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5. Experimental-Erlebnisse.

Vier Beschwörungen.

I.

Nachdem ich mich, zusammen mit meinem Freunde W., zuerst mit Hypnotismus beschäftigt hatte, wandten wir uns der Dämonologie zu. Konnte man doch nach W.'s Meinung bei praktischer Ausnutzung meiner Moses- und Faust-Bücher ganz ansehnliche zeitliche Güter erwerben. Wenn wir auch an eine Bekanntschaft mit Geistern mit stillem Gruseln dachten, so war doch meine Neugierde und sein ernstes Verlangen so stark, daß wir uns bald an eine Beschwörung heranmachten. W. hatte Mühe, meine Zweifel zu zerstreuen, denn namentlich das 6. und 7. Buch Mosis, das teilweise ja handgreiflichen Unsinn enthält, hatte mir das Vertrauen zu diesen Dingen genommen. Mein Gefährte aber war felsenfest davon überzeugt und hatte sich so in die Idee des sicheren Gelingens hineingelebt, daß ihn nichts mehr abbringen konnte, unser Vorhaben auszuführen.

Im Januar 1919 wurde es in Angriff genommen. Eine Kartenschlägerin der Stadt W...n, vor der wir einen geeigneten Platz fanden, mußte uns den ungefähren Ausgang des Unternehmens enthüllen. Sie wurde von W. in unser Geheimnis eingeweiht, und er versprach ihr im Falle des Gelingens ein ansehnliches Geschenk. Sie glaubte aber nicht an solche Sachen, wie sie sagte, machte aber doch insgeheim das Kreuzeszeichen und riet von unserem Beginnen ab. Ihr Anerbieten, bei ihr Wohnung zu nehmen, wurde von uns angenommen. Da wir erst spät aufzubrechen brauchten, begab sich die Frau mit ihren Söhnen inzwischen zur Ruhe, uns noch alles Gute wünschend mit dem wohlgemeinten Rat, lieber auch das Bett aufzusuchen. Nach 11 Uhr verließen wir das Haus. Der Vollmond stand am klaren Nachthimmel, der Schnee knirschte und eisiger Nordwind schnitt uns ins Gesicht. An dem früher ausgesuchten Kreuzwege versahen wir die drei mitgebrachten Faßreifen mit den vorgeschriebenen Zeichen. Die Kälte und die Befürchtung, es könne alles umsonst sein, hätten mich beinahe zur Umkehr veranlaßt. Endlich wurde es Zeit zu handeln. W. stellte sich in den vordersten Reifen, zur Beschwörung bereit, während ich meinen Platz als Zuschauer etwas abseits an einem Wegkreuzstein einnahm. Mit dem zwölften Glockenschlag begann W. die Anrufung, welche verhallte, ohne daß etwas wahrzunehmen war. Beim zweiten Ruf aber vernahm man ein Schlürfen und Krachen in den Bäumen an der Straße, als ob diese bersten wollten, vom Walde her ertönte mehrere Male ein langgezogenes Geschrei, ähnlich dem einer Eule, sonst war nichts zu hören und zu sehen. W. rief nun mit lauter, weithinschallender Stimme zum dritten Male. Ehe er noch das letzte Wort zu Ende gesprochen, entstand ein Rasseln, das so stark wurde, daß ich glaubte, die ganze Umgebung würde aus der Ruhe gerissen. Dieser schreckliche Lärm hielt etwa eine halbe Minute an, durch die Luft zog ein Brausen, das Eulengeschrei kam aus nächster Nähe, wütend bellten die Hunde in der Umgebung, und die Bäume ächzten und krachten, trotzdem der Wind gestanden war. Es waren Sekunden des Grauens. Vom Monde her fielen drei Kugeln von ungefähr 25 cm Durchmesser, eine grüne, rote und feurige, die sich in der Luft unter lautem, pfeifendem Geräusch auflösten. Danach wurde es ringsum still.

Nachdem W. mehrere Male vergebens gerufen hatte, machte auch ich einen Versuch. Das einzig Hörbare hierauf war nur ein Krachen in den Bäumen, jede weitere Bemühung blieb fruchtlos. So mußten wir wohl oder übel wieder den Heimweg antreten, was mir sehr erwünscht war, denn ich fror sehr und war froh, als ich im Bett lag.

