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Ich komme zum eigentlichen Gegenstand des ersten Abschnittes dieser Schrift, der Darlegung der mannigfachen Täuschungsmöglichkeiten, gegen die sich der strenge Parapsychologe zu sichern hat. Sehr streng werde ich hier vorzugehen haben: selbst die kleinste Lücke, durch die ein Getäuschtwerden sich einschleichen könnte, gilt es zu verstopfen.
An erster Stelle werde ich von Täuschungsmöglichkeiten im Rahmen der Tatsachenerforschung, an zweiter von theoretischen Irrtumsmöglichkeiten reden. Der erste Abschnitt ist bei weitem der wichtigste.
Britische Forscher haben gelegentlich gesagt, der Parapsychologe habe über die Eigenschaften des Naturforschers, des Psychologen, des Psychiaters, des Untersuchungsrichters und des Taschenspielers gleichermaßen zu verfügen. Das ist richtig. Er zeigt aber auch, wie schwierig unsere Aufgabe ist; und ich brauche wohl nicht zu bemerken, daß alles Folgende nur gleichsam eine Abschlagszahlung, ein »Minimum« an Sicherung darstellen kann, aber absolut nicht auf Vollständigkeit Anspruch macht. Für jede Art von Ergänzung zu meinem Täuschungskatalog werde ich aufrichtig dankbar sein.
Alle Tatsachenforschung hat zwei Quellen des Wissenserwerbes: die bloße Beobachtung und das Experiment, d. h. die Beobachtung unter, wenigstens dem Wesentlichsten nach, »willkürlich« und absichtlich gesetzten bestimmten Bedingungen.
Bei Erörterung der Sicherungsmöglichkeiten gegen Täuschung müssen nun, wie stets in der Wissenschaft, zunächst einmal Beobachtung und Experiment gesondert behandelt werden. Des weiteren aber kann eine ergebnisreiche Untersuchung auf unserem Gebiet überhaupt erst einsetzen, nachdem gerade über das parapsychologische Experiment und die parapsychologische Beobachtung einiges Allgemeine gesagt worden ist. Denn die Dinge liegen hier etwas anders als in den normalen Naturwissenschaften.
Wenn der Naturforscher auf normalem Boden experimentiert, sei es im Bereich des Unbelebten oder in dem des Belebten, so geht er an die Untersuchung heran mit der bestimmten Erwartung, daß sich »etwas« ereignen werde, und will wissen, was. Das »Etwas« kann, seltsam zu sagen, in einem ganz bestimmten Sinne »Nichts« sein, ist aber deshalb doch »Etwas«, weil es eben Nichts in bestimmtem Sinne ist: wenn also z. B. bei Regenerationsversuchen ein Organismus nach Amputation einer Gliedmaße »nicht« regeneriert, so überhäutet er entweder immerhin die Wunde oder er »stirbt«. Und das ist etwas, obschon es »nicht« das Erwartete ist. Daß er, etwa wenn er ein Säugetier ist, »nicht« regeneriert, ist bedeutsam. Und, was nun die Hauptsache ist, das »Nicht«-Ergebnis wird immer neu unter identischen Bedingungen geprüft und immer wieder bestätigt; es ist »Gesetz«.
Parapsychisch aber kann, und zwar unter identischen Bedingungen, soweit sie in der Hand des Experimentators liegen, »gelegentlich« etwas geschehen, »gelegentlich« aber restlos gar nichts. Kurz gesagt: die Sicherheit und die Eindeutigkeit der Erwartung fehlen dem parapsychischen Experiment. Man wird sagen, der Unterschied vom »normalen« wissenschaftlichen Experiment sei nicht scharf, schon biologisch, seltener wohl auf anorganischem Boden, könne auch einmal in einer langen Versuchsreihe ein »bestimmtes Nichts« geschehen sein und dann plötzlich, trotz »identischer« Bedingungen, »soweit« der Experimentator sie in der Hand hat, doch etwas Positives, oder aber in langer Versuchsreihe ein bestimmtes Positives und dann etwas anderes Positives Beispiel: Meine Arbeiten über die Restitution der Tubularien und Aszidien. Archiv für Entwicklungsmechanik. Band 5 und 14.. Gewiß ist solcher Einwand berechtigt. Man pflegt in diesen Fällen zu sagen, es habe eben eine große variable Fülle »innerer« Bedingungen des Organismus gegeben, die der Experimentator gar nicht in der Hand haben konnte – (die er nun freilich allmählich »in die Hand« bekommt). Könnte nicht auch ein Säugetier »plötzlich einmal« doch regenerieren? Wir würden uns wundern – und dann weiterforschen. Ist nicht der Satz, daß Steinwände »nie« für elektromagnetische Strahlen durchlässig seien, durch die Röntgenstrahlen erschüttert worden?
Aber es bleibt dabei, daß parapsychisch, z. B. bei Versuchen über Gedankenübertragung, dieser Umstand viel schwerer wiegt. Negative Fälle – (im Sinne des Ausbleibens eines bestimmten Erwarteten) – sind also parapsychisch stets nur mit Vorbehalt als radikal negativ anzusehen, was später noch für unsere kritischen Betrachtungen von Bedeutung werden wird; sie sind es jedenfalls mit viel größerem Vorbehalt als auf biologischem oder, erst recht, anorganischem Gebiet, denn der »inneren Bedingungen« können wir parapsychisch noch weniger Herr werden als sonst.
