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4. Ein Astralexperiment.

Der Dämon des eigenen Ich.

In einigen Geheimlogen ist es nach uraltem Mysterium noch heute Brauch, daß der Neophit vor der höheren Einweihung dem Dämon des eigenen Ich gegenübergestellt wird.

In einem dunklen Raum, ganz mit schwarzem Tuch ausgeschlagen und nur von mattem Rubinlicht spärlich beleuchtet, steht in der Mitte auf keilförmigem Sockel ein Sarg. Der Neophit wird vom Führer dorthin geleitet und ersucht, sich in den Sarg zu legen. Dann wird der Deckel aufgelegt. In diesem befindet sich, gerade vor dem Gesicht, eine dreieckige oder runde Öffnung, die der Luftzufuhr dient und durch die der Neophit nichts sieht als das gleichmäßige Schwarz der vor ihm befindlichen Wand. Er wird ermahnt, seine Augen so viel und so lange wie möglich auf die schwarze Wand zu heften und dem Drange einzuschlafen nur dann nachzugeben, wenn alle Bemühungen es nicht mehr verhindern können. Allen seinen Gedanken und Eindrücken möge er die größte Aufmerksamkeit schenken. Der Führer erklärt ihm noch, ehe er ihn verläßt, daß er nach freiem Willen handeln, Sarg und Raum verlassen könne, wenn er es für nötig halte. Doch der Zweck des Mysteriums sei der, auszuharren, bis der Führer wieder erscheine.

Anfangs kommt jedem Neophiten die Stille, welche um ihn herrscht, drückend und unheimlich vor. Das rote Licht, dessen Brenndauer auf eine bestimmte Zeit bemessen ist, verlöscht, sodaß er bald in völliges Grabesdunkel eingehüllt ist. Doch er weiß, daß er in Gottes und guter Menschen Hand ist und daß er nichts zu fürchten braucht. Während er voll Erwartung des Kommenden in der Grabesruhe des Sarges liegt, beginnen allerlei Erinnerungen an sein verflossenes Leben an ihm vorüber zu ziehen. Er sieht alle seine Fehler und Schwächen, die er früher oft und so leicht entschuldigen konnte, in einem ganz anderen Lichte. Sie stehen wie Ankläger vor seiner Seele, und eine große Furcht beginnt sein Inneres wider seinen Willen zu beschleichen. Viele packt in diesen Augenblicken ein solches Entsetzen, daß sie fliehen möchten. Doch wer sich mutig aufrafft und auf sich selbst besinnt, hat die erste Stufe dieses Experimentes überwunden. Die Seele beruhigt sich wieder. Aber durch den fortwährenden Blick in das pechschwarze Dunkel, das den Neophiten wie ein Mantel umgibt, kommen immer neue, ganz eigentümliche Gefühle und Gedanken über ihn. Es kommt ihm allmählich vor, als hätte er keinen lebenden Körper mehr, als sei jedes Gefühl aus seinen Gliedern verschwunden. Darauf bemerkt er ein eigentümliches Wogen, ein Auf- und Niedersteigen von Schatten vor seinen Augen, gerade so, als ob die Dunkelheit flüssig würde und sich bewege wie schwarze Dämpfe.

Dann beginnt es hier und da aufzublitzen und lichte Punkte schweben durch die Dunkelheit. Die Tattwas leuchten zeitweise in allen Farben auf. Mit der Zeit scheint sich das Durcheinanderwogen der Dunkelheit mit den flüchtigen, undeutlichen Schatten zu legen. Nun aber geht die pechschwarze Dunkelheit in schwarzrotes, ätherisch flimmerndes Licht über, welches aber immer wieder in die Dunkelheit zurückfällt. Eine schwer definierbare, ätherische Vibration durchflutet das Dunkel, und bald wird die Bewegung stärker. Es scheint, als ob etwas Rot in die schwarze Farbe gemischt wäre und nun das Rot mehr hervorträte.