An Schlaf war nach diesem Erlebnisse freilich nicht zu denken, wir ließen deshalb alle Wahrnehmungen und Eindrücke der Beschwörung noch einmal in Gedanken vorüberziehen. Am Morgen berichteten wir unser Abenteuer der gastlichen Kartenschlägerin, die entsetzt und zweifelnd ihr Urteil dahin bildete, daß wir beide einer Täuschung zum Opfer gefallen seien. Wir wären, so meinte sie, am Abend vorher, während wir die Zeit erwarteten, wahrscheinlich am Tische eingeschlafen und hätten in Erwartung des Kommenden den ganzen Vorgang nur geträumt. Sie war der Ansicht, wir hätten den Vorgang im Unterbewußtsein erlebt, während wir schliefen, da wir den ungefähren Verlauf einer solchen Beschwörung im voraus wußten. Die Gleichheit unserer Wahrnehmungen wäre leicht durch Gedankenübertragung erklärlich, weil wir beide auf den gleichen Stoff konzentriert und in seelischem Kontakt standen. Wir lachten über ihre Vermutungen, hatten wir doch nicht nur unsere Überzeugung als Beweis allein, sondern auch unsere Reifen, von denen wir nun die magischen Zeichen entfernten.

II.

Nach einigen vorangegangenen erfolgreichen Zitationen unternahm ich im Juli 1923 wieder einen Versuch. In einem der Vorschrift entsprechenden Pentagramm begann ich die Beschwörung. Schon nach dem ersten Anruf ließ sich ein starkes Geräusch, dem nicht unähnlich, welches das Zerknittern steifen Papieres verursacht, vernehmen. Dazwischen hörte ich das Flüstern mehrerer Stimmen. Ein warmer Atem streifte mein Ohr und es wurde mir zugeraunt: »Mehr Kraft!«

Darauf war alles wieder ruhig. Meine angestrengtesten weiteren Versuche, eine Verbindung zu erlangen, blieben resultatlos. Ich begab mich dann aus dem Pentagramm heraus und nahm im Zimmer eine Räucherung mit magisch präpariertem Salbei (Salvia officinalis) vor, stellte das Räuchergefäß an der Spitze des Pentagramms auf und begann aufs neue meine Anrufung. Als Antwort erfolgte ein etwa eine Minute anhaltendes betäubendes Getöse, gleich dem eines starken Wasserfalles. Der Rauch stieg in einer dicken, weißen Säule auf. Anfänglich glaubte ich mich zu täuschen, denn es schien, als höben sich in der Rauchsäule die Umrisse einer menschlichen Gestalt ab. Doch es war keine Täuschung. Der Rauch wurde schwächer, fast wie ätherischer Dunst, und in einer, der lebenden Wirklichkeit nicht nachstehenden Plastik stand vor mir ein dunkler, ganz schwarz gekleideter Mann. Er trug glänzend schwarze Haare in scharfem Scheitel. Sein bartloses Gesicht von braunem Teint machte einen sehr sympathischen Eindruck. Die großen, dunklen Augen waren fest, jedoch nicht starr auf mich gerichtet. Dennoch überlief mich ein kalter Schauer. Wieder schien es mir, als täusche ich mich, und um mich von meiner Vermutung zu überzeugen, griff ich nach dem Phantom. Es war aber keine Einbildung. Meine Hand stieß an einen wirklichen Körper, der aber so weich war, daß ich meine Hand durch ihn hätte hindurchstoßen können. Fast im gleichen Augenblick fing das Phantom mit weicher, melodischer Stimme zu sprechen an. Ich mußte mich mit aller Gewalt zusammen nehmen, um nicht durch die eigenartigen Vibrationen dieser Stimme in Hypnose zu verfallen.

