Johannes Dose
Im Kampf um die Nordmark
Johannes Dose

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehnter Abschnitt.

Der Winkelried von Kolding.

Der Unteroffizier Fangel lag bei Ries unweit Apenrade in einer Scheune einquartiert. Hier war schon die Gegend, wo die Bewohner, die noch vor zwanzig Jahren böse wurden, wenn man sie Jüten nannte, mürrisch die Blau-Weiß-Roten begrüßten und störrisch Südjüten sein wollten. Einem Bauer, der den Zugang zu seinem Ziehbrunnen verwehrte und die Eimer versteckte, hat ein Rittmeister in aller Ruhe Gesittung beigebracht, denn er zwang nur durch Gesten den frechen Hufner, eigenhändig Wasser für einhundertzwanzig Kavalleriepferde emporzuwinden.

Die Einquartierung machte keine Kosten, da die Truppen sich selber verpflegten. Die Rationen waren immer groß und gut, man berücksichtigte die Eigenart des Schleswig-Holsteiners, der im Essen anspruchsvoll ist. Auch die Löhnung war reichlich, der gemeine Mann erhielt täglich 5 Kurantschillinge, das ist nach heutigem Geldwerte gewiß eine Reichsmark.

Heimreichs Sold reichte zu einem Extramahle gelegentlich aus, besonders am Erbsentage. Die kurze Pfeife im Munde schlenderte er zum Marketenderwagen. Frau Lehmann stand hinter der Tonbank – einem Brett auf zwei Tonnen gelegt –, stemmte die Hände in die Hüften und nickte einem Jäger freundlich-energisch zu: »Nee, Peter, du hest din Potschjon, morgen kriegst du wedder Köhm bi mi.«

Peter höhnte: »Du hest datt woll nich god hüt?«

»Wenigstens nich up di,« war die schlagfertige Antwort.

»Sett noch twe Lütten hin! Ich betaal!« protzte er.

»Du kannst min Köhm gor nich betalen ... din rode Kopp is min Spiritusthermometer.«

Peter brummte von dannen. Sie war eine kreuzbrave Frau und eine ungewöhnliche Marketenderin. Ihr von Luft und Sonne bronziertes Gesicht zeigte deutliche Spuren einstiger Schönheit, wenn auch die Vergoldung der Jugend längst abgegriffen war von Zeit und Leid. Wie feurig konnte ihr Auge noch flammen, wenn ein unflätiges Wort laut wurde, wie fein war ihr Lächeln bei einem guten Witz, wie schlagfertig ihre Zunge und auch ihre Hand, wenn ein Neuling zärtlich werden wollte, über ihrer Vergangenheit schien ein Schleier zu liegen, den keiner gelüftet hatte.

Der Unteroffizier Fangel bestellte ein Essen, ein Leckergericht. Ja, sie habe ein junges Rebhuhn, und sie erkundigte sich, ob er heute Geburtstag feiere.

Der Soldat machte ein verhageltes Gesicht und seufzte: »Ach, es ist heute der Geburtstag der Liebsten, die ich verloren habe.« – Wie kam er dazu, vor dieser Person seinen intimsten Kummer auszukramen?

Die Frau sprach nicht wie eine Marketenderin: »Ja, man muß in dem kurzen Leben viel Kummer verbeißen, verschmerzen, aber nur nicht vertrinken und versaufen. Das ist das Unglück vieler Männer, das elende Versaufen. Ich hasse die Getränke und muß sie verkaufen.«

Eine merkwürdige Marketenderin! Während sie das Hühnchen rupfte und er auf dem Schemel saß, fragte sie plötzlich: »Können Sie mir einen Rat erteilen? Ich bin nicht Witwe, wie die Jäger glauben, mein Mann mußte nach Amerika gehen und bittet so flehentlich, ihm Geld zu schicken ... ich möchte ihn nicht in Not wissen und gern eine Summe senden, aber ich fürchte, wenn er alles auf einmal bekommt, daß er das nächste Schiff besteigt und zurückkehrt. Dann finge das Elend von vorne an, das darf nicht sein um meiner Kinder willen, die in Rendsburg gut erzogen werden, der Knabe besucht das Gymnasium.«

Heimreich schaute groß auf und riet ihr, durch ein Hamburger und New-Yorker Bankhaus den Betrag in Monatsraten auszahlen zu lassen. »Soll ich den Brief für Sie schreiben?«

Die Marketenderin lachte eigentümlich vor sich hin. »Was meinen Sie von mich, wie Wrangel sagt! Ick kann lesen und schreiben.« Sie lüftete den Schleier und erzählte: »Mein Vater war Pastor in Hansdorf bis 45.« – Er öffnete den Mund. – »Ja, ich fabuliere nicht, die Marketenderin des Jägerkorps ist eine Pastortochter und erhielt eine treffliche Erziehung. Auf einer Badereise nach Wyk lernte ich einen jungen Offizier kennen und liebte ihn. Wir heirateten gegen den Willen der Eltern ... drei Monate lebten wir sozusagen auf Kredit, bis er Schulden halber kassiert wurde. Hunderterlei hat er versucht, aber ein Leutnant ist wie ein Pfau, der plötzlich schwimmen und Fische fangen soll. Immer mehr ging es bergab, zuletzt hat er durch das Mitleid früherer Kameraden einen Posten als Kantinenwirt bekommen. Das war unser Unheil. Er war zu schwach und haltlos geworden, um täglich mit dem Alkohol umzugehen. Ach, ein edler Mensch ist in ihm trotz allem, der brennt darauf, heimzukehren und für sein Vaterland zu kämpfen.«

Ein paar Soldaten traten an die Tonbank und forderten »einen Wachtmeister mit Sporen«, das ist ein großes Weinglas voll Schnaps und Rum. Der eine war ein alter Bekannter, Hans Christiansen, mit dem Spitznamen Catilina, der große Demagoge unter den Kieler Studenten.

»Was? Du trinkst Branntwein?«

»Bin ich besser als meine Brüder? Der Schnaps ist ein wahrhaft demokratisches Getränk.« Catilina, der also seine demokratische Gesinnung bewies, schimpfte weidlich auf die Preußen und auf die Kriegsführung. »Wrangel wollte die Dänen nicht abschneiden, wollte ihnen nicht wehe tun und wird am Ende des Feldzuges den Elefantenorden vom – dänischen König bekommen.«

Das war ein häßliches Gerede im Lager.

»Ja, energielos, unbegreiflich ist die Kriegsführung,« antwortete Fangel, »aber Wrangel ist ein Ehrenmann.« Catilina salutierte ironisch. »Zu Befehl, Herr Unteroffizier! Sie sind ja alle, alle Ehrenmänner, die drei Dutzend Fürsten des uneinigen Deutschlands ... nur die Republik ist das Remedium.«

»Nein, Kaiser und Reich, Reich und Kaiser!« – – –

Die Diplomaten wechselten Berge von Noten. Frankreich und England begönnerten Dänemark; Schweden und Rußland traten offen dafür ein. Der autokratische Moskowiter, der Kaiser Nikolaus, vor dem Europa damals einen lächerlichen, erst durch den Krimkrieg zerstörten Respekt hatte, liebte es, als Hort der Legitimität und Erzfeind jeder Revolution, wozu er auch in seiner russischen Unwissenheit die schleswig-holsteinische Erhebung rechnete, und als Protektor des Dänenkönigleins sich aufzuspielen. Die Schleswig-Holsteiner wurden bei diesen Verhandlungen über die Lebensfrage ihres Landes nicht zugezogen, ja nicht einmal befragt. Der englische Minister Palmerston machte den salomonischen Vorschlag, den Zankapfel Schleswig zu durchschneiden und jedem die Hälfte zu geben. Doch dagegen erhoben beide, Cimbern und Dänen, den lebhaftesten Einspruch, darin waren die Todfeinde eines Sinnes, weil jeder das ganze, schöne Schleswig haben wollte. Um das diplomatische Ränkespiel fortzusetzen, wurde am 26. August 1848 zu Malmö ein Waffenstillstand geschlossen, der dem Feldzug des Jahres ein Ende machte. Nach den Bestimmungen von Malmö durften die Dänen zweitausend Mann auf Alsen lassen, ebenso viele geborene Schleswiger sollten das übrige Herzogtum Schleswig besetzen, während die anderen deutschen Truppen nach Holstein geführt wurden. Die vorläufige Verwaltung des Landes übernahm die »gemeinsame Regierung«, das ist eine Kommission von fünf Männern, von denen der Preußenkönig zwei, der Däne zwei und beide zusammen den fünften, den Präsidenten, ernannten.

Heimreich kam als Landeskind mit einer Abteilung nach Eckernförde ins Quartier, wo er bei den patriotischen Bürgern die wärmste Aufnahme fand. Aber er und sein Volk blickten in eine ungewisse Zukunft. Ihm graute vor einer Teilung, durch welche die engere, einzig liebe Heimat verloren ging und er ein landflüchtiger Heimatloser wurde. Trotz der Gastfreundschaft des lieblichen Eckernförde, das durch seine anmutige Lage dem Auge viel bietet, bisweilen sogar durch den Rauch seiner Räuchereien die Augen bis zu Tränen rührt, wurde das Winterlager ihm lang und das Heimweh groß.

Ein Trost war ihm und dem ganzen Lande das Verhalten der gemeinsamen Regierung, die alle von der provisorischen Regierung erlassenen Gesetze wieder in Kraft setzte und die Beamten bestätigte. Ganz Dänemark natürlich entrüstete sich, setzte einen Protest-Rummel in Szene, und die Zeitungen spuckten Gift und Galle. Heimreich war seines Vaters wegen, der danach im Amte blieb, beruhigt.

