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Zwölfter Abschnitt

Eine für Afrika große Fracht beförderten die zweihundert Träger auf ihren Schultern, außer Proviant, Munition, Gepäck zirka zehntausend Pfund Salz. Ohne eine gewisse Salzzufuhr muß der menschliche Organismus verkommen. Dieses Gut, das wir in Fülle besitzen und wenig achten, dieses absolut unerläßliche Ingredienz zur Erhaltung des Körpers fehlt gänzlich in weiten Gebieten Afrikas. In den salzlosen Ländern, wo jede Speise fade schmeckt, herrscht ein wahrer Salzhunger, der nach langer Entbehrung zur Salzgier wird und schließlich die Neger zu Menschenfressern macht. Durch Fleisch- und Salznot getrieben, haben die unseligen Völker, die wir den Tieren gleichstellen, einmal am Fleisch ihrer erschlagenen Feinde sich vergriffen, haben – ähnlich wie die Maneater- Löwen – an der pikanten, würzigen Speise Geschmack gefunden und sind durch die Gewohnheit Kannibalen geworden. Darum war Salz ein Schatz in diesen Ländern. Darauf baute der alte Afrikaner seinen kühnen und kaufmännischen Plan; denn das ist die Kunst des Kaufmanns, den fremden Völkern die Ware zu bringen, nach der am meisten Nachfrage besteht, und dafür die Produkte zu erhalten, die den höchsten Gewinn bringen und die kleinsten Transportkosten bereiten.

Nach Überwindung der hohen Berge des Westufers ging der Marsch über gewelltes Land, tagelang, um in Gegenden, von Weißen noch nicht oder wenig betreten, zu gelangen. Eines Tages schrien die Träger laut auf – weil sie einen Löwen oder Elefanten sahen? O nein, weil sie eine Rinderherde im langen Grase erblickten. Hier war also plötzlich das Reich der scheußlichen Tsetsefliege, die als Tyrann über Tausende von Quadratmeilen ihren Giftstachel schwingt und weder Huf noch Klaue duldet, zu Ende. Nach Kompaß und Besteck führte der Pfadfinder, suchte jedes Hindernis und jeden Sumpf zu umgehen und sagte ruhig, wenn das nicht ging: Wir müssen hindurch. Dieses kategorische, auf Biegen und Brechen gestellte Hindurch war die Losung aller großen Afrikaner, von Stanley, Nachtigal, Wißmann bis zum letzten deutschen Leutnant, der mit dem Buschmesser Bahn sich brach und den dunklen, dräuenden Erdteil besiegte.

Hindurch durch den furchtbaren Sumpf mit seinen schwülen Schrecknissen, wo der Dunst der schwitzenden Träger und der Stickstoff der keuchenden Lungen wie giftiger Brodem wallt und die Körper im römischen Bade triefen, wo die scheußlichen Heere der tückischen Mücken, der teuflischen Fliegen über lebendige, wackelnde, glotzende, röchelnde Leichen herfallen. Hier ist das Infernum der Erde, eine Hölle für Menschen. Aber ein wahres Paradies vieler Tropentiere. Alles wächst, wo Wasser und Sonne schaffen, ins Ungeheure. Wahre Baumungeheuer mit hundert hängenden Luftwurzeln scharen sich zum Urwald, völlig verfilzte Buschdickichte bieten aller mordenden Kreatur Versteck und Hinterhalt. Hier ist das Paradies – freilich ein Eden, wo nicht das Gesetz des ewigen Friedens, sondern des ewigen Totschlags herrscht – der Tierungeheuer, der Rüsselsaurier, deren Vorväter die Glazialzeit gesehen haben, der grotesken Kolosse mit der Nasenwaffe, der grunzenden Warzen- und Stachelschweine, der schleichenden Leoparden und Löwen, der schmarotzenden Hyänen, der schnatternden Papageien, der spielenden Affen, der beißenden, bösen Ameisen.

Ein krummes, kümmerliches Flüßchen taumelte am Walde und Rohrdickicht dahin. Die Träger, statt sich auf den Bauch zu werfen und zu sausen, riefen: »Mensch, Mensch!« Ein weißer Mensch angelte im Fluß und zog einen hechtartigen Fisch heraus, allerdings ein Mensch, der mehr gelb als weiß und in seinen Lumpen ärger als der schlimmste Strolch Europas aussah. Der Pennbruder setzte sich in Positur und sagte mit viel Anstand: » Voila, monsieur! Qu'est-ce que voulez-vous? Êtes-vus Anglais?« Der Gentleman, dem die Ellbogen aus den Ärmeln, die Zehen aus den Stiefeln, das Haar aus den Hutlöchern und der Branntwein aus den glasigen Augen guckte, machte eine maliziöse Miene, als er vernahm, daß die Fremdlinge Deutsche seien. » Eh bien, Prussiens!«

Jobst lachte ganz laut und sagte auf deutsch: »Die Preußenfarben trägt der Dreckkerl, denn schwarzweiß hängt ihm ein Fähnchen hinten aus der Hose.«

Der französische Belgier funkelte mit den Absinthaugen. » Qu'est-ce que? Parlez français, monsieur!«

»Alle Achtung!« sprach Jobst, »wenn der Schnorrer sich bis hierher durchgefochten hat.«

Und sein Neffe übersetzte frei: »Der Herr bezeugt Ihnen seine Hochachtung und bittet, uns zu sagen, ob Europäer in der Nähe wohnen.«

Ja, drüben sei seine Militärstation und er ein Korporal Sr. Majestät. Der Monsieur zog seine Hosenfetzen, die er mit einer Liane um die Hüften gebunden hatte, hoch und führte über einen gefällten Akazienstamm, der als Brücke diente. Am andren Ufer lagen sieben grasgedeckte, aus unbehauenen Stämmen gezimmerte, fensterlose Schuppen, die nicht besser als Negerhütten und noch verwahrloster aussahen. Und das war die belgische Militärstation, die durch eine lange Stange, daran ein Fetzen baumelte, ihre königliche Würde bekundete. Etwa fünfzehn schwarze Kongosoldaten, die nur einen Schurz und einen mit Fettkruste verzierten Fez als Uniform trugen, lagen im Schatten und würfelten mit viel Geschrei und Gier. Man erwartete nach jedem Wurf, daß sie sich an die Kehle springen würden um der Kupferlinge willen; und ein Kerl hatte ein dick geschwollenes Auge, dem man den frischen Fausthieb noch ansah. Andre räkelten sich und rauchten ein böse stinkendes Unkraut. Ein Leutnant und drei Unteroffiziere befehligten diese Horde.

Ein Gentleman in einer saloppen Joppe, der auf alten Hausschuhen schlurfte und ein gedunsenes Gesicht mit Säcken unter den tränenden Augen hatte, erschien – das wollte ein Offizier und Leutnant sein? Seinem schlaffen Körper gab er einen Ruck, um eine gewisse, lächerlich wirkende Grandezza zu markieren. Mit einer belegten, im Affekt krächzenden Stimme sprach er stets im Befehlshaberton, und die unvermeidliche Nilpferdpeitsche war sein treuer Begleiter. Dem Boy, der Stühle bringen sollte und träge schlenderte, versetzte er einen schrecklichen Hieb, um seine Autorität zu zeigen. Der Bursche brachte zwei wacklige Feldstühle – das war alles, was den Gästen angeboten wurde.

Die Deutschen baten höflich um Auskunft über das Hinterland und über die Stämme, die diese westlichen Gebiete bis zum ungeheuren Urwald bewohnen. Der Monsieur, der sich mit tiefstem Nasallaut Baneuvang nannte, aber Banhöven sich, schrieb und mithin ein flämischer Renegat war, plierte listig mit den Geneveraugen. »Ich kenne die Kannibalen da hinten nicht.«

»Sie kennen Ihren Distrikt und das Land nicht, das Ihre Station beherrschen und – pardon! – zivilisieren soll?« Jobst konnte plötzlich französisch radebrechen.

Dem Leutnant stieg das Blut und wohl auch der Branntwein, der ihm aus dem Halse stank, in die Schläfen. »Gehen Sie, gehen Sie zu den Menschenfressern! Sie werden gebraten werden... für Ihre Reise gibt's kein Retourbillett. Mein Herr, grüßen Sie die Engel im Himmel oder die Teufel in der Hölle!«

»Wir Deutsche fürchten Gott, aber keine zehntausend Teufel,« sagte Erbenheim.

Der Alte sprach lustig ein fürchterliches Französisch: »Allons enfants de la patrie! Monsieur belgique, nous marcherons – beim diable – jusqu'au fin de la colonie... verstandez-vous

Jetzt zischte der flämische Franzose, seinen eigenen Befehl widerrufend: »Gehen Sie nicht nach dem Westen! Kehren Sie sofort um, meine Herren! Ich rate es in Güte ... wir, wir dulden es nicht ...«

»Er spricht im Pluralis majestatikus,« sagte Jobst auf deutsch, »der Kerl hat vom Genever den Größenwahn gekriegt und hält sich für den König des Kongo!« Und er setzte auf französisch hinzu, devot den Hut in der Hand. » Sire! Qu'est-ce que quatschez-vous?«

Herr Vanhöven sah nur die höflichen Allüren und schien den grotesken Hohn nicht zu merken. »Wir – ich bin hier der Höchste – wir dulden nicht, daß ein Weißer das gänzlich unbekannte und unsichre Gebiet betritt und mutwillig in den Tod, ja in den Tod hineinrennt.«

»In Afrika kann jeder auf seine Fasson sterben ... wenn wir uns braten lassen wollen, brauchen wir nicht Ihre Erlaubnis.«

»Nachher kommen die Scherereien und Schreibereien, wo die zwei von den Waduka gefressenen Deutschen geblieben sind ...« Er stockte.

»Ah, Waduka nennt sich der Stamm ... wie stark ist er?«

»Ich weiß nicht und hörte nur den Namen von den Askaris ...«

Jobst sah mit dem harten, herrischen Antlitz in die Trinkeraugen hinein. »Soviel ich lesen kann, haben die Kongoakte allen Nationen die Handelsfreiheit im Kongo gewährt.«

Der Monsieur lächelte hinterlistig. » Certainement! En, bien, lassen Sie sich braten, kochen oder rösten nach Ihrem Geschmack.« Er hatte seine geheime Instruktion. Der Kongostaat hielt und hält, wo und wie er kann, die lästigen Kaufleute und Konkurrenten fern, um selbst die Neger gründlich, ja grausam auszubeuten.

Ungastlich waren die Belgier, die keinen Trunk, keinen Bissen den weitgereisten Europäern anboten. Sonst ist es eine schöne Sitte, ja ein ungeschriebenes Anstandsgesetz in ganz Innerafrika: Wenn zwei Weiße tausend Kilometer fern von jeder Zivilisation sich begegnen, so begrüßen sie sich wie Freunde, so helfen sie einander mit allem, was sie haben, aufs freigebigste aus.

In dem Schuppen lungerten frech kichernde Negerweiber, vier häßliche Bälge mit der schmutzig gelben Hautfarbe, die das Mestizenhalbblut verrät, wohl die Kinder der Belgier, krochen vor der Hütte und vertraulich zwischen den Beinen des Leutnants herum, der sie väterlich behandelte. Die Herren hatten sich zur Erholung einen Harem angelegt.

Jobst fragte: »Könnten Sie uns vielleicht mit einer Kalebasse Gänsewein bewirten?«

»Wasser ist genug im Fluß ... bedienen Sie sich!«

»Nee, mit dem trüben Zeug wollen wir uns unsren edlen Stoff nicht verderben... unsren Hennesy.« O, da wurden die Ohren gespitzt. » Sire, permettez moi!«

»Was sollen die Sottisen!«

» Mon général! Ich hatte nämlich die Absicht, eine Flasche Kognak mit Ihnen auf das Wohl der Kongokolonie und das Gedeihen dieser gedeihlichen Station zu leeren.«

Jetzt ließ der Leutnant sich das Avancement gefallen und aus einem Brunnen klares Wasser von einer schlampigen, schwarzen Haremsdame bringen. Sehr flink – das Geschäft verstanden sie – entkorkten die Belgier die Flasche und füllten die fliegenfleckigen Weingläser. Die Gäste, die hier ihre Gastgeber bewirteten, tranken nur ein Gläschen, die Kongohelden spendeten ob dieser Mäßigkeit den Deutschen den ersten herzlichen, innig dankbaren Blick und hatten in fünf Minuten die ganze Flasche geschluckt.

» Merci, messieurs, très beaucoup merci!« Jobst dankte umständlich und fragte ernsthaft-naiv, zu welchem Preise sie ihr Brunnenwasser pro Liter verkaufen würden.

Der Leutnant gab einem würfelnden Askari den Auftrag, einen Eimer Wasser zu holen und gratis herzugeben. Der schwarze Krieger stand nicht auf, sondern brummte: »Wir müssen erst die Runde zu Ende spielen.« Der Leutnant wiederholte seinen Befehl und der Kongoheld seine Gehorsamsverweigerung:

»Warten Sie doch, mein Leutnant, bis ich meine drei Würfe gemacht habe!«

»Das gibt eine Katastrophe, eine Exekution,« flüsterte der deutsche Offizier a. D., »der Halunke wird auf der Stelle gepeitscht oder gehenkt.«

Aber nichts geschah, kein Scheltwort wetterte. Die Würfel rasselten, der belgische Offizier in Hausschlappen schlug mit der Peitsche – schlug nach den Fliegen und wartete geduldig.

Als die Safari aufbrach, schnoberten die Unteroffiziere an den Lasten herum, und der, dem das Hemd aus der Hose hing, sagte: »Wenn Sie eine Bouteille von Ihrem feinen Kognak ausgeben, werden wir Ihnen eine feine Auskunft geben und ein Land zeigen, wo kein Salz und viel Elfenbein ist.«

» Il ne faut pas, messieurs,« französelte und flunkerte der alte Schalk, »wir haben eine Karte, auf der die Elfenbeingegenden schwarz schraffiert sind, und einen neuen Kompaß...« Die französischen Belgier glaubten und gafften: Diese verd– Deutschen mit ihren Karten und Kenntnissen!