Nun bemerkt der Neophit in dem schwarzroten Licht andere Bewegungen. Doch es ist nicht die dunkelrote Atmosphäre, die sich bewegt, sondern noch viel dunklere Formen. Nun kommt für jeden ein schrecklicher Augenblick: Ein grauenhaftes Etwas, eine Vermischung der Formen Mensch und Tier, grinst ihn einige Augenblicke furchtbar an. Dann verschwindet es wieder, und andere verzerrte Formen und Gesichter tauchen auf, bis man sich inmitten eines gräulichen Hexentanzes wähnt. Wieder wird der Neophit, von Entsetzen gepackt, die Freiheit suchen wollen. Doch nun verschwinden auf einmal alle Phantome und wieder ist er in das rabenschwarze Dunkel eingehüllt. Er wird sich seiner Furcht schämen und den Vorsatz fassen, die jetzt wieder aufs neue auftretenden Erscheinungen mit ruhigem Gemüt zu beobachten. Bald wird wieder, diesmal etwas lichteres Rot, in die Dunkelheit treten. Nun kommen die verzerrten Formen und teuflischen Gesichter wieder, und Furcht und Grauen wird abermals trotz des guten Vorsatzes den Neophiten beschleichen. Die ganze Atmosphäre scheint sich in einen giftigen, wimmelnden Brei zu verwandeln, der alles Leben mit tödlichem Hauche anweht. Ein neuer Schrecken tritt in Erscheinung. Etwas Schleimiges, Schmieriges kommt an den Sarg heran. Es hebt und senkt sich, zieht sich bald in die Länge, bald in die Breite und gleitet mit schlangenartigen Bewegungen unheimlich über das Fußende des Sarges hin. Dort scheint es eine Weile zu lauern, dringt dann in den Deckel ein, geht über die Füße, die Knie und über den Leib des Neophiten, der in diesem Augenblick weder schreien noch sich bewegen kann. Das greuliche Wesen scheint ihn zu umfassen und zu erdrücken. Solange dieses Wesen auf der Brust ruht, wirkt es wie ein Alp. Bald erreicht es den Hals und beleckt kalt und schleimig das Gesicht des Neophiten, ohne daß dieser sich des ekelhaften Dinges erwehren kann. Zuletzt zieht sich ein Teil der ätherischen, flüssigen, schmierigen Masse zu einem Gesicht zusammen, das ihn höhnisch, höllisch lächelnd angrinst. Es zieht seinen Atem ein, so daß es ihm ist, als wenn es wie ein Vampyr sein ganzes Leben aufsauge. Der Neophit vermag sich nicht zu rühren; er ist wie erstarrt und eine Grabeskälte kommt über ihn. Dann wird er meist auf einige Zeit bewußtlos. Wenn sein Bewußtsein wiederkehrt, ist zu seinem Schrecken das Gespenst immer noch da und grinst ihn mit teuflischer Freude an. Es überkommt ihn zuweilen eine grenzenlose Apathie, so daß er dazu neigt, sich seinem Schicksal, welches es auch sein möge, willenlos zu ergeben.

Nun aber beginnt das göttliche Prinzip in ihm zu erwachen. Er beginnt zu erkennen, daß dieses unaussprechliche Wesen das Böse seiner Natur ist, dem er durch seine mentale Energie Leben und Verkörperung verliehen hat und das er als sein Schöpfer nun besiegen und zerstören muß, auf daß es ihn selbst nicht einst zerstöre. Der Neophit wird nun ruhiger und kann dem Schrecken beherzt in das verzerrte Gesicht blicken. Er fühlt, daß er unfähig ist, sich zu rühren, ihm seinen Willen entgegenzusetzen, er es deshalb mit geistigen Waffen bekämpfen müsse. Die Furcht vor ihm ist in dem Augenblick überwunden, als der Neophit erkennt, daß das Wesen seine Existenz nur den eigenen bösen Gedanken, Gefühlen und Werken verdankt. Er muß fest wollen, daß es zurückweiche, langsam und zögernd wird es dann zurückgehen. Sobald die Willenskraft nur einen Augenblick erlahmt, strebt es wieder vorwärts; so muß er immer wieder von neuem festen Willen entgegensetzen. Nach längerem geistigen Ringen mit diesem fürchterlichen Wesen verläßt es endlich den Körper des Neophiten und verschwindet in der Dunkelheit. Die geistigen Anstrengungen, die er zu machen hat, treiben ihm kalten Schweiß aus allen Poren, aber er hat nun wieder volle Bewegungsfreiheit.

