ein Beweis, daß Gott uns noch nicht ganz verlassen hat.

So ist unsere fürchterliche Lage, an welcher Alles darniederliegt. Auch mich verläßt nun bald alle Kraft. Es ist furchtbar, entsetzlich hart, besonders da es unverdient ist! Meine Zukunft ist die allertrübste! Wenn wir nur Berlin behalten; aber manchmal preßt mein ahnungsvolles Herz der Gedanke, daß er es uns auch noch entreißt und zu der Hauptstadt eines andern Königreichs macht. Dann habe ich nur einen Wunsch, – auszuwandern, weit weg, als Privatleute zu leben und zu vergessen – womöglich! Ach Gott, wohin ist es mit Preußen gekommen! Verlassen aus Schwachheit, verfolgt aus Uebermuth, geschwächt durch Unglück – so müssen wir untergehen.

Savary hat versichert, daß Rußlands Verwendung auch nichts helfen würde, hat uns aber den guten Rath geben lassen, unsere Juwelen und Kostbarkeiten zu veräußern. – Uns dies sagen zu dürfen!« – –


An Scheffner Kants bekannter Königsberger Schüler, des höchsten Vertrauens der Königin Luise gewürdigt..

Königsberg, 20. Juni 1808.

»– – Recht schade ist, daß die schöne Griechenwelt voll Unschuld und die kräftige Römerwelt nicht hat dauern können; die Zeit des Abfalls und ihre Niedrigkeit hat mich wahrlich ergriffen, weil leider die jetzige ihr sehr gleicht. Wollten nur die Menschen die Augen nach innen wenden, vielleicht fänden sie noch Kraft, das Sklavenjoch abzuschütteln; aber sie thun es nicht, so stehen keine alten Ritter auf, für das Recht, den Glauben und die Liebe zu kämpfen.

Mit wahrer Andacht kniete ich in Gedanken an dem Altar der Burgkapelle und betete für bessere Zeiten zu dem Allmächtigen. Erlebe ich sie auch nicht mehr, geht es nur meinen Kindern und durch sie meinem Volke einmal wohl! Ich weiß, die Zeiten machen sich nicht selbst, sondern die Menschen machen die Zeit; deswegen sollen meine Kinder gute Menschen werden, um wohlthätig auf ihr Zeitalter zu wirken.« – –


An Frau von Berg.

1808.

»– – Was sagen Sie zu den Nachrichten aus Spanien?

Sind sie nicht ein neuer Fingerzeig der eisernen Hand, die schwer auf der gebeugten Stirn Europa's ruht? ein warnender Fingerzeig nicht auch für uns? – Mitten im Frieden seinen ersten Bundesgenossen zu entthronen! Die Saat der Zwietracht zu säen zwischen Vater und Sohn! Den Infanten vom Vaterherzen zu reißen, ihn aus dem Vaterhause, aus dem Vaterlande zu verjagen! – Was haben wir, wir in unsrer Lage zu erwarten? – Ach, mein Gott, wann kommt die Zeit, wo die Hand des Verhängnisses endlich das Mene – Mene, Tekel an diese Mauer schreibt! Ich beklage mich dennoch nicht, daß meine Lebenstage in diese Unglücksepoche fielen. Vielleicht gab mein Dasein Kindern das Leben, die einst zum Wohl der Menschheit beitragen werden.« – –

»Freudig sieht sie aus ihrem Schooß
Einen blühenden Baum sich erheben,
Der sich ewig sprossend erneut.
Denn sie hat ein Geschlecht geboren,
Welches wandeln wird mit der Sonne
Und den Namen geben der rollenden Zeit.«

(Schiller.)


An Scheffner.

1809.