Aber just in den Tagen zogen in Hyllerup und über das Pastorat bedrohliche Wolken auf. Wahrscheinlich durch die vielen Heereszüge und Lazarette verschleppt, breitete eine gastrische und kontagiöse Krankheit, wie die Arzte dazumal sagten, unheimlich sich aus, forderte manches Opfer im Dorfe und wurde zur angsterregenden Epidemie. Besonders in den kleinen, wenig sauberen Häusern lagen viele Kranke und Sterbende. Da ging der Pastor furchtlos von Haus zu Haus, reichte den Scheidenden das Abendmahl und tröstete die Siechen. In den Tagen fingen die Knechte und Tagelöhner wieder an ehrerbietig die Mütze vor ihrem Pastor abzunehmen. Frau Gertrud und ihre Tochter kochten für die Kranken, die keine rechte Pflege hatten. Es wurde aber der Pfleglinge so viel, daß sie den großen, gereinigten Waschkessel nahmen und darin ein Massenessen kochten. Die Speise wurde in große Töpfe gefüllt. Doch die Mägde im Pastorat weigerten sich aus Furcht vor Ansteckung, das Essen in die Häuser zu tragen. Das war der erste Streik in Hyllerup. Auf das gütige Zureden des Pastors brummte die Altmagd borkig, und die anderen nickten trotzig: »Nee, Herr Pastur, daa gah'n wi nich hin, uns de Dod to holen.«

Da nahm der Pastor einen Topf in jede Hand, kehrte sich um und sagte kurz: »Ich gehe voran ... wer nicht die anderen Töpfe nimmt und mir folgt, der bleibt nicht bis Abend in meinem Dienst.«

Die Mägde gehorchten und schämten sich. Als aber die Hylleruper ihren Pastor mit einem großen Henkeltopf in jeder Hand durchs Dorf schreiten sahen, lachten sie gar nicht über den kuriosen Anblick, sondern sie haben die Kopfbedeckung, so tief sie konnten, vom Haupte gezogen und leise gesagt: »Wir haben einen ganzen, guten Pastor.«

Die Fanatiker natürlich erbosten sich, nannten die Mildtätigkeit des »Pfaffen« ein schlaues Manöver und rannten voll Wut nach Norderhusen. Sie waren schon oft mit allem, was sie ausspioniert und dazu gelogen hatten, im Amthause gewesen und hatten williges Gehör gefunden.

Eine Woche, nachdem die Seuche erloschen und das letzte Opfer des gastrischen Fiebers begraben war, an einem blanken, blinkstillen Herbsttage lagerte sich eine schwere Wolke über dem traulichen Pfarrhause. Hei, wie fuhr die Pastorin aus der Küchenschürze heraus und unter bie gesteifte Tüll- und Staatshaube. Wie sprang der Pastor aus dem Schlafrock in den Summar und breiten Halskragen hinein und kam doch nicht früh genug, um den Geheimen Konferenzrat im Wagen ehrfurchtsvoll zu begrüßen. Statt seiner half der neue Propst, der importierte Pastor Hertel, dem Amtmann beim Aussteigen.

Der Konferenzrat in der goldgestickten Uniform, den Dreispitz auf dem Haupte, den hohen Elefanten auf der Brust! Sowohl der Bischof als auch der König des Amts, die höchste geistliche und weltliche Obrigkeit in voller Gala und Gravität! Allmächtiger, was bedeutete das? Per Priesterknecht, an dem ein Höfling verloren war, warf devot eine Pferdedecke als Läufer zwischen Wagen- und Türtritt hin.

Der Gewaltige und Erhabene, der Amtmann, tat seinen Mund auf und sagte feierlich-fürstlich: »Wir wollen eine extraordinäre Visitation abhalten.«

Eine nicht vorher angesagte Kirchenvisitation, wobei doch das tagelang vorbereitete Visitationsmahl der Haupt- und Kardinalpunkt ist, war ein unerhörter Vorfall in allen geistlichen Annalen. Dem Pastor schwante Schlimmes. Die plötzliche Visitation sei eine Überrumpelung, um dem Geistlichen keine Zeit zur Verteidigung zu geben, sei eine Untersuchung mit dem fertigen Urteil in der Tasche.

Die Pastorin verneigte sich und bot den hohen Herren ein schnell bereitetes Weinfrühstück an, während die Kirchenältesten herbeigerufen würden. Es wurde mit jener unbestechlichen Beamten-Miene abgelehnt, was bei dem schwelgerischen Charakter der dänischen Beamten ein böses Omen war.

Die Kirchenältesten erschienen nach und nach, einige in der Eile mit der Mütze auf dem Haupte, und die Pfeife lugte aus der Rocktasche, andere hatten schnell die Angströhre aufgestülpt, aber die Holzschuhe an den Füßen behalten, Jep hatte den Tuchrock angezogen und die Lederhosen an den Beinen.

Die Sitzung begann. Die Kirchenältesten saßen, wie die Laien-Schöffen eines Gerichts, die nur Ja zu sagen haben, in einem Halbkreise steif und stumm auf ihren Stühlen, schwiegen wie die Karthäuser und blickten, wie die Mönche auf den Papst, mit tiefer Ehrfurcht zu den zwei hohen Herren empor. Dieser gewaltige Respekt vor der Obrigkeit sitzt dem Nordschleswiger im Blut.

Der Amtmann stand auf, strich seine Bartkoteletten und zeigte mit der Rechten auf den alten, würdevollen Pastor. »Mein mir unterstellter Pastor Fangel! Es sind zahlreiche Anzeigen aus Ihrer Gemeinde wider Sie eingegangen, denen wir nicht länger unser Ohr verschließen konnten ... ja, schwerwiegende Anklagen, wonach Ihr Verhalten sich mit der Konduite eines geistlichen Staatsdieners nicht verträgt, sind wider Sie erhoben worden. Diese Visitation ist anberaumt worden, um zu befinden, ob Sie fürderhin in Ihrem Amte verbleiben können.«

Die letzten Worte zeigten den ganzen Ernst der Situation, aber der Pastor erschrak nicht, sondern sagte mit Würde: »Darf ich fragen, warum diese außergewöhnliche Visitation nicht vorher, wie es seit Jahrhunderten üblich gewesen, angesagt wurde?«

Der Amtmann blickte hochmütig. »Bei Disziplinarsachen ist eine Ankündigung unüblich und untunlich. Es soll eine Trübung des Tatbestandes, eine Beeinflussung der Zeugen verhütet werden.«

Fangel antwortete mit fester und starker Stimme: »Ich bin kein Mann, der Zeugen besticht oder beschwatzt! Wenn keiner falsch zeugt, darf man alle eintausendsiebenhundert Seelen der Gemeinde als Zeugen rufen.«

Jep Hansen nickte.

Der Konferenzrat runzelte die Stirn und redete barsch: »Zur Sache! Ich erhebe als erster Staatsbeamter des Amtes die erste Anklage ... Sie haben drei- oder viermal, also nicht versehentlich, sondern mit Absicht, in Ihren Eingaben Schleswig-Holstein mit zwei, wohlgemerkt mit zwei Bindestrichen geschrieben. Nach einer ministeriellen Verordnung muß es Schleswig und Holstein heißen, dürfen die Beamten des Königs nur von einem Schleswig und Holstein reden. Ein Schleswig-Holstein gab es nicht und wird es nie geben. Die Herzogtümer sind durch kein Band und dürfen durch keinen Bindestrich verbunden werden. Lachen Sie nicht! Der Bindestrich kann Ihnen Ihr Amt kosten. Die Bindestriche sind ein absichtliches Symbol des unsinnigen »Up ewig ungedelt«, sind ein Sympathisieren mit dem Aufruhr. Die Wahrheit, Pastor Fangel! Haben Sie damit sagen wollen, daß die lächerliche Prätension von der ewigen Unteilbarkeit der Herzogtümer im Rechte ist, und sind Sie im Herzen ein Anhänger der Insurrektion?«

Der Pastor antwortete: »Ich habe ohne jeden bösen Gedanken Schleswig-Holstein so geschrieben, wie ich es in der Jugend gelernt und seit sechzig Jahren geschrieben habe. Die Bindestrich-Verordnung des Königs war mir bis jetzt nicht bekannt.«

»Wir werden sehen, wie Sie innerlich zum Aufruhr stehen.« Der Amtmann hielt das Glas vors Auge und blickte in ein Aktenstück. »Zum andern haben Sie durch offene Schleswig-Holsteinerei schweres Ärgernis in Ihrer Gemeinde erregt, Sie sollen den Patriotismus der treuen Bauern, die Übungen der Dorfwehr verlacht und verhöhnt haben.«

»Ja, ich habe den bewaffneten Widerstand der Bauern und heilloses Unglück, ich habe die furchtbaren Folgen der unsinnigen Verblendung, ein schreckliches, militärisches Strafgericht und ein Niederbrennen des Dorfes, verhüten helfen. Ist das mein Verbrechen oder mein Verdienst?«

Der Richter streifte mit einem fragenden Blick die Beisitzer, und ein Paar von den stummen Beisitzern murmelten: »Ja, das ist waahr.«

Der Geheime Konferenzrat sprach bissig: »Triumphieren Sie nicht zu früh! Sie haben sich des Hoch- und Landesverrats schuldig gemacht, Sie haben Ihren Sohn im Insurgentenheer dienen und gegen Seine Majestät Waffen tragen lassen. Sie haben sogar den meineidigen Sohn in Ihrem Hause beherbergt, ihm Beihilfe und Vorschub geleistet ... das bricht Ihnen den Hals.«

Über das ruhige Gesicht des Pastors ging ein Schatten, denn das konnte zum Strick gedreht werden. Nach kurzer Überlegung widerlegte er diese hochnotpeinliche Anklage. »Ja, mein jüngster Sohn dient in einem schleswig-holsteinischen – Pardon, Herr Geheimrat! – in einem schleswig und holsteinischen Jägerkorps, ohne mich zu fragen und meine Genehmigung einzuholen. Ich kann beweisen und beschwören, daß er ohne mein Wissen und meine Einwilligung in Rendsburg eingetreten ist. Mein Sohn untersteht nicht meiner väterlichen Gewalt und ist seit Jahren mündig, so daß ich sein Tun und Lassen nicht bestimmen kann.«

Da nahm der Propst Hertel, der ein dänisches Deutsch sprach, das Wort und krächzte dazwischen: »Aber Sie gutheisen das Sritt von Ihrem Sohn ... lille Fangel, lassen Sie uns aufricktig sein vor Gott!«

»Ja, Gott allein prüft und richtet das Herz und Gewissen ... Sie sind nur Richter über mein äußeres Wohlverhalten.« Bestimmt und energisch wies der Angeklagte die Gerichtsherren in ihre Schranken.