»Warum quälst Du mich? Kennst Du nicht den Abgrund schauriger Gefahren, die Du auf Dich heraufbeschwörst? Wohlan, sprich, was begehrst Du?«

Ich war einige Augenblicke erschrocken und verwirrt. Doch bald faßte ich mich und sagte:

»Wer bist Du? Ich beschwöre Dich bei ....., nenne mir Deinen Namen!«

»Ich bin der, den Du riefst ...!« (Einigen tiefer in diesen Stoff Eingedrungenen dürfte der Name bekannt sein.)

»Willst Du mir auf meine Fragen die reine Wahrheit sagen?«

»Wenn es in meiner Macht steht, gern!«

»Habt ihr denn nicht über alles Macht?«

»Nein, nur des Fürsten Macht ist fast unbegrenzt. Gegen seinen Willen sind wir ein absolutes Nichts. Völlig wesenlos sind wir ohne den zeugenden Willen des Meisters.«

»Hat der Meister auch Macht über die Seelen Verstorbener?«

»Teilweise ja, wie auch über Lebende. Das hängt jedoch von den seelischen Eigenschaften, von den magnetischen Wellen verwandter Energien ab.«

Ich hatte noch andere Fragen beabsichtigt, aber diese erstarben mir auf der Zunge. Die Gestalt war allmählich zerflossen. Die Auflösung derselben war aber nicht vom Rauch abhängig, denn schon eine geraume Weile zuvor hatte die Glut allen Räucherstoff verzehrt. Nur noch ein schwacher Rauch durchflutete das ganze Zimmer.

Ich sah immer noch wie gebannt nach der Stelle, wo das Phantom gestanden hatte. Trotzdem ich nicht das geringste mehr sah, glaubte ich bestimmt, zwei dunkle Augen auf mich gerichtet zu fühlen. Je aufmerksamer ich mich davon überzeugen wollte, desto unklarer wurde aber der Eindruck. Ob des Gesehenen und Gehörten hatte sich meiner eine unbeschreibliche Aufregung bemächtigt. Da wurde in mir ein Wunsch rege, den ich dem Geiste bald mitteilen wollte. Dieser sollte eine mir bekannte Person zu mir bringen. Wie erstaunte ich aber, als auf meine bloßen Gedanken hin sogleich die Antwort erfolgte: »Das kann ich, warte nur zehn Minuten!« Ich sprach nun die Entlassungsformel und beseitigte alle Spuren meiner Tätigkeit. Ich mußte sofort die Fenster öffnen, denn ein scharfer, schwefelartiger Dunst lagerte im Zimmer.

Fünf Minuten später ging ich in den Garten, um frische Luft zu schöpfen und mich zu beruhigen. Dabei hatte ich nicht auf die Zeit geachtet, bis mich mein Freund R. begrüßte. Er war noch ganz außer Atem vom schnellen Laufen. Ohne meine Veranlassung erzählte er mir sofort die Ursache seines Kommens:

»Ich befand mich heute Mittag nicht ganz wohl, weshalb ich mich zu Bett legte. Da, vor kaum zehn Minuten, wurde ich gepackt und ziemlich derb geschüttelt. Sei versichert, daß ich nicht träumte, denn ich war, obwohl ich die Augen geschlossen hatte, völlig wach.

Nun sah ich mir gegenüber am Kopfende des Bettes eine Gestalt. (Er beschrieb mir genau zutreffend den oben geschilderten Geist.) Etwas unheimlich Zwingendes ging von dieser Erscheinung aus. Voll Entsetzen sprang ich aus dem Bett und kleidete mich eiligst an. Das mußte ich dir erzählen, denn ich weiß, daß Du mich kennst und nicht als Phantasten verlachst. Ich hatte bisher das bestimmte Gefühl, als sei dieses Etwas hinter mir her, erst jetzt, da ich bei dir bin, fühle ich mich wie von einem Alp befreit.«

Ich antwortete R., daß ich mich freue, sein Vertrauen zu genießen zu dürfen. Das war denn doch mehr als bloße Telepathie!

III.

Nachdem ich alles vorbereitet hatte, betrat ich das Pentagramm und begann mit der Beschwörung. Kaum hatte ich den letzten Satz zu Ende gesprochen, als mit pfeifendem Geräusch der ganze Inhalt meines Räuchergefäßes nach allen Seiten zerstob.