»... Einen neuen Kompaß, der sich den Teufel um den Nordpol kümmert, von Kautschuk aber auf zehn Meilen angezogen wird und sofort in die Richtung springt und spielt, wo es sich findet.«

Die Belgier wollten gern den Kautschukkompaß, aber noch lieber die Kognakflasche sehen. Jobst jedoch sprach: »Erst die Auskunft und dann den Alkohol!«

Die Kerle gestikulierten und schwadronierten: »Geht über den Fluß und dann nordnordwestlich, bis Ihr den Urwald seht ... dort ist so viel Elfenbein!«

»Daß es im Walde herumläuft ... im Maule der Elefanten.«

»Der Rat der Halunken ist wertlos,« meinte Erb.

»Nein, sehr wertvoll, denn ich weiß, daß ich den entgegengesetzten Weg einschlagen muß.« Der alte Pfadfinder kehrte sich um, dienerte dreimal vor dem Leutnant, der drüben am Ufer sehen wollte, wohin sie gingen, und rief zum Abschied:

» Adieu messieurs! Auf unfrei Karte ist das Land im Südsüdwesten dickschwarz schraffiert.«

Vanhöven hatte einen heimtückischen Blick. Von der verlotterten Station gingen am nächsten Tage Sendboten aus, um den Negerhäuptlingen einen Floh ins Ohr zu setzen und Furcht vor den Deutschen einzustoßen. – – –

Die Safari war im Lande eines jungen, robusten Häuptlings, der die Muskeln eines amerikanischen Preisboxers hatte und bei der ersten Audienz sein berühmtes Kraftkunststück zeigte – mit einem Fausthieb und mit spielender Leichtigkeit brach er dem ersten Besten seiner Untertanen das Genick. Das war der Sport des Fürsten. Der Kraftmeierkönig war natürlich ein gewaltiger Despot. Es fiel auf, daß viele Leute keine oder, wie bei uns die Pinscher, gestutzte Ohren hätten. War das die Mode und das streng Modernste in diesem Lande? O nein, jeder Ungehorsam, jedes Vergehen wurde in der Weise bestraft, daß ein mehr oder weniger großes Stück vom Löffel abgeschnitten wurde. Diebstahl und schwere Delikte sühnte der Tod, der Genickbruch.

Der Kraftkönig, der über dreitausend Seelen absolut regierte, war sehr liebenswürdig, kaufte einige Lasten Salz und wollte die Fremden als Gäste behalten, bis er noch zwei Lasten Elfenbein herbeigeschafft habe. Eines schönen Morgens war plötzlich ein Wetterumschlag bei Hofe eingetreten; der Sultan verwies sie mit groben Worten des Landes. Der erfahrene Afrikaner marschierte mit Spitze und Nachhut und sagte: »Unser Freund Vanhöven läßt unsre Schritte überwachen und hat dem Dummkopf sagen lassen, daß wir Zauberer oder Sklavenjäger sind. Wir wollen die Spürhunde der Station prellen.« Er befahl, am Ende des Zuges Dornbüsche zu schleifen, um alle Fußstapfen zu verwischen. Die Dornenschrift auf der Erde besagte nichts, denn die Negerweiber, die Feuerung holen, schleppen in dieser Weise die Zweige hinter sich her. – – –

Vor und in den Hütten der Eingeborenen meckerten die Ziegen, gackerten die Hühner, aber weit und breit brüllte kein Rind. Hier war wieder das unselige Reich der Tsetse und Surrakrankheit. Trotzdem war das Land keine Wüste, nein, die breiten, wohl behackten Getreidefelder voll von fleißigen Frauen, die mit der Rechten Unkraut reuteten, mit der Linken ein kleines, auf der Hüfte reitendes Kind festhielten, waren der beste Beweis, daß hier ein energischer Häuptling regierte, der seine Untertanen zur Arbeit anhielt und selbst alle Tage in dulci jubilo lebte. Ndofu – d. i. Elefant – war der Name oder Königstitel – das läßt sich schwer unterscheiden – des schwarzen Wadukatyrannen. Nur im Flüsterton und mit scheuem Seitenblick gaben die Frauen Auskunft über ihren Gebieter. Jeder Despot ist von tiefem Mißtrauen und ewiger Furcht erfüllt und umspinnt sein Land mit einem Netz von Spähern und Zuträgern. Die Weiber sagten schließlich, Ndofu sei ein sehr großer, aber etwas strenger König. Inwiefern? Jeder Untertan, der sein Mißfallen errege, werde... Gepeitscht? Oder gehängt? Die Frauen wollten nicht mit der Sprache heraus. Werde als Sklave verkauft? Nein, nein, werde ... werde... den Löwen vorgeworfen. Also ein afrikanischer Nero oder Caligula!

Das Dorf stank nicht so arg, wie andre Negerdörfer, die Hütten standen unter Mangobäumen und Bananenhainen. Sieben prächtige Palmen beschatteten den Palast, den größten Schuppen, der durch eine Pallisadenmauer und nach europäischem Vorbilde streng gegen die Plebs abgesperrt war. Die Holzwand hatte einen gräßlichen Schmuck – oben auf den spitzen Pallisaden staken grinsende, gebleichte Totenköpfe. Jobst betrachtete sie und behauptete: »Der und der und jener sind keine Negerdickschädel... diese Knochenhelme haben Araber oder Europäer einst auf ihrem Halse getragen. Glaube aber nicht, daß alle Schädel Siegestrophäen sind! Mancher findige Negerfürst, dem es an toten Feinden fehlte, ließ den Kirchhof seines Volks durchwühlen und steckte die besterhaltenen Schädel seiner Vorfahren auf die Pfähle.«

Ndofu nahm die Händler gut auf. Selbst wenn der hagere, jedes Wort lang abwägende Mann mit dem eckigen Kopf und dem breiten, lippenlosen Munde freundlich sein wollte, war sein Lächeln eisig, erfrierend. Er hielt immer die Lider gesenkt und sah beim Sprechen keinem ins Gesicht, nur selten und dann jählings hob sich das eine Lid ein wenig, und ein schielender Blick schoß über den Gast hinweg. Das war das Unheimlichste an dem unheimlichen Kerl.

Der Sultan sagte bescheiden, daß er einen einzigen, aber guten Zahn habe, den er für eine Last Salz verkaufen wolle. Man gab ihm natürlich nicht die Hälfte. Dann hatte er am andern Tage noch einen und so weiter einen letzten und allerletzten Zahn, um endlos zu feilschen und einige Lot Salz herauszuschlagen.

Ein Träger der Deutschen verschwand auf rätselhaft spurlose Weise. Doch Desertionen kamen ja vor. Wenn die Schulter von der Last wund gescheuert ist, drückt sich der Neger, der nicht weiter als bis übermorgen denkt. Ein zweiter Träger fehlte beim Appell und wurde nie gefunden. Man glaubte, daß der Kerl sich in eine Wadukaschönheit verliebt und sich versteckt habe.

»Eierkuchen« fühlte sich gar nicht wohl und zitterte: »O Bana, Bana, wäre ich nicht betrunken gewesen, sondern bei den Askaris geblieben! Wir werden alle gefressen werden, die Träger sind heimlich abgestochen worden. Sie lachen und schwatzen viel von schönen Schweinsschinken und Karbonaden, obgleich sie keine Borstentiere haben ... sie meinen uns... ich kann nicht schlafen und nicht essen vor Angst.«

Der Häuptling wollte für seinen allerallerletzten Zahn fünfunddreißig Pfund Salz haben und bekam achtundzwanzig. Da berechnete Erb von Erbenheim die ungeheuren Prozente des Geschäfts, das ein Pfund Elfenbein für ein halbes Pfund Kochsalz eintrug und träumte von großen Summen und Schätzen und spürte jenen Hunger nach dem Golde, dem Götzen, den die blöde Masse anbetet, und dem auch die Besten ihre stille Reverenz machen. Darum legte er den Gemahlinnen des Sultans – Ndofu hatte zehn Stück – Perlen und bunte Tücher vor und als Köder hin, damit sie seine Helferinnen und ihres Gatten Quälgeister würden.

Ndofu, den die Seufzer seiner Schönen völlig kalt ließen, seufzte den Weißen sein Leid vor: »Ach, ich bin arm. Meinem Nachbar, dem Hund von Sanhabe, habe ich alle, alle Zähne als Tribut zahlen müssen ... ihr könnt aber einen Berg von Elfenbein haben, wenn ihr meinen Rat befolgt. Ihr habt viele Flinten und sehr viel Mut. Zieht mit mir in die Schlacht, besiegt und tötet den Sanhabe, den die Schakale fressen sollen, so sollt ihr die eine Hälfte seines Elfenbeins haben, und ich die andre. Der Räuber Sanhabe hat schwere Zähne, die kein Mann trägt, hat so viele Zähne, wie zehn Männer Finger an Händen und Füßen haben.«

Zweihundert Stück! In Daressalam ein Reichtum! Jeder Araber und mancher Abenteurer aus Europa hätte das Geschäft gemacht und den Pakt geschlossen. Die Deutschen aber lehnten das Ansinnen, als Söldner des schwarzen Tyrannen ein Negerdorf zu massakrieren, kühl ab. Der Despot bot mehr und wollte sich mit einem Viertel der Beute begnügen. »Sanhabe hat durch arabische Flinten und Händler mich besiegt, ich will ihn mit Hilfe der Weißen zu einem toten Sultan machen.«

Am Spätabend schlotterte »Eierkuchen« ins Zelt und stotterte leichengrau: »Ich bin halbtot... ich kroch unter die Rizinusstauden, wo sie am Feuer schwatzten. Bana, was hörte ich! Der Teufel grinste: Wenn sie uns den Sanhabe getötet haben, werden wir den Weißgesichtern alles, Salz und Elfenbein, abnehmen. Sie wieherten, und der dicke Ratgeber machte grauenhafte Witze ... ich kann es nicht sagen .. .

»Willst du wohl sprechen!«

»Bana Bunduki sei ein verdammt magerer und trockner Weißfisch, den müsse man ein paar Tage an den Baum hängen, bis er weich geworden, und dann in Sauer kochen ... o, ich fühle schon das Messer an meiner Halsschlagader. Laßt uns laufen!«

Die beiden Deutschen lagen im dunklen Zelt und berieten sich. Die Verwegenen beschlossen, Sanhabe zu besuchen, noch in dieser Nacht aufzubrechen und ohne Abschied Ndofus Land zu verlassen. Ein dreistündiger Marsch brachte sie über die Grenze des Dorfkönigreichs.

Fatima trat neben ihren Herrn und flüsterte: »Schenke mir das lange, spitze, auf beiden Seiten scharfe Messer, damit ich eine Waffe habe, wenn ... o, versprich mir, daß du mir eine Kugel ins Herz schießen wirst, wenn die Menschenfresser ... ich werde dich ansehen und ganz stille halten.«

»O, ich hätte dich nicht mitnehmen dürfen in diese Gegend und Gefahr.«

»Nein, dein Gewissen ist weiß, denn ich wäre dir doch nachgelaufen, ich aber habe ein schwarzes Gewissen, denn beim Aufbruch vom See bat ich den Allah der Christen, daß er dich in eine große Gefahr bringen möchte, damit ich dir meine große Liebe beweisen könnte. O, ich bin schlecht...«

»Nicht dein törichtes Gebet, sondern meine Gier nach Elfenbein hat mich hierher gebracht.« Er streichelte ihr Haar und gab ihr das Dolchmesser als Waffe. –

Sanft wogende Mais- und Hirsefelder erfreuten das Auge, wie ein Zeichen des Friedens und der Gesittung. Es ist erstaunlich, daß solche Flächen von fünfhundert Hektar mit der armseligen Hacke urbar gemacht und bestellt werden, und ein Zeugnis vom Fleiße der Neger, richtiger, der Negerinnen. Nur Frauen schwitzten auf dem Felde. Das Dorf war sehr stark bevölkert. In der Mitte lag die Boma, die Negerburg mit ihren Menschenschädeln. Aber das Haus des Sultans entzückte die Händler durch seine originelle Einzäunung – zwölf der schönsten Elefantenzähne waren als Pfähle in die Erde gerammt und dienten als Zaun. So wenig achtete man das kostbare Gut? O, nein, Sanhabe kannte wohl den Wert des Elfenbeins, wollte aber protzen und prahlen.

Der Negerhäuptling Sanhabe war ein Riese, eine fleischige, massige Zyklopenfigur mit einem wulstlippigen, widerlichen Gesicht und nur einem Auge. Über die leere Höhlung des andren hing ein schwarzer Lappen. Seine etwas heisere Stimme sprach wenig, aber bei jedem Wort zitterten seine Untertanen, denen er meistens nur durch Kopf- oder Fingerbewegungen Befehle erteilte. Ein abstoßend häßlicher, unsympathischer Herr war dieser schwarze Despot, den seine Leute »Mein Herr und Löwe« titulierten. Alles gehörte ihm als Eigentum, alle Untertanen waren seine Sklaven, die er nach Willkür trat und tötete. Als Krone balancierte auf seinem Haupte ein ausrangierter, viel zu kleiner Kaufmannshelm, ein steifer Filzhut, ein Trabant hielt mit einem sogenannten Familienparapluie die Sonnenstrahlen, ein andrer die Fliegen vom geheiligten Leibe des Dickwanstes fern. Ein Seidenschal diente als Schurz, ein Löwenfell fiel von der Schulter über den Stiernacken und Hippopotamusrücken hinab.

Jobst breitete seine Gaben aus. Der Sultan untersuchte wie ein Sachverständiger die Flinte, die seinen Beifall fand; denn er gab ein Zeichen... ein großer Zahn wurde vor den Weißen hingelegt. Das war ein anständiges Gegengeschenk und Sanhabe wenigstens kein Knicker. In noch einem Punkte unterschied er sich vorteilhaft von seinen schwarzen Thron- und Kronkollegen. Ohne die endlosen Weitschweifigkeiten des Negerpalawers äußerte er kurz seine Absicht, zehn Lasten Salz zu kaufen, und befahl den Weißen, sofort den niedrigsten Preis zu nennen. Der Pfadfinder war nicht blöde geboren und sagte ruhig: »Zehn Zähne.« Wahrhaftig, zehn Zähne wurden ohne Feilschen durch ein Kopfnicken bewilligt, so daß dem Verkäufer die Sache fast nicht geheuer schien.