Der Amtmann, der seinen letzten und höchsten Trumpf hielt, sträubte die Brauen, verkniff höhnisch den Mund und las mit schneidender, eisiger Stimme aus den Anklageakten: »Pastor Sutor Valentin Fangel, Sie haben Hoch- und Landesverrat begangen und dem verruchten Aufruhr tätlichen Beistand, Vorschub und Förderung geleistet!«

»Nanu!« Dieses erstaunte, unpassende Nanu, das dem Pastor entschlüpfte, klang so komisch, daß Jep Hansen grifflachte.

»Ich bitte um Anstand! Die Sache ist bitter-, ja bösernst ... Hochverrat wird nicht nur mit dem Verlust des Amts und aller Ehrenrechte, sondern auch mit langer Gefängnishaft bei Wasser und Brot bestraft.«

Trotz der grausigen Aussichten wollte dem armen Pastor gar nicht grauslich werden; er sah neugierig gespannt den Amtmann an. »Was soll ich verbrochen haben?«

Jedes Wort wurde wie ein Staatsverbrechen betont. »Sie – haben – nachgewiesenermaßen – einem gewissen Leutnant Bosen – einem früheren – kassierten dänischen Offizier – der sich hier herumtrieb – Ihr bestes Pferd, einen Fuchs mit Bleß, gegeben – mit Absicht und Willen, damit der pp. Bosen dem Heerführer der Insurgenten, dem sogenannten Prinzen von Noer, seine Dienste als Offizier anbiete. Besagter Bosen ist tatsächlich gen Süden zur Aufrührer-Armee geritten, allwo er sich noch befinden und Hochverrat begehen wird. Sie haben ihm wissentlich Beihülfe geleistet und so eo ipso Landesverrat begangen. Bekennen Sie in Bußfertigkeit Ihre Schuld, so werde ich Ihr Gnadengesuch an Seine Majestät um Erlassung der Freiheitsstrafe befürworten. Sie haben nichts zu erwidern?«

»Nur einiges, Herr Geheimer Rat!« Der Pastor stand in Büßerstellung und senkte tief den Kopf, so daß man seine unziemlich vergnügte Miene nicht sehen konnte. »Ja, ich bekenne, daß ich dem Leutnant Bösen meinen schönen Fuchs für 300 Taler verkauft und die gestundete Kaufsumme bis dato nicht erhalten habe.«

»Ah!« Ein triumphierender Zug der Schadenfreude glitt über das königliche Gesicht des Amtmanns, der Propst amüsierte sich köstlich, und seine kleinen Schweinsaugen glänzten so gottselig, wie am Ostertage, wenn das Festopfer auf dem Altare zu einem Berge sich baute.

»Ja, ich bekenne und gestehe, daß der Leutnant Bosen auf meinem Pferde ins – dänische, wohlgemerkt, ins dänische Lager nach Friederiz geritten ist, mit vieler Bravour gegen die Schleswig-Holsteiner – Pardon, Herr Geheimer Rat! – gegen die Schleswiger und Holsteiner gefochten hat und für seine Verdienste zum dänischen Hauptmann avanciert ist. Ich bekenne in Zerknirschung, daß ich dadurch der dänischen Armee Vorschub geleistet und die Sache der Monarchie sehr gefördert habe. Diese Schuld will ich nicht nur beichten, sondern auch durch den Hauptmann Bosen beim 7. Bataillon beweisen.«

Das Gesicht des Amtmanns wurde ellenlang und hatte den gaffenden Ausdruck der grenzenlosen Verblüffung. Er glotzte den Propsten, und der Propst glotzte ihn an. Zuletzt hefteten beide ihre hülflosen Blicke auf den Kirchenrat. Aber die meisten Juraten saßen, die Hände auf die Knie gestemmt, wie ägyptische Statuen, und duckten den Kopf, damit ihr leises Grinsen nicht gesehen werde.

Der König von Norderhusen riß die Schultern zurück, daß die Orden klirrten, brüstete sich und herrschte die Aeltesten an: »Ich will die Kirchenjuraten hören ... ob das Unglaubliche wahr ist! Ich will die volle Wahrheit über den Ortspastor wissen! Was Sie von dem Pastor gehört haben – und wenn es das Schlimmste wäre – sollen Sie ohne Furcht und Ansehen der Person vorbringen ... meine Herren, gehen Sie aus sich heraus! Jede Beschwerde wird mit Wohlwollen geprüft werden.«

Da war der Pferdefuß unverhüllt zum Vorschein gekommen.

Jep Hansen erhob sich, kraute sich hinter dem Ohr und kniff das eine Auge zu. »Wenn wir hier nicht nur Ja und Amen zu sagen haben, sondern frei und offen sprechen dürfen, ohne Unannehmlichkeiten davon zu haben ...«

»Sagen Sie nur alles, alles, was Sie wissen, ich gebe Ihnen mein Wort, daß Ihre Aussage keine nachteiligen Folgen für Sie haben wird,« ermunterte der Amtmann leutselig.

»Dann will ich nichts verschweigen, Herr Amtmann! Der Leutnant Bosen, der bei mir Jäger war, hat den Fuchs des Pastors gekauft und nicht bezahlt und ist bei Bau und Schleswig einer der tapfersten dänischen Offiziere gewesen. Darf ich noch etwas anderes über den Pastor sagen?«

Herr d'Elsfleth ermutigte: »Sagen Sie alles, alles!«

»Unser Pastor hat neulich bei der schweren Epidemie nicht nur die Kranken besucht, sondern auch bespeist und ist ein so braver und guter Pastor, daß wir keinen besseren kriegen können. Das wäre alles, was wir alle über unseren Pastor sagen können.« Jep setzte sich und schnaubte seine Nase, um sein spitzbübisches Lächeln nicht sehen zu lassen.

Der Amtmann schluckte und schluckte etwas, das wie eine abscheuliche Pille schmeckte, herunter und schaute erbost die Aeltesten an, die stets dem kecksten Wortführer folgten. Die Juraten stemmten die Hände aufs Knie, saßen wie ägyptische Sphinxe und schwiegen.

Der Amtmann warf die Akten auf den Tisch, daß es knallte. »Die Sache scheint erledigt, ich schließe die Sitzung.«

Jetzt öffnete Propst Hertel den sauren Mund und lächelte süßlich. »Darf ick, Herr Konferensraad, die Visitation mit einer tristelicken Bitte besliesen? Lille Pastor Fangel, ick möchte noch ein paar amtsbrüderlicke Worte mit Sie sprecken.« Der Propst, der stets das dänische Kosewort »Lille« – mein kleiner, mein lieber – anwandte, wollte seine Geschicklichkeit im Fallenstellen und dem geschlagenen Amtmann zeigen, was auf diplomatischem Wege zu erreichen sei. Er legte freundlich die Hand auf Fangels Arm. »Lille Amtsbruder, Sie haben ein sjönes, sehr sjönes Amt, das dreitausend Taler bringt, und ick will Sie su gerne helfen, in dem sjönen Amt su bleiben. Ick bin su Sie gesjickt von die Könicklicke Regierung, daß ick Fersuch machen soll, mit Güte in diese Propstei die kirklicken Verhältnisse su ordnen und hersustellen. Ick bedaure, daß so viele von meine Pastoren es im Herzen nich mit unser dänisjes Faderland, sondern es heimlick mit die srecklicken Insurgenter halten. Seien Sie kristelick-aufricktick, lille Fangel, wie stehen Sie inwendig su die Aufruhr? Lieben Sie unseren Könick und das dänisje Faderland? Heraus mit die Sprack!«

Der Pastor mußte der Niedertracht des Fuchses ausweichen. »Ich habe für den König, unsern gnädigsten Herzog, stets mit Ehrerbietung gebetet, ich bin stets der Obrigkeit, die Gewalt über uns hat, gehorsam gewesen.«

Propst Hertel lauerte. »Wäre das die dänisje Obrigkeit oder die Kieler Regierung? Wer nich für mich ist, der ist mir suwider!« Er betonte das lächerliche Suwider und rief: »Ick frage Ihnen auf Ihrem Gewissen ... wollen Sie sich ferflichten, immer dem Könick und der dänisjen Obrigkeit treu su bleiben?«

Fangel ging um die Falle herum. »Sie wissen, Herr Propst, so gut wie ich, die Regierung hat in diesem Jahre etliche Male gewechselt. Bald standen wir unter der dänischen, bald unter der provisorischen, jetzt stehen wir unter der gemeinsamen Regierung. Wir alle sind der gemeinsamen Regierung unterstellt, darum können Sie mich unmöglich zum Ungehorsam, zum Aufruhr gegen die bestehende Regierung auffordern, indem Sie mich der dänischen Obrigkeit verpflichten wollen.«

Auch der verschlagene Propst war fertig und die außergewöhnliche Visitation zu Ende. »Sie sind entlassen,« winkte der Amtmann mit der Hand und würdigte die Kirchenältesten keines Blickes mehr.