»Was willst du von mir?« ließ sich eine leise, aber barsche Stimme vernehmen. Es war jedoch in dem rauchgefüllten Zimmer nichts zu sehen.

»Sage mir, wer du bist, und zeige dich!« antwortete ich.

»Ich bin der, den du gerufen hast, aber zeigen kann ich mich nicht!«

»Ich wünsche, daß du mir sichtbar erscheinst. Was soll ich tun, um dir das zu ermöglichen?«

»Ich will und werde mich dir nicht zeigen, gegen meinen Willen kann mich niemand zwingen!«

»Ich zwinge dich aber; bei der Kraft Adonays, zeige dich mir!«

Sogleich begann sich gelber, nebliger Dunst zu bilden, welcher sich über das ganze Zimmer ausbreitete. Ein betäubendes Zischen setzte ein, und gleich darauf war auf dem Fußboden ein starkes Trampeln zu vernehmen. Klirrend zersprang das Glas eines Bildes, das heftig hin und her bewegt wurde, bis es mit starkem Schwung zur Erde fiel, sodaß nicht nur das Glas in Scherben ging, sondern auch der Rahmen sich löste. Ein Gepolter, wie von Schritten herrührend, ging nun um das Pentagramm herum. In dem gelben Nebel leuchtete es mehrmals in verschiedenen Farben auf. Dann bildeten sich faustgroße, dunkle Phantome, die, wie Seifenblasen, bald wieder zerplatzten. An der Wand mir gegenüber erscholl ein Knurren, wie das eines gereizten Hundes, dann ein lautes Kratzen. Ein zweites Bild wurde bewegt und auf den Boden geworfen, wo es in Trümmer ging.

»Ich beschwöre dich, erscheine in Ruhe vor mir!«

»Ich werde nicht erscheinen; laß mich in Ruhe, sonst werde ich mich schrecklich rächen!«

Ein ohrenbetäubendes Geräusch, wie wenn eine Unmenge Hagelkörner auf den Zimmerboden prasselten, setzte ein und währte etwa eine Minute. Darauf blieb alles ruhig. Der gelbe Nebel hatte sich aufgelöst. Ich sprach eine Bannformel. Daraus wisperte es leise: Ja, ich werde erscheinen, aber nicht jetzt. Rufe mich heute Nacht um 12 Uhr!

Nun entließ ich den Dämon, lüftete das Zimmer und beseitigte alle Spuren. Hierauf prüfte ich alle Gegenstände im Zimmer auf Beschädigung. Doch außer den zertrümmerten Bildern fand ich alles unversehrt. Nur der Regulator an der Wand hing schief und zeigte noch die Zeit zu Beginn der Beschwörung. Ich brachte ihn wieder in gerade Stellung und wollte ihn nach meiner Taschenuhr auf die Zeit einstellen. Doch zu meinem Erstaunen war auch diese fast zu gleicher Zeit, nur mit zwei Minuten Differenz, stehen geblieben. Ich überzeugte mich, daß beide Uhren aufgezogen waren, also kein Grund in dieser Hinsicht vorlag.

Nun bot sich mir eine weitere Überraschung. Vor dem Experiment hatte ich auf meinem Schreibtisch einen wichtigen Brief liegen, der abends unbedingt zur Post sollte. Dieser war verschwunden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie leicht man in Gedanken etwas verlegt; aber hier wußte ich genau, daß der Brief vor dem Experiment an einer bestimmten Stelle lag. Ich suchte ihn jedoch trotzdem an jedem erdenklichen Ort. Aber alles Suchen blieb vergeblich. So mußte ich wohl oder übel den Brief nochmals schreiben. Abends, als ich eben von der Post zurückkam, wählte ich als Lektüre Grötzinger, »Talismanische Dämonologie. Als ich das Buch aufschlug, fand ich den vermißten Brief an einer Stelle des Buches, in der der Verfasser von einem Experiment berichtet, wobei der Exorzist beim Auswendiglernen einer Formel von Dämonen überrascht wurde. Die Bedeutung dieses Geschehnisses konnte ich nicht entziffern. Dazu muß ich noch bemerken, daß ich dieses Buch schon längere Zeit nicht mehr benutzt hatte. Wenn ich den Brief an einer anderen Stelle gefunden hätte, würde ich sicher ein unbewußtes Verlegen angenommen haben. So aber ist ohne Zweifel ein transzendentaler Vorgang die Ursache gewesen.