Das bloß beobachtende Forschen müssen wir nun parapsychisch noch weiter sondern, nämlich in spontane und in erwartende Beobachtung; die zweite Art ist schon eine gewisse freilich sehr primitive Art des Experiments.
Alle echte Telepathie, etwa bei Todesgefahr, aller echte Spuk, wenn wir ihn zulassen, ist, im Anfang jedenfalls, durchaus nur spontan zu beobachten. Das heißt: diese Dinge sind nach den Aussagen gewisser Personen einfach da und werden schlicht registriert; ebenso, wenn wir sie für tatsächlich halten, »Apporte«.
Gibt es nun aber einmal ein angebliches »Spukhaus«, gibt es einen Menschen, in dessen Gegenwart sich Apporte ereignet haben sollen, oder einen, der einmal telepathische Meldungen ausgesandt haben soll, so wird die Sache anders: erwartende Beobachtung stellt sich ein, man »experimentiert« wohl gar schon in rohester Form, in der Hoffnung, daß sich etwas ereignen »möchte«.
Hier haben denn in hohem Maße die zu erörternden Sicherungsmaßnahmen einzusetzen, während die Sicherung post factum, d. h. die nachträgliche Erwägung, ob wohl alles mit rechten Dingen vor sich gegangen sein »möchte«, wie sie bei Spontanphänomenen allein möglich ist, den Namen echter Sicherung natürlich überhaupt nicht verdient: nur »ob wohl« die Phänomene »echt« gewesen sein könnten, ist hier ja, bald mit mehr, bald mit weniger Wahrscheinlichkeit, festzustellen – bei Spontantelepathie, wie sich zeigen wird, immerhin mit recht großer.
Es sollte keines Hinweises darauf bedürfen, daß das echte Experiment das vollendetste Mittel bei der Erforschung der Gesetze der empirischen Wirklichkeit ist: es erlaubt die größte Sicherung gegen Täuschung und es ist eben, seinem Wesen nach, beliebig wiederholbar: theoretisch stehen »unendlich viele« Fälle zur Untersuchung. Die erwartende Beobachtung ist daher um so wertvoller, je mehr sie sich dem Experiment zu nähern imstande ist; von ihr wird im folgenden viel zu reden sein. Die spontane Beobachtung kann nur in seltenen Fällen und dann aus ganz bestimmten, später darzulegenden Gründen, endgültige wissenschaftliche Bedeutung für sich beanspruchen. Führt sie zu erwartender Beobachtung und wohl gar zum Experiment, so liegt die Sache natürlich anders; aber dann ist sie nicht mehr »spontane« Beobachtung.
Es ist in manchen parapsychologischen Kreisen heute üblich, Experimente, ja wohl gar sorgfältig gesicherte erwartende Beobachtung als »übertrieben kritisch« beiseite zu stellen und alles Heil von der Mitteilung recht vieler spontaner Beobachtungsfälle zu erwarten.
Ich habe nun gar nichts gegen die Mitteilung solcher Fälle, falls sie nicht gar zu sehr auf bloßem Hörensagen beruhen. Ihre Mitteilung mag zu kritischen Untersuchungen anregen. Aber an und für sich bedeuten – (von Spontantelepathie, wie sich zeigen wird, abgesehen) – solche Fälle sehr wenig; sie bleiben Behauptungen, bis kritische Arbeit eingesetzt hat.
Und »übertriebene Kritik« – kann es die überhaupt geben? Andere Wissenschaften kennen sie jedenfalls nicht! –
Ich stelle jetzt, strenge Definitionen einem späteren Abschnitt vorbehaltend, in vorläufiger Weise kurz zusammen, wie sich alles das, was parapsychologisch behauptet wurde, zu spontaner Beobachtung, erwartender Beobachtung und Experiment verhält. Ich fälle damit noch kein Urteil über die Tatsächlichkeit des Behaupteten. Voraussetzen glaube ich zu dürfen, daß der Leser mit den in Frage kommenden Worten bestimmte Vorstellungen verbindet.
Auf Grund spontaner Beobachtung sind behauptet worden: alle Fälle echter Telepathie, viele Fälle von Gedankenerfassung, Hellsehen und Prophetie; ferner Spuk, Materialisationen, Apporte, Telekinesen, Phantome in erster Instanz, d. h. beim erstmaligen, unerwarteten Vorkommen.
Erwartender Beobachtung wurden unterzogen in sogenannten »Séancen«, oder auch, bei manchen physischen Phänomenen, zumal Spuk, durch »Kommissionen«: viele Fälle von Gedankenübertragung, Hellsehen und Prophetie, sehr oft unter »psychometrischer« Vermittlung; ferner Telekinesen, Materialisationen, Apporte, Spuk in zweiter Instanz, d. h. nachdem sie bei bestimmten Personen oder an bestimmten Örtlichkeiten spontan beobachtet waren, also der Vermutung Raum gaben, es »werde wohl« etwas eintreten.
Dem eigentlichen Experiment im engen Sinne des Wortes wurden nur bewußte (nicht spontane) Telepathie und Gedankenübertragung bis jetzt, in nicht gerade zahlreichen Fällen, unterzogen; allerneuestens auch, durch Osty, die Telekinese.