Ueber den traulichen Pfarrhof war ein drohendes Unwetter hinweggegangen, ohne einzuschlagen. Fangel beruhigte seine Gattin, daß alles Unglück durch einen Witz der Vorsehung, die den Leutnant Bosen über den Prinzen von Noer ins dänische Kriegslager sandte, abgewendet sei. Frau Fangel segelte wieder im Fahrwasser des zuversichtlichen Optimismus. Der Gatte blickte schärfer und hatte oft düstere Ahnungen. Er ahnte, daß noch ein Schwert über seinem Hause hänge. Die Dänen würden ihm nie verzeihen, daß sein Sohn im schleswig-holsteinischen Heere kämpfe, und ihn, sobald es in ihrer Macht stünde, in die Verbannung treiben. Doch davon sagte er nichts, aus Liebe zu den Seinen trug er die Sorgen allein.

An dem Tage der plötzlichen Visitation hatte auch der Lehrer Lindenhahn einen sehr unerwünschten Besuch bekommen. Ein gräßlicher Gast war der kleine, vertrocknete Kerl mit der Uniformmütze auf dem Haupte und dem Stocke in der Hand. Wo immer er eintrat, wurde er mit Entsetzen, mit Geschrei und Weinen, zuweilen auch mit einem Wutanfall begrüßt. Aber mit geschäftsmäßiger Ruhe und Routine waltete er seines traurigen Amtes. Der Exekutor klebte seine Siegel auf Kanapee und Tisch, auf beide Betten und fragte sanft: »Haben Sie ein Schwein?« Auch auf den Schweinekoben setzte er sein Wappen und ging in den Krug, seine Seele zu stärken. Der Vertrocknete war nämlich sehr feucht – man begriff freilich nicht, wo er die viele Flüssigkeit ließ – und pflegte zu sagen, daß ein Mann in dem schmerzlichen Beruf ohne die Tröstungen des Alkohols in ein paar Wochen umkommen müsse.

Lehrer Lindenhahn grub die Hände ins Haar und stierte wie ein Irrsinniger die Siegel an, und seine Augen traten hervor. O, wenn meine Frau kommt und die Siegel erblickt, hat sie den Schreikrampf, holt sie der Irrsinn oder der Tod. Der Wucherer in Norderhusen ... ich würge ihn .s. o das ist die Schrift des Beelzebub ... weg da, weg da!« – Der Lehrer hatte in seiner Wut die Siegel abgerissen, damit nicht seine Ottilie vor Entsetzen den Verstand verliere. Sofort kam ihm zum grausigen Bewußtsein, daß er ein Verbrechen begangen. Es war bewundernswert, wie er sich der Heimkehrenden gegenüber zu beherrschen und seine Verzweiflung zu verbergen verstand. Ach, er hatte diese Heuchelei des Erbarmens und die Notlügen der Liebe zu gründlich gelernt.

Am Nachmittage wollte er botanisieren und ging querfeldein. Seine Kraft war endlich gebrochen.

Bodil ging just an der Dornenhecke der Ochsenkoppel entlang und schnitt lange Dornen, die als Wurstpflöcke dienen sollten, von den Zweigen. Es befremdete sie, daß ein Mensch immer wieder um die klaftertiefe Mergelkuhle mitten in der Koppel herumging. Das war ja Lindenhahns Figur. Jetzt hatte er siebenmal das Wasserloch umkreist, schnell entschlossen lief sie über das Feld. Er schaute sie an, als wenn er schon den Verstand verloren habe, und leugnete nicht seine Selbstmordabsicht. Bodil führte ihn mit fester Hand von dem Orte hinweg, machte keine Worte und Ermahnungen, sondern holte ihre Sparbüchse, zählte die nötige Summe genau ab und sagte energisch: »Wir geben einander die Hand darauf, daß dieses Erlebnis unter uns bleibt und nie wiederholt wird.« – Lindenhahn konnte vor Erschütterung keinen Ton sprechen.

Am nächsten Tage ging er nach Hylleruphof, Bodil lehnte jeden Dank ab und sagte: »Nur eine bessere Einnahme kann dauernde Abhülfe bringen ... können Sie nicht eine Küsterstelle bekommen?«

»Ich bin von Herodes zu Pilatus gelaufen, ich habe mich erniedrigt, gewinselt, gebettelt und vor dem Amtmann, der die Menschen gern kriechen sieht, auf den Knien gelegen ... umsonst.«

»Hm, hm, wenn Sie sich überwinden könnten, Laurids Skow um seine Fürsprache zu bitten. Er ist ein sehr einflußreicher Mann und, obgleich nur ein Bauer, ein gescheiter Bauer ... ich weiß bestimmt, daß er das Ohr des Königs hat und das Recht, Berichte über die Zustände in Nordschleswig unmittelbar an Seine Majestät zu senden. Wenn Sie zu ihm gingen, würde er wahrscheinlich Ihre Bitte erhören ... aber er ist Ihrem deutschen Sinn unsympathisch ... wenn ich einen anderen Helfer wüßte, würde ich nicht Skow nennen, aber ich weiß keinen.« Edel waren ihre Beweggründe. Nicht um einen Proselyten zu machen, sondern um einem Unglücklichen zu helfen, hatte sie den verhängnisvollen Vorschlag gemacht.

Es ist zu verstehen, daß der Lehrer Bodil verehrte, aus dem Einzelfall einen allgemeinen Schluß zog und zu seiner Seele sagte: die Dänen seien weit besser als ihr Ruf, und es gäbe unter ihnen viele hochherzige Menschen. Selbst jener berüchtigte Laurids Skow mochte ein fanatischer, eitler, aber auch ein hülfreicher Mann sein. Lindenhahn benutzte den Sonntag, um die Reise nach S., wo Skow einen recht verschuldeten Bauernhof besaß, zu machen. Die bellenden Hunde empfingen den Fremdling und versperrten dem Zaghaften den Zutritt. Ein Knecht befreite ihn von der Rotte der Doggen und gab den Bescheid, daß Herr Proprietär Skow vor drei Minuten fortgefahren sei und eine achttägige Rede-Reise angetreten habe. Es war eine seiner Agitationsreisen nach dem Westen, die der Vertrauensmann des Königs machte, um die Torf- und Heidebauern in ihrem beschränkten Südjütentum zu bestärken. Lindenhahn sah in dem Zufall – einem Zuspät von Minuten – die Vorsehung, die es verhindert habe. Es sollte nicht sein! Obgleich er hundmüde zurückmarschierte und seine Beine wie Bleiklumpen waren, war ihm leichter ums Herz, als seit langer Zeit, und er dankte der Gottesfügung, die Skow auf Reisen geschickt habe.

Aber an jedem Monatschluß kamen alte Gläubiger und neue Schulden. So oft die im Lehrerhause sich einstellten und lästig fielen, fing eine Stimme an zu raunen: Geh' doch zu Laurids Skow! Und bitte ihn um Fürsprache! Viele schlagen noch viel schlimmere Wege ein.

Ach, die vielen, die noch viel schlechter sind, das ist die uralte Entschuldigung des Meisters Urian. – – – –

Die weichen Frühlingswinde des Jahres 1849 wehten aus dem Süden, wohin Cimbrien sehnsüchtige Blicke richtete, denn trotz ungünstiger Auspizien der politischen Konstellation wankte die Zuversicht, daß Germanien sein Schmerzenskind Schleswig-Holstein niemals verlassen werde, in keinem deutschen Herzen. Der Malmöer Waffenstillstand ging zu Ende, ohne daß die Diplomaten die Quadratur des Zirkels und die Teilung Schleswigs gefunden hätten.

Wieder brauste das herrliche Kampf- und Trutzlied »Schleswig-Holstein meerumschlungen« durch alle Städte und Dörfer. Jeder Rekrut stimmte es an, jeder Schusterjunge pfiff, jede Magd trällerte es, jeder Orgelspieler auf der Gasse leierte, jede Schülerin klimperte, jede Volksversammlung sang stehend die grollende, donnernde Weise, die den Dänen grausig, wie des Fenriswolfes Geheul, in die Ohren gellte. Ganz Cimbrien wollte, wenn auch ohne Hülfe, kämpfen und sein Recht »verbeißen« mit dem Schwert. Und es konnte jetzt fechten, denn es hatte jetzt ein wohlausgebildetes Heer. Das waren Anno 49 nicht mehr schnell zusammengewürfelte, schlecht disziplinierte Freischaren, sondern eine reguläre Armee mit einer Infanterie, die auf jedem Schlachtfelde bestehen konnte, mit einer Artillerie, von der ein hoher Offizier Frankreichs erstaunt sagte, der Schleswig-Holsteiner sei durch seinen kaltblütigen Mut ein geborener Kanonier und die Artillerie die beste der Welt. Besonders auch die Jägerkorps mit den gezogenen Gewehren waren eine Elitetruppe.