IV.

Es war nicht leicht, nachts um 12 Uhr ein Experiment zu unternehmen, da meine Mutter und die Nachbarn nebenan auf den Vorgang aufmerksam werden konnten. Dennoch beschloß ich, auch auf diese Gefahr hin die Beschwörung vorzunehmen. Kurz vor 12 Uhr traf ich die nötigen Vorbereitungen und legte Räucherstoff auf die glühenden Kohlen. Kaum hatte sich eine Rauchsäule entwickelt, so waren ganz deutlich die Umrisse einer menschlichen Gestalt zu sehen. Rasch sprang ich ins Pentagramm und harrte der kommenden Dinge. Ohne jede Beschwörungsformel hatte sich eine greifbar plastische Gestalt gebildet.

Eine Stimme sprach: »Du bist erstaunt, daß ich erscheine, ohne daß eine Formel über deine Lippen kam.«

»Wer bist du?« fragte ich.

»Dr. N., du wolltest meine Gegenwart schon öfter erzwingen: hier bin ich nun!«

»Möchtest du mir auf einige Fragen Antwort geben?«

»Ja, so gut ich kann!«

Inzwischen war das Phantom ganz deutlich geworden, sodaß ich jeden Zug des Gesichtes wahrnehmen konnte. Die Gestalt hatte ein faltenreiches Gesicht und trug keinen Bart. Das Kopfhaar grau. Ich dachte, das ist nicht Dr. N, er sieht doch anders aus, und ich wollte dies dem Geiste sagen.

In diesem Augenblick ging durch Gestalt und Züge ein Vibrieren und vor mir stand im schwarzen Frack Dr. N., wie ich ihn von früheren Experimenten her kannte. Seine großen, dunklen Augen ruhten in faszinierendem Glanze, jedoch wohlwollend, auf mir. Ein feines Lächeln huschte über sein glattes, bräunliches Gesicht, und mit seiner wohlgepflegten Hand strich er sich einigemale über den glänzend schwarzen Scheitel. Offenbar amüsierte er sich über mein Erstaunen wegen dieser Wandlung seiner Erscheinung.

»Ich erscheine so, wie ich mich vorstelle!« sagte er. »Doch ich kann nicht lange verweilen, halte mich also nicht lange auf!«

»Ist denn euer Erscheinen mit dem der Geister in spiritistischen Sitzungen identisch?« fragte ich.

»Das, was du als Dämonologie, Spiritismus und Spiritus familaris kennst, ist alles ein und dasselbe. Nur das Kräfteprinzip und die Erscheinungen wechseln, je nach dem Prinzip des lebenden Magnets, das sie anzieht. Das verstehst du doch?«

»Ja, aber wie kommt es, daß, wenn ich einen bestimmten Geist wünsche, dieser dann nicht kommt oder sich in Verschiedenem weigert?«

»Machst du es deinen Mitmenschen gegenüber nicht auch so?«

»Ich glaubte, ihr würdet nach dem Willen eures Meisters handeln?«

»Das müssen wir, doch können wir in großem Umfange alles tun und lassen, was wir wollen, sofern es nicht gegen den Willen des Meisters ist!«

»Dann erscheint ihr auch als Fopp- und Spukgeister in spiritistischen Sitzungen, sowie als Spiritus familaris und als Inspirator?«

»Jawohl, sehr oft, so oft es uns beliebt oder wo wir angezogen werden!«

»Warum hat man mich aufgefordert, meinen Körper zu verlassen und in euer Reich zu folgen?«

»Damit du dich einmal an allem, das du von unseren Sphären wissen willst, satt sehen kannst!«