»Ich danke Ihnen recht aufrichtig, lieber Herr Scheffner, für die Güte, mit welcher Sie besorgt sind, mir Freude zu machen. Das Andenken edler Menschen ist mir immer von großem Werth gewesen; doch jetzt, da ich im Unglück bin, wenn da gute, edle Menschen mir sagen und beweisen, daß sie mich lieben, macht es einen so wohlthätigen, tröstenden Eindruck auf mich, daß ich Sie inständigst bitte, der Frau von der Recke Elise von der Recke hatte in einem Briefe an Scheffner ihre innigste Theilnahme an dem Loose der Königin geäußert. zu sagen, wie sehr ich ihr danke für die Art, mit welcher sie meiner gedacht. Immer habe ich ihren Geist und ihr Gemüth, welche in einem so herrlichen Einklang leben, geliebt und geschätzt; auch dieses wünschte ich daß sie wüßte. Was sie über die Zeit sagt, mag ich eigentlich lieber gar nicht berühren, da meine Ueberzeugung die traurigste ist.

Die Erscheinung der Geißel der Welt hat gewiß große Zwecke, allein ich sehe weder Vernunft noch Rechtlichkeit, weder Sittlichkeit noch Religiosität durch das über uns gekommene Unglück erweckt. Nur große Scenen sind im Stande, große Wirkungen hervorzubringen, und daher werden noch große Opfer fallen müssen, damit das Gute für die Welt bewirkt werde. Die Gemüther sind zu verhärtet durch Egoismus und falsche Bildung, als daß man hoffen dürfte, daß sie leicht zu erschüttern und zu bessern wären. Nur große Revolutionen können und werden dieses bewirken.

Sie sehen, lieber Herr Scheffner, daß in den zwei Jahren, die ich Sie kenne, ich die Welt von ihrer ernsten Seite habe beobachten lernen. Irre ich mich und wird es besser mit der Welt, so wird es wohl kein Mensch mit heitererm Sinn und dankbarerm Herzen aufnehmen als ich. Trifft aber mein Ahnden ein, dann hoffe ich auch die Stärke zu besitzen, die allein dem Menschen wird durch Glauben und Hingebung.

Ihre Freundin
Luise.«


An Frau von Berg.

(Trauriges Geburtstagsfest.)

März 1809.

»– – Ich habe heute wieder einen Tag erlebt, einen Tag, wo die Welt mit allen ihren Sünden auf mir liegt. Ich bin krank, und ich glaube, so lange die Sachen so gehen, werde ich auch nicht wieder genesen! Der Krieg mit Oestreich wird losbrechen, das weiß alle Welt, aber was Sie nicht wissen und was mich bis in den Tod betrübt, das ist, daß Rußland durch seine neue Verbindung mit Napoleon am Ende gar genöthigt wird, gemeinsam mit Frankreich gegen Oestreich loszuschlagen. Ermessen Sie die Folgen, die das für uns haben kann, daß wir, wenn es wirklich so weit kommt, mit zu dieser Partei übergehen müssen. Preußen gegen Oestreich! Was soll aus Deutschland werden? Nein, ich kann es nicht aussprechen, was ich fühle, die Brust möchte es mir zersprengen! Und wir hier in dieser Verbannung, in diesem Klima, wo alle Stürme wüthen, entfernt von allem Heimischen! O Gott, ist es der Prüfungen noch nicht genug?

Mein Geburtstag war ein Schreckenstag für mich! Abends ein großes, glanzvolles Fest, das die Stadt mir zu Ehren gab, vorher ein reiches frohes Mahl im Schlosse – nein, wie mich das traurig gemacht hat! Das Herz war mir zerfleischt. Ich habe getanzt! – Ich habe gelächelt! – Ich habe den Festgebern Angenehmes gesagt, ich bin freundlich gewesen gegen alle Welt, – und ich wußte vor Unglück nicht wohin?! Wem wird Preußen übers Jahr gehören, wohin werden wir Alle zerstreut sein! Gott, allmächtiger Vater, erbarme Dich!« – –


Tagebuchblatt. 1809.

(Nach Schills Tode und den Niederlagen der Oestreicher.)

»– – Ach Gott, es ist viel über mich ergangen. Du hilfst allein – ich glaube an keine Zukunft auf Erden mehr. Gott weiß, wo ich begraben werde, schwerlich auf Preußischer Erde. Oestreich singt sein Schwanenlied, und dann Ade – Germania!« – –



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