Diese Armee ist die Schöpfung und das unsterbliche Verdienst des Generals von Bonin. Als der Prinz von Noer trotz des Mangels genug brave Offiziere wegbrüskiert, durch sein herrisches Gebühren die provisorische Regierung gekränkt, genug Feinde sich gemacht hatte und »eine Unmöglichkeit« – ein beliebtes Schlagwort jener Zeit – geworden war, übernahm Bonin das Oberkommando und schuf in acht Monaten ein begeistertes, tüchtiges Heer.

Der Unteroffizier Fangel wurde neu eingekleidet für den neuen Feldzug. Er und alle schauten jetzt mit Stolz auf ihr Spiegelbild und freuten sich über ihr kriegerisches Aussehen. Die greulichen, grüngefärbten »Schniepel« waren verschwunden. Die blauen Infanterie-Bataillone, die mit den roten Aufschlägen und weißen Achselklappen des Landes Farben trugen, waren eine schmucke Truppe. Schön waren auch die Dragoner mit den hellblauen Röcken und den blanken Stahlhelmen; aber am schönsten in Heimreichs Augen waren doch die von den Dänen gefürchteten »Hestehale«, die grünen Jäger mit dem Pferdeschweif am Tschako und der weittragenden Büchse. Die gute Ausrüstung hebt den Geist einer Armee.

Der verwünschte, verlängerte Waffenstillstand war endlich zu Ende. An der blauen Ostsee begann der Krieg, der zweite Feldzug. Schwer fühlten damals die Besten der Nation die große Schmach, daß Germanien mit seiner langen Küste gegen die Schiffe des kleinen Dänemark ein hilfloser Riese war. Die paar Dänenfregatten kaperten die deutschen Handelsschiffe, so daß die Handelsstädte ein Mordsgeschrei erhoben, was der Krämer immer tut, wenn es ihm an die Seele, den Geldbeutel, geht. Erschreckende Gerüchte liefen, daß die feindliche Flotte irgendwo in Schleswig landen und einen bösen Ueberfall machen werde. Daher wurden in Eile ein paar Küstenbatterien, auch am Meerbusen von Eckernförde, aufgeworfen.

Heimreich marschierte gen Norden und hatte bei dem Onkel Brodersen sein erstes Quartier. Sein Soldatenmagen war jetzt allen Anstrengungen, selbst der Fürsorge seiner Tante, gewachsen.

Frühmorgens schaute er aus dem Fenster, der weiße Nebel zerflatterte, dieser 5. April versprach ein rechter Frühlingstag zu werden und ist ein Lenz- und Ehrentag der Heimat geworden.

Als die Soldaten schon marschfertig standen, glaubte Heimreich ein paar ferne Gewitterschläge zu hören, auch der Major horchte nach Südosten, wo der Himmel völlig heiter war. »Tom Düvel! Datt sünd Kanaunen,« sagte phlegmathisch Hans Klühn aus dem Kornkoog, der mit seinen langen Löffeln das Niesen einer Mücke hören konnte.

Der Major sprang vom Pferde, legte den Kopf auf die Erde, stand auf und rief vor der Front: »Da ist eine Affäre im Gang ... Schwerenot, wenn die Dänen mit einem Landungskorps uns in den Rücken fallen ... ich muß Gewißheit haben ... wer kann schnellstens dem Geschützdonner nachgehen, bestimmte Nachricht einholen und bis morgen früh in Flensburg bei mir sich melden?«

Einige Leute traten vor, Unteroffizier Fangel salutierte: »Ich würde gern auf meine Kosten mir ein Pferd beschaffen, gen Osten reiten und rechtzeitig in Flensburg eintreffen.«

»Sie sind mein Mann.«

So ist Heimreich ein Jäger zu Pferde und Augenzeuge des herrlichen Kampfes, der eine seiner liebsten Erinnerungen wurde, am 5. April 1849 geworden.

Er schnitt sich eine Gerte, um den Gaul zu ermuntern, galoppierte drei Meilen, stellte das Pferd ein und erstieg die Höhe hinter Borby, wo zahlreiche Schlachtenbummler das Schauspiel des Kanonenkampfes in nächster Nähe genossen, so daß man die Bewegungen der dänischen Mannschaften auf den Orlogschiffen deutlich sehen konnte.

Am Abend vorher war ein aus sechs Segeln und zwei Dampfschiffen bestehendes Geschwader unter dem Kommandeur Paludan-Müller in den Meerbusen hineingelaufen. Die Schleswig-Holsteiner wachten in der Nacht und wehrten sich am Morgen wacker gegen die zwei feuerspeienden Leviathane, die vor der inneren Hafenbucht mit ihren Breitseiten lagen. Zwei deutsche Batterien gaben mit Bombengruß laute Antwort, auf der Landzunge am Fuß des Luisenberges die Nordbatterie und am Westende des Busens die Südbatterie, die nur vier Achtzehnpfünder hatte. In jener befehligte der Leutnant Jungmann, in dieser sogar nur ein Unteroffizier, aber der heldenhafte Unteroffizier Theodor Preußer, der den edelsten Tod fand und die Unsterblichkeit erlangte. Die zwei Hauptschiffe des Geschwaders waren das titanenhafte Linienschiff Christian VIII. mit 84 Kanonen und die Fregatte Gefion mit 48 Geschützen des schwersten Kalibers. Sie waren der Stolz der Dänen und von den Kopenhagener Damen mit einer Unmasse von Delikatessen versehen worden, um mit gestärktem Magen die bösen Insurgenten zu verschlingen.

Als Heimreich dieses Schlachtbild so nahe und greifbar, wie es selten einem Zuschauer ermöglicht wird, vor Augen hatte, gaben die Schiffe ganze Breitseiten, 66 Kanonenschüsse in einem Augenblick ab, was ein entsetzliches Gekrache und eine Erschütterung der Erde und der Lüfte erzeugte. Fast komisch war es anzuhören, wenn gleich nach dieser Detonation hüben vier und drüben sechs Brummtöne erschollen, fast wie das Gekläff eines Hals gebenden Hundes – das war die bissige Antwort der Batterien.

Heimreich lachte laut. Er sah auf dem Ballastberge genau, wie Preußers Kanoniere, ehe die Breitseite aufblitzte, sich platt hinwarfen, schnell, nachdem die Kugeln über sie hinweggesaust waren, aufsprangen, zielten und besser trafen. Die Dänen schossen zu hoch und über die Südschanze hinweg.

Die Schiffe waren trotz des heftigen Ostwindes – die Torheit rächte sich – vor Anker gegangen. Was war das? Die Zuschauer starrten aufgeregt hinüber – und schrien ein gellendes Hurra.

Das schwere Linienschiff dreht und schwenkt und nähert sich dem gefährlichen Lande – Hurra – jetzt steht, jetzt sitzt es fest, wie ein auf den Strand geworfener Walfisch. Ein deutscher Bundesgenoß ist der landwärts treibende Wind. Der Koloß sitzt hilflos auf dem Grunde und kann seine Breitseiten kaum gebrauchen.

Nach dem frohen Hurra eine ängstliche Stille! Warum ist auch die Nordbatterie verstummt? Die Munition ist verschossen, die Geschütze sind zum Teil heruntergeworfen. Da geschieht eins der Gotteswunder, die an jenem glorreichen Tage von den Augenzeugen gesehen wurden. Ein Boot mit der Parlamentärflagge stößt vom Christian VIII. ab und fordert freien Abzug für die Schiffe, widrigenfalls die Stadt beschossen werden wird.

Die Notlage der Dänen ist dadurch offenkundig geworden. Die Offiziere verlangen eine glatte Ablehnung der Forderung, eine energische Fortsetzung des Kampfes. Aber der Bürgermeister, ein Schwächling, zittert vor der Drohung und will die Stadt und seine Person vor der Beschießung bewahren. Da setzen die tapferen Bürger ihrem Oberhaupte sozusagen die Pistole auf die Brust: Er solle entweder alle Verhandlungen abbrechen oder auf der Stelle abdanken.

Während der Waffenruhe werden die Geschütze aufgerichtet und mit frischer Munition versehen. Keck und lustig flattert auf dem Walle die deutsche Fahne. Wieder krachen die Breitseiten, daß die Fenster klirren, und die deutschen Salven blitzen und bellen. Heimreich hört, wie einige Bürger von dem Herzog von Sachsen-Koburg sprechen und die Tatsache, daß Seine Hoheit, der die Küstenbrigade befehligt, frühmorgens beim Beginn des Kampfes aus irgendwelchen unbekannten Gründen die Stadt verlassen habe, berichten und mit Glossen begleiten. Jetzt schämt er sich, ein unnützer Schlachtenbummler zu sein. Der Zuschauer eilt vom Berge herunter und mit Lebensgefahr nach der Südbatterie. Er bittet Preußer um Arbeit. Die Kanoniere fragen ihn mit jener Freundlichkeit, die saure Gefühle erweckt: »Sie sind wohl Jäger? Putzen Sie als Scharfschütze mit der Kanone hier den Kommandanten vom Dänenschiff hinweg!«

Aber Preußer weiß jeden Mann zu gebrauchen. »Wir müssen die Kerle mit Brandkugeln beschießen ... machen Sie die Kugeln glühend rot, aber machen Sie auch rechtzeitig Ihre Verbeugung vor der Breitseite!«

Fangel bläst wie ein Blasebalg, wendet und wärmt die Bälle, die Kanoniere greifen mit den Zangen die heißen Klöße und zielen genau. Die glühenden Kugeln haben dem Goliath böses Bauchgrimmen und schließlich den Garaus gemacht.