»Ich fürchtete aber stets eine Gefahr. Ich dachte, nie mehr in den Körper zurück zu können. Der Dämon, der dies verlangte, geriet stets in Wut. wenn ich mich weigerte, mit ihm zu gehen. Ich war stets überzeugt, daß ich nicht mehr in meinen Körper zurückkehren würde.«

»Nein, in deinen Körper wärest du nicht mehr zurückgekehrt, aber durch deinen eigenen freien Willen nicht mehr. Du wärest uns tausendmal dankbar, wenn du uns folgen würdest; in deinem Fleische kannst du alles nicht erfassen. Das würde die Erfüllung des größten Zieles deiner Wünsche bedeuten; aber wenn du dich dagegen sträubst, können wir nichts tun!«

»Ja, ihr würdet mich ins finstere Chaos, in die Hölle stürzen!«

»Du Tor, du glaubst doch im Innersten weder an eine Hölle, noch an einen Himmel, sondern nur an ein böses und ein gutes Prinzip, an Liebe und Haß. Auch im Reiche des Körperlosen herrscht der Geist, und dieser hat den freien Willen, nach dem zu streben, was er will, ob er sich im Guten entfalten oder im Bösen äußern will, und er wird sich, wenn er vom Körperlichen angezogen wird, wieder verkörpern. Du hast doch allen Religionen nachgespürt und überall den goldenen Faden der Wahrheit gefunden. Richte dich danach!«

»Dann bist du also kein Teufel, sondern ein guter Dämon. Aber du warst doch in deinem Leben ein schwarzer Magier?«

»Darüber suche selbst die Wahrheit zu ergründen. Ich werde gerufen.«

Schnell fragte ich noch: »Wirst du wieder kommen, wenn ich dich rufe?«

»Wenn ich kann und es für gut halte, ja!«

Die Gestalt löste sich langsam auf und verschwand, einen seltsamen, scharfen, jedoch nicht unangenehmen Geruch zurücklassend.

Am anderen Morgen fragte mich meine Mutter, mit wem ich mich zu so später Zeit noch unterhalten hätte. Sie habe nicht gehorcht, aber sie habe neben meiner Stimme auch die eines Fremden gehört. Doch sie drang nicht weiter in mich, was mir sehr peinlich gewesen wäre, denn die Wahrheit hätte ich unmöglich sagen können.

Versuche mit Cannabis Indica.

Auf Anregung von Ph. Müh's interessanter Schrift: »Psychische Gewalten« machte ich weitere drei Versuche mit Tinktura cannabis indica. Ich wählte zunächst einige freie Tage, um vor eventuellen ungünstigen Nachwirkungen, von welchen Müh berichtet, gesichert zu sein. In der Abenddämmerung nahm ich 5 Tropfen dieser Tinktur in einem Glas Zuckerwasser zu mir. Darauf legte ich mich, nachdem ich mein Zimmer abgeschlossen hatte, zu Bett. Der Trank wirkte jedoch zunächst nicht. Ich hoffte aber später darauf und schlief bald ein. Den konzentrierten Wunsch, Dämonen anzuziehen und zu sehen, hatte ich so lebhaft wie nur möglich, in den Schlaf hinübergenommen. Als ich eine Stunde geschlafen hatte, erwachte ich jäh durch einen heftigen Schlag auf den Kopf. Das Zimmer lag im Halbdunkel und es war jeder Gegenstand darin noch gut zu sehen. Ich wollte aufstehen, doch mein Körper war schwer und unbeweglich, und doch fühlte ich mich im Geiste frei und ungebunden. Ich machte mir merkwürdigerweise keine Gedanken darüber, daß ich einen Schlag empfing und daß ich mich nicht bewegen konnte, obwohl ich deutliche Empfindungen davon hatte. Mühsam stieg die Erinnerung auf, daß ich ein Experiment machen wollte. Plötzlich beschlich mich namenloses Grauen und ich beschloß, meine ganze Willenskraft anzuwenden, um nicht in Schlaf oder Bewußtlosigkeit zu verfallen. Da strich ein eiskalter Hauch, der mir das Blut in den Adern erstarren ließ, über mein Gesicht. Ich versuchte mich aufzurichten, doch ohne Erfolg, die bleierne Schwere wollte nicht von mir weichen.