Noch ruhiger sprach Sanhabe: »Ja, zehn Zähne, aber du mußt dir sie holen.«

»Au! Aus dem Maule der Elefanten, die im Kongo frei herumlaufen, soll ich die Zähne herausziehen... eine etwas schwierige Zahnoperation, aber ein guter Witz, mein lieber Sultan!«

»Nein, an den Zähnen sitzen keine Elefanten. Siehst du den Verhau dahinten? Darin stehen die Zähne, und du darfst dir zehn davon nach deiner Wahl nehmen, aber du sollst es selbst und allein, ohne Büchse und Waffen machen ... das ist die einzige Bedingung. Bist du einverstanden, so mußt du nach unsrer Sitte in meine und ich muß in deine Hand spucken, damit der Handel heilig sei.«

Sanhabe hatte im Munde den Speichel bereit. Aber Jobst witterte eine Fuchslist. »Ich bin ein alter Esel, der keine Katze im Sack kauft. Ich will mir das Zahnlager mal besehen, ehe ich den Handel bespucke und beschließe.«

Er stand bald vor dem drei Meter hohen Kral, der aus tief eingerammten, durch Querbalken und Streber verbundenen Baumstämmen bestand, einen Kreis von hundert Metern Durchmesser bildete und weithin einen infernalischen Gestank ausströmte. Fingerbreite Ritzen gestatteten einen Einblick. Jobsts Augen wurden immer runder und greller. Mitten im Kral stand auf Pfählen ein Rohrdach, und in dem offnen Raum waren mindestens zweihundert der schönsten und schwersten Zähne neben- und übereinander wie weiße Holzscheite zu einem Elfenbeinhügel, der in Bagamoyo unter Brüdern zweihunderttausend Mark wert war, geschichtet. Dem Alten wurde ganz schwindlig und feierlich zu Mute; eine solche Masse Elfenbein hatte er noch nicht beisammen gesehen. Donnerwetter, das würde ich mir holen, selbst wenn ein zehnköpfiger Lindwurm oder der Teufel mit seiner Großmutter den Schatz behütete.

Unten an seiner Stiefelspitze schnoberte es. O, ein männlicher, mächtiger Löwe jappte und schnappte nach dem bloßen Menschengeruch. Nicht Lindwürmer, sondern Löwen waren die Schatzwächter. Jobst wich unwillkürlich vor dem heißen Atem des Raubtiers zurück. Noch ein Löwe und zwei Löwinnen, die meistens grimmiger und angriffslustiger als ihre Gatten sind, schlichen auf Katzensohlen mit glühenden Lichtern und zitternden Lefzen an der Holzwand entlang. Die mageren, ausgehungerten Bestien mit den dünnen, bebenden Flanken und den hohlen Köpfen erhielten ein Minimum an Kaldaunen und Fleischabfällen – die der Neger gern selbst verschlingt – und kaum genug, um das Leben zu fristen. Ein wütender Heißhunger peinigte die Tiere, die hoch gegen die Pallisadenwand sprangen und bösartige Menschenfresser waren. Sanhabes Elfenbein war besser als in der Stahlkammer einer Bank gegen Diebe geschützt in diesem mit Raffinement ausgeklügelten, grausig stinkenden Schatzhaus.

Der Häuptling stand hinter dem Weißen und schielte spöttisch: »Hast du die zehn Zähne – drüben links stehen die schwersten – noch nicht geholt?«

»Mit meiner Büchse will ich in fünf Minuten drinnen sein.«

Ein wilddrohender Blick schoß aus dem Zyklopenauge. »Du würdest des Todes sein, denn die Löwenwächter sind heilig und unverletzlich.«

»Aber verdammt hungrig und fast nur Haut und Knochen. Die armen Bestien erregen mein Mitleid.«

Mit Seelenruhe erklärte Sanhabe: »Ich regiere streng, aber gerecht und habe wohlerzogene Untertanen... seit ein paar Wochen haben wir keinen Ungehorsamen und keinen Dieb gehabt, darum müssen die Wachlöwen ein bißchen fasten... die Verbrecher meines Landes nämlich werden ihnen vorgeworfen, wenn...« Er verschluckte den Rest und tat sich offenbar viel zugute auf diese von ihm eingeführte, praktische Staatsinstitution und Strafjustiz.

Jobst öffnete die Torklappe, durch die das Futter geworfen wurde, und konnte von dem herrlichen Elfenbeinhügel das Auge nicht losreißen. »Sind da zweihundert Stück?«

»Haha, gefallen dir meine Zähne, davon ich zwölfmal so viele habe als Finger an Händen und Füßen.« Sanhabe spreizte die Hände, die seine Rechenmaschine waren, wurde jovial und tätschelte mit seiner schmutzigen Riesentatze den Arm des Pfadfinders. Er stutzte. »Ei, du hast aber Knochen und Muskeln.«

»Ja, mit mir und meiner Büchse ist nicht zu spaßen.«

»Ich scherze auch nicht, es ist blutiger Ernst, was ich sage. Mein Freund, zehn Stück, keins unter siebzig Pfund, sollst du dir selbst herausholen für dein Salz, nachdem wir die heiligen Löwen durch vorgeschobene Stangen von dieser Hälfte des Zwingers abgesperrt haben. Siehe, so wird's gemacht.«

In der Pallisadenwand und in dem gegenüberliegenden Pfosten der Hütte waren runde, tiefe Löcher. Von draußen schob man lange Stangen hindurch, balancierte sie, bis man das Loch im Pfosten traf, und so entstand hüben und drüben im Kral ein mannshohes Gitter, das den Zwinger in zwei Hälften teilte. Vorher lockte man die Löwen durch einen Fraß aus dem Raume heraus, den man betreten wollte.

Sanhabes Miene war harmlos, seine Stimme klang herzlich. »Was soll ich mit den alten Elefantenknochen, die hier alt und stockig werden! Ich weiß wahrhaftig nicht, warum die Weißen um den Dreck sich reißen. Du hast viele schöne Sachen, auch Flinten und Patronen, mitgebracht. Wir werden noch einen Haupthandel machen... und der meiste Dreck da wird dein Eigentum werden. Fort mit Schaden!«

Bei dem pfiffigsten Kaufmann geht bisweilen die allzu heiße Gier mit seiner kühlen Klugheit und kalten Menschenkenntnis durch. »Ich gebe fünfzehn Salzlasten für zwanzig Zähne.«

»Gewiß, wir werden leicht handelseinig. Du holst dir dann auf einmal alle Zähne, die du haben sollst. Warum sollen wir die Simbas zwei-, dreimal absperren, was sehr mühsam ist? Der Mensch muß verstehen, mit möglichst wenig Arbeit auszukommen.« Ein rechter, echter Negergrundsatz!

Der alte Afrikaner jedoch argwöhnte eine Hinterlist und sagte: »Ja, mein Freund, erst die Zähne und dann das Salz und die andren Sachen!«

»Was heißt das?« Der Sultan zog die Braue hoch.

»Das heißt Ware um Ware, Zug um Zug und ist die erste Sure in meinem Geschäftskoran.«

Sanhabe ließ sich keinen Verdruß merken und bewirtete die Fremdlinge aufs beste. Dafür wollte er alle Tauschartikel der Europäer besehen, befühlen und beschnüffeln. Ein alter, ausrangierter Husarendolman stach ihm besonders in die Augen und sollte sein Königsmantel werden; auch Rum für sich und Schmuck für seine Frauen begehrte er. Jedoch die Hinterlader waren sein Höchstes, darauf war seine Seele versessen, stundenlang betrachtete er den Mechanismus eines Martinigewehrs, wie ein Verliebter. Der schwarze Barbar besaß viel natürlichen Verstand und sagte: »Was wäret ihr Fremdlinge ohne die Flinte? Wenn ihr nicht das Schießrohr hättet, wären wir die Stärkeren und die Herren und ihr die Knechte. Dieses knallende, rauchende Stück Eisen ist allein eure Macht, Kraft und Kunst, ist der Blitz, den ihr schleudert, und der euch zu Göttern macht.«

»Ja wohl, dieses Eisenrohr ist der ganze Witz, ist der Herr und Lenker der Welt und Weltgeschichte geworden.«

Der Pfadfinder, den der Elfenbeinberg wie eine Vision verfolgte, suchte die entbehrlichen und natürlich nicht die besten Hinterlader zusammen.

Der Sultan prüfte genau Lauf, Schloß, Visier und jeden Bestandteil, lud und schoß. Jobst sah mit Unbehagen, daß der Kerl ein Schütze war und ein Huhn von der Gasse wegputzte. Ein nackter Knabe lief aus einer Hütte und grapste das noch zappelnde Hühnchen. Als der Bursche sich bückte, zielte Sanhabe und schoß präzis ins Zentrum der hinteren Backe, die als schwarze Zielscheibe diente. Der Schütze lachte unbändig über seinen Treffer und das gräßliche Gebrüll des Bengels, der seine blutige Backe hielt, aber nur einen Streifschuß hatte. Das sind so die kleinen Königsscherze einer afrikanischen Majestät von Gottes Gnaden oder Gottes Zorn.

Jobst forderte hundert der besten Zähne für seine zehn Hinterlader. Als er sah, daß Sanhabe keinen Wutanfall bekam, hielt er mit wahrer Charakterstärke daran fest, daß er alles in allem hundertunddreißig Zähne haben müsse für Flinten, Salz und andere Sachen. Der Häuptling bewilligte schließlich den geforderten Preis mit den wegwerfenden Worten: »Nimm die alten Elefantenknochen!«

Erb triumphierte auf deutsch: »Glatt bewilligt!«

Hm, hm! Das allzu glatte Gelingen war dem erfahrenen Afrikaner das einzig Bedenkliche bei dem Geschäft.

Der junge nahm sein Notizbuch und rechnete. Der Profit stellte die berühmten Apothekerprozente in den Schatten. Waren die Zähne bis zur Küste transportiert, so hatte man totsicher hundertzwanzig- bis hundertdreißigtausend Mark in der Tasche. Freilich, der Weg war einige tausend Kilometer lang, und die Trägerkosten verschlangen zwanzigtausend Rupien.– – –

Am Morgen hieß es, ein Staatsverbrecher sei erwischt und solle exekutiert werden. Der Armesünder war ein Krüppel, der ein ungeheures, dreimal zu dickes Elefantenbein schleppte und an der fürchterlichen Elephantiasis litt. Die Deutschen wurden geladen, dem Schauspiel beizuwohnen, und merkten bald, daß der Sultan, um die Größe seiner Macht und die Güte seiner Staatsinstitutionen zu zeigen, einen Verbrecher künstlich sich verschafft habe. Die schwarze Majestät beschuldigte, scheinbar ohne Eifersucht und in guter Laune, diesen Untertan des schwersten Verbrechens, des crimen laesae majestatis, nämlich daß der mißgestaltete Neger zu einer der königlichen Ehefrauen unerlaubte Beziehungen unterhalten habe. Die Dame mußte allerdings einen perversen Geschmack besitzen, wenn sie sich in diesen Klumpfuß vernarrte, sie bezeugte aber mit frechem Lächeln, daß die Todsünde begangen sei. Der Unglückliche kroch und winselte: »Mein Herr und Löwe! Ich bin häßlich, sehr häßlich und ein Abscheu allen Frauen... wie sollte dein hübsches Weib mich erwählen!« Die Verteidigung war sehr einleuchtend, und der Ärmste ein harmloser Mensch, aber auch ein unnützer Esser. Sanhabe stieß den Heulenden mit dem Fuße fort: »Du Scheusal, beweise deine Unschuld! Beweise sie durch das Gottesurteil des Bechers!«

Erb war tief empört über diese grausame Willkür, aber außerstande einzuschreiten.

Der Zauberer des Wadukastammes, eine Kreatur Sanhabes und mit dem Sultan im Einvernehmen, kam mit einem vollen Holzbecher, der ein strychninartiges Gift enthielt. Fiel der Delinquent in zwei Minuten in Krämpfen hin, die mit kurzer Bewußtlosigkeit endeten, so war seine Unschuld bewiesen. Fing er aber an zu würgen und das Getränk zu erbrechen, so fehlte ihm nach einer Viertelstunde nichts mehr, aber er war schuldig gesprochen. Dieses afrikanische Gottesurteil war kein finstrer Wahn, sondern teuflische List und Tücke, denn der Fetischmann konnte die Wirkung, die eintreten sollte, vorher bestimmen, dadurch, daß er den Gifttrank mehr oder weniger stark braute, was der satanische Witz bei der Geschichte war. War die Dosis stark genug, so trat vorübergehende Krampfstarre ein, war sie zu schwach, so wirkte das ekelhafte Zeug nur als Brechmittel.

Der unselige Neger schlotterte, schluckte und verschüttete in seiner Todesangst noch einiges, was die Wirkung abschwächte und ihm zum Nachteil gereichte. Sanhabe saß in seinem Husarendolman und weidete sich an der Menschenqual.

»Er ist eine Bestie,« flüsterte Erb und ging fort, um nicht in seiner Empörung eine Torheit zu begehen.

»Soll der Ehebrecher den Löwen vorgeworfen werden?« fragte Jobst.

Der Sultan zögerte und log: »Morgen erst ... morgen werdet ihr sehen, wie die Simbas seine Knochen lecken.«

Der Zauberer half ihm: »Der Körper des Gerichteten muß erst geweiht werden für die heiligen Löwen.«

»Hm, hm, wird er lebendig in den Kral geworfen?« sagte der Alte lauernd.

»O nein, er wird sofort gerichtet.« Sanhabe war sein eigner Henker und schlug mit einem Schwerthieb den Kopf des Delinquenten ab. Der arme Kerl bekam wenigstens einen schnellen, leichten Tod. Der enthauptete Körper – Jobst entsetzte sich – wurde sofort aufgebrochen – wie ein Stück Wild.