Gegen fünf Uhr werden die Schleswig-Holsteiner unruhig, denn sie sehen, wie am Linienschiff Signal auf Signal hochgeht. Was bedeutet das? Ein Dampfschiff, der Geyser, kommt, von draußen und mit voller Dampfkraft auf Christian VIII. zu, Böte fahren zwischen den Schiffen hin und her und holen ein schweres Tau vom Linienschiff, das sich schleppen und in Sicherheit bringen lassen will, nach dem Dampfer hinüber. Soll der Lohn des Sieges im letzten Moment entschlüpfen? Die Batterien überschütten die Schiffe mit Kugeln. Die Takelage Christian VIII. hängt in Fetzen herunter – aber – der festsitzende Walfisch dreht sich, bewegt sich an dem straff gespannten Seil.

Da sieht Heimreich ein Wunder. Das Schlepptau platzt, daß seine Enden hoch schlagen. Eine Kugel der Nordbatterie hat es zerrissen. Es können hundert der besten Artilleristen je hundert Schuß abgeben, und unter zehntausend Schüssen trifft nicht ein einziger mit Absicht ein so winziges Ziel. Durch den Ruck des springenden Seils wird das Linienschiff auf den Strand zurückgeworfen. Der Geyser erhält einen Schuß in den Räderkasten, der ihn kampfunfähig macht, gibt jeden Versuch zur Rettung des Genossen auf und schwankt wie eine lahme Ente zum Hafen hinaus. In dem Augenblick tritt eine tiefe Stille ein, der Kampf ist entschieden, Gott redet und die Menschen schweigen. Dann braust ein hundertfaches, höhnendes Hurra von der Höhe der Zuschauer. Der fliehende Geyser will sich für diesen Spott rächen und schleudert eine Kugel nach dem Ballastberge, der schwarz von Menschen ist. Zu lachhaft, wie die Schlachtenbummler auseinander stieben und der Berg im Nu menschenleer ist, obgleich die Kugel keinen traf.

Heimreich spuckt in die Hände und schmiedet sein Teufelseisen fleißig weiter. Gegen 7 Uhr wird das Feuer der Dänen schwächer und schwächer und hört zuletzt ganz auf. Just als die Sonne dieses schönen Tages majestätisch untergeht, steigt auf beiden Schiffen eine weiße Fahne empor. Totenstille mit einem Male! Dänemarks Stolz und Hochmut, seine zwei besten Schlachtschiffe, die das unmächtige Deutschland verhöhnten, sind von Feldgeschützen und des Himmels Zorn geschlagen und ergeben sich auf Gnade und Ungnade den verhaßten Insurgenten.

Heimreich steht am Strande und sieht das ergreifende Schauspiel. Fünf, sechs Boote stoßen vom Linienschiff ab, die Matrosen springen ins Wasser und waten die letzten zwanzig Schritt ans Ufer, wo sie ihre Waffen niederlegen. Sie haben es sehr eilig mit der Übergabe und machen für Gefangene ein allzu vergnügliches Gesicht. Die Heiterkeit hat allerdings ihre Gründe, denn sie wissen, daß ihr Schiff brennt und das Feuer nicht fern von der Pulverkammer ist. Ein Matrose, der einer schrecklichen Luftreise entronnen ist, tanzt und sagt in seinem Deutsch: »Habben Sie ein Bissen Papier? Ick will mein Mudder sreiben, daß ick habb behalten mein Leib.«

Heimreich gibt's dem biederen Hannemann, der sich freut, daß ihm Leib und Magen erhalten seien, und sieht voll Rührung und Mitleid, wie der greise Kommandeur Paludan-Müller, den sechs Seeleute aus dem Boote ans Land tragen, auf dem Strande steht und bittere Tränen vergießt, dann aber in echter Menschlichkeit die Umstehenden anredet: »Bleiben Sie hier nicht stehen! Das Schiff brennt schon lange und kann jeder Zeit in die Luft fliegen.« Dieser humane Däne weinte über sein Geschick, denn ihm schwante wohl, daß sein Volk, ein Opfer suchend, ihn vor ein Kriegsgericht stellen würde, obgleich seine Schuld sehr gering, sein Unglück um so größer war.

Ein anderes und heiteres Bild! Urplötzlich hielt der Herzog Ernst von Sachsen-Koburg, der während des Tages spurlos verschwunden war, hoch zu Roß am Strande, schwenkte wie ein Sieger seinen Heldendegen und nahm mit hoheitsvollem Anstand den Säbel des armen Paludan-Müller in Empfang.

Heimreich beherzigte jene Warnung, suchte sich hinter dem Pflegehause ein stilles Plätzchen, um ein bescheidenes Siegesmahl zu halten, wobei er allerdings gestört wurde. Ein entsetzlicher Knall betäubte ihn. Die Dunkelheit wurde grelle Taghelle, eine riesige Feuersäule stieg empor, als wäre ein feuerspeiender Berg entstanden. Die ungeheure Glutmasse zog am Himmel hin und schleuderte Funken, brennende Scheite und Feuerkugeln nach allen Seiten, gleichwie Blitze krepierten die zahllosen Bomben der Munitionskammern oben in den Lüften. Das war ein grausiger, grandioser Weltuntergangsmoment, ein todgeschwängerter Äther, wie einst am jüngsten Tage, wenn alle Elemente sich auflösen. Der Schwefelpfuhl der Feuerwolke trieb zum Glück über das Meer und verletzte keinen.

Leider Gottes aber flogen zweihundert Menschen, die noch nicht ausgeschifft waren, in die Luft und wurden in Atome zerrissen. Auch Theodor Preußer, der edle Held, der die Boote antrieb und beim Ausschiffen der Feinde eigenhändig half, wurde vom Tode ereilt und ließ sein Leben für seine Feinde. Ewige Ehre dem Edlen! Die sterblichen Reste und Fetzen seines Körpers wurden gesammelt und auf dem Kirchhofe beigesetzt. Zu seinem Sarkophage Wallfahrten die Eckernförder Bürger an jedem 5. April, dem Ehrentage ihrer Stadt, noch heute hin, und das Gedächtnis des größten Unteroffiziers der schleswig-holsteinischen Armee bleibet für und für.

Der Jäger Fangel dachte an die Wunder Gottes in der Geschichte und an das alte Wort: Deuss afflavit et dissipati sunt. Gott blies mit dem Odem des Ostwindes, und die Feinde wurden wie Spreu verweht. Diese Schlacht war eine jener köstlichen Sarkasmen der Weltgeschichte. Germanien, das kein Kanonenbötlein besaß, hatte die dänische Seemacht ins Herz getroffen und jeden Landungsversuch für alle Zukunft vereitelt.

Heimreich eilte nach Borby und bestieg sein Rößlein. Er schrie jedem Wegfahrer, den guten Schleswigern im Lollfuß und der Tante im Fenster die Freudenbotschaft zu und trabte die sieben Meilen nach Flensburg, allwo der Siegesbote von Eckernförde recht steif und krumm angekommen ist. Dem Jäger zu Pferde war der Ritt also in die Knochen gefahren, daß er mit den Maroden, Fußkranken und Faulen nach Apenrade fahren mußte.

Eilmärsche wurden allerdings nicht gemacht. Wohl drängte der tüchtige Bonin, der darauf brannte, mit seiner Armee die Feuerprobe zu bestehen, vorwärts und über die Grenze, aber die alten, infamen Hemmnisse stellten sich immer seinem ehrlichen Soldatenmut in den Weg, und er hatte einen Herrn über sich. General von Prittwitz befehligte nicht nur das Bundeskorps, sondern war Höchstkommandierender, zeigte sich als ein Kunktator erster Güte und als ein Meister in Schneckenmärschen. Wer kann es den Schleswig-Holsteinern verübeln, daß sie häßliche Reden führten und Prittwitz böse Absichten zuschrieben, obgleich er nur miserable Instruktionen befolgte? Die Begeisterung für Preußen wurde sehr abgekühlt, der Glaube, daß dieser große Bruder und Bundesstaat Schleswig-Holstein retten werde, schwand hin in jenen Tagen, und die Entfremdung fraß weiter. Der Holste verzagte dennoch nicht und wollte mit seinem eigenen Schwert und Heer sein Recht erzwingen, und er hat in den Lenztagen 1849 aus eigener Kraft den schönsten Sieg erfochten.

Während Prittwitz durch ein paar Gefechte bei Ulderup und Düppel die dänische Armee unter de Meza nach Alsen zurückdrängte, stand Bonin an der Grenze, die er nach der Weisung seines Vorgesetzten nicht überschreiten sollte. Heimreichs Jägerkorps gehörte zur Avantgarde und lag zehn Tage in Grönninghoved am Fuße des Skamlingsbanke. Dieser »Berg«, auf dem Grundtvig das Feuer des Fanatismus entzündet hatte, weckte trübe Erinnerungen; diesem bizarren Pseudopropheten, der Bodil betört und ihren Eigenwillen befestigt hatte, hatte er viel Unheil zu verdanken. Aber hier war die engere Heimat und auf Schritt und Tritt alles genau so wie in Hyllerup. Das Heimatliche weckte eine große Sehnsucht nach dem Vaterhause und dem Dorfe und nach ihr, die er verloren.

Als sein Hauptmann ihm einen Urlaub anbot, war er nicht mehr zu halten. Seine Beine gingen mit ihm durch, denn bei dem scharfen Vorpostendienst durfte seine Abwesenheit acht Stunden nicht überschreiten. Nur eine Frage begleitete und quälte ihn auf dem Wege: Durfte er ihr in dieser Uniform noch einmal vor die Augen treten?

Er war in Hyllerup und saß bei seinen Eltern, und Hilde hielt seine Hand.