Als ich apathisch meine Anstrengungen aufgegeben hatte, kehrte zu meinem nicht geringen Erstaunen die völlige Bewegungsfreiheit zurück. Vom Schrank her drang ein leises Kichern, und geräuschvoll öffnete sich eine der allerdings nur angelernten Türen. Abermals ließ sich das Kichern vernehmen, und im nächsten Augenblick fiel polternd ein dicker Band meiner im Schrank befindlichen Bücher zur Erde. Ein gelblicher Dunst breitete sich über das ganze Zimmer aus, sich immer stärker verdichtend. Schatten von der Größe eines Schäferhundes schlichen auf dem Boden durcheinander. Am Fußende meines Bettes wuchs ein Schatten in übermenschlicher Größe. Es schien, als hätte er menschliche Gestalt. Zwei grünlich schimmernde Leuchtkörper durchdrangen den dichten Nebel. Je genauer ich auf diese Stelle sah, desto gewisser glaubte ich in ein bösartiges, fast unbewegliches Antlitz zu blicken. Wie gebannt blieben meine Augen auf denen des Schattens geheftet. Dieser trat dicht heran und gleichzeitig streifte mich wieder ein eiskalter Hauch. Eine ätherisch gallertartige Masse berührte meinen Hals. Mein Atem ging nur schwach und stoßweise.

Da vernahm ich eine Stimme: »Ich bin gekommen, um Dich in unser Reich zu führen, komm und sieh!«

Ein eigenartiges Prickeln ging durch meinen Körper. Es war mir, als sei dieser etwas, das mir zwar bekannt, aber nicht ich selber sei. Ich fühlte mich neben der Gestalt am Bettrand stehen und schaute in mein blasses Gesicht.

»Nein! nein!« schrie ich in Gedanken, »genug! genug!«

Es wurde mir plötzlich klar, in welcher Gefahr ich gestanden.

»Du wirst müssen, ob Du willst oder nicht!« Wiederum berührte mich die eklige Hand des Schattens. In meiner Verzweiflung brachte ich laut über die Lippen:

»Bei der Kraft Adonays, nein, ich folge Dir nicht!«

Das Gesicht des Schattens verzerrte sich und wollte wie eine gereizte Bulldogge über mich stürzen.

»Ich befehle mich dem Schutze Adonays!« brachte ich hervor.

Da löste sich fauchend der Schatten auf, ebenso zerfloß der Nebel. Die ganze Zeit schien mir nicht länger als eine Stunde, und doch begann der Tag anzubrechen. Es litt mich nicht länger im Bett, und sogleich stand ich auf. Ich fühlte mich zwar matt, abgespannt, aber meine Gedanken flossen klar. Um mich zu sammeln, machte ich im Freien einige Atemübungen. Doch statt der gefürchteten Reaktion fühlte ich mich immer frischer und wohler, so daß ich schon nach kaum einer halben Stunde wichtige Briefe schreiben konnte. Auch später machte sich nicht das geringste Unwohlsein bemerkbar.

Derlei Schilderungen mögen für den Neuling absurd klingen, märchenhaft. Ich selbst habe mich, bevor ich diese Erlebnisse veröffentlichte, mit mehreren Psychologen über diesen Gegenstand ausgesprochen. Subjektiv sind diese Erscheinungen real. Ich möchte diese Phänomene bei solchen Versuchen mit realisierten Gedanken erklären. Schwerer erklärbar aber ist der Umstand, daß während des Experiments die Schranktür aufging und das Buch herausfiel. Dies habe ich eine Stunde nach dem Aufstehen konstatiert, da ich mich dann erst dieses Vorganges erinnern konnte.

Ausgesprochene Skeptiker werden hierin natürlich einen Zufall sehen.