Der junge Deutsche hatte der Hinrichtung nicht beigewohnt. Sein Oheim trat ins Zelt, und der stahlharte Mann, der einen Stoß vertrug, war blaß und hatte greuliche Vermutungen. »Mir wird schlecht, gib mir ... keinen Alkohol ... nee, nur einen Fingerhut voll Kognak! Wir sitzen mitten unter Kannibalen, ich fürchte, der Teufelssultan hat sich einen Untertan abgestochen, um ihn zu braten ... die Löwen werden nur die Knochen kriegen.«

Ein eisiger Schauder lief über Erbs Rücken, obwohl er weder ein Feigling noch Weichling war.

Fatima hatte Unrat gemerkt, knixte vor ihrem Bana und umklammerte seine Hand. »Mein hoher, lieber, teurer Herr, ich hatte böse Träume, schreckliche Träume. Laßt uns in der nächsten Nacht fliehen, wie bei dem Häuptling Ndofu, laßt uns rennen und die Feuer brennen lassen! Diese Wilden sind nicht Menschen, sondern Tiere. Das Scheusal Sanhabe sieht mich mit seinen gräßlichen Augen an, flötet – ei, du hast feines, zartes Fleisch – und will mich fressen, ja fressen ..«

»Mein Kind, sein Wohlgefallen wird nicht die Eß- und Freß-, sondern eine andre Lust sein. Wir haben dich aus den Händen des Wahagorilla gerettet und werden dich beschützen.«

»Es ist ja nicht mein bißchen Leben, darum mir bangt ... du, mein lieber, hoher Herr, du bist unter diesen Teufeln und Tieren, um dich leide ich Angst ... ich habe ja das Messer ... das Scheusal wird in der Sekunde, wo es mich berührt, wie ein Schwein gestochen, haha!« Das wilde Naturkind war erwacht, fuchtelte mit dem Messer und zerrte Erbenheims Arm. »Fort aus dieser Hölle! Du, du darfst nicht sterben, mein guter, stolzer, starker Bana Simba ... fliehe in der Nacht!«

»Ein rechter Mann flieht ungern, Fatima ... wir werden morgen oder übermorgen marschieren, wenn wir die Abrechnung erledigt und die Zähne erhalten haben.«

»Was sind uns die elenden Knochen! Dein Leben ist mehr wert als tausend Zähne und kostbarer als alles Elfenbein Afrikas.«

»Ich will morgen auf Abrechnung bestehen und nach vierundzwanzig Stunden aufbrechen.«

»O, ich soll vierundzwanzigmal vor Sorge um meinen Bana sterben?«

»Wir können unmöglich hundertunddreißig Zähne, ein Vermögen, fahren lassen.«

Fatima legte die Hände quer über den wogenden Busen. »Ich bin deine gehorsame Dienerin. Sterben wir, so sterben wir ... und ich darf mit dir sterben.«

»Wir haben zweiundfünfzig gute Gewehre, und die zwei davon zählen für zwanzig.« Der Deutsche wollte ihr kleines, treues, aber auch sein klopfendes Herz beruhigen.

Weit draußen vor dem Dorfe lag, wie stets, das Lager der Weißen, die bis tief in die Nacht hinein das Getrommle und Getanze und Gejuchze der Neger hörten. Die Waduka feierten ein Fest, von dem sie nichts gesagt. Das war sehr verdächtig.

Der Pfadfinder horchte, rauchte ruhig weiter und bemerkte beiläufig: »Ich will mal zum Spaß die Kerls beschleichen und bei ihrem Amüsement belauschen.«

»Ich gehe mit,« sprach Erb energisch. »Klar sehen schützt am besten vor einer Katastrophe.«

Der junge Deutsche hatte das lautlose, ausdauernde Heranschleichen auf Händen und Knien, das eine höllische Anstrengung ist, gelernt. Kein Zweig knackte, kein Stein knirschte, kein Halm raschelte. Beide krochen unter den Bananen.

Kein Köter schlug an. Das wahnsinnige Trommelgerassel und Getobe der Neger, die ganz ihrer Orgie sich hingaben, war infernalisch. »Wir können ruhig hinter die Rizinusstauden treten,« flüsterte der Alte.

Der freie Platz vor der Boma war von einem mächtigen Feuer grell beleuchtet. Erb erblaßte vor Abscheu. Welch ein Höllenbreughel! Nackte Teufel tanzten trunken im roten Flammenschein. Aus großen Pombekalebassen schöpften obszöne Megären, andere Weiber tanzten und torkelten. Puh! Ein brenzliger Gestank von halbverbranntem Menschenfleisch, vermischt mit den Negerausdünstungen, stieg in die Nase. Die Schwarzen hielten ein schauerliches Kannibalenmahl; einige rissen das halb geröstete, rote Fleisch mit den Tigerzähnen von den Knochen; andre rülpsten sich übersatt und spülten mit Bier nach. Sanhabe saugte das Mark aus einem Hüftknochen und hatte den Löwenanteil bekommen, wie die vielen Knochen neben seinem Sitz bewiesen. Die schwarze Majestät war heiter und humorvoll, wollte Monarchenwitze machen, warf die Knochen seinen Ministern an die Köpfe und amüsierte sich königlich. Der Kriegsminister wischte sich die blutende Nase und lächelte devot als vollendeter Höfling: »Vorzüglich getroffen, mein Herr und Löwe!« Der dicke Justizminister hatte im Nu eine Beule am Kopfe und brüllte: »Au, au, mein Herr König!« Und der Minister für Kultus, geistliche Angelegenheiten und Zauberei, der den Giftbecher mischte und die Gottesurteile machte, wurde vom Knochen so unglücklich getroffen, daß ihm das eine Auge auslief. Und Sanhabe wieherte, wälzte sich vor Lachen. »Haha, nun hat der Kerl nur ein Auge wie ich. Was?« lallte er, von einer genialen, betrunkenen Idee gepackt, »bin ich nicht Herr und König? Wenn ich allen das eine Auge ausschlage, wenn ich befehle, daß alle in meinem Reiche fortan nur ein Auge, wie ich, haben dürfen? Haha! Ich ordne es an und haue allen das linke Auge aus.« War eine großartige Despotenidee.

Da wurde die tobende, tolle Bande mit einem Male mäuschenstill, die Angst vor der königlichen Augenoperation kroch über ihre Sklavenseele, einige drückten sich ins Dunkel, andre baten: »Trinke heute, Herr und Löwe, und haue morgen die Augen aus!«

Horch! Was hörten sie in der plötzlichen Totenstille? Was war das? Erb hatte gesehen, wie ein Weib das Fett behaglich leckte. Uhuhu! Seine Eingeweide kehrten sich um, der Ekel stieg ihm bis in den Hals ... er mußte sich erbrechen. Das verriet ihn und den andren Zuschauer. Die Bande hörte es und heulte: »Dort sind die Weißen.«

Jobst hatte eine ungeheure Geistesgegenwart in diesem kritischen Augenblick und flüsterte: »Nicht die Büchse! Im Notfälle setze ich sie dem Häuptling auf die Brust. Tue, wie ich!« Er markierte und mimte den Angetrunkenen, machte ein dummes, gaffendes Gesicht und sogar ganz hündische Augen, schwankte mitten auf den Platz vor Sanhabe hin und lallte: »Mein l–lieber L–löwe, wir r–rochen dein B–bier ... h–hast du nicht einen Schl–schluck für einen al–ten und einen j–jungen F–freund?«

Sanhabe schielte und sah, daß die Weißen ihre gefürchteten Flinten, er aber samt seinen Leuten keine Waffen habe. Auch befand er sich in Bierlaune, spielte den Leutseligen und bat die Weißen Platz zu nehmen.

Diese schlugen, wie die Neger, die Beine unter und tranken Pombe, nachdem sie den Aufwärter hatten kosten lassen.

Der Sultan leckte sich die Rübenfinger ab, verzichtete auf jedes Versteckspiel und schmunzelte treuherzig: »Der Ehebrecher hatte nette Lendenstücke und einen fleischigen Rücken. Infolge der Surra krepierten alle unsre Rinder, unsre Eingeweide schreien nach einem Stückchen Fleisch. Darum brieten wir uns – das begreift ihr – ein Stückchen ... o es schmeckt zart und süß, ich sage dir, süß und sanft, wie junger Zickleinbraten, ja wie Spanferkel zerschmilzt es im Munde. Ihr sollt es mal kosten ... ich habe mir einen Schinken für mein Frühstück aufgehoben ... es wird euch munden ... wer einmal davon gegessen hat, dem ist es das leckerste und liebste Gericht.«

Uhu – puh! Erb schüttelte sich vor Schauder, tat, als wenn das viele Bier einen Ausweg nach oben suche, und entfloh dem Greuel, aber mit torkelndem Gang, um nicht aus der Rolle zu fallen. In der Nacht schloß er kein Auge, am Morgen war er außerstande, einen Bissen herunterzuzwingen. Der alte Afrikaner hatte stärkere Nerven und einen abgehärteten Magen, blieb eine Weile sitzen und flunkerte im Zelte mit kannibalischem Humor, daß sie ihn genötigt hätten, bis er aus Höflichkeit ein Stückchen Kluftschale heruntergewürgt habe.

Hatte die Dirne draußen gehorcht und diese Aufschneiderei gehört? Ganz weiß im Gesicht kam sie herein und legte sich zu den Füßen des Herrn, der sie streichelte. »Mein Kind, ich schütze dich, und im alleräußersten Falle sind meine zwei letzten Kugeln für dich und mich.«

»O, ich hatte einen Traum, ich lag weiß und still und meine Brust war rot, und du küßtest mich ... nun weiß ich, daß ich sterbe ... mein lieber Bana, darf ich sprechen? Ja? Ich bin dein, ich bin du und in dir, und Fatima ist nicht mehr. Darum wird Fatima für dich sterben, aber du darfst nicht getötet werden. Küsse mich, mein Bana, küsse mich ein einziges Mal, ich bitte dich.«

Und Erb küßte ihre Stirn.

Der Alte kam darüber zu, kaute und knurrte: »Übel gewählt ist die Zeit und der Ort, um einen Harem zu gründen. Ich will dem Schuft die Pistole auf die Brust setzen.« Er meinte den Sultan, von dem er heute mit aller Energie die Auslieferung des Elfenbeins forderte.

Die Stunde war ungünstig, denn Sanhabe hatte einen Mordsjammer und suchte durch faule Ausflüchte Aufschub zu erlangen.

Jobst zündete gemächlich seine Pfeife an. »Dein Handel war also ein Scherz ... gut, wenn die Sonne dort steht, marschieren wir weiter mit unsrem Salz.«

»Es ist mein blutiger Ernst. Kaufe mir den ganzen Plunder ab, den Rest der Knochen für zwanzig Flinten!«

»Nee, wir haben keine Flinten...«

»Warum lügst du, da wir zweiundfünfzig Rohre gezählt haben.« Der Häuptling verredete und verriet sich, seine Späher hatten also genau die Zahl festgestellt.

Das machte den alten Afrikaner noch mißtrauischer und vorsichtiger; er sagte deutlich und mit indirekter Drohung: »Wir brauchen unsre Waren, um Speise zu kaufen, und unsre Gewehre, um unsre Feinde zu töten. Ich habe mit dieser Büchse dreiundvierzig Löwen, siebenunddreißig Elefanten, unzählige Krokodile und zweihundert Feinde erschossen.« Das war das erste Mal in seinem Leben, daß Jobst Renner mit seinen Schießresultaten renommierte.

Sanhabe schielte mit einem langen Blick nach seinem Vertrauten hin, dem er befahl, die Löwen abzusperren. »Um drei Uhr ist alles fertig... wir müssen ein paar Holzstangen, welche die hungrigen Bestien – man muß sie kurz halten, denn eine satte Katze maust nicht – halb aufgefressen haben, durch neue ersetzen. Die Löwen sollen doch nicht mit deinen Knochen spielen.« Der Sultan klopfte Jobst auf den untersten Teil seines Rückens und witzelte: »Ei, ein paar schöne Schinken, die ihnen schmecken würden!«

Der Pfadfinder antwortete, aber auf deutsch: »Die würden dir selber munden, du Scheusal! Prost Mahlzeit, wir passen auf.«

»Was redest du da?« fragte der neugierige Neger.

»Es ist ein Zauberspruch in der Sprache der Geister, der mich gegen Kugeln, Eisen und Zähne gefroren macht.«

Der abergläubische Sanhabe erschrak, überlegte einen Augenblick und fragte verschmitzt: »Darf ich's mal versuchen und auf dich schießen, da du kugelfest bist? Möchte es mal sehen, und dir schadet es ja nicht.«

O weh, was nun? Jobst wurde gar nicht verlegen, sondern rief: »Gewiß und gern! Hole deine Flinte und schieße auf mich! Flink! Aber wenn du nicht triffst, muß ich schießen, kraft des Zaubers... ich kann es beim besten Willen nicht lassen... meine Bunduki geht los... das ist der einzige Übelstand bei meinem Fetisch.«

Der Sultan holte seine Büchse nicht und schielte nachdenklich. –

Der Pfadfinder aß an dem Mittag seine gehörige Ration Reis und Huhn und hielt den üblichen Mittagsschlaf, während sein Neffe vor Aufregung keinen Appetit hatte. Der Alte fühlte im Halbschlummer, daß ihm seine große Zehe schändlich gekniffen werde, und fuhr mit einem Fluch in die Höhe. Der Exaskari, der überall seine langen Ohren weit auf und ein möglichst blödes Gesicht machen sollte, hatte geweckt. »Was ist los? Du klapperst ja mit den Zähnen, mein lieber Eierkuchen?«

»O, o, Massa, wir werden alle gebraten und geröstet werden, wenn wir nicht laufen. Vor einer Stunde sah ich einen bestaubten, müden Neger ins Dorf kommen... darum guckte ich mir den Kerl näher an, das rechte Ohr fehlte ihm ... nun kannte ich den Burschen... es war ein Waduka, der den König Ndofu umwedelte. Wie kommt der Halunke hierher? Und was will er?«