Klaus holte ihm eine Bischofszigarre und raunte leise: »Mutter soll es nicht hören ... möchtest du sie wiedersehen für ein paar Minuten? So will ich hingehen ... ich glaube, es ist besser ... und Bodil vorbereiten.«

Heimreich fühlte dankbar, das sei mal brüderlich gesprochen von seinem Bruder, seine Stimme zitterte: »Ja, frage sie, ob ich kommen darf ... ich weiß nicht, ob es das letzte Wiedersehen ist ... das sage ihr!«

Wie dürstete sein Herz nach einem guten Wort aus ihrem Munde!

Klaus war nicht lange fort und kam sehr niedergeschlagen zurück, ja eine Träne perlte in seinen wasserblauen, ehrlichen Augen. »Ich habe geredet ... aber sie will dich nicht ... dich nie wiedersehen in der Insurgentenuniform. Wie tust du mir von Herzen leid, mein Bruder.«

Heimreich war bitter enttäuscht, wußte aber vor den Eltern seine Traurigkeit zu verbergen. Nur Hilde schaute ihm ins Herz und drückte immer wieder seine Hand.

Sein Bruder Klaus holte von der Bischofszigarre, die allerdings dem Vater gehörte, sechs Stück, schob sie ihm in die Tasche, benahm sich wahrhaft brüderlich, ließ sogar die Pferde anspannen und den Jäger nach Christiansfeld – das sind zwei Meilen – fahren. –

Am nächsten Sonntagnachmittag saß Klaus Fangel in Jep Hansens Pesel, zündete seine Pfeife an und wartete auf eine Frage, welche kommen werde. Doch die Jungfer Hansen fing heute von hinten an und fragte hastig: »Der Kandidat Fangel soll hier in Hyllerup gewesen sein, sagen mir die Leute ... ist das richtig?«

»Ja, er war ein paar Stunden hier und erzählte viel von Eckernförde, von den Brandkugeln, die er glühend machte, und die »Christian VIII.« in Brand schossen, von dem lustigen Bürgerball und besonders von den jungen Mädchen, die sich ganz blau-weiß-rot gekleidet hatten.«

Bodil starrte aus dem Fenster, als wenn sie ein Gespenst gesehen habe.

Sie wußte nur vom Hörensagen, daß Heimreich in Hyllerup gewesen war. Also war Klaus gar nicht bei ihr und die Antwort, die er seinem Bruder überbrachte, eine Erfindung und Lüge gewesen. – – – –

Endlich kam der heißersehnte Befehl, vorzurücken, die Avantgarde besetzte das Dorf Dalby, das sehr idyllisch hart an der Grenze liegt. Fangel führte am Abend des 19. April eine Patrouille so nahe an den Feind, daß man eine dänische Feldwache beim Kartenspiele sitzen sah. »Nicht schießen!« flüsterte der Unteroffizier, »was hat uns der einzelne Jüte getan.«

Der Jäger Meier, der ein ausgezeichneter Schütze, aber auch ein spaßiger Kerl war, ließ die Büchse sinken, nahm statt dessen die geladene Pistole, wie er sich ausdrückte, die Feldflasche, zur Hand, einen kräftigen Schluck, und bot sie dem Unteroffizier an. Der hatte aber genug am Geruch und gab sie zurück. »Sie trinken mir zu viel Schnaps und werden mir noch verlüdern.«

»Die Leute fragen immer nur, wie viel einer trinkt, aber nicht, wie stark sein Durst ist.«

»Das ist ein alter Witz ... der Trinker hat tausend Gründe.«

Meier wurde nachdenklich. »Ja, die Marketenderin sagt auch: Du büst up'n goden Weg – en Süper to warde! Warum ich saufe, Herr Unteroffizier? Ich bin des Lebens satt.«

»Sie, der lustigste Kerl in der ganzen Kompagnie?«

»Ja, der gemeinste Fusel ist ein Zauberer, der das elende Dasein verschönert und an dem grauesten Tage die Sonne ein bißchen scheinen läßt.«

»Nein, er ist ein Schwindler ... wie können Sie sich von dem größten Gauner, dem Alkohol, betrügen lassen?«

»Ach, die Galle ist mir übergelaufen.« Meier machte ein melancholisches Gesicht. »Soll ich es Ihnen kurz erzählen? Ich hatte mich mit einem jungen Mädchen in Michaelisdonn verlobt, und es war mir fürchterlich, als ich 48 zum Soldaten gezogen wurde. Nach dem Waffenstillstande wurde ich beurlaubt, und was ist das Erste, das ich in der Heimat höre? Mein Mädchen hat sich mit einem Bauernsohn verheiratet, ihre Mutter hatte ihr vorgelogen, daß ich gefallen sei. Nun gehe ich auf zehn Feinde los, ich hab' eine Courage ... bloß rasch weg und auf der Stelle tot!«

Ein jeder hat mit der Krankheit, die er selber hat oder gehabt hat, das innigste Mitleid. Heimreich schloß mit dem lustigen Meier eine gewisse Kameradschaft. Auch ihm war es jetzt nicht schwer, den Heldentod zu leiden. Wenn ich gefallen bin, wird Bodil um mich trauern, und ich stehe unvergeßlich und verklärt in ihrem Gedächtnis. In seiner sentimentalen Stimmung war er drum und dran, sich selbst als kalte, starre Heldenleiche zu beweinen.

Am Morgen des 20. April fielen Schüsse, bald rasselten die Sturmtrommeln. Die gesegneten Schüsse! Die Dänen hatten der bisherigen Vorsicht vergessen und über die Grenze geschossen. Das benutzte Bonin, der den Kampfungestüm seiner Truppen, wie er sich nachher entschuldigte, nicht mehr habe zügeln können, um anzugreifen und die Grenze zu überschreiten. Mit welcher Lust, als ginge es nicht in die blutige Schlacht, traten die Jäger und das neunte Bataillon früh um fünf an, um ihren berühmten Sturm auf Kolding zu machen. Sie tiraillierten – wie man damals sagte – hinter den Häusern und durch die Gärten auf die Stadt zu, während ihre Musik hinter ihnen auf der Höhe zum Todesmarsche und ohne Aufhör Schleswig-Holstein meerumschlungen spielte. Das zaubermächtige Lied steigerte die Tapferkeit zur Tollkühnheit.

Da kam der Sturm zum Stillstand. Der einzige Zugang, die Brücke über die Koldingau, war durch ein hohes Pallisadentor versperrt. Eine Stunde schoß man hin und herüber, ohne viel Schaden zu tun. Der Hauptmann wetterte: »Eine Schmach, daß wir keine Artillerie, die in fünf Minuten das Blocktor zusammenschösse, hier haben ... sind hier keine vier Kerle, die Courage haben und hinüberklettern?«

»Nee, ick kann mi schändlich holen.« – »Fif Schilling de Dag is to wenig för de Dod,« brummten einige.

Plötzlich sah man, wie zwei Schützen von der Kolonne sich lösten und in rasendem Lauf über den offenen Platz nach dem Blocktor rannten.

»Dunner und Doria! De künnt sich man begraben laten ... datt is ja de vergnögte Meier und Unteroffizier Fangel.«

Die beiden Helden und Todeskandidaten hatten sich offenbar verabredet, alles geschah mit Blitzschnelle. Meier stemmte sich gegen die Pallisaden und bildete eine Leiter, Fangel war sofort oben und sprang auf der anderen Seite hinunter, riß den Riegel zurück und das Tor auf.

Jetzt kam aber der kritische Augenblick für Heimreich, der um ein Haar seine Kühnheit mit dem Leben bezahlt hätte. Während seine Kompagnie unter lautem Hurra heranstürmte, um durch das offene Tor einzudringen, erholten sich die Dänen von ihrer Bestürzung. Kaum fünf Schritt von dem wie vom Himmel heruntergefallenen Insurgenten stand ein Posten – der rundbackige, glotzende Jüte riß das Gewehr an die Backe und zielte gut auf Heimreichs Brust. Das Zielen war nicht schwer, da der Lauf beinahe den dritten Brustknopf berührte.

Eine rasche Geistesgegenwart und ein seltsamer Glücksfall rettete den Tollkühnen. Der deutsche Unteroffizier rief im besten Dänisch, was schon einen verwirrenden Eindruck machte: »Jens, Jens, weg mit der Flinte! Du willst auf deinen alten Freund aus Nyborg schießen?«

Nun wird zwar jeder dänische Soldat Jens genannt, aber dieser Kriegsheld war wirklich – wie jeder dritte Jüte – Jens getauft worden und war der Soldat aus Nyborg, der während der Festungshaft des Kandidaten Wächter und Leibbursch gewesen war. Der Brave wurde bei dem Wiedererkennen so verdutzt und gerührt, daß er sein Gewehr sinken ließ, die gegenwärtige, gefährliche Situation vergaß und mit dem ganzen Gesicht grinste. »Herr Fangel! Wie kommen Sie su die Insurgenter?«

Zunächst und sehr überraschend kamen die Insurgenten zu ihm, hatten sie den Posten umringt und gefangen genommen.

Der wackere Jens machte jetzt ein anderes, ein vorwurfsvolles, weinerliches Gesicht. »Das war slecht von Sie, Herr Kandidat! Uh, die armen Gefangenen werden von die Insurgenter srecklick behandelt, kriegen man Wasser und Brod und Prügel alle Woche ... uh, helfen Sie mir armes Minsch!«

Fangel nahm zehn Taler aus seiner Börse und beruhigte den Hannemann, daß er für ihn sorgen und ein schönes Essen ihm verschaffen werde.

