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5

Als die Schnitter getrunken hatten, war Paulke in das große Zimmer zurückgekehrt und hatte auf den sorgfältig gescheuerten Tisch eine braune irdene Schüssel gestellt, in die sie einen Topf voll gedämpfter Kartoffeln mit Gemüse und Speck schüttete.

»Jetzt könnt ihr kommen!« rief sie den Arbeitern mit ihrer grellen Stimme hinaus.

Die Männer kamen herein, und obschon es auf dem Felde nicht schmutzig war, ließen sie doch ihre Holzschuhe in der Küche aus besonderer Aufmerksamkeit für Paulke, die Figuren von weißem Sand auf dem frischgewaschenen Boden von roten Ziegelsteinen gezeichnet hatte.

Schwerfällig ließen sich die Arbeiter auf die Stühle um den Tisch nieder, und ihre sanften Augen, die wegen der Müdigkeit schmachtender schienen, schauten nach dem hohen Kartoffelhaufen hin; ihre Nasenlöcher erweiterten sich unter dem angenehmen dicken Dunst, der an die Decke hinaufstieg, und ihre Ohren horchten noch einige Sekunden dem Prickeln des Speckes, der in der Schüssel noch weiter zu braten schien.

Die Meisterin setzte sich Kees gegenüber. Sie machte das Kreuzzeichen und faltete die Hände. Die Schnitter taten dasselbe und senkten die Köpfe. Jetzt hörte man wieder das regelmäßige Ticken der Wanduhr in dem schweren, hölzernen Gestell. Bald aber bewaffneten sich die Männer und die beiden Frauen mit ihren Gabeln und stachen direkt auf die Schüssel. Ein jeder suchte vor sich ein Loch in das Ragout zu bohren. Sie aßen, ohne etwas zu sagen, kauten geräuschvoll, schluckten mit der Gier eines hungrigen Tieres jedesmal einen Mundvoll hinunter oder höhlten dicke Runken von schmackhaftem, leicht gesäuertem Roggenbrot aus.

Durch die beiden Fenster, die der Hitze wegen geöffnet waren, bemerkte man im Vordergrund den Ziehbrunnen und dahinter eine mit großen Birnbäumen bepflanzte Wiese, auf der die Kühe weideten. Weiter zurück dehnte sich die Landstraße aus, die von Arbeiterwohnungen besetzt war. Neben dieser Reihe von Häusern erhob sich die Mühle von Zander Vlogel, die hoch oben auf einem grasbewachsenen Hügel die Umgebung beherrschte. Hinter der Straße und der Mühle sah man nur noch die weite Ebene, einige Höfe, den Kirchturm von Eeckeren und den unendlichen Horizont.

Die Landschaft verschwand jedoch allmählich unter dem Schatten der Nacht. Das Dunkel war bereits in das Zimmer hereingebrochen, wo es zuerst die Ecken verhüllte. Die Umrisse und die Winkel wurden undeutlicher und stumpfer. Auf der Platte des Kamins waren ein Kruzifix von poliertem Kupfer sowie einige Teller mit geschichtlichen Bildern die letzten, die dem hereinbrechenden Dunkel widerstanden. Unter dem weiten Mantel des Herdes war der anmutige Boden von weißen Steingutplatten mit blauen Bildern, die Delft darstellten, schon lange unsichtbar geworden.

Die Gabeln hörten bald auf hin- und herzugehen. Die Männer waren gesättigt und fuhren langsam mit der Hand über den Bauch, indem sie einen Seufzer befriedigter Sinnlichkeit ausstießen. Über dem Essen hatten sie nicht mehr an die Hitze gedacht; jetzt aber fingen sie wieder an zu keuchen oder drückten ihre Mattigkeit aus, indem sie den Kopf von rechts nach links neigten, nach Art der Kühe, die von den Mücken geplagt werden, oder indem sie mit dem Ärmel über die schwitzende Stirn fuhren.

Eine beunruhigende Stille war draußen eingetreten. Der Himmel nahm einen Sepiaton an, und über der Mühle häuften sich dunkle, dicke Wolken. Vor dem Hofgut auf der Landstraße wurden die Fenster des Wirtshauses Zur Krähe beleuchtet. Dieses rote Licht fiel einem der Arbeiter auf, und er glaubte seine Kameraden daran erinnern zu müssen, daß sie noch ein paar Stunden zu gehen hatten, um nach Oorderen an der Schelde zu kommen.

»Hopp, ihr Kerle!« sagte er, »ich gebe eine Pinte Löwener Bier zum besten.«

Er stand auf, und die anderen folgten seinem Beispiel.

»Bleibt nicht stehen unterwegs«, sagte Kees, »denn es wird bald Wasser und Feuer fallen.«

»Da kannst du ruhig sein, Krauskopf«, antwortete der eine von ihnen, während er seinen Kittel und seine Holzschuhe wieder anzog. Sie stopften ihre Pfeifen, indem sie Tabak aus der Schweinsblase nahmen, und Paulke reichte ihnen Feuer.

»Gute Nacht, Bäuerin! Gute Nacht, ihr anderen!«

»Gute Nacht, Jungs; auf ein andermal!«

Die Arbeiter gingen hinaus, und gleich darauf sah man sie am Fenster vorbeigehen und dem Hofpfad neben der Wiese folgen. Das rote Feuer ihrer Pfeifen, ihre dumpfen Stimmen und ihre schweren Tritte verloren sich bald in der Nacht.


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