»Sehr gut gefragt, mein Sohn!«

»Ich schlüpfe unter den Bananen durch, krieche an der Wand des Sultanhauses entlang und zwänge mich in den Reisighaufen, den die Weiber – o, um uns zu braten – gesammelt haben. Sanhabe und der Einohrige hockten unter dem kühlen Vorbau. Der Schuft ist ein Bote des Ndofu und log im Namen und Auftrag seines Herrn. Bana Bunduki habe seinem König ein Bündnis angeboten, um gemeinsam Sanhabe zu bekriegen, seine vielen Zähne zu rauben und unter sich zu teilen. Ndofu, sagte der Heuchler, ist zum Schein darauf eingegangen, sendet dir aber in Treue diese Warnung und will mit dir kämpfen, mein Herr und Löwe. Da grinste Sanhabe: Das heißt, Ndofu hat es mit der Angst gekriegt, daß ich stärker bin und ihn totschlagen würde, das ist seine Treue, die ich brav gebrauchen kann. – Nein, nein, lispelte der Waduka, mein Herr ist ausgezogen und in der Nähe, um für dich zu kämpfen, damit die weißen Räuber nicht dein Elfenbein nehmen. – Hat noch keine Not, lachte Sanhabe, die Weißgesichter werden keinen Elefantenknochen bekommen, sondern unsre Kinder werden mit ihren Knochen spielen. Der Einohr raunte süßlich: Für seine Treue wirst du meinem König den Tribut erlassen? Da kam ein Kind, um Reisig zu holen, so daß ich schnell herauskroch und mich stellte, als wenn ich beim Hosenkehren wäre.«

Der graublasse Eierkuchen fragte nach dem Bericht bescheiden: »Habe ich das gut gemacht, Bana?«

»Ja, recht gut, mein lieber Kitumbua.«

»Habe ich nicht mein Leben gewagt, um zu horchen, und einen Schluck Rum verdient, nur einen Geschmack Rum, um die schreckliche Angst wegzuspülen und mir ein bißchen Mut zu machen? Hab' ich nicht eine Flasche Rum verdient?«

»Ja, verdient hast du sie.« Des Exaskaris schwarzes Gesicht lachte und leuchtete trotz der Angst. »Verdient hast du zwölf Flaschen.« Eierkuchen schnalzte und sprang zwei Fuß hoch. »Aber kriegen wirst du keinen Tropfen Rum, weil wir alle einen klaren Kopf brauchen... hingegen Tabak sollst du haben, so viel du verpaffen kannst.«

Kitumbuas tieftrauriges Gesicht erhellte sich ein wenig, der Tabak war ein kleiner Tröster gegen die Furcht vor dem Gefressenwerden. Er qualmte wie ein rauchiger Ofen, um wenigstens seine letzten Stunden mit dem Genuß gründlich auszukosten. Das ist der waschechte Neger.

Sanhabes Minister kam selbst und meldete: »Der Zwinger ist durch ein starkes Gitter abgeteilt, die heiligen Wachlöwen sind in der hinteren Hälfte.«

Jobst gähnte naturgetreu, schlenderte gemächlich, instruierte leise seinen Neffen und seine Leute und untersuchte seine unfehlbare Büchse.

Sanhabe stand vor dem Löwenkral. »Du wirst nicht die leichtesten Zähne nehmen... verrenke dir nicht den Rücken!« Er lächelte wie ein boshafter Teufel, was er trotz seiner Schlauheit sich nicht verkneifen konnte. Der Pfadfinder lächelte auch, überlegen ironisch, und stellte Erb mit zwanzig bewaffneten Trägern draußen vor dem Kral hin, um Zug um Zug für jeden Zahn die Ware dem Käufer zu übergeben. Er schob den Riegel zurück und trat kaltblütig in den nie gereinigten, schauerlich stinkenden Raum. Vier beherzte Leute folgten ihm, griffen zu und klagten: »Bana, der Geruch ist Gift.« Das muß schon ein infernalischer Gestank sein, der einem Neger auf Nase und Nerven fällt.

Jobst nahm mit Kennerblick den besten Zahn – jetzt beim nahen Anblick der Elfenbeinpyramide strahlte sein Gesicht, und sein Herz klopfte –, der von Hand zu Hand ging. Die Löwen schnoberten hinter dem Gitter, jaulten, tobten und rissen mit ihren Zähnen und Krallen Splitter aus dem Holz. Sie kratzten sich die Tatzen blutig, bissen einander tiefe Wunden und waren in ihrem quälenden Heißhunger wie wahnsinnig geworden, da sie eine Fütterung erwartet hatten und Menschenfleisch rochen. Die armen Träger schwitzten vor Angst und schlotterten so heftig, daß sie einen Zahn zweimal fallen ließen.

Plötzlich wurden die Tiere stiller, krochen wie falsche Katzen auf dem Bauche und lugten mit grausam glühenden Lichtern durch jede Ritze des Gitters, auf der andren, von hier aus unsichtbaren Seite des Elfenbeinhauses.

Nun ging die Arbeit rasch vorwärts, die Zähne flogen von Hand zu Hand. Sanhabe schaute immer grimmiger zu, wie seine geliebte Schatzkammer ausgeräumt wurde, schielte wütend nach seinen Höflingen hin und brüllte: »Kuma, kuma!« Das war der Lockruf der Löwen, wenn sie die schlechtesten Abfälle der Kannibalenmahlzeiten bekamen. Die heimtückisch spähenden Bestien fingen bei dem Ruf, der ihre knurrenden Eingeweide in Aufruhr brachte, an zu rasen und am Gitter zu reißen. O, eine Schurkenhand hatte hinterlistig gearbeitet und zwei der Holzstangen in den Löchern so lose hingelegt, daß sie beim Anprall der Löwen herunterfielen.

Sanhabe hielt sich den Bauch vor Lachen. »Ohaohaoha!«

Ein entsetzlich hageres Raubtier zwängte sich durch den Spalt, sprang, den Rachen weit aufgerissen, und schlug den nächsten Träger, der keinen Laut von sich gab, nieder. Um so gräßlicher schrien seine Kameraden. Und Sanhabe wieherte: »Ohaohaoha!«

Der Afrikaner hatte die Büchse an der Backe, stand wie aus Erz gegossen und schoß. Auf dem vor Schreck ohnmächtigen Träger lag ein Löwe – ein toter, ins Gehirn getroffener Löwe.

»Kuma, kuma!« tobte der schwarze Zyklop und Satan, um seine gelben Höllenhunde auf Menschen zu hetzen. Die zweite Bestie setzte durch den Spalt, die dritte war mit dem Oberkörper hindurch, wurde aber zum Glück von dem letzten Löwen, der ihr aus Futterneid den Vortritt streitig machte, in die Hinterläufe gebissen, knurrte und wehrte sich.

Jobst zielte mit großer, sichrer Ruhe und tötete mit einem Tellschuß die Riesenkatze. Ach, nun war keine Kugel mehr im Lauf; der alte Held mit der berühmten Büchse schien verloren; denn der junge Deutsche durfte seinen Posten nicht verlassen, da der schwarze, triumphierende Teufel Miene machte, über das Häuflein draußen herzufallen. Der große Afrikaner rettete sich durch eine blitzschnelle, beispiellose Geistesgegenwart. Er schleuderte die Büchse dem durchkriechenden Löwen an den Kopf, packte einen langen, spitzen Zahn und stieß diesen Speer mit aller Kraft in den geifernden, fauchenden Rachen hinein. Das Raubtier fiel in den Zwinger zurück und röchelte schwerkrank. Der letzte Löwe verkroch sich feige.

Jobst schob schnell die Holzstangen in die Löcher und verschloß das Gitter.

Der Häuptling heulte wie eine Hyäne, schrie Befehle und wollte Erbs Häuflein morden und massakrieren. Ein äußerst kritischer Augenblick, da die Träger in ihrer Kopflosigkeit Reißaus nehmen wollten.

Kitumbua jedoch fluchte und fuhr sie an: »Wir werden alle gefressen, wenn wir nicht tapfer sind. Hier heißt es: Brav sein oder braten! Ihr Dummköpfe, Allah il Allah!« Die Ansprache und der Kriegsruf des Askari rettete die Situation. Die Kerle wollten doch lieber brav sein als braten und blieben stehen.

Eierkuchen legte auf die schwarze Majestät an, zielte auf das Zentrum der Fleischmasse und bleckte mit den spitz gefeilten Zähnen: »Die Waffen nieder, oder ich schieße Sanhabe in den Bauch, daß sein Wanst platzt!«

War auch eine sehr wirksame Rede. Der schwarze Berserker bat demütig und duckte sich. »Nehmt die Flintenläufe fort, damit kein Unglück passiert! Versteht ihr keinen Spaß? Ich wollte mal sehen, ob ich euch bange machen könnte ... aber die weißen Männer sind Löwen und sollen Sanhabes Herzensfreunde sein.«

»Aus purer Freundschaft hast du den Spalt offen gelassen...?«

»Hast du keine schlechten Diener?« fragte der Heuchler und fuhr einen Minister an. »Du lässiger Hund hast die Stangen nicht festgemacht und meine Freunde schwer gefährdet.« Um seine sittliche Entrüstung und seine schnelle Strafjustiz zu zeigen, schlug er den Minister mit dem Kolben auf den Kopf, daß der Schädel krachte und knackste.

Der Pfadfinder zog kaltblütig den Rock aus und nickte seinen Leuten zu, als wenn nichts geschehen wäre: »Wir arbeiten ruhig weiter.« –

Hundertdreißig der schönsten Zähne, die schon eine Seltenheit wurden und an die goldenen Zeiten der ersten Elfenbeinjäger erinnerten, lagen in langer Reihe vor dem Zwinger. Jobst betrachtete mit stiller Wonne die wertvolle Strecke. Sein Genosse aber hatte keine rechte Freude an dem Reichtum, sondern philosophierte: Wie viel rotes Blut klebt an jedem weißglänzenden Stück! Mit wie vielen Tränen, Todesschreien, Sünden und Scheußlichkeiten ist dieser Schatz erkauft worden! Wie viele Menschen hat der abscheuliche Despot hingemordet, um nur einen Zahn zu rauben, wie viele seiner Männer und Frauen hat der Tyrann, der seine Untertanen wie Fliegen totquetscht, unter die Holzgabel gesteckt und als Sklaven verschachert für ein einziges der hundertdreißig Stücke? Ruht nicht ein Fluch darauf? Mir graut, wenn ich die Rechnung mache.

Aus der Boma Sanhabes ertönte Wehklage und Gewimmer. Sanhabe schaute mit verzerrtem Gesicht seinem Schatze nach, tanzte vor Wut und berserkerte in seinem Hause. Er schlug seine vielen Gemahlinnen und Kinder grün, blau und blutig, krumm und lahm, und man hörte sein Getobe: »Schreien sollt ihr euch den Hals zu schanden, weinen sollt ihr euch die Augen aus dem Kopfe um meine schönen, schweren, herrlichen Zähne.« Despotismus und Wahnsinn wachsen auf einem Holz.

Die Deutschen fingen an einen Schuppen für Elfenbein zu bauen – um den Häuptling zu täuschen – und brachen nachts gegen zwei Uhr auf, um einen Eil- und Gewaltmarsch zu machen. Jobst ging mit langen Storchschlitten an der Spitze, während sein Neffe die Nachhut führte. Jeder hatte fünfundzwanzig Gewehre, meistens M. 71, die aber von Trägern gehandhabt wurden. Die Leute waren, da manche einen Zahn von 90 Pfund – eine unteilbare, viel zu große Last – tragen mußten, leider zu schwer beladen. Wenn der junge Afrikaner die keuchenden Neger ansah, redete eine leise Stimme in ihm: Ist es nicht der ewige Fluch der Goldgier, daß sie sich am toten Mammon zu Tode schleppt? Haben wir nicht durch unsre Gewinnsucht mehr als zweihundert Menschen in Gefahr, vielleicht ins Verderben gebracht?

Er ließ den Pavian Basse frei laufen, um durch die Possen des kleinen Hofnarren sich und alle zu erheitern. Fatima zeigte einen ungewöhnlichen Ernst, blickte immer wieder und eindringlich innig mit den großen, schwarzen Augen ihren Herrn an, so daß er fragte: »Was guckst du? Ist etwas Auffallendes an mir?«

»Ja, du bist ein auffallend großer und guter und stattlicher Bana, du kannst und sollst noch viel Gutes, Tapfres und Großes tun und fünfzig Jahre leben.«

»Wer nach Afrika geht, muß sein Testament machen ... hier geht der Tod auf allen Wegen.«

»Nein, du sollst nicht sterben! Darf ich an deiner Seite bleiben?«

»Gewiß, ich werde dich beschützen, solange ich einen Arm rühren kann.«

Das braune Mädchen lächelte eigentümlich vor sich hin – so war es nicht gemeint, sie wollte ihn mit jedem Blutstropfen verteidigen.

Sanhabe war der Safari, die sein Elfenbein, wie er schäumte, geraubt hatte, auf den Fersen, wagte aber nicht mit seinen achtzehn Hinterladern und fünfhundert Speeren einen Angriff. Er hatte immer die Regententugend oder Teufelei, andre für sich ins Feuer zu schicken, meisterhaft verstanden und Eilboten an Ndofu, der schon nahe war, gesandt.–

Die Sonne hatte offenbar Eile, zur Rüst und Ruhe zu kommen, und machte eilige Schritte. Die Safari schloß dicht zusammen und passierte die Furt eines Flusses und eine bedenkliche Schlucht. Die Parole war: Schleunig hindurch! Aber die Träger waren todmüde vom Marsche. Hier war, wie so oft in Afrika, die Falle, die der strategische Kopf des Negers benutzen wollte.

Die Spitze erhielt plötzlich kräftiges Feuer von einem unsichtbaren Feind, die Kugeln umpfiffen den horchenden, spähenden Pfadfinder, der sofort die Lasten als Deckungswall aufstapeln ließ und einen Mann zu seinem Neffen mit der Weisung sandte: »In dem Kessel können wir die Nacht nicht bleiben, ich werde von meinen Leuten die beherzten nehmen und den Rand erstürmen, ich vermute, daß Sanhabe eine Umgehung gemacht und sein Heer geteilt hat und auch dich bald mit einer Ehrensalve begrüßen wird. Du darfst keine Attacken machen, sondern nur jeden Besuch mit der Büchse dir verbitten.«

Erb hielt eine Ansprache an seine Träger: »Nur Standhalten, ruhiges Zielen, kaltes Blut kann uns retten, nicht die meiste Menge, sondern der meiste Mut wird Sieger bleiben, jede Feigheit und Flucht ist der unfehlbare Tod ... Askaris seid ihr...«

In den Schluß der Rede knatterte eine Salve. Der blutdürstige Besucher war da. Erb kannte nur zu gut den kurzen Knall und seufzte: Mit unsren eignen Hinterladern werden wir beschossen... die wir aus Geldgier verkauft haben! Eine Angst, nicht vor Menschenfeinden und Menschenbestien, sondern vor einem rächenden Schicksal und einer höheren Gewalt zuckte in seiner Brust. Mein Gott! sprach der Mann, der im Gefängnis Gott verlor.