Es ist nun wieder alles völlig dunkel um ihn her und es kommt ihm vor, als hätte er schon viele Stunden, ja tagelang so gelegen, während es nur eine kurze Zeit war. Nach einigen Minuten erscheint der schwarzrote Äthernebel wieder. Dann aber wird er heller und heller und die ganze Atmosphäre nimmt eine Orangefärbung an. Allerlei Formen schweben, fliegen, kriechen und tanzen auch in diesem Licht. Es sind immer noch verzerrte und verunstaltete Formen, aber sie flößen keinen so großen Schrecken mehr ein. Keine dieser Formen kann sich so schrecklich gestalten wie das vorher gesehene und besiegte Gespenst. Immer, wenn der Neophit ermüdet, verschwindet das Licht und macht einer vollständigen Dunkelheit Platz. Daraus erkennt er, daß er sich selbst beherrschen muß, denn es kommt nicht von außen, sondern ist ein Produkt seiner Seelenkräfte, was ihm jetzt erst zur völligen Gewißheit wird. Bei jeder neuen Anstrengung, es wieder in Erscheinung zu bringen, kehrt es zurück, mit dem Dunkelrot anfangend, dann in die Orangefarbe und ins Gelbe übergehend, bis nach mehreren Versuchen die ganze Skala der astralen Farben nacheinander zu sehen ist. Durch all diese Farben kann man bewegende Formen sehen. Sie verlieren an Verzerrtheit und krüppelhafter Gestaltung, je höher die Farbe der Skala ist. In der violetten Farbe sind die Gestalten leicht beschwingte Wesen, die wie Schmetterlinge, Sylphen und Undinen aussehen. Wenn es dem Neophiten möglich ist, auch das Violett festzuhalten, dann geht dieses plötzlich in eine braune Farbe über, in der sich alle anderen mischen. Sodann wird es hell in diesem Braun, gleich einer Morgendämmerung; zuerst blaugrau, dann immer heller werdend, bis den Neophiten ein weißes, silbernes Licht umgibt. Hier sieht er zum ersten Mal menschliche Gestalten, aber von unbestimmter Form und ätherisch durchsichtig. Wunderbare Inspirationen aus einer höheren Welt setzen ein, und je länger er das silberne Licht vor sich zu halten sucht, desto reiner und vollständiger werden seine Gesichte. Vor seinem inneren Auge breiten sich liebliche Landschaften, Berge, Täler, Wälder, Quellen und Seen aus. Bekannte und unbekannte Personen, auch Geisteswesen treten mit ihm in astralen Verkehr. Die astral-realen Visionen seiner Seele sind wunderbar und hinterlassen einen gewaltigen Eindruck.

Nach etwa 3 Stunden – solange währt das Experiment – erscheint der Führer und befreit den Neophiten. Nach der Schilderung seiner Erlebnisse erfolgt die weitere Einweihung.

Dieses Experiment soll nur von seelisch reifen charakterfesten Personen unternommen werden. Ein geistig Unmündiger könnte sich dadurch an Leib und Seele großen Schaden zuziehen, da er die auftretenden Phantome nicht beherrschen und überwinden würde. Der Dämon seines eigenen Ich, den er astral anzog und verkörperte, würde sich unter Umständen nicht mehr von ihm trennen, und Wahnsinn und Tod könnten die Folge sein. Zumindest aber würde er zur Zielscheibe dunkler, böser Kräfte, die ihm mit der Zeit Vitalität und Frohsinn sicher untergraben.

Dieses schon öfter, namentlich in okkulten Romanen erwähnte Experiment ist, wie schon Eingangs bemerkt, heute noch eines der wichtigsten Mysterien einiger Geheimlogen. Es wurde hier berichtet, um dem angehenden Forscher gutes Studienmaterial zu bieten. Dem gleichen Zwecke dienen die nachstehend geschilderten Experimental-Erlebnisse des Verfassers, deren Beurteilung dem gerechten und vorurteilsfreien Forscher überlassen bleibt.

Es sei hier noch auf das früher erschienene Buch über Dämonologie: »Talismanische Dämonologie« von R. Grötzinger aufmerksam gemacht. (Zu beziehen vom Verlag dieser Schrift.)

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