Der gute Verlauf dieses Experimentes reizte mich sogleich zu einem neuen. Am Abend desselben Tages begab ich mich frühzeitig zu Bett. Vorher trank ich ein Glas Wasser mit 7 Tropfen Cannabis indica. Ich konnte aber trotz lebhaften Wunsches keinen Schlaf finden. In meinen Gedanken spiegelten sich die Eindrücke der vergangenen Nacht und kehrten hartnäckig in allen Einzelheiten dauernd wieder. Trotz drückend warmer Luft fing ich an zu frieren. Ein säuselndes Geräusch, als führe ein weicher Wind durch Tannenzweige, erfüllte das Zimmer. Die Gardine blähte sich weit auf, obwohl ich Fenster und Tür geschlossen hatte. Ein kleines Tischchen fing an zu zittern, dann zu wanken. Auf dessen Platte erklangen drei heftige Schläge, und das Trinkglas, welches ich nach der Leerung auf dieses Tischchen gestellt hatte, zersprang in drei Stücke. Das Tischchen wurde mit lautem Geräusch etwa 20 cm von der Stelle gerückt. Dann trat Stille ein. Ich war bei diesen Erscheinungen aus dem Bett gesprungen. Eine eigenartige Mattigkeit lag in allen meinen Gliedern, so daß ich nicht stehen konnte, sondern mich erschöpft auf den Bettrand setzen mußte.

Gespannt harrte ich des Weiteren, doch alles blieb ruhig, bis auf einmal zwei meiner Bleistifte vom Schreibtisch zur Erde rollten. Darauf erfolgte wieder jenes unheimliche Kichern und Flüstern, das ich in der vergangenen Nacht und auch öfter schon bei anderen ähnlichen Experimenten gehört hatte. Die Sonne war erst im Untergehen und es war noch hell im Zimmer. Da fiel ein großer dunkler Schatten über die Decke meines Bettes. Erst glaubte ich mich zu täuschen, doch bald sah ich deutlich eine dunkle Masse am Rande meines Bettes stehen, in das ich mich inzwischen wieder gelegt hatte. Wie gestern, so stierten mir auch jetzt wieder zwei grünlich schimmernde Augen entgegen. Die Gestalt trat näher und berührte mich wiederum mit ihren gallertartigen, eiskalt anzufühlenden Händen am Halse. Kalter Hauch wehte mir ins Gesicht. Da flüsterte die Gestalt mir zu:

»Bist du nun bereit, mir zu folgen?«

»Nein! Ich bitte dich, rufe Dr. N. zu mir.«

»Geh mit, ich führe dich zu Dr. N.«

»Nein! Du sollst ihn hierher rufen!«

»Das will und werde ich nicht tun.«

»Ich zwinge dich aber, mir zu folgen. Heute entrinnst du mir nicht!«

»Adonay ist mächtiger wie du und deinesgleichen. Geh!« sagte ich.

Bisher hatte der Dämon im Flüstertone gesprochen. Nun zog er seine Hände zurück und sagte mit dumpf vibrierender Stimme:

»Ich entferne mich. Ein drittes Mal wirst du mich nicht mehr ungestraft zu dir ziehen. Meine Rache für deine Weigerung bleibt nicht aus!«

Die Gestalt löste sich schnell auf, einen übeln, bedrückenden Geruch zurücklassend. Es war gegen 8 Uhr und noch nicht ganz dunkel. Ich stand nochmals auf und ging eine halbe Stunde in der lauen Abendluft spazieren, wodurch ich mich sehr erfrischt fühlte. Nachts verfolgten mich schauerliche und beängstigende Träume.

Sonst ereignete sich nichts, wohl aber wurde im Zusammenhang mit diesem Experiment meine Mutter und Nachbarsleute von dieser Nacht an für lange Zeit beunruhigt. Im Zimmer meiner Mutter wurde nachts in unregelmäßigen Abständen mehrmals hintereinander an die Tür eines Schrankes geklopft, wöchentlich drei bis vier Mal. In der Mansardenkammer des Nachbars hörte man selbst am hellen Tage Schritte. Fast jeder, der in diesem Zimmer nächtigte, wurde beunruhigt, darunter auch Personen, welche diese Erscheinungen bezweifelten. Meine magischen Gegenoperationen hatten keinen Erfolg. Die Erscheinungen hörten dann unerwartet von selbst auf und kehrten nicht wieder.

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