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5

Es war am selben Nachmittag, als Wannes Andries mit seiner Schwester vor dem Hofhaus stand und mit ihr über den Preis der Kempenhühner diskutierte, von denen er ihr drei Paar aufbürden wollte. Als sie gerade darüber einig waren, fragte er sie: »Dann wird Kees sie also diesen Abend holen kommen?«

»Kees ist fort«, antwortete Annemie ganz kurz.

»Kees ist fort?« wiederholte der Schlaukopf langsam, während er mit offenem Mund stehenblieb. Es war so komisch, wie verwundert er sich stellte, und die junge Witwe mußte unwillkürlich darüber lächeln, obschon sie ganz verstimmt war und seit dem Morgen nicht mehr recht wußte, wo ihr der Kopf stand.

Auf dem Hof hatte noch niemand erfahren, daß der Meisterknecht fortgegangen war, und auch Janneke wußte noch nichts davon.

»Wundert dich das denn so sehr?« hub Annemie wieder an.

»Potztausend! Da warst du doch gar voreilig. Der Junge hatte immerhin gute Eigenschaften; so verfährt man nicht mit alten Dienstboten, und dann zieht man doch auch seine Freunde zu Rat ...«

»Aber du hattest mir ja selbst geraten, mich seiner zu entledigen; du sagtest, mein guter Name sei in Gefahr. Nun, da habe ich die erste Gelegenheit genutzt. Wir waren nicht einig in bezug auf die Arbeit, und da er mir den Kopf wies, habe ich ihm zu verstehen gegeben, daß die Tür offenstehe. Er ließ sich das nicht zweimal sagen, und jetzt ist er fort.«

»Dann hast du jetzt also einstweilen keinen anderen Knecht?«

»Oh, nicht für lange. Ich habe einen in Aussicht.«

Als der Potztausend das hörte, traute er fast seinen Ohren nicht mehr. Man jagte nicht bloß die Knechte fort, ohne ihm es vorher mitzuteilen, sondern man dingte auch noch neue, ohne ihn zu fragen: das war doch eine offene Empörung gegen seine Vormundschaft.

»Und diese Person, die du in Aussicht hast, kann man ihren Namen erfahren?«

»Gewiß, du kennst ihn ja, Jürgen Faas von Beirendrecht.«

Sie nannte den Namen, ohne zu zögern, und sie betonte ihn sogar ganz nachdrücklich.

»Jürgen Faas! Es ist nicht möglich!« rief Wannes aus, der ganz bleich geworden war und die Hände über dem Kopf zusammenschlug. »Dann wäre es doch geradesogut gewesen, du hättest den anderen behalten; das war doch ein armer Junge, der dich nur bei den alten Weibern kompromittierte, während dieser durchtriebene Geck ...«

»Mich vollständig verführen wird. Danke schön! Hör mal, lieber Bruder, willst du mir noch mehr solche Liebenswürdigkeiten sagen? Es ist aber genug damit; das muß einmal aufhören. Ich bin es müde, wie ein kleines Kind behandelt zu werden. Auf deine Bitten habe ich diesen armen Jungen, den du gestern noch nicht leiden konntest und den du heute schon wieder hier haben möchtest, fortgeschickt, und anstatt damit zufrieden zu sein, siehst du mich an, als ob ich den papiernen Kopf der kleinen Männchen des Ommegang Ommegang: Fastnachtszug in Antwerpen. von Borgerhout trüge. Und dazu schwatzt du mir noch allerlei dummes Zeug. Also nochmals besten Dank. Von jetzt an werde ich handeln, wie es mir gefällt.«

»Annemie! Unglückliche!« stammelte der Vormund ganz verblüfft; »du wirst dir das noch anders überlegen, bevor dieser Verschwender den Fuß hier über die Schwelle setzt. Was willst du denn mit diesem liederlichen Kerl von Beirendrecht anfangen? Wie konntest du doch einen solchen Taugenichts wählen, wo so viele fleißige Arbeiter kein Brot verdienen? Willst du dich denn ruinieren? ... Nein, er wird nicht hier hereinkommen, ich garantier dir's.«

»Und ich sage dir, daß er kommen wird, und sogar schon morgen. Ich geh ihn sogar holen, wenn es sein muß. Hat er mir nicht seine Dienste angeboten an jenem Abend, als wir in Pütte zusammen waren?«

»Einfältiges Kind! Wie kannst du solche Witze als Ernst ansehen?«

»Doch, ich habe recht. Und übrigens, er muß durchaus hierherkommen. Daran ist nichts zu ändern. Hörst du?«

Diese Worte sprach sie mit einer solchen Energie aus, daß ihr Bruder vor Staunen zwei Schritte zurückwich und kein Wort mehr sagte.

Vierzehn Tage später trat zur größten Verwunderung der ganzen Gegend der lustige Jürgen Faas als Meisterknecht auf dem Weißhof ein.

Kees aber war schon am Tag nach seinem Weggang beim Bürgermeister Flüp Sap in den Dienst getreten.

Und Wannes Andries, der nunmehr einsah, daß weder seine Klagen noch seine Drohungen Eindruck auf seine verrückte Schwester machen konnten, gab sich den Anschein, als nähme er die neue Lage an, aber er erwog im geheimen allerlei kühne Pläne, wie er ein für allemal diese verlockenden Knechte weghalten könnte, da sonst doch noch einer von ihnen den Kindern des Potztausend die Taler des alten Nelis Cramp wegfischen würde.


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