Gott ist einer, ob sie ihm auch hundert Menschennamen und Menschengestalten geben. Der Führer rief, um seinen armseligen Trägern und Tagelöhnern Feuer in die Seele zu gießen: Allah il Allah! Die müden Kerle brüllten den Kriegsruf der Sudanesen: Allah il Allah! Die armen Teufel heulten wild und wollten rechte Askaris, Krieger und Helden sein; aber sie hatten leider kein Heldenherz, sondern eine Knechtseele und einen Heideninstinkt. In Deckung hielten sie sich brav. Wo es im Busch keuchte oder im Grase eine schwarze Schlange raschelte, schossen sie flink, und mancher Wund- und Weheschrei sagte ihnen, daß sie trafen.

Fatima raffte und bauschte ihr Gewand zum Sacke, kroch zwischen den Pulverlasten und der Feuerlinie hin und her und trug frische Munition zu. Erb streichelte ihre Wange: »Das ist zu gefährlich und keine Frauenarbeit... du wolltest doch bei mir bleiben. .. kusch dich nieder!«

»Nein, jetzt bin ich den Leuten unentbehrlich, denn, solange sie sehen, daß das Weib ein Mann ist, schämen sie sich, Weiber zu sein.«

Wenn das Flintengeknatter hinten auf der Höhe einmal verstummte, hörte man ein Klatschen und Kreischen. Sanhabe schäumte vor Wut und ließ die Lederpeitsche auf die nackten Rücken seiner Krieger niedersausen. »Ihr Hunde wollt nur bellen und nicht beißen, beißt sie, freßt sie! Das Fleisch der Weißen ist zart und süß, ihre Körper geben ein feines Siegesmahl. Freßt sie! Auf sie!« Der robuste, rabiate Häuptling war der hinterste von allen, prügelte und peitschte seine Kannibalen in den Kampf. Doch Erbs Mehrlader riß immerzu Funken und schleuderte tödliche Blitze. Die armen Kannibalen holten sich vorne blutige Köpfe und hinten blutige Rücken.

Jobst hatte inzwischen einen harten Stand, der erste Sturm mißlang. Eine Stimme auf der Höhe rief herunter: »Bana Bunduki, liefere all dein Elfenbein geschwind mir aus, so lasse ich dich – bei dem Grabe meines Vaters schwöre ich's – frei und unverletzt marschieren.« Der Pfadfinder kannte die heiser bellende Stimme, ein Schreck durchzuckte das eiserne Herz. Es ist Ndofu mit seinen Waduka, der uns den Weg verlegt. Wir haben zwei Heere wider uns. Ein verteufelter Fall und eine verteufelte Falle! Vielleicht kalkuliert der Schuft: Erst das Elfenbein und dann den Menschenbraten. Wahrscheinlicher aber meint er es grundehrlich und möchte seine Bundestreue gegen Sanhabe in der Weise betätigen, daß er mein Elfenbein nimmt, mich laufen läßt, um seinem Sozius Arbeit zu machen, und sich selbst mit der Beute aus dem Staube macht. Aber einem Neger ist nie zu trauen, und mein schönes Elfenbein würde ich nicht einmal dem Teufel und seiner Großmutter lassen. Sehr böse schrie er hinauf: »Du Saubraten, ich werde dir die Zähne nicht geben, aber zeigen.«

Ndofu kicherte erbost: »Wir werden dich zur Nacht rösten, obgleich du ein verdammt alter Hahn und zäher Bissen bist.«

Der Afrikaner suchte die besten Leute aus, hielt keine flammende Ansprache, sondern gab jedem ein Glas Feuerwasser und sprach die Worte, die den Neger ergreifen und begeistern: »Wer mit mir die Höhe erreicht, bekommt zwanzig Rupien.«

Zweimal stürmte Jobst mit zwölf Flinten und mußte zurückweichen. Drei Mann verstopften sich die Wunden mit Gras und verkrochen sich. Er sah die Träger an und sagte: »Dreißig Rupien!« und steigerte den Preis für ein Menschenleben: »Vierzig ... fünfzig Rupien... fünfzig!«

Da meldeten sich sechs Mann, die gierige Augen und angstgraue Gesichter hatten, und der eine sagte mit Galgenhumor: »Für fünfzig Rupien kann ich mir eine Frau und einen kleinen Pombehandel kaufen.«

Jobst wählte einen andren Sturmweg, erreichte nur zwei Drittel der Höhe und verlor vier Mann. Den, der den Pombehandel kaufen wollte, ließen sie als Leiche liegen, aber sein Gewehr nahmen sie liebevoll mit.

Die Sonne sank, die Nacht in diesem Kessel war der Untergang. Der vierte Sturm sollte und mußte gelingen. Siebzig ... achtzig Rupien wurden geboten. Sieben Neger, die an allen Gliedern zitterten, traten vor. Der Führer horchte nach hinten, wo sehr heftig geschossen wurde, und schaute Kitumbua fest an: »Du bist mein bester Kerl. Siehst du den Felsblock dort oben? Den müssen wir erreichen oder sterben. Du bleibst einen Schritt hinter mir und benutzest mich als Deckung, bis wir den Felsblock haben... dahinter verkriechst du dich, so daß keine Kugel dich kitzeln kann. Du hast nichts zu befürchten und nichts zu tun, als im Fluge die Büchsen zu laden und mir zu reichen.«

Kitumbua kraute sich: »Für den kleinen, kitzlichen Spaziergang bekomme ich zweihundert Rupien, mein Bana?«

»Nein, es ist Allahs Befehl, daß ich hundert gebe,« sagte Jobst sanft und laut, leise aber dem Exaskari ins Ohr: »Hundertfünfzig dir!«

Die Waduka schossen Kugeln und Pfeile. Drei Träger taumelten und schweißten. Auch Jobst blutete aus zwei Wunden, erreichte aber den Felsblock, der Ndofus Stellung bestrich und ihm und seinem Büchsenspanner Deckung gab. Seine berühmte Büchse bewährte sich von neuem; jeder Schuß auf den schwarzen Bienenschwarm war ein Treffer und meist ein Toter.

Ndofu heulte: »Auf die Schakale hinter dem Steine!« Der Wütige gab sich eine Blöße, ward in den Bauch geschossen und fiel mit Gebrüll hintenüber. Ein Grauen vor der Fetischflinte ergriff die abergläubischen Neger, die sofort flohen, ohne sich um ihren gefallenen König zu kümmern.

Der Pfadfinder atmete die kühle Abendluft, die köstliche Lebensluft, die ihm heute fast ausgegangen war, tief ein, stopfte frisches Gras in seine Arm- und Schulterwunde, wickelte Tuchstreifen darum, und der Verband war fertig. Mann für Mann, mit einem Zahn beladen, kletterten sie die Höhe hinauf.

Da kommt ein Bote mit Gebärden des Entsetzens von hinten. »Wir sterben... Sanhabe ist über uns!«

Jobst springt, rutscht, kollert den Abhang hinunter, rafft Leute, Gewehre zusammen und rennt mit offnem Munde. Nichts ist ihm sein Elfenbein, sein Freund und Sohn ist ihm alles.

Erb hält mit dem Schnellfeuer des Repetiergewehrs die Feinde kaum in Schach. Der Neger greift in der Regel nur aus dem Hinterhalte an; wenn aber seine Weiber oder Herden oder sein Elfenbein auf dem Spiele steht, wirft er sich auch von vorne den gefürchteten Weißen und ihren Feuerrohren entgegen. Sanhabes Zyklopenauge rollt weiß und wahnsinnig. Er hat in der einen Hand den Hinterlader, in der andren den Speer. Damit stößt er jeden seiner Sklaven, der stehen bleibt, nieder.

Am Abhang kleben, kriechen sie ... dreihundert schwarze Teufel erheben sich und heulen... Kugeln klatschen, reißen Löcher, Lücken ... aber die schwarze Mauer kommt näher ... näher.

Fatima liegt neben Erb und lädt seine Büchsen.

Die schwarze, schreckliche Phalanx ist nur zehn Schritte entfernt, schreit, schleudert... nur fünf... nur drei Schritte noch.

Die Todesangst, die tolle Panik wirft die armen Träger auseinander, sie rennen.

Erb steht mit Fatima ganz allein, steht aufrecht und verschießt die letzte Kugel des Magazins. Sie reißt ihn zurück, raunt: »Wir müssen fliehen, Bana!«

Er macht lange Sprünge, hüpft ein paarmal, fällt auf die eine Hand – ein Speer drang ihm in den Fuß. »O Allah, Allah!« wehklagt die Dirne und will ihren Herrn heben.

Er kann nicht gehen, geschweige denn laufen und sagt fest: »Laß mich liegen, rette dich!«

Die Treue verläßt ihren Bana nimmermehr, richtet ihn auf die Füße und fleht: »Leg' den Arm um meine Schulter und beiße die Zähne zusammen!«

Nur ein paar Schritte! Ein Dritter gesellt sich zu ihnen, der verängstigte Pavian kommt aus dem Busch auf allen Vieren gesprungen und schmiegt sich an seinen Herrn.

Die Horde stürzt herbei. Sanhabe sieht die Dirne, die ihm bekannt ist, und lacht: »Ei, an diesem hübschen Fasan will ich mich gütlich tun, bindet dem Goldfasan die Flügel!«

Ein Neger faßt mit beiden Fäusten seinen Speer, um den verwundeten Weißen zu durchbohren. Erb hebt instinktiv die Hand... der Todesstoß kommt nicht.

Der Affe wird in der Verzweiflung zur zähnefletschenden, gefährlichen Bestie, hat ein Raubtiergebiß, scharfe Krallen und eine gewaltige Kraft. Er springt dem Speerstoßer ins Gesicht, ins blutüberströmte, das tiefe, leere Augenhöhlen hat. Der Pavian springt immer nach der Gurgel, nach den Augen.

»Der Teufel, der Teufel!« schreien die Kannibalen vor Schreck. Einige aber schießen ihre Giftpfeile auf den Pavian, der sofort zusammenbricht. Basse blickt mit den brechenden, jetzt wahrhaft menschlichen Augen nach seinem Bana hin.

Fatima ist gepackt und gefesselt, weil sie nur an ihren Herrn und nicht an sich und ihr Bowiemesser denkt. Sanhabe weidet sich an dem Anblick des fußwunden Mannes, grausam wie die Katze, die mit der kriechenden Maus spielt. Er will höchsteigenhändig der Henker und Metzger sein, der das Opfer abschlachtet zum schauerlichen Mahl. Da durchblitzt ein diplomatischer, staatsmännischer Gedanke sein Gehirn. Der Gefangene soll ihm als Werkzeug und Geisel dienen, um alle Zähne zurückzubekommen, um alle Flinten von den dummen Weißen zu erpressen.

Haha, der magere Herr soll gut gefüttert werden mit Maisbrei, der gut mästet. Das hübsche, helle Weib soll auch mehr Speck auf den Rippen haben, soll zunächst zu Scherz, Spiel und Schäkerei ihm dienen. Sanhabe kneift leutselig ihre Wange. Sie beißt und spuckt nach dem Scheusal.

Der Sultan läßt die Gefangenen und die Zähne – fast die Hälfte haben die Träger von sich geworfen – auf die Höhe schaffen; wie häßliche Fledermäuse huschen die schwarzen Gestalten hin und her.

Der alte Afrikaner kommt zu spät, zu spät und rauft sich den Bart. Der stahlnervige Mann möchte weinen, schreien vor Schmerz und Grimm. Mein Erb, mein Sohn, ich bin durch meine verfluchte Gier nach dem verteufelten Elfenbein an deinem Tode schuld, o mein Gott. Jobst entblößt das Haupt und betet: »Allmächtiger, ich komme dir nicht mit Wehklagen und Winseleien, solange ich mich selbst heraushauen und den Schaden mit einer Kugel kurieren kann. Jetzt aber ist es ganz aus mit meiner Kunst. Großer Gott, hilf mir, gib mir einen pfiffigen Gedanken! Errette das junge, brave Blut, für das ich ins Feuer, ja an den Bratspieß ginge... er ist es wohl wert, daß du ein kleines Wunder tust oder ein kräftiges Wort mit den Kannibalen sprichst. Hilf dieses eine Mal, du alter, guter, treuer Gott!«

Ein Erstürmen der steilen Höhe ist unmöglich, der Rand ist stark besetzt. Jobst brütet und horcht, immer hellwach und sprungbereit, die ganze Nacht, als müsse etwas geschehen und Gottes Hand eingreifen.

Die Neger haben schnell aus Buschholz Hütten gebaut und mit Elefantengras gedeckt. In einem dieser Schuppen liegen die Gefangenen, mit Lianen gefesselt. Man bietet ihnen sogar Hirsebrei und Pombe an. Fatima antwortet grob: »Löse mir die Fesseln, ich will mich von deinen schmutzigen Fingern nicht füttern lassen.«

»Das ist mir bei Todesstrafe verboten ... bitte Sanhabe darum, der dich bald besuchen wird, du hellbraune Taube! Er ist ein schrecklich-grausam-großer König, dem nur die Weiber etwas abschmeicheln können.«

Der Despot hat also eine Schwäche für das schwache Geschlecht.

Fatima hält Augen und Ohren offen, lauscht, späht, spinnt hundert Pläne. Sie weint und klagt nicht trotz der mehr als gräßlichen Lage, sondern flüstert ihrem Herrn Mut zu: »Bana Bunduki wird wie ein Luchs kommen.«

»Nein, es ist aus,« sagt Erb krank und müde.