Jens lächelte wieder dumm-verschmitzt. »Wenn ick man keine Prügel und genug su essen kriege, bin ick sufrieden ... su leicht kann man dodgesjossen werden ... nun kann ick meine Militärseit bei die Insurgenter in die Gefangensjaft abdienen.«

Die Dänen liefen so schnell, daß die Deutschen kaum zu folgen vermochten, durch die Stadt und im Norden aus Kolding heraus. General Bonin wurde von seinen Kriegern mit lautem Zuruf begrüßt, auf seinem Gesicht leuchtete die helle Freude über diesen ersten Erfolg seiner Armee. Leutselig reichte er vielen Offizieren die Hand, aber der Unteroffizier erhielt den wärmsten Händedruck. An dem Abend wurde der Winkelried von Kolding, der Pallisadenhüpfer, wie die Kameraden den Kandidaten nannten, zum Fähnrich und der Soldat Meier zum Unteroffizier befördert.

Die Koldinger waren arge Fanatiker. Darum hielt Major von Hake auf dem Markte hoch zu Roß und den zahlreichen Zivilisten eine bündige Ansprache. Mit freundlichster Miene rief er: »Dem friedliebenden Bürger sind wir wahre Engel.« Sofort rissen die Koldinger die Mütze vom Kopfe und machten eine gleißnerische Verbeugung. Nach einer Pause schrie von Hake mit seinem bärbeißigsten Gesicht: »Aber dem böswilligen Bürger sind wir wahre Teufel.« Da setzten die Bürger die Mütze wieder auf und schnitten eine bösartige Grimasse.

Heimreich hatte bei einem Apotheker Quartier und wurde merkwürdig gastfrei mit Braten und Wein bewirtet. Da der Hausherr mit süßlicher Höflichkeit erklärte, kein Wort deutsch zu sprechen, redete der Soldat ein geläufiges Dänisch. Sobald die Tochter des Hauses, eine blonde, kalte und scharfe Schönheit, ihn sprechen hörte, starrte sie ihn voll Grauen an, als wenn ein leibhaftiger Beelzebub dort stünde. »Wie kann ein Mann, der ein solches Dänisch spricht, bei den deutschen Räub-, bei den Aufrührern dienen?«

Der Krieger erklärte es ihr sehr deutlich. Doch wenn ihr Blick fortan ihm begegnete, war Angst in ihrem einen und Abscheu in dem anderen Auge. Weil die Bevölkerung feindselig war, wurde angeordnet, daß jeder in seinem Quartier nach Waffen genaue Haussuchung halte. Heimreich mußte die unangenehme Pflicht erfüllen, die Zimmer revidieren und stand vor einer verschlossenen Tür, worauf der Apotheker herbeistürzte und devot beteuerte, in dem Raum sei eine schwerkranke Dame, die sich zu Tode ängstigen werde. Heimreich ging rücksichtsvoll weiter, stöberte aber um so rücksichtsloser auf dem Boden herum, wo er in einem vorzüglichen Versteck einen prächtigen Sattel mit silbernen Steigbügeln fand. Ah, das war verdächtig. Seine jetzt mißtrauischen Augen prüften noch schärfer, untersuchten das schmucke Pferd, das im Stalle stand. Es hatte, von der Decke verhüllt, das Brandzeichen der dänischen Offizierspferde und wurde als Kriegsbeute mit Beschlag belegt. Er war überzeugt, daß statt der kranken Dame ein blessierter Offizier in dem Zimmer versteckt sei. Darum trat er ins Wohngemach, wo die Tochter allein zugegen war und mit eiskalter Miene sich erhob. Fangel wollte die Dänin verdutzen und die Wahrheit ergründen. »Leider muß ich das Offizierspferd wegführen und die Tür öffnen lassen ...«

Mit einem gellenden Schrei sank die schöne Apothekertochter auf das Sofa hin und anscheinend in eine echte Ohnmacht. Ritterlich streckte er die Hände aus, um einen Fall auf den Fußboden zu verhüten. Da schnellte die Ohnmächtige wie eine Furie empor, giftig zischten ihre Lippen: »Das verdammte deutsche Räuberpack!« Megärenhaft krallten sich ihre Finger, und er hätte unfehlbar eine Kratzpfote oder eine Ohrfeige erhalten, wenn er nicht eilends den Rückzug angetreten hätte. Jetzt befahl er dem Apotheker barsch: »Die Tür wird sofort geöffnet oder erbrochen.« Im Nu knirschte der Schlüssel im Loch. Der lange Pillendreher wand sich wie ein Aal und konnte plötzlich fließend deutsch sprechen, um zu bitten und zu flehen.

Eine Kranke war nicht im Zimmer, aber auch kein Offizier, sondern das Silber und die besten Sachen, auch die ganze Aussteuer der Tochter und die Equipierung eines dänischen Rittmeisters, der mit der schönen Furie verlobt war, hatte man dort untergebracht. Die deutschen Räuber waren besser als ihr Ruf und nahmen nur die Waffen mit. –

Am Morgen wurde in allen Gassen Generalmarsch geschlagen. Der Apotheker, der offenbar wußte, daß die Dänen in großer Überzahl angreifen würden, stand in seiner Haustür, verbeugte sich süßlich und sagte, zum Bersten voll von Haß und Hohn: »Beehren Sie mich mit Ihrem Besuch, wenn Sie je wieder nach Kolding kommen!«

Schon am Abend waren die Deutschen wieder im Besitz der Stadt, aber der Apotheker saß auf den Trümmern seines Hauses.

Die Dänen warfen immer neue Truppen heran, besetzten von hinten, mit Hilfe der Einwohner, die Häuser und schossen aus den Fenstern. Heimreich hielt mit seinem Haufen im heftigsten Feuer, bis die Gefahr, umgangen zu werden, den Rückzug befahl. Nach einem furchtbaren Straßenkampfe, der etwas Tierisches hatte, wurde Kolding geräumt und auf den südlichen Höhen neue Kraft gesammelt.

Der Tag hatte wie eine Niederlage begonnen und sollte trotzdem der schönste Siegestag im ganzen Dreijahrskriege werden, der große Sieg, den Schleswig-Holstein ganz allein ohne Bund und Bruderhilfe erfocht.

Die Artillerie hatte während des Straßenkampfes, wo Freunde und Feinde durcheinander wogten, keinen Schuß tun können. Jetzt brachen die Kanonen das erbitterte Schweigen, und alle Feuerschlünde barsten los mit Gebrüll. Bald stand Kolding in Flammen – kein unverdientes Los für die Bewohner, die mit Jagd- und Schrotflinten auf die Deutschen geschossen hatten. Fangels Korps verstärkte das Zentrum der Armee, ging bei Seest über die Koldingau und nahm mit dem Bajonett das Dorf Harthe, wo die Kirche als Festung diente. Die Dänen liefen auf der ganzen Linie. Das war die alte Eigentümlichkeit: der Hannemann steht seinen Mann, steht hinter seinen Knicks sehr fest und standhaft; wenn er aber erst ins Laufen kommt, gibt's kein Halten mehr, und die Kerle rennen, die Stiefel in der Hand oder die Holzschuhe an den Füßen, fünf, ja acht Meilen mit der Zunge aus dem Halse.

Es war ein ganzer, glänzender Sieg. Eintausend Schleswig-Holsteiner hatten siebzehntausend Dänen unter den Augen ihres Königs geschlagen, denn der dicke Friedrich war von Friedericia herübergekommen, um der Vernichtung der Insurgenten persönlich beizuwohnen. Bonin hatte seine Befähigung bewiesen, seine Armee ihre Feuerprobe bestanden, ganz Schleswig war befreit.

Das ganze Land lebte der Zuversicht, daß Schleswig-Holstein jetzt ein dauerndes Glied des Bundes sein werde, in allen Herzen wohnte die hohe Hoffnung, nun werde alles mit Freiheit und Friede enden. Holsatia cantat. Dazumal hat Holstein, das eine rauhe und keine Sangeskehle haben soll, gewaltig gesungen:

»Von unsren Lippen soll allein
Der Tod dies Wort vertreiben:
Wir wollen keine Dänen sein,
Wir wollen Deutsche bleiben.«

Während der Kampf um Kolding am heißesten tobte, hatte Bonin eine Depesche von seinem Vorgesetzten, General von Prittwitz, erhalten, die er aber im Schlachteifer, und wahrscheinlicher aus Klugheit, uneröffnet ließ – bis der Sieg entschieden war. Als der Feind in voller Retirade sich befand, las Bonin die Depesche, die ihm den sofortigen Rückzug auf Hadersleben befahl! Man hätte sein Schmunzeln sehen mögen.

Immer entscheidet nur der äußere Erfolg. Das ist das Ekelhafte aller Kriegsgeschichte – eine kühne Tat ist je nach dem Ausgange hohes Heldentum oder gemeiner, sträflicher Leichtsinn. Wehe dem eigenmächtigen General, der eine Schlacht verliert! Er würde Ehre und Reputation, ja den Kopf vielleicht einbüßen. Aber dem eigenmächtigen Feldherrn, der Sieger wurde, wird man mit süßsaurer Miene seine Lorbeeren lassen. Den Sieger von Kolding konnte man nicht kassieren oder vor ein Kriegsgericht stellen.

Das Volk feierte ihn und schalt Prittwitz einen Verräter. Er war es nicht, sondern nur ein Werkzeug jener Preußenpolitik, die in Olmütz erbärmlich endete. Preußen war kein Helfer, sondern ein Hemmschuh Schleswig-Holsteins geworden.

Dennoch wollte Cimbrien allein mit seinem Schwert und seines Gottes Beistand sein Recht erzwingen, sein Deutschtum wehren gegen seinen Erbfeind.


 << zurück weiter >>