»Nein, nein!« Die kleine Wilde aus Simbalimpi erwacht. »Eher beiße ich mir die Ader durch, um zu verbluten.« Fatima schlägt ihre weißen Zähne in die Lianen hinein, die fester als Hanfseile sind, zerrt und reißt, bis ein Fetzen sich löst. Mit Ausdauer nagt die Maus, nur afrikanische Zähne sind solcher Arbeit gewachsen.

Erb hat starke Schmerzen, aber eine stille Ergebung. An seine Mutter und ihr Wort – Wenn du mal in einer ungeheuren Not bist, dann schreie zu Gott, und du wirst ihn sehen – muß er unaufhörlich denken; sein Auge starrt ins Dunkel, seine Seele betet. »Du Ewiger, im endlosen All der Erste und Letzte, ich habe dich hinter Kerkermauern verloren, aber in der Wildnis deine Nähe geahnt, in hundert Gefahren deinen Hauch gespült. Befreie mich aus den Händen der Menschentiere, so weiß ich, daß du bist und warst und sein wirst, so will ich dich fürchten und ehren, dir danken und dienen.«

Die Sekunden werden zu Minuten. Er betet immer dasselbe. Das ist nicht energieloser Fatalismus, sondern jener starke Glaube, der Helfer und Heerscharen sieht, die kein Menschenauge erblickt. Ein Elias sah sie und sagte: Siehe, Wagen und Rosse Israels.

Die Maus beißt und nagt. Draußen rasselt die wilde Tanztrommel, die Neger zechen und lärmen, blutbeschmierte Gesellen braten am Feuer große Stücke der gefallenen Träger. Plötzlich brüllt eine Stimme – alles wird still – von unten zur Höhe empor: »Sanhabe, du Scheusal! Frage die Weißen und Schwarzen, wie Bana Bunduki Rache nimmt! Gib den jungen Bana Simba heraus und behalte alle Zähne!«

Der Sultan ruft mit treuherziger Stimme über den Rand: »Die Pombe hat mein bissiges Herz erheitert... du alter Habicht, warum sollen wir einander die Federn aushacken? Ich liefere dir deinen Sohn aus, den wir wie einen Sultan behandelt und mit einem großen Stück Wanjamwesischinken« – er macht Kannibalenwitze, die getöteten Träger waren aus Unjamwesi – »bewirtet haben, und du gibst mir alle meine Zähne zurück und dreißig von deinen Gewehren, nur dreißig... bin ich nicht ein guter, versöhnlicher Kerl?«

»Nein, ein großer Dummkopf, du möchtest meine Rohre haben, um gleich nach der Auslieferung mich mit meinen eignen Gewehren zu massakrieren. Morgen werden die Geier an deinem Wanste schmausen.«

Sanhabe geht zum Feuer, ißt und trinkt. Er rülpst und reckt sich und revidiert um Mitternacht die Wachen. Sein Gang ist etwas schwer, sein Zyklopenauge gläsern geworden und schielt lüstern nach einer Hütte hin. Er will mit dem hübschen Fasan scherzen und schäkern, nimmt aber als vorsichtiger Mann seinen Hinterlader in die eine und einen Feuerbrand als Fackel in die andre Hand.

Die Maus nagt nicht mehr, die Lianenfessel hängt noch an ein paar Fasern an den Handgelenken, die Fatima unter dem Gewand verbirgt. Ihr schwarzes Auge funkelt unheimlich, aber auf ihrem Gesicht liegt ein künstliches, kokettes Lächeln. Ihre Lippen schmachten den scheußlichen Zyklopen an. »Mein Herr und Löwe, kommst du zu dem bangen Vöglein? Du bist ein stattlicher Mann und ich ein kleiner Siedelsperling... willst du das Spätzlein verschlingen?«

»Oho, ich möchte dich vor Lust und Liebe fressen.« Der Halbtrunkene drückt mit dem breiten Maule ein paar Schmatze auf des Mädchens Wange. Sie schüttelt sich nicht vor Ekel, sondern schmeichelt den Unhold an. »Magst du mich leiden, Herr König? Du bist ein schöner Mann... nimm mich in deinen Harem!«

Der verliebte Gorilla stößt die Fackel in die Buschwand und stellt sein Gewehr daneben, schlägt die Beine unter, umschlingt die Dirne und schnobert an ihrem Gesicht herum. »Ei, du hast weiches, zartes Fleisch.«

Erb wendet sich mit Abscheu ab, um das ekelhafte Schauspiel nicht zu sehen, und wird in der Stunde irre an Fatima. Die Schändliche umgirrt den tierischen Neger, um ihr Leben mit ihrer Schande zu erkaufen; die Schlaue wird ihren Weg machen und noch Königin der Kannibalen werden.

»Willst du mich in deinen Harem nehmen, so will ich dir zeigen, wie ich küssen kann,« lispelt sie, »komm, ich will dein stolzes Königsauge küssen.«

Fatima beugt sich über das Affengesicht, bedeckt mit ihren Lippen das Zyklopenauge, das unter dem Judithkusse nichts sieht noch argwöhnt. Ihre Hände zerreißen unter dem Gewand die letzten Fasern und fassen das lange, spitze Messer. Es fährt aus dem Busen, wie eine blanke Schlange. Fatima küßt das Zyklopenauge wie eine Mänade, aber ihre Lichter lohen, wie die Flammenaugen der rachedürstenden Erinnye. Sanhabe darf kein Todesgebrüll, keinen Ton ausstoßen. Die zarte Mädchenhand zielt ohne Zucken nach dem Herzen und stößt das lange, spitze Messer bis zum Heft hinein. Das Wollhaupt fällt zurück, und aus dem Halse steigt ein röchelndes Rallen. Der scheußliche, schwarze Holofernes ist nur ein Kadaver, von dem ihr Arm mit Ekel zurückstiebt. Ist sie eine heimtückische Mörderin oder eine hohe Heldin? Die afrikanische Judith reißt das Messer, dem ein dicker Blutstrahl folgt, heraus und durchschneidet die Fesseln ihres Herrn.

»Bana, nimm das Gewehr, stütze dich darauf und auf meine Schulter, beiße die Zähne zusammen! Allah, hilf!«

Sie fliehen an schnarchenden Schläfern vorbei. Jeder Tritt ist eine Marter, als führen hundert Dolche vom Knöchel bis zum Knie. Werden sie durch die Wachen kommen? Erb preßt den Arm um Fatimas Nacken und berührt das goldene Fetischhalsband, das im Krokodilmagen gefunden und aus dem Tanganjika gefischt wurde; ein kalter Schauder durchfährt ihn.

Ein Neger lehnt über dem Abhange am Kameldorn – sein Kopf baumelt auf die Brust – und schläft im Stehen. Leise, leise vorbei! Der spitze Stein bohrt und brennt im Fuß wie Feuer. O – o! Ein Schmerzensseufzer weckt die Wache, der Kerl hebt das hängende Haupt. In die Brust fährt ihm das blutige Messer der Fatima, doch der Körper fällt mit Krachen hin. Ein Neger springt und schwingt den Speer und brüllt Alarm.

»Bana, schieße ihn nieder!« sagt die braune Judith kalt. Erb schießt, sie erhebt die helle, gellende Stimme: »Bana Bunduki, Hilfe, herbei, hier wir!«

»Hier Bunduki! Ich komme!« Jobst, der die ganze Nacht gespäht, gehorcht, auf irgend etwas gewartet hat, klettert, keucht die steile Höhe hinan.

Es ist für Erbenheim eine unmenschliche Qual, den Hang hinunterzukriechen. Die Neger heulen den Flüchtlingen nach. Der Abhang wimmelt von schreienden, schwarzen Pavianen.

Jobst schießt und schreit: »Hierher, mein Sohn!«

Da ist die Rettung, der Hinkende beeilt sich zu sehr, stolpert, knickt ins Knie. Die treue Dienerin hält und hebt ihn. O, schwarze Gorillahände greifen durch die Luft, aber die flinke Dirne enthüpft ihnen wie eine Antilope. Ach, die schwarzen Hände sind hinter ihr, die leicht sich retten könnte, aber hinter ihrem kranken Herrn bleibt. Das Gold am Halse gleißt durch die dunkle Tropennacht. Das rätselhafte Krokodilhalsband wird Fatimas Verhängnis und Fatum. Ihre behende Gestalt entschlüpft noch einmal, aber eine Hand packt das Halsband und reißt die tapfre Judith hintenüber. Sie sticht mit dem Bowiemesser um sich, jedoch zehn... zwölf Speere der Kannibalen umringen sie.

Erb wendet sich rückwärts nach dem Getümmel, sieht mit stierem Entsetzen seine Retterin in der Gewalt der Kannibalen und besinnt sich nicht. Er muß und will sie herausreißen, drückt den zweiten Lauf ab – ein Negerkörper kollert zu Tal – und schwingt den Kolben als Keule. Ach, der fußwunde Mann kommt nicht als Stürmer, sondern als Kriecher mühselig-stöhnend bergan.

Ihr teurer, geliebter Herr rennt in die Hände der Teufel, in den Tod um ihretwillen. »Mein lieber, lieber Bana, fliehe, fliehe... ich muß für dich sterben ... lebe wohl, mein geliebter Herr... ich ster–be.«

Die junge Heldin holt mit dem Messer aus und sticht es sich in die treue Brust und das tapfre Herz.

Erb wird von Schreck geschlagen, schreit, wehklagt: »Fatima, was hast du getan!«

Schnaufend, schniefend steht Jobst neben ihm mit seiner nie fehlenden Büchse, zwei Sekunden zu spät gekommen, und beide schießen über Fatimas Leiche hinweg, rächen ihren Tod und fegen die Wilden, die wie Steine kopfüber poltern, vom Hang herunter.

Schwarze, krank geschossene Schlangen keuchen allerwegen nach oben. In der Ferne erhebt sich das schrille Klagegeheul der Neger um den toten Sultan Sanhabe; um den grausamen Despoten, der sie wie Hunde schlug und wie Würmer zertrat, raufen sich die Sklavenseelen das Wollhaar aus. Ihren sterbenden Brüdern reichen sie keine Hand, aber um den teuflischen Tyrannen, der ihnen ein Dämon war, winselt das Hundegelichter. O dunkelstes Afrika!

Erb taumelt auf dem armen, arg mißhandelten Fuß, der grauhaarige Alte trägt ihn wie ein krankes Kind.

Der vorsorgliche Kitumbua hat auf der entgegengesetzten Höhe einen Verhau gemacht, die Menschenfresser wagen keinen Angriff und heulen ihre Totenklagen durch die Nacht.

Erb wehklagt mit weher Stimme immerzu: »Fatima... Fatima... ist tot.«

Der Oheim brummt nach einer Weile: »Mensch, du flennst wie ein Frauenzimmer. Warum mußte das dumme Ding sich töten, wo ich gleich da war? Mein Sohn, man soll um ein farbiges Weib nicht weinen!«

Erb richtet sich auf und redet: »Die Kleine war groß, ja größer als wir alle. Selbstmord sagst du? Nein, nein, ein edler, schöner, heiliger Opfertod war ihre Tat... um zu verhindern, daß ich umkehrte und in Gefangenschaft geriet, starb sie für mich, für mich. Das ist die größte Liebe, die ihr Leben läßt für den andren.«

»Ich meine, als sie von hinten niedergerissen wurde, stach sie sich das Messer in die Brust, um nicht von den Bestien gefangen und geröstet zu werden.«

»Das war vielleicht der eine, instinktive, aber der bewußte und höchste Grund ihres Todes war, meinen Tod zu verhüten um den Preis ihres Lebens. Ach, du kamst um einen Schritt zu spät.«

»Ich habe den Leichnam der Kleinen bergen und auf grünen Zweigen aufbahren lassen. Ihr hübsches Gesicht ist so friedlich und scheint sogar zu lächeln. Manchmal muß ich an einer Bahre denken: Die Toten lächeln und lachen uns aus, weil wir eine solche Heidenangst vor dem unbekannten Lande haben.« – – –

Jobst stellte die Verluste fest, harkte verdrießlich seinen Bart und fragte vorsorglich seinen Neffen: »Kannst du Unangenehmes zu hören vertragen?«

»Das sind nur Kleinigkeiten neben dem großen, unersetzlichen, unvergeßlichen Verlust.«

»Zwölf Träger sind gefallen ... schlimm, sieben Gewehre fehlen... schlimmer, etwa fünfzig Zähne sind geraubt und vom Gewinnkonto zu streichen... am schlimmsten! Das ist ein sehr schwerer Verlust. Ich glaube, wir könnten ohne viel Risiko die Kannibalen, die den Häuptling und den Kopf verloren haben, angreifen und unser Elfenbein uns holen...«

»Nein, um das elende Elfenbein ist schon zu viel Blut geflossen. O, wenn die reichen Damen, die in ihren Toilettezimmern und Boudoirs, an ihren Intarsienschränken am reichen Elfenbeinschmuck sich ergötzen, ahnten und wüßten, wie viel Menschenblut an jedem weißen, winzigen Stückchen klebt, mit viel Grausamkeit und Greuel, Menschenmord und Menschenqual so ein Zahn erkauft ist, o sie würden ergrausen und in ihren Prunkboudoirs lange Leichen- und Gespensterzüge sehen.«

»Na, dann helpt datt nix,« nickte der Alte ironisch. »Darf ich mir eine Pfeife anstecken von meinem eignen Tabak? Oder klebt auch an dem Nikotinkraut zu viel Niggerschweiß und Sünde? Wir haben allerdings die achtzig besten Zähne, die vorne waren, behalten, aber von unsrem Elfenbeinkapital sind, nach Küstenkurs berechnet, 45 000 Mark zum Teufel gegangen... ich hab' so viel, daß ich nicht verhungere, aber von deinem Vermögen, mein lieber Universalerbe, geht es ab.«

Der junge, blasse Mann drückte die knochige Hand. »Was ist mir das Geld? Afrika gab mir ein andres Gut... ich habe einen wahren, zwar etwas wunderlichen, guten, edlen Vater gefunden... und ich habe Gott gesehen und gefunden in dieser Schreckensnacht.« –

Am Morgen war ein tiefes Grab geschaufelt, und große Steine lagen zum Beschweren bereit, damit die Schakale die Gruft nicht schändeten. Auf der Bahre von grünen Zweigen lag die Schläferin. Wie schön, wie unschulds- und hoheitsvoll das orientalische, edel geschnittene Antlitz im Tode war, auf den Lippen schien ein kleines, feines Lächeln erstarrt, als wie ein leises Triumphieren, daß ihr noch der letzte Streich ihrer großen Liebe gelungen sei. Erb küßte die Stirn des braunen Kindes und streute wilde, bunte Blumen und Palmenzweige auf den Körper. Der Exkannibale »Eierkuchen« weinte wie ein Kind, viele Träger erhoben eine laute Totenklage, als die Bahre in die Erde gesenkt wurde. Die Weißen waren still und erschüttert. Erb hielt der Tochter eines unbekannten, arabischen Sklavenhändlers keine Grab- und Ruhmrede, aber sein Herz liebte die Tote und gedachte der rührenden Anhänglichkeit und kindlich keuschen Leidenschaft, der kleinen, süßen Torheiten und der großen, schönen Taten dieses Naturkindes, er schrieb das Gedächtnis der Treuen unauslöschlich in seine Seele hinein.

Auf Erbs Wink luden die Träger ihre Gewehre und schossen drei donnernde Ehrensalven über das Grab der afrikanischen Judith. Wie die Helden der Schlacht mit Ehrenschüssen begraben werden, so wurde die kleine Fatima aus dem Negerdorfe Simbalimpi, die ihrem Herrn gleich einem Hündchen nachgelaufen war, wie eine Heldin und mit Heldenehren bestattet.

Die Safari verließ in raschen Märschen – die Träger lösten sich ab, da sie mehr Träger als Lasten hatten – das unheimliche Gebiet der Negerstämme, die spitz gefeilte Zähne haben und Menschen essen. Erb wurde in einem Liegestuhl auf Stangen getragen und kämpfte fortwährend – aber mit dem Wedel gegen Fliegen und Moskitos. Nur abends, im Netz verkrochen, lachte er schadenfröhlich über das erboste Gesurre und Geschimpf der Stechmücken, dem er die innere und ohnmächtige Mückenwut anhörte. In den Tagen erzwungener Ruhe dachte er sehr viel an seine Mutter und an Ella, und eine heiße Sehnsucht nach einem Briefe, einer Botschaft der Heimat erfüllte ihn. Doch es war ihm merkwürdig, daß er keine Unruhe, sondern fast eine stille Gewißheit hatte, es würden keine schlechten Nachrichten sein.

In einer Hitze, die Hochofenglut war, erreichten sie den Fluß, an dem die Kongostation lag, die so gastlich sich von ihren Gästen mit Kognak bewirten ließ und von dem Leutnant in Hausschuhen regiert und repräsentiert wurde. Man wollte am Fluß entlang, ohne die Furt zu passieren und die verkafferten Belgier zu besuchen. Kitumbua mit seinen scharfen Augen guckte durch die Büsche und stutzte zuerst. »Bana, wir haben uns verirrt, dort drüben müßte die Stange mit dem Lappen stehen... wir sind an einen andren, ähnlichen Fluß geraten.«

Der Pfadfinder schrie, als wenn »Eierkuchen« stocktaub wäre: »Ich wette fünfundzwanzig Hiebe, da... da muß die Schmutzstation liegen, wenn sie nicht von Flöhen, Wanzen und Läusen ganz aufgefressen ist.«

Die Safari ging weiter und gaffte über den Fluß. Da war kein Haus, keine Fahnenstange, kein Mensch. »Und da muß sie sein,« schrie Jobst. »Eierkuchen« grinste: »Weg ist sie und von Läusen gefressen ... Bana, wer soll jetzt die Fünfundzwanzig haben?«

Alle eilten zurück und durch die Furt. Die Militärstation war vom Feuer verzehrt, vielleicht von Kannibalen überfallen worden. Keine Leiche, nur halbverkohlte Balken auf der Brandstätte!

»Wieder eine jener schauerlichen Tragödien, an denen Afrika so reich!« rief Erb, »kein Mensch, keine Maus ist am Leben geblieben, alles verspeist!«

»Dort ist so was wie ein Mensch,« sagte Kitumbua.

Ein menschenähnliches, entsetzlich mageres Geschöpf kroch aus einem hohlen Affenbrotbaum heraus und bettelte um Speise. Es war ein Bursche von fünfzehn Jahren, ein schmutzig gelber Mestize, eine Jammergestalt, die Jobst mit Vorsicht fütterte. Der Bursche, der eine schwarze Mutter hatte und einer morganatischen Ehe des belgischen Leutnants entstammte, erholte sich bald und erzählte in Pidgin-Französisch den grauenhaften Untergang der Station. Die eignen Kongoaskaris waren die Kannibalen gewesen, die vor zwei Wochen gemeutert, den Leutnant und alle weißen Unteroffiziere gemordet hatten. Die Meuterer hätten zwei Frauen und acht Bastardkinder in den Fluß zu den Krokodilen, die Leichen der Weißen ins Feuer geworfen, hätten vorher alle Munition und Vorräte herausgeholt und das Weite gesucht.

»Wie bist du dem Tode entronnen?«

»Ich schwamm im Wasser, die Krokodile, die Fleisch genug hatten, waren faul und verfolgten mich nicht, ich habe im Schilf zwei Tage und Nächte gesessen.«

»Warum haben die Banditen Aufruhr gemacht?«

»Mein Leutnant sah eines Abends, daß die junge Frau Katjuscha mit einem Askari hinter den Bananen stand und geküßt wurde, konnte aber den Mann nicht erkennen und nicht ergreifen. Am Morgen mußten alle Mann zum Appell antreten, und er drohte: Wer die Katjuscha geküßt habe, solle sich melden, oder er werde alle der Reihe nach totpeitschen und hängen. Keiner meldete sich. Da wurde mein Leutnant wild, schrie einen Mann, den er im Verdacht hatte, an: Du Halunke bist es gewesen, heraus, du sollst hängen! Obgleich der Askari weinend seine Unschuld beteuerte, wurde er sofort am Baume aufgeknüpft. Der Herr schäumte und schrie: Wenn morgen beim Appell der Hund, der Küsser, sich nicht selbst stellt, kommt der zweite in die Hanfschlinge, übermorgen der dritte und so weiter. Dann krieg' ich den Schuldigen gewiß, ich will es euch abgewöhnen, die Katjuscha abzulecken! Die Askaris murrten miteinander. Am zweiten Morgen standen alle still und starr in Reih und Glied. Der rasende Herr brüllte wie ein Löwe, riß den Askari Bibiri heraus, legte den Strick um den Hals und ließ ihn hochziehen. In der dritten Frühe meuterten die Askaris, fielen über meinen Leutnant, der den Strick bereit hielt, her, hängten ihn an den Füßen auf, daß die Fliegen und Ameisen langsam ihn fräßen, und warfen die Unteroffiziere ins Feuer.«

»Hier hat der Tropenkoller in seinem schauerlichsten Wahnsinn gewütet,« sagte Jobst.

»Und der Alkohol,« antwortete der andre.

Der Mestize bat, ihn mitzunehmen. Erb hatte Mitleid mit dem Burschen, der einen unangenehm scheuen Blick hatte, und nahm ihn trotz einer gewissen Antipathie in seinen Dienst. »Du kannst mein Boy sein, aber ich habe einen sehr braven gehabt und fordre viel Fleiß und völlige Treue. Wie heißt du?«

»Maurice! Wie viel Lohn soll ich haben?« fragte der Franzose und Frechdachs mit flinker Zunge und ausgeprägtem Geschäftsgeist.

»Drei Rupien und dreißig Hiebe im Monat! An dem wirst du deine helle Freude erleben,« lachte der alte Menschenkenner.

Die Karawane marschierte nach dem Tanganjika, fuhr über den herrlichen See und schlug den bekannten Weg nach Tabora ein. Ohne Abenteuer wurde das Handelsemporium erreicht. Das schreibt sich mit wenig Worten und ist doch eine endlose Kette von Mühseligkeiten, von Mücken-, Hitz- und Durstpein, ein monatelanger, ungeheurer Verbrauch von Ausdauer und Energie.

Von seinen Guttaten hat der Mensch oft Verdruß. Maurice log wie ein Inder, stahl wie ein Neger und wurde rund und fett in seinen Sünden. »Nimm den Kiboko!« bat der alte Praktikus. Erb wollte aber von der Prügelpädagogik nichts wissen und behandelte den Bengel, der den Europäer nur in seiner Entartung kennen gelernt hatte, mit Nachsicht.

Der fünfzehnjährige Bursche betrank sich in Tabora, und es zeigte sich, daß er nachts aus der Hosentasche seines Herrn Geld gestohlen hatte. Da nahm Jobst die Erziehung in die Hand. »Mein Sohn, du hast dich wie ein ganzer Mann besoffen, nun sollst du wie ein Mann bestraft werden.«

Die Hiebe hatten eine ausgezeichnete Wirkung. Maurice war eine Woche artig und manierlich, wusch sich die Pfoten und fuhr nicht in die Schüsseln und Schurze anderer Leute hinein.

Die Sozii konnten ihr Elfenbein hier nicht preiswert verkaufen. Die beiden Inder, die entsprechendes Betriebskapital besaßen, bildeten schnell einen Ring und boten einen Schandpreis, um die Beute zu teilen. Jobst fuhr den ölglatten Hindu saugrob an: »Du Buddhaanbeter wagst mir drei Rupien zu bieten für's Pfund? Wenn ich Sultan von Ostafrika werde, will ich das ganze indische Gelichter in die Sklavengabel stecken und an die Kongokannibalen billig verkaufen.«

Jeder alte Afrikaner verwünscht die Inder, die meistens gaunerische Händler, Halsabschneider und Blutsauger sind.

Der Marsch nach der Küste war lang, aber für Erb, der sich nach Briefen sehnte, ein froher Weg. Doch eines Tages wurde er sehr traurig. Seinem Oheim war eine Pfeife, die Lieblingspfeife, gestohlen worden, der Verdacht fiel natürlich auf Maurice, der mit sittlicher Entrüstung sich nackt auszog und seine Lumpen zum Visitieren hinwarf. »Sucht doch in meinem Munde, meiner Nase!« sagte er. »Ich sah im Morgenzwielicht einen Verdächtigen am Zelte ... das Gesicht sah ich nicht, aber die Gestalt war so lang und breit wie Kitumbua.«

»Für den lege ich meine Hand ins Feuer,« sagte Erbenheim.

»Ich schwöre auf keinen Neger.« Jobst ließ die Träger antreten und beklopfte ihre Schurze und Taschen. Kitumbua half ihm eifrig beim Tasten.

Der alte Pfiffikus stolperte plötzlich, stieß seinen Helfer an, pfiff durch die Zähne und holte die Pfeife aus Kitumbuas Tasche. Der Alte regte sich nicht auf, sondern bat ruhig: »Bücke dich, mein Sohn, und nimm deine Fünfundzwanzig!«

»Dieb, Dieb, Dieb!« triumphierte Maurice, denn er haßte den Aufseher, der ihm scharf auf die Finger sah. »Bana, gib ihm nicht fünfundzwanzig, sondern fünfzig... ein Aufseher bekommt ja die doppelte Ration.«

Kitumbua glotzte. »Was ... wie... kommt die Pfeife in meine Tasche?«

»Deine Linke wird doch wissen, was deine Rechte geklaut hat... bitte, bücke dich!«

Der Askari knirschte mit den gefeilten Zähnen und rollte mit den Augen. »Wer... wer hat die Pfeife in meine Tasche...?«

»Jedenfalls ein gewisser »Eierkuchen«.«

»Ich bin kein Dieb ... kein Dieb!« Der Neger sprang wie ein wundes Tier, riß sein Gewehr aus der Pyramide, setzte den Lauf auf die Brust und drückte mit der großen Zehe ab. In der letzten Sekunde schlug Erbenheim den Lauf zur Seite.

Jobst betrachtete den aufgeregten Askari und sagte ruhig: »Du bist unschuldig, mein Sohn, hier hast du zwei Rupien für die Angst.« Mit demselben Gleichmut fuhr er fort: »Der Maudit-Maurice muß hängen!« Der belgische Bastard führte nämlich das Wort » maudit« immer und zum Ekel im Munde. Er nahm Maurice am Arm und in die Beichte, aber erst nach stundenlangem Verhör, und nachdem ihm Straffreiheit versprochen war, wurde der Bengel mürbe und bekannte, daß er aus Jux die Pfeife im Rock des Aufsehers versteckt habe.

»Jage das kleine Scheusal zum Teufel!« knurrte der Alte.

»Nein, er hat unser Wort, ihm darf nichts geschehen,« antwortete der Neffe.

Gegen Abend hörten die Weißen ein erbärmliches Geschrei, und Jobst schmunzelte: »Ich höre nichts, mache deine humanen Ohren fest zu!« – Kitumbua spuckte in die großen Fäuste und schlug Maurice für seine Missetat windelweich. Aber der von Kind an verprügelte Taugenichts war gegen Schläge fast immun geworden, lief nach der Züchtigung hinter das Zelt und streckte die Zunge lang aus.– – –

Weit und endlos sind die Wege in Afrika. Aber auch diese lange Reise, die Jahre gewährt hatte, war endlich am Ausgangsziel. Als die Deutschen die Kokospalmen, die wie Riesenwedel auf langen Stangen stehen, erblickten, warfen die Suaheli ihre Elefantenzähne hin und fingen an zu weinen beim Anblick ihrer Heimat, ihrer Palmen und ihrer Küste. Die andren Träger lärmten und schrien: »Daressalam, Daressalam!« Dort unten lag die weiße Wunderstadt, von der sie in ihren rauchigen Hütten so märchenhafte Dinge gehört, und deren Herrlichkeiten sie jetzt sehen sollten.

Das Gerücht von der Ankunft einer großen Elfenbeinsafari hatte unbegreiflich schnell in der Stadt des Küstenklatsches unter Interessenten und Neugierigen sich verbreitet. Käufer und Müßiggänger, Makler und Agenten eilten nach dem Platze, wo die Karawane Halt gemacht hatte. Alle bewunderten und beneideten die großen Zähne; erstklassiges Elfenbein war damals schon in Afrika recht knapp und rar